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Anfechtbarkeit WEG-Beschluss über Einzelwirtschaftspläne wegen Unbestimmtheit

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 6/18 WEG – Urteil vom 24.08.2018

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 28. Dezember 2017 zu TOP 22 wird betreffend die Einzelwirtschaftspläne für unwirksam erklärt.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses betreffend Einzelwirtschaftspläne.

Der Kläger und die Beklagten bilden die WEG; zwischen ihnen gilt die Teilungserklärung gemäß Anlage K3. Auf der Eigentümerversammlung vom 28. Dezember 2017 wurde zu TOP 22 folgender Beschluss gefasst (s. Protokoll, Anlage K1):

„Die Gemeinschaft der Eigentümer beschließt den Gesamtwirtschaftsplan mit einer Endsumme von 98.966,96 € rückwirkend für das Rechnungsjahr 01.01.2017 – 31.12.2017 genehmigt wird. Die bereits genehmigten Einzelwirtschaftspläne bleiben auf Wunsch der Eigentümer weiterhin unverändert bestehen. Somit erfolgt keine Hausgeldneuberechnung.

Die Eigentümer sind verpflichtet, die gemäß Einzelwirtschaftsplan fälligen Beträge jeweils zum 3. Werktag eines jeden Monats auf das Verwaltungskonto WEG zu überweisen.

Weiterhin beschließt die Gemeinschaft der Eigentümer unter Beachtung des § 21 (7) Wohnungseigentumsgesetzes, dass bei anteiligen Hausgeldzahlungen, sollte hier eine konkrete Tilgungsbestimmung fehlen, zuerst auf die Instandhaltungsrücklage und dann auf das laufende Hausgeld zu buchen ist.

Der genehmigte Gesamtwirtschaftsplan und die Einzelwirtschaftspläne geltend unverändert für das Jahr 2018 fort bis zur Beschlußfassung über einen neuen Gesamtwirtschaftsplan einschließlich Einzelwirtschaftsplänen.

Der vorstehende Antrag wird (…) einstimmig angenommen.“

Mit seiner am 26. Januar 2018 per Telefax bei Gericht eingegangenen und mit weiterem Schriftsatz vom 28. Februar 2018, Eingang bei Gericht am selben Tag per Telefax, begründeten Klage ficht der Kläger den Beschluss zu TOP 22 an und macht dazu geltend, dass der Beschluss nicht hinreichend bestimmt sei. Welche Einzelwirtschaftspläne fortbestehen sollen, sei – auch für einen hinzutretenden Erwerber – nicht klar. Das führe zur Nichtigkeit des Beschlusses. Er, der Kläger, vermute – ohne es aber zu wissen -, dass der zuletzt für seine Einheit beschlossene Einzelwirtschaftsplan derjenige gemäß Beschluss vom 10. April 2012 (vgl. Anlage K2) sei. Der darin enthaltene Umlageschlüssel nach Fläche (146,49 m2/2.054,12 m2) sei unzutreffend, weil die Bewirtschaftungskosten nach § 11 Abs. 1 der Teilungserklärung nach Miteigentumsanteilen zu verteilen seien. Ohnehin betrage die Gesamtfläche aller Wohnungen auch nur 2.012 m2. Es komme hinzu, dass der Beschluss zu TOP 22 die Dauer der Fortgeltung der Wirtschaftspläne nicht klar benenne, zumal die Teilungserklärung keine Regelung dazu bzw. keine Fortgeltungsklausel enthalte.

Mit rechtskräftigem Teil-Anerkenntnisurteil vom 23. April 2018 ist auf Antrag des Klägers festgestellt worden, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 28. Dezember 2017 zu TOP 19 (Einhaltung der Hausordnung und die Durchsetzung durch den Hausmeister) nichtig ist.

Der Kläger beantragt nunmehr noch, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 28. Dezember 2017 zu TOP 22 wird betreffend die Einzelwirtschaftspläne für unwirksam zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und bringen vor, dass eine Bezugnahme auf „bereits genehmigte Einzelwirtschaftspläne“ ausreichend sei, zumal der Kläger auf dieser Grundlage bereits fortlaufend Hausgelder bezahle und die Rechtsgrundlage nicht in Frage stelle. Welche Einzelwirtschaftspläne gemeint seien, ergebe sich aus der Beschlusssammlung. Es sei auch sehr eigentümlich, dass der Kläger aufgrund seiner familiären Verbundenheit mit den Verkäufer seiner Einheit, seinem Bruder, wie ein neu hinzugetretener Dritterwerber behandelt werden wolle. Eigentliches Ziel der Anfechtungsklage sei, dass der Kläger – ebenso wie schon sein Bruder in einem Parallelverfahren (Az. 980b C 2/17) – in geringerem Umfang an den Kosten beteiligt werden wolle, als es die tatsächlichen Verhältnisse erforderten; die Spitzbodenfläche sei hinzuzurechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist, soweit über sie nach dem Teil-Urteil noch zu entscheiden ist, begründet.

Anhaltspunkte dafür, dass die Klage wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist, bestehen nicht. Dem Kläger steht das Recht zu, einen Beschluss der Eigentümerversammlung anzufechten und geltend zu machen, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung nicht eingehalten seien. Dass der Kläger dieses Recht vorliegend, etwas aus Schikane, missbraucht, ist nicht ersichtlich.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 28. Dezember 2017 zu TOP 22 widerspricht, soweit er die Einzelwirtschaftspläne betrifft, den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und ist insoweit für ungültig zu erklären. Der angefochtene Beschluss ist nicht ausreichend bestimmt genug, soweit er die Fortgeltung „bereits genehmigter Einzelwirtschaftspläne“ regelt. Der Inhalt eines Beschlusses muss, insbesondere weil Sonderrechtsnachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG an ihn gebunden sind, inhaltlich bestimmt und klar sein (BGH, NZM 2015, 88, Tz. 8). Einem Beschluss fehlt hingegen die Bestimmtheit, wenn er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält (Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 23, Rn. 84). Er muss also einen durchführungsfähigen Inhalt haben, damit er nach – positiver – Abstimmung auch in die Praxis umgesetzt werden kann (Bartholome, in: BeckOK-WEG, Ed. 34 [4/2018], § 23, Rn. 63). Jedenfalls dann, wenn der Beschluss eine durchführbare Regelung noch erkennen lässt, die Unbestimmtheit also nicht auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht, führen etwaige Mängel nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (BGH, NJW 1998, 3713, 3716). Ein Beschluss ist hinreichend bestimmt, wenn er aus sich heraus klar, eindeutig und widerspruchsfrei erkennen lässt, was gelten soll, wobei der Inhalt durch Auslegung bestimmt werden kann (BGH, NZM 2016, 387, 390, Tz. 39). Beschlüsse der Eigentümerversammlung sind „aus sich heraus“, also objektiv-normativ auszulegen. Dabei ist von dem protokollierten Wortlaut auszugehen; Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind, weil sie sich etwa aus dem – übrigen – Versammlungsprotokoll ergeben (vgl. BGH, NJW 2016, 2177, 2178, Tz. 20). Auch auf Dokumente außerhalb des Protokolls darf, sofern diese zweifelsfrei bestimmbar sind, Bezug genommen werden (s. BGH, NZM 2016, 553, 554, Tz. 9 f.).

Diesen Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit genügt der Beschluss zu TOP 22 nicht. Dessen Auslegung ergibt – ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der beteiligten Wohnungseigentümer, also auch auf die des Klägers ankommt (vgl. BGH, NJW 2010, 3093, Tz. 9) – nichts dafür, welche „bereits genehmigte Einzelwirtschaftspläne“ von diesem Beschluss erfasst sein sollen. Selbst die Beklagten können diese nicht konkret benennen, sondern verweisen nur pauschal auf die Beschlusssammlung. Weder aus dem Beschlusswortlaut selbst noch aus in Bezug genommenen Anlagen ergeben sich dafür greifbare tatsächliche Anhaltspunkte. Für die aus dem Einzelwirtschaftsplan abzuleitenden Zahlungspflichten der einzelnen Miteigentümer ist die Bestimmbarkeit des konkreten Einzelwirtschaftsplans aber unabdingbar (OLG Düsseldorf, NZM 2003, 854). Das gilt auch für den Fortgeltungsbeschluss (OLG Düsseldorf, NZM 2003, 810).

Demgemäß kommt es auf die Frage des zutreffenden Umlageschlüssels im Streitfall nicht an.

Die Teilunwirksamkeit des Beschlusses ist nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB möglich, weil es sich bei den Einzelwirtschaftsplänen um abgrenzbare Teile des Beschlussinhalts handelt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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