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Abgeltungsvergleich – Anfechtung bei unwirksamer Eigenbedarfskündigung

LG Osnabrück – Az.: 1 S 9/18 – Urteil vom 30.11.2018

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das am 11.12.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Meppen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf bis zu 15.145,81 €.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche angesichts einer Eigenbedarfskündigung.

Per Mietvertrag vom 01.05.2006 vermietete der Beklagte der Klägerin das Einfamilienhaus in der S.-straße x in M., welches über etwa 170 qm Wohnfläche verfügt. Auch die Tochter der Klägerin zog ein und wurde Mietpartei. Mit Schreiben vom 29.09.2014 kündigte der Beklagte der Klägerin zum 30.06.2015, hilfsweise zum 31.07.2015 wegen Eigenbedarfs. Er führte hierzu aus, dass seine zu diesem Zeitpunkt noch bei ihm in F. lebende Tochter M. eine Ausbildung zur Physiotherapeutin in M. absolviere und beabsichtige, in das Haus zu ziehen. Weil die Klägerin der Kündigung nicht nachkam, hat der Beklagte schließlich Räumungsklage vor dem Amtsgericht Meppen zum Aktenzeichen 3 C 562/15 erhoben, das Amtsgericht gab jener Klage mit Urteil vom 14.09.2015 statt. Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung war im Prozess unstreitig geblieben. Im Oktober 2015 räumte die Klägerin das Haus und gab es an den Beklagten heraus.

Hiernach kam es zu weiteren rechtlichen Streitigkeiten, die in den selbstständigen Beweisverfahren 3 H 24/15 und 3 H 2/16 des Amtsgerichts Meppen mündeten. Alsdann schloss sich das Verfahren 3 C 248/16 beim Amtsgerichts Meppen an, das mit einem Vergleich am 04.11.2016 sein Ende fand. Hierin verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung eines Teils des vom Beklagten begehrten Betrags.

Als Abgeltungsklausel vereinbarten die Parteien unter Ziffer 2.:

„…Mit diesen Vergleich sind sämtliche gegenseitige Ansprüche zwischen den Parteien abschließend erledigt.“

Seit dem 01.09.2016 bewohnt das Ehepaar D. als Mieter den unteren Teil des Hauses.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2017 forderte die Klägerin schließlich Schadensersatz vom Beklagten mit der Begründung, dass der Eigenbedarf der Tochter nur vorgetäuscht sei.

Zuerst bezifferte die Klägerin den ihr entstandenen Schaden mit 13.823,41 € und berechnete wie folgt:

1. Sat Anlage gemäß Quittung M. € 240,98

2. Abrisskosten/Entsorgung LK E. € 77,00

3. Umzugskosten gemäß Rechnung Transport H. € 1.571,99

4. Container gemäß Rechnung A. € 28,52

5. Container gemäß Rechnung L. € 202,30

6. Benzin/Tankkosten gemäß Quittungen € 226,33

7. Differenz/Einbuße Gartenhäuschen € 550,00

8. Differenz/Einbuße Gartenhaus € 3.000,00

9. Differenz/Einbuße Sauna € 3.000,00

10. Verlust entsorgte Gartenmöbel € 1.000,00

11. Eigene Kosten Rechtsstreit AG Meppen, Az. 3 C 562/15 € 2.117,74

12. Gegnerische Kosten Rechtsstreit AG Meppen, Az. 3 C 562/15 € 1.565,74

Rechnerische Summe € 13.580,60

Nach Hinweis der Beklagtenseite, dass sich die Tankquittungen teils nicht in zeitlichen Zusammenhang mit den Ereignissen bringen ließen, bezifferte die Klägerin die Summe mit 15.145,81 € und stellte folgende Rechnung ohne Gartenmöbel aber mit Küche auf:

1. Sat Anlage gemäß Quittung M. € 240,98

2. Abrisskosten/Entsorgung LK E. € 77,00

3. Umzugskosten gemäß Rechnung Transport H. € 1.571,99

4. Container gemäß Rechnung A. € 28,52

5. Container gemäß Rechnung L. € 92,82

6. Benzin/Tankkosten gemäß Quittungen € 198,72

7. Differenz/Einbuße Gartenhäuschen € 550,00

8. Differenz/Einbuße Gartenhaus € 3.000,00

9. Differenz/Einbuße Sauna € 3.000,00

10. Eigene Kosten Rechtsstreit AG Meppen, Az. 3 C 562/15 € 2.117,74

11. Gegnerische Kosten Rechtsstreit AG Meppen, Az. 3 C 562/15 € 1.565,74

12. Wertverbesserung Küche € 2.500,00

Rechnerische Summe € 14.943,51

Zuletzt hat die Klägerin Zahlung in Höhe von 11.462,33 € an sich selbst und in Höhe von 3.683,48 € an die Rechtschutzversicherung verlangt, wobei rein rechnerisch die Summe aus der letzten Aufstellung 11.260,03 € beträgt.

Die Klägerin hat behauptet, es habe nie Eigenbedarf bestanden. Die Tochter des Beklagten sei nie in das Haus eingezogen. Selbst wenn dem so wäre, hätte diese nur die obere Etage bewohnt und die untere hätte der Klägerin angeboten werden müssen. Sie hat behauptet, die angeführten Positionen seien ihr als Schaden entstanden. Die ausgewiesenen Differenzbeträge ergäben sich aus den jeweiligen Ankaufswerten abzgl. des bei dem jeweiligen Verkauf erzielten Erlöses.

Mit Schriftsatz vom 23.08.2017 hat sie zudem den in dem Verfahren 3 C 248/16 des Amtsgerichts Meppen geschlossenen Vergleich wegen arglistiger Täuschung des Beklagten über den vermeintlichen Eigenbedarf angefochten.

Die Klage ist dem Beklagten am 20.09.2017 zugestellt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 11.462,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2017 zu zahlen.

2. den Beklagten zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 3.683,48 € an die R.-Rechtsschutz-Versicherungs-AG, …, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2017 zu zahlen.

3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, seine Tochter sei mit ihrem Freund in die Oberwohnung eingezogen und habe dort eine gewisse Zeit gewohnt. Er selbst habe der Klägerin noch im Räumungsverfahren angeboten, die Unterwohnung zu mieten. Die Klägerin habe dies indes abgelehnt. Zudem habe er der Klägerin mitgeteilt, dass seine Tochter nur die obere Etage nutzen wolle.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der prozessleitend geladenen Zeugen R., G., M. und L., hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 21.11.2017, Bl. 116 ff d.A..

Mit dem am 11.12.2017 verkündeten und der Klägerin am 18.12.2017 zugestelltem Urteil hat das Amtsgericht Meppen die Klage abgewiesen.

Gegen die Zurückweisung der Ansprüche wendet sich die Klägerin.

Sie hat mit dem am 08.01.2018 eingegangenem Schriftsatz vom 05.01.2018 unter Beifügung einer Urteilsabschrift Berufung eingelegt sowie diese mit Schriftsatz vom 16.02.2018 (eingegangen am selben Tag) begründet. Die Klägerin wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag samt den hierzu vertretenen Ansichten und rügt die Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Erstmalig wendet sie ein, das Haus sei unverhältnismäßig groß für die Belange der Tochter des Beklagten, daher sei die Kündigung treuwidrig gewesen. Sie meint, weil die Tochter nicht das ganze Haus benötigt hätte, sei die gesamte Kündigung unwirksam.

Bei der Beweiswürdigung habe das Amtsgericht die fehlende Wohnsitzwechselummeldung nicht ausreichend berücksichtigt, die Begründung der Tochter hierzu sei abwegig. Gleiches gelte für die regelmäßige Rückkehr der Tochter ins Elternhaus an den Wochenenden. Daraus ergebe sich wiederum, dass kein Eigenbedarf bestanden hätte, weil die Tochter bei ihren Eltern hätte wohnen können. Aus der Aussage der Mutter L. ergebe sich, dass die Tochter schon im September in Emden in der Fachhochschule eingeschrieben sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, es sei verfahrensfehlerhaft, dass das Amtsgericht Meppen im vorliegenden Verfahren Ausführungen zur weiteren Akte des Amtsgericht Meppen mit dem Aktenzeichen 3 C 248/16 gemacht hat, ohne dass explizit die Beiziehung beantragt worden sei.

Die Klägerin beantragt, nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts. Die Kündigung sei berechtigt erfolgt. Dass der tatsächliche Einzug der Tochter erst später erfolgt sei, resultiere daraus, dass die Klägerin die Räumungsfristen aus der Kündigung missachtet habe und die Räumungsklage erforderlich gewesen sei. Zudem habe auch der desolate Zustand des Hauses nach Übergabe hierzu beigetragen, insoweit verweist der Beklagte auf die Ausführungen des Sachverständigen R. in dessen Gutachten vom 26.02.2016 zum Aktenzeichen 3 H 24/15 des Amtsgerichts Meppen. Erst nach Mängelbeseitigung sei eine Nutzung überhaupt möglich gewesen. Dass die Tochter tatsächlich studieren würde, habe damals noch nicht festgestanden und sich erst später ergeben. Es sei falsch, dass die Zeugin L ausgesagt habe, seit September 2016 seien Studiengebühren gezahlt worden.

II.

Die Berufung ist zulässig; in der Sache aber unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung. Das Amtsgericht hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis zutreffende Folgerungen gezogen.

Denn der aufgrund der unwirksamen Eigenbedarfskündigung gemäß § 573 II Nr. 2 BGB grundsätzlich entstandene Schadensersatzanspruch der Klägerin aus den §§ 823 I, 280 I, 573 BGB ist infolge des Vergleichsabschlusses in dem Verfahren 3 C 248/16 des Amtsgerichts Meppen vom 04.11.2016 erloschen.

1.

Zwar hatte die Klägerin zunächst einen Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 823 I, 280, 573 BGB, weil der Beklagte die Kündigung wegen Eigenbedarfs erklärt hat, obschon seine Tochter nur die Oberwohnung zu nutzen beabsichtigte. Denn damit waren die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung gerade nicht erfüllt. Für den berechtigten Eigenbedarf ist es nämlich erforderlich, dass der Mietgegenstand als solcher benötigt wird. Der Vermieter muss ernsthafte, vernünftige und nachvollziehbare Gründe haben, die Wohnung für sich selbst bzw. Angehörige seiner Familie zu nutzen. Der Wunsch und der Wille allein reichen nicht aus; hinzutreten muss ein Nutzungsinteresse von hinreichendem Gewicht, vgl. BVerfG in NJW-RR 1993, 1357 ff.; BGH in NJW 1988, 904 ff.; OLG Köln in NJOZ 2003, 963 ff.; Blank in Blank/Börstinghaus, MietR, 5. Auflage, § 573, Rdnr. 85.

Will der Vermieter aber nur einen Teil der Wohnung selbst nutzen, ist eine Kündigung nach nahezu einhelliger Auffassung nicht berechtigt, vgl. BVerfG NJW 1994, 309 ff.; OLG Karlsruhe in NJW-RR 1997, 711 ff.; Blank in Blank/Börstinghaus, MietR, 5. Auflage, § 573, Rdnr. 71; Gramlich in MietR, 14. Auflage, § 573, Rdnr. 17; Geib in BeckOGK, BGB, Stand 01.07.2018, § 573, Rdnr. 79; Mössner/Tiedemann in jurisPK, BGB, 8. Auflage, § 573, Rdnr. 102; anderer Ansicht Lützenkirchen in Erman, BGB, 15. Auflage, § 573, Rdnr. 27.

Der Beklagte hat angeführt, es sei von vorneherein klar gewesen, dass seine Tochter nur die Oberwohnung nutzen wolle, gerade deswegen habe er die untere der Klägerin zur Miete angeboten.

Schon die fahrlässige Geltendmachung eines tatsächlich nicht bestehenden Kündigungsgrundes löst die Haftung aus (einhellige Auffassung, vgl. schon BGH in NJW 1984, 370 ff.; BGH in WuM2005, 521 ff.; BGH in WuM 2010, 165 ff.; Siegmund in BeckOK MietR, 12. Edition, § 573, Rdnr. 729). Eine fahrlässige Pflichtverletzung ist auch dann anzunehmen, wenn der Vermieter zwar die Beendigungstatsachen zutreffend mitteilt, aber infolge eines vermeidbaren Rechtsirrtums verkennt, dass die geltend gemachten Gründe keine Vertragsbeendigung rechtfertigen, vgl. Blank in Blank/Börstinghaus, MietR, 5. Auflage, § 573, Rdnr. 79.

Bietet sich das Mietobjekt nämlich objektiv für eine Aufteilung in mehrere Wohnungen an, lässt sich das schon bei der Vermietung überblicken. Vermietet der Eigentümer das Objekt trotzdem einheitlich, kann er im Anschluss auch daran festgehalten werden. Zwar verliert der Vermieter mit der Vermietung nicht etwa endgültig die Befugnis, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen. Er hat es im Rahmen seiner Privatautonomie aber auch in der Hand, sich den späteren Zugriff auf sein Eigentum über die gesetzlichen Kündigungsvorschriften hinaus zu erschweren. Die Verfügungsbefugnis über sein Eigentum gibt ihm nicht die Freiheit, sich über besondere vertragliche Bindungen hinwegzusetzen, sobald er deren Auswirkungen als nachteilig empfindet, vgl. BVerfG in NJW 1994, 308 ff.

Die erklärte Kündigung war unwirksam.

2.

Gleichwohl steht der Klägerin infolge des abgeschlossenen Vergleiches kein Schadensersatzanspruch (mehr) zu.

Die Parteien haben in dem Vergleich zum Aktenzeichen 3 C 248/16 des Amtsgerichts Meppen vom 04.11.2016 ausdrücklich sämtliche gegenseitigen Ansprüche „abschließend“ für erledigt erklärt und zwar ohne irgendeine Einschränkung. Auf eine aktuell bei Abschluss des Vergleichs gegebene Kenntnis der Klägerin vom Bestehen der Ansprüche kommt es gerade nicht an. Vielmehr hätte sich für eine solche Einschränkung der Vergleich auf die Abgeltung aller bekannten Ansprüche beschränken müssen. Die Parteien wollten gerade, dass ihre rechtlichen Beziehungen zueinander ein für allemal geregelt sind, wie sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut ergibt, vgl. zu einer ähnlichen Abgeltungsklausel OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.05.2018, Aktenzeichen 5 U 48/17, und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.03.2016, Aktenzeichen I-22 U 51/16.

Zudem ist die Berücksichtigung jenes Vergleichs durch das Amtsgericht schließlich weder rechtsfehlerhaft noch verletzt sie den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör. Dies nämlich schon deswegen nicht, weil sie selbst das Verfahren in der Klageschrift angeführt hat, aber auch, da die Gegenseite auf dieses Verfahren explizit eingegangen ist. Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist auch nicht ersichtlich, dass das Amtsgericht „Erkenntnisse“ hieraus verwertet hätte, es hat schlicht den bekannten, auch von der Klägerin geschlossenen Vergleich berücksichtigt.

Der Vergleich ist auch nicht etwa in Folge der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vom 23.08.2017 nach § 123 BGB unwirksam.

a)

Ein Anfechtungsgrund ergab sich nicht etwa daraus, dass der Beklagte einen Eigenbedarf vorgetäuscht hätte, obwohl tatsächlich überhaupt kein solcher bestanden hat.

Zwar würde sich ein Zahlungsanspruch der Klägerin aus den §§ 823 I, 823 II BGB, 263 StGB ergeben, der infolge der Täuschung auch eine Arglistanfechtung begründen würde, wenn der Beklagte dies vorgetäuscht hätte. Dass die Tochter aber die Oberetage tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt hat, steht aufgrund der Ausführungen des Amtsgerichts nach der Beweisaufnahme fest. Damit hat der Beklagte aber auch nicht etwa darüber getäuscht, dass ein Nutzungswille für die obige Wohnung bestand.

Soweit die Klägerin mit der Berufung eine Neubewertung des Beweisergebnisses erreichen will, ist eine solche Neubewertung dem Berufungsgericht nur möglich, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen, § 529 I Nr. 1 ZPO.

Die rechtlichen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Insbesondere ergeben sich auch keinerlei Zweifel in Bezug auf die Zeugenaussagen und die diesbezügliche Wertung.

Vielmehr ist die Beweiswürdigung vollständig und rechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat deswegen die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, § 529 I Nr. 1 ZPO. Aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Amtsgericht auch zutreffende rechtliche Folgerungen gezogen.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte einen (grundsätzlichen) Eigenbedarf seiner Tochter nur vorgeschoben oder vorgetäuscht hätte. Dieses Ergebnis hat zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin zu gehen, vgl. Armbrüster in MünchKommBGB, 7. Auflage, § 123, Rdnr. 94; Rehberg in BeckOGK, BGB, Stand 01.10.2018, § 123, Rdnr. 119; Siegmund in BeckOK MietR, 12. Edition, § 573, Rdnr. 74; Blank in Schmidt-Futterer, MietR, 13. Auflage, § 573, hierzu Rdnr. 87. Ein Wohnortwechsel des Vermieters oder einer berechtigten Person ist grundsätzlich ohne Weiteres ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund für eine Eigenbedarfskündigung, wenn er durch berufliche Gründe veranlasst ist. So genügt für eine Eigenbedarfskündigung die Annahme eines Arbeitsplatzes oder die Aufnahme eines Studiums am Ort der Mieterwohnung, vgl. Geib in BeckOGK, BGB, Stand 01.07.2018, § 573, Rdnr. 73.

Damit ist die Aufnahme der Ausbildung ausreichender Grund für eine Eigenbedarfskündigung.

Der Zeuge R. hat bekundet, er sei auf die leer stehende Wohnung in dem Mietobjekt aufmerksam geworden. Er habe sich nach dem Vermieter erkundigt und sodann einen Mietvertrag geschlossen. Einzelne Renovierungsarbeiten seien zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellt gewesen, einen Teil habe er noch selbst gemacht. In der Wohnung der Tochter des Beklagten und deren Freund sei er auch gewesen. Dort sei alles komplett eingerichtet gewesen, sie seien an jedem Tag in der Wohnung gewesen und hätten dort übernachtet. Er habe zudem auch bemerkt, wenn die Tochter und ihr Freund morgens die Wohnung verlassen hätten.

Diese Angaben sind im Wesentlichen durch die Ehefrau des angehörten Zeugen G. bestätigt worden. So seien sie im September 2016 in die Unterwohnung eingezogen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Tochter des Beklagten bereits in der Oberwohnung gewohnt und sei dort immer anwesend gewesen. Etwa im August 2017 seien die beiden dann schließlich ausgezogen.

Die Tochter des Beklagten hat ausgesagt, sie sei im Mai 2016 in die Wohnung im Obergeschoss eingezogen. Sie habe am 16.09.2017 Examen gemacht und sei dann wieder ausgezogen, weil sie inzwischen in Emden studiere. Es sei damals bequemer gewesen in Meppen zu wohnen, weil Schule und Praktika leichter zu erreichen gewesen seien. Umgemeldet habe sie sich zwar nie, dies finde aber darin seinen Grund, dass sie fast jedes Wochenende bei ihren Eltern gewesen sei. Zudem habe sie dort wahlberechtigt bleiben wollen. Sie habe ursprünglich bereits vorgehabt, im Jahr 2005 die Wohnung zu beziehen. Dies sei aber nicht möglich gewesen, weil die Klägerin ja nicht ausgezogen war. Sie habe bereits bei Ausbildungsbeginn über ein Studium nachgedacht, der Entschluss zu studieren sei aber noch nicht gefallen.

Indes hat die Zeugin eingeräumt, dass für sie klar gewesen sei, dass sie lediglich die Oberwohnung beziehen würde.

Die Angaben der Tochter der Beklagten wiederum wurden weitgehend bekräftigt durch die der Ehefrau des Beklagten. Diese hat bekundet, die Wohnung sei komplett eingerichtet gewesen. Möbel seien extra hierfür angeschafft worden. Ihre Tochter habe bereits in diesem Jahr einmal pro Halbjahr eine Woche in Emden zugebracht. Wann das genau gewesen sei könne sie nicht sagen. Für das jeweilige Semester hätten dann bereits Studiengebühren gezahlt werden müssen. Sie wisse aber nicht, wann sich ihre Tochter in Emden eingeschrieben habe.

Entgegen den Ausführungen in der Berufungsschrift ergibt sich aus dem Protokoll gerade nicht, dass die Zeugin L. bekundet hat, deren Tochter sei bereits im September 2016 eingeschrieben gewesen. Vielmehr hat die Zeugin erklärt, ihre Tochter sei in diesem Jahr (also in dem bei der Vernehmung laufenden Jahr 2017) bereits einmal im Halbjahr für je eine Woche in Emden gewesen.

Aber auch im Übrigen ist die Wertung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Sie verstößt weder gegen Denkgrundsätze noch weist sie Unstimmigkeiten auf. Insbesondere das Ehepaar R. + G. hatte ersichtlich auch kein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits. Es gab mithin keinen Anlass für das Amtsgericht, an der Richtigkeit der in sich stimmigen und im Verhältnis zueinander widerspruchsfreien Angaben zu zweifeln.

Hiernach stand fest, dass die Tochter bereits bei Kündigung vorhatte, mit Ablauf der Frist (also ab spätestens August 2015) die Wohnung mit ihrem Freund selbst zu bewohnen und zu nutzen, was sich aber infolge der Rechtsstreitigkeiten und des Datums der tatsächlichen Räumung hinausgezögert hat. Dass die Tochter sich nicht umgemeldet hat und am Wochenende zuhause war, steht dem nicht etwa entgegen. Schließlich dürften sich so viele junge Menschen in Studium und Ausbildung verhalten, ohne dass deren Lebensmittelpunkt am Meldeort bzw. elterlichen Wohnsitz wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass die Wohnung auch als solche genutzt wird, mithin zum regelmäßigen Aufenthalt und zur Übernachtung. Auch die Nutzung als Zweitwohnung kann ausreichen, vgl. BVerfG in NZM 2014, 624 ff.; Siegmund in BeckOK MietR, 12. Edition, § 537, Rdnr. 38.

Eine Täuschung über einen tatsächlich überhaupt nicht gegebenen Eigenbedarf war daher nicht anzunehmen.

b)

Aber auch soweit der Beklagte in der Kündigung wahrheitswidrig angegeben hat, seine Tochter habe eigenen Bedarf am gesamten Mietobjekt, währenddessen diese tatsächlich nur das Obergeschoss nutzen wollte, ergab sich kein Anfechtungsgrund der Klägerin, insbesondere keiner wegen arglistiger Täuschung nach § 123 I BGB.

Es mangelt nämlich an der für eine Arglistanfechtung notwendigen subjektiven Komponente. Zwar ist nach dem Kündigungsschreiben die Kündigung wegen Eigenbedarfs erklärt, weil die Tochter des Beklagten „das Haus“ beziehen will, währenddessen sie tatsächlich schon von Anfang an nur die Oberetage beziehen wollte. Wenn auch die Klägerseite wohl dem Irrtum unterlag, dass die Tochter das gesamte Haus bewohnen wollte, kam es aus Sicht des Beklagten (ausgehend von dessen rechtlicher Einschätzung) gar nicht darauf an, dass die Zeugin nur die Wohnung oben bezogen hat. Nach seinem Verständnis rechtfertigte dies nämlich eine Kündigung wegen Eigenbedarf. Es war nicht festzustellen, dass er bei Abschluss des Vergleichs Kenntnis davon hatte, dass die Kündigung unwirksam war. Damit traf ihn subjektiv bei Vergleichsabschluss am 04.11.2016 keine Aufklärungspflicht bzw. ist nicht ersichtlich – und insoweit traf die Klägerin die Beweislast -, dass er um die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung wusste und insbesondere dass sich diese daraus ergab, dass seine Tochter nicht das gesamte Objekt nutzen wollte, währenddessen er dies in der Kündigung so angegeben hatte. Zwar hat der Beklagte damit in der Kündigung falsche Angaben gemacht, Arglist – und insbesondere Arglist bei Vergleichsabschluss – war aber dennoch nicht feststellbar. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass nicht nur sein Prozessbevollmächtigter und der der Gegenseite, sondern zudem auch das Amtsgericht Meppen von der Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung ausgegangen sind. Dann aber ist dem Beklagten kein Arglistvorwurf zu machen.

Eine Anfechtung aus anderen Gründen gemäß § 119 BGB kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin dem Beklagten bereits mit Schriftsatz vom 27.04.2017 vorgeworfen hatte, dass der Eigenbedarf der Tochter nur vorgetäuscht sei. Die Anfechtung erfolgte aber erst mit Schriftsatz vom 23.08.2017 und daher nicht unverzüglich im Sinne des § 121 I BGB. Schließlich liegen nahezu 4 Monate dazwischen, womit die regelmäßige Obergrenze von 2 Wochen weit überschritten ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 97 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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