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§ 21 Abs. 5 WEG – Kostenabweichungen müssen beschlossen werden

AG Lübeck – Az.: 35 C 39/21 WEG – Urteil vom 11.02.2022

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 18.8.2021 zu TOP 14 (Elektromobilität) wird insoweit für ungültig erklärt, als beschlossen wurde, die Kostenverteilung für die Energieversorgung der beabsichtigten Ladestationen „wie oben dargestellt auf alle Nutzer angemessen zu verteilen“.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger sind Mitglieder der Beklagten, d. h. der Wohnungseigentümergemeinschaft.. Sie sind Eigentümer der in der Teilungserklärung mit der WE 049 bezeichneten Wohnung und zugehörigem Tiefgaragenstellplatz Nr. 100.

Verwalterin des Objektes ist das Wohnungsunternehmen D. aus L..

Am 18.8.2021 fand eine ordentliche Eigentümerversammlung statt. Unter Tagesordnungspunkt 14 (Elektromobilität) geht es laut Protokoll um die Frage der Beschlussfassung über die Beauftragung der Verwalterin, die Stadtwerke L. mit der Planung eines gemeinsamen Lastmanagements und der Schaffung einer Ladeinfrastruktur zu beauftragen, um die derzeit maximal möglichen 10 Anschlüsse für Wallboxen zur Herstellung der Elektromobilität zu installieren. Im Protokoll ist dann aufgeführt, dass es 7 beantragte Anschlüsse gibt. Weiter heißt es dort unter anderem: „Kosten ca. 45.000,00 Euro, die von den neuen Miteigentümern der zu betreibenden Ladestationen zu gleichen Teilen zu tragen sind“.

Anschließend erklärten sich die Wohnungseigentümer mit folgender Beschlussfassung mehrheitlich einverstanden:

„Da die Gesamtsituation derzeit noch keine Beschlussreife bietet, schlägt Herr K. vor, zumindest einen Duldungsbeschluss dergestalt zu fassen, dass sich die Versammlungsteilnehmer vom Grundsatz her damit einverstanden erklären, dass in der Tiefgarage und den Außenstellplätzen eine Energieversorgung der einzelnen Stellplätze mit Ladestationen erfolgen darf. Die Kostenverteilung richtet sich nach dem WEG und ist, wie oben dargestellt, auf alle Nutzer angemessen zu verteilen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das mit der Klageschrift in Kopie zur Akte gereichte Protokoll vom 18.8.2021 Bezug genommen (Bl. 5 ff. d.A.).

Die Kläger stellten selbst keinen Antrag auf Nutzung einer Wallbox. Sie verfügen an dem zu ihrer Wohnung gehörenden Stellplatz über eine einfache Steckdose mit einem handelsüblichen 220 V-Anschluss. Diese Steckdose verfügt über einen eigenen Stromzähler.

Die Kläger sind der Auffassung, die der Teilanfechtung des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 14 zugrundeliegende Kostenregelung widerspräche dem Gesetz und damit ordnungsgemäßer Verwaltung. Nach der gesetzlichen Regelung sei eine Verteilung der Kosten zu gleichen Anteilen nicht vorgesehen, vielmehr müsse diese nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile erfolgen.

Die Kläger beantragen, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 18.8.2021 zu TOP 14 insoweit für ungültig zu erklären, als beschlossen wurde die Kostenverteilung für die Energieversorgung der beabsichtigten Ladestationen „wie oben dargestellt auf alle Nutzer angemessen zu verteilen“.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Kostentragungspflicht der Nutzer der Wallboxen zu gleichen Teilen entspräche der gesetzlichen Kostenregelung des § 21 WEG. Hierbei sei auch auf die Vorschrift des § 21 Abs. 5 WEG abzustellen. Da die Ladesäulen für die Antragsteller pro Stellplatz errichtet würden, seien die Kosten unabhängig von der Größe des Miteigentumsanteils und der Größe des Stellplatzes, sodass diese Kostenregelung billigem Ermessen entspreche.

Der Gebrauch der Ladestation sei auch nur von der Nutzung des Stellplatzes und nicht von der Größe des Miteigentumsanteils abhängig.

Das Gericht nimmt ergänzend Bezug auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.2.2022.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Teil des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 18.8.2021 zu TOP 14 (Elektromobilität) wird gemäß klägerischem Antrag insoweit für ungültig erklärt, als beschlossen wurde die Kostenverteilung für die Energieversorgung der beabsichtigten Ladestationen „wie oben dargestellt auf alle Nutzer angemessen zu verteilen“.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Beschränkung auf eine Teilanfechtung des Tagesordnungspunktes 14 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Der erste Teil des Beschlusses, der nicht angegriffen wurde, kann selbstständig für sich bestehen bleiben.

Im ersten Teil des Beschlusses, der nicht angefochten wurde, erklären sich die Wohnungseigentümer grundsätzlich damit einverstanden, dass in der Tiefgarage und den Außenstellplätzen eine Energieversorgung der einzelnen Stellplätze mit Ladestationen erfolgen darf. Bei diesem Beschlussteil geht es um die Zustimmung der Wohnungseigentümer zu einer baulichen Veränderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG. Anders ausgedrückt geht es um das „Ob“ der Maßnahme, welcher die Wohnungseigentümer grundsätzlich zustimmen müssen, außer die Maßnahme wäre nicht angemessen (vgl. BeckOK WEG / Elzer, 47. Ed., Stand 1.1.2022, § 20 WEG Rn. 81, 103).

Dieser Teil, d.h. das „Ob“, ist von § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG, wonach über die Durchführung im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zu beschließen ist, zu trennen. Im letzteren Fall geht es um das „Wie“ der Durchführung der privilegierten baulichen Maßnahme, d.h. die Mitbestimmung über die Art und Weise der privilegierten baulichen Veränderung. Hier besteht teilweise ein Ermessen der Wohnungseigentümer (a.a.O., Rn. 109, 110). Bei dem „Wie“ der Durchführung spielt auch die Kostenverteilung eine Rolle. Um die Kostenverteilung geht es im angefochtenen Beschlussteil.

Es ist nicht zu beanstanden wenn bei einer privilegierten baulichen Veränderung im obigen Sinne nur die Regelung hinsichtlich des „Wie“ angegriffen wird. Das „Ob“ der Maßnahme kann problemlos für sich bestehen bleiben, da die Wohnungseigentümer insoweit mit ihrem Beschluss rechtlich unabhängig von der späteren konkreten Durchführung dem grundsätzlichen Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Zustimmung zu einer derartigen privilegierten baulichen Maßnahme nachkommen.

Der angegriffene Teil des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 14, wonach die Kosten auf alle Nutzer angemessen zu verteilen sind im Sinne einer Verteilung zu gleichen Teilen auf alle Nutzer widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne der §§ 18 Abs. 2, 19 Abs. 1 WEG. Nach § 18 Abs. 2 WEG kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie eine Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen und den gesetzlichen Regelungen entspricht.

Die beschlossene Kostenregelung widerspricht aber der gesetzlichen Regelung im Wohnungseigentumsrecht. Die gesetzliche Kostenregelung ergibt sich im Wohnungseigentumsgesetz grundsätzlich aus § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG, wonach die Kosten jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seiner Anteile (Miteigentumsanteile) zu tragen hat.

Diese Kostenregelung, d.h. dieser gesetzliche Maßstab gilt auch im Rahmen der Kostenverteilung bei den Kosten einer baulichen Veränderung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG. Die Kosten einer privilegierten baulichen Veränderung (hier Installation eines Lastmanagements und Wallboxen) haben grundsätzlich die Wohnungseigentümer zu tragen, die dieses verlangen, wobei bei mehreren Eigentümern, die die Gestattung erhalten haben, diese Kosten unter ihnen (entsprechend) § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG umzulegen bzw. von Ihnen nach diesem Schlüssel zu tragen sind (a.a.O., § 21 WEG Rn. 65, 12 und Grüneberg / Wicke, 81. Aufl. 2022, § 21 WEG Rn. 11 jeweils mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung). So heißt es denn auch in der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 1 des Gesetzentwurfes, dass der Entwurf keine ausdrückliche Regelung für den Fall vorsieht, dass eine bauliche Veränderung mehreren Wohnungseigentümern gestattet worden ist oder diese gemeinschaftlich eine bauliche Veränderung verlangt haben. Denn es sei selbstverständlich, dass auch in diesem Fall das Verhältnis der Miteigentumsanteile für die Verteilung der Kosten und Nutzungen maßgeblich ist. Für den Fall der nachträglichen Gestattung ergäbe sich dies ausdrücklich aus § 21 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 3 des Gesetzentwurfes (BR-Drs. 168/20, Seite 74).

Eine Verteilung der Kosten zu gleichen Teilen widerspricht dieser gesetzlichen Regelung.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Vorschrift des § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG berufen. Das liegt einerseits daran, dass aus dem Beschlussprotokoll vom 18.8.2021 nicht ersichtlich ist, dass die Wohnungseigentümer überhaupt an eine abweichende Verteilung der Kosten im Sinne des § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG dachten. Das liegt andererseits daran, dass eine Verteilung der Kosten abweichend zum gesetzlichen Regelfall nicht ausdrücklich beschlossen wurde.

Nach der Vorschrift des § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG können Wohnungseigentümer eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels muss sachdienlich sein und dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen (Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 21 WEG Rn. 105).

In diesem Rechtsstreit hat die Beklagte zwar gute Gründe vorgetragen, warum eine Verteilung der Kosten auf alle Nutzer der Wallboxen zu gleichen Teilen angemessen sein und von der Verteilung der Kosten auf die Nutzer entsprechend ihren Miteigentumsanteilen abgewichen werden kann.

Jedoch ergibt sich eine derartige Begründung nicht aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 18.8.2021. Wenn unter Tagesordnungspunkt 14 unter anderem ausgeführt wird, dass sich die Kostenverteilung nach dem WEG richtet und wie oben dargestellt auf alle Nutzer angemessen zu verteilen sei im Sinne einer Kostentragungspflicht zu gleichen Teilen, macht dies vielmehr deutlich, dass die Wohnungseigentümer in ihrem Beschluss formal gar nicht entgegen der gesetzlichen Regelung entscheiden wollten. Die Darstellung im Protokoll legt vielmehr nahe, dass die abstimmenden Wohnungseigentümer dachten, die Kostenverteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz sei eine solche zu gleichen Teilen.

Letzteres ist aber, wie oben dargelegt, nicht der gesetzliche Maßstab der Kostenverteilung.

Wenn von diesem gesetzlichen Maßstab nach § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG abgewichen werden soll, muss darüber hinaus diese abweichende Verteilung der Kosten im Regelfall ausdrücklich beschlossen werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit, insbesondere auch im Hinblick auf Rechtsnachfolger muss ein Beschluss nach § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG mit einer vom Gesetz abweichenden Kostenregelung deutlich erkennen lassen, inwieweit von den gesetzlichen Folgen des § 21 Abs. 1 WEG abgewichen werden soll (Jennißen, a.a.O., Rn. 108). Das ist hier nicht geschehen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

 

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