Mieterwechsel im Mietvertrag: Gerichtsurteil bestätigt Anspruch auf Zustimmung.
Die Berufung gegen ein Versäumnisurteil wurde abgelehnt. Hintergrund ist ein Mietvertrag aus dem Jahr 2005 über eine Wohnung in Berlin-Neukölln, der zwischen der Beklagten und drei ursprünglichen Mietern als Einzelpersonen geschlossen wurde. Der Vertrag enthielt keine ausdrückliche Vereinbarung zur Handhabung künftiger Mieterwechsel. Dennoch wurde über die Jahre der Austausch mehrerer Mieter durch (dreiseitige) Vereinbarungen zwischen der Beklagten, den Hauptmietern und den neu eintretenden Mietern geregelt. Die Kläger beriefen sich auf mündliche Abreden und konkludent getroffene Vereinbarungen, die eine häufige Änderung der Zusammensetzung der in der Wohnung lebenden Personen ermöglichen sollten. Das Gericht gab den Klägern recht und urteilte, dass sich aus einem Mietvertrag und etwaigen Nachträgen ein Anspruch auf Zustimmung zu künftigen Mieterwechseln ergeben kann. Dabei sei eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung der Erklärungen der Parteien maßgeblich. Die Bezeichnung der Wohnungsbewohner als „Wohngemeinschaft“ allein reicht dabei nicht aus, um einen Anspruch auf Mieterwechsel zu begründen. […]
LG Berlin – Az.: 65 S 151/21 – Urteil vom 13.10.2022
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 6. Juli 2021 – 4 C 2/21 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist unbegründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten, mit dem es die Beklagte verurteilt hat, dem Ausscheiden des Klägers zu 2) aus dem seit dem 1. April 2005 bestehenden Mietverhältnis und dem Einritt des Herrn (…) zuzustimmen.
Der Anspruch auf Zustimmung zum Austausch eines Mieters folgt aus den zwischen den Parteien bei Abschluss des Mietvertrages getroffenen Vereinbarungen.
a) Im schriftlichen Formularmietvertrag der Parteien nach dem Muster des Haus-und-Grund-Verlages werden – im Formular nicht vorgesehene – Regelungen zu nachträglichen Mieterwechseln nicht getroffen.
b) Der Anspruch folgt hier aus den mündlichen Abreden und (zumindest) konkludent getroffenen Vereinbarungen.
Die Frage, ob sich aus einem Mietvertrag und etwaigen – hier vorliegenden – Nachträgen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Anspruch auf Zustimmung zu künftigen Mieterwechseln ergibt, ist nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen durch eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung der auf den Abschluss des Mietvertrages und etwaigen Nachtragsvereinbarungen gerichteten Erklärungen der Parteien zu beantworten (vgl. BGH, Urt. v. 27.04.2021 – VIII ZR 304/21, juris Rn. 21, mwN). Die Auslegung richtet sich nach den vorrangig vom Tatrichter zu bewertenden Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille der Parteien; nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern.
Die Kammer ist nach Anhörung des an den Vertragsgesprächen beteiligten Gesellschafters der Beklagten (…) gemäß § 141 Abs. 3 ZPO sowie Vernehmung des von den Klägern benannten Zeugen (…), der durch Nachträge zum Mietvertrag belegten Vertragsdurchführung seit Beginn des Mietverhältnisses, des Schriftverkehrs der Parteien und der äußeren Umstände des Vertragsschlusses mit dem nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Grad der Gewissheit davon überzeugt, dass die Parteien bei Vertragsschluss davon ausgingen, dass sich häufig, auch in kurzen Abständen ein Bedarf für eine Änderung der Zusammensetzung der in der Wohnung lebenden Personen ergeben kann. Die dafür maßgeblichen Umstände waren dem Gesellschafter der Beklagten bekannt; im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses entsprach es dem Interesse beider Parteien, damit einhergehende Änderungen des Vertrages ohne seine Beendigung oder die (langfristige) Bindung eines ausgezogenen Mieters an den Vertrag jeweils durch dreiseitige Vereinbarungen herbeizuführen.
Dem liegen folgende Feststellungen zugrunde:
aa) Der Mietvertrag vom 31. März 2005 über die aus sechs Zimmern bestehende Wohnung mit einer Größe von 167,92 m2 in einfacher, lärmbelasteter Wohnlage in Berlin-Neukölln ist zwischen der Beklagten und den ursprünglichen drei Mietern als Einzelpersonen geschlossen worden, dies im zeitlichen Zusammenhang mit der links gelegenen Wohnung im 4. OG. Im Außenverhältnis zur Beklagten sind die ursprünglichen Mieter unstreitig nicht als rechtsfähige Personenvereinigung aufgetreten und als solche auch nicht Vertragspartner der Beklagten geworden.
Nach dem Mietvertragsrubrum, in dem die Namen und Geburtsdaten der drei ursprünglichen Mieter angegeben sind, deutete nichts darauf hin, dass diese in einer auf längere Dauer angelegten, eheähnlichen oder sonst vergleichbaren Lebensgemeinschaft innerhalb der Wohnung zusammenzuleben beabsichtigten.
Dieser Umstand allein erlaubt jedoch keinen tragfähigen Rückschluss auf ein zwischen den Parteien vereinbartes Recht zum Mieterwechsel (BGH, Urt. v. 27.4.2022 – VIII ZR 304/21, nach juris Rn. 39; Kammer, Urt. v. 27.06.2019 – 65 S 9/19, n.v.; Beschl. v. 17.10.2016 – 65 T 158/16, juris Rn. 4; Urt. v. 23.03.2016 – 65 S 314/15, juris Rn. 8ff.).
bb) Unstreitig hinzu kommen hier vier Nachträge zum Mietvertrag, in denen durch (dreiseitige) Vereinbarung zwischen der Beklagten, den jeweiligen Hauptmietern und neu eintretenden Mietern Mieter ausgewechselt worden sind.
Der erste Nachtrag datiert vom 16. November 2005 und führte zum Austausch von zwei der drei ursprünglichen Hauptmieter. Mit dem zweiten Nachtrag vom 20. November 2007 wurde die Auswechselung einer der beiden im November 2005 eingetretenen Mieterinnen durch eine neue Mieterin vereinbart. Zugleich wurden Regelungen zur Mietkaution, der Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen und zur Betriebskostenabrechnung getroffen, die ihrem Inhalt nach sicherstellten, dass der Beklagten durch den Mieterwechsel keine Nachteile und kein zusätzlicher Aufwand entsteht. Mit dem dritten Nachtrag vom 2. September 2008 wurde der Austausch der 2007 eingetretenen Mieterin durch eine neue Mieterin und die Anhebung der Miete von 500,00 € um 120,00 € auf 620,00 € vereinbart.
Mit dem im vierten Nachtrag vom 1. November 2009 vereinbarten Austausch von zwei Mietern schied die letzte der drei ursprünglichen Mieter/innen aus dem Mietverhältnis aus. Wie im zweiten Nachtrag wurden – im Interesse der Beklagten liegende – Regelungen zur Mietkaution, der Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen und zur Betriebskostenabrechnung getroffen.
Die Nachträge enthalten wiederum keine ausdrückliche Vereinbarung zur Handhabung künftiger Mieterwechsel. Auch insoweit gilt nach der Rechtsprechung des BGH, dass es grundsätzlich den Mietern obliegt, auf die klare Regelung einer sie begünstigenden Vertragsgestaltung hinzuwirken (BGH, Urt. v. 27.4.2022 – VIII ZR 304/21, nach juris Rn. 45).
Die mehrfache Zustimmung der Beklagten zu Mieterwechseln kann zwar als Indiz für die von Klägerseite behauptete schlüssig getroffene Vereinbarung zu einem Recht auf Mieterwechsel bei Vertragsschluss hindeuten, lässt – isoliert betrachtet und ohne weitere Anhaltspunkte – diesbezüglich jedoch ebenfalls noch keinen sicheren Rückschluss darauf zu (BGH, Urt. v. 27.04.2022 – VIII ZR 304/21, nach juris Rn. 59, mwN, u.a. zur Rspr. des BGH zur mehrmaligen vorbehaltlosen Zahlung einer erhöhten Miete).
cc) Als weiteres – unstreitiges – Indiz hinzu kommt hier der von Klägerseite vorgelegte Schriftverkehr zwischen den Parteien. So hat die Beklagte die Mietermehrheit etwa in Schreiben vom 3. April 2012 und 30. März 2015 als „Wohngemeinschaft“ ausdrücklich angeschrieben.
Der Begriff der Wohngemeinschaft ist gesetzlich nicht definiert, er wird üblicherweise – auch von juristisch nicht vorgebildeten Personen – dann verwendet, wenn sich mehrere nicht miteinander verwandte oder in einer partnerschaftlichen Beziehung stehende Personen zu einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft innerhalb einer Wohnung zusammenschließen (vgl. Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2021, § 540 Rn. 82; MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl., § 535 Rn. 60; Schmidt-Futterer/Flatow, Mietrecht, 15. Aufl., § 540 Rn. 18; BeckOK-Mietrecht/Weber, Stand: 1. Mai 2021, § 540 BGB Rn. 13; Staake in Staake/v. Bressendorf, Wohngemeinschaften-Handbuch, § 1 Rn. 1ff.; Siegmund, MDR 2022, 1063; Bühler, NJOZ 2019, 529; Drasdo, Wohngemeinschaften im Mietrecht, NJW-Spezial 2015, 161; Jacobs, NZM 2008, 111, [112f]; Horst, MDR 1999, 266). Die Gestaltungen des Zusammenlebens sowie die Gründe hierfür sind vielfältig (vgl. BGH, Urt. v. 04.03.2015 – VIII ZR 166/14, juris Rn. 28f.). Die Begriffsbestimmung lässt sich auf – vom BVerfG gebilligte – Rechtsprechung des LG Karlsruhe (LG Karlsruhe v. 25.1.1985 – 9 S 580/83, NJW 1985, 1561; nachgehend: BVerfG, Beschl. v. 5.9.1991 – 1 BvR 1046/91, WuM 1992, 45) und des LG Göttingen (LG Göttingen v. 1.11.1992 – 5 S 123/92, NJW-RR 1993, 783, nachgehend: BVerfG, Beschl. v. 28.1.1993 – 1 BvR 1750/92, WuM 1993, 104) zurückführen.
Eine persönliche Beziehung zwischen den Bewohnern – etwa eine Freundschaft – muss nicht vorliegen. Einziger oder primärer Zweck des Zusammenlebens kann auch die Ersparnis von Kosten sein (vgl. Urt. v. 04.03.2015 – VIII ZR 166/14, juris Rn. 29 [sogen. Zweck-Wohngemeinschaft]; BeckOK-BGB/Zehelein, Stand: 1. Februar 2022, § 535 Rn. 312).
Das Zusammenleben kann bei fehlenden verwandtschaftlichen oder partnerschaftlichen Beziehungen sowohl auf längere Dauer als auch auf einen beliebigen Wechsel der Mitbewohner angelegt sein (BGH, Urt. v. 27.04.2022 – VIII ZR 304/21, nach juris Rn. 37; aA Kappus, NJW 2022, 2030, [2037]).
Auch die Bezeichnung als Wohngemeinschaft besagt deshalb nach den Maßstäben des BGH allein nichts darüber, ob nach dem – dem Vermieter zur Kenntnis gelangten – Willen der Mieter die Mitbewohner jederzeit austauschbar sein sollen und hiermit auch zu rechnen ist (BGH, Urt. v. 27.04.2022 – VIII ZR 304/21, nach juris Rn. 38).
dd) Die vorstehend dargestellten Einzelumstände und Indizien ergeben in ihrer Summe und im Zusammenhang mit den Angaben des Gesellschafters der Beklagten im Rahmen seiner Anhörung nach § 141 Abs. 3 ZPO und dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung des von den Klägern benannten Zeugen (..), dass dem die Vertragsverhandlungen führenden Gesellschafter der Zweck des Zusammenlebens der nicht miteinander verwandten, in keiner partnerschaftlichen Beziehung zueinander stehenden Mieter vor Vertragsschluss mitgeteilt wurde, er mit Interesse und Wohlwollen reagierte, in der Folge des Gesprächs die Mietverträge über beide Wohnungen abgeschlossen wurden.
Das steht zur Überzeugung der Kammer fest.
Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter ohne Bindung an die Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Das Gesetz setzt keine von allen Zweifeln freie Überzeugung voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellten und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.1993 – IX ZR 238/91, juris Rn. 16; Urt. v. 06.05.2015 VIII ZR 161/14, in WuM 2015, 412, juris Rn. 11).
Der Zeuge (…) hat die Vertragsverhandlungen mit dem Gesellschafter der Beklagten (…) in sich widerspruchsfrei und überzeugend geschildert. Er hat auf konkrete Nachfragen nicht mit der Tendenz zu spontanen, die Beweisfrage zugunsten der Kläger bestätigenden Angaben reagiert, sondern war bemüht und in der Lage, die Gesprächssituation authentisch zu reproduzieren. Er hat den Hergang des Gesprächs unter Mitteilung von Einzelheiten zur Gesprächssituation detailreich und lebendig geschildert. Der Zeuge versetzte sich in die damalige Situation und schilderte mit Begeisterung die damalige Idee eines internationalen Wohnprojektes, in dem Menschen gemeinsam leben und arbeiten sollten.
An dem Gespräch nahmen neben dem Zeugen die künftigen Mieter (..) und (…) teil, wobei der spätere Mieter (…) unstreitig US-Amerikaner mit einem Ein-Jahresstipendium war. Angesichts des Umstandes, dass die Bonität in Aussicht genommener Mieter auch nach dem Vorbringen der Beklagten – vollkommen nachvollziehbar – ein wichtiger Gesichtspunkt im Rahmen der Entscheidung für oder gegen einen Vertragsschluss war und ist, ist die Angabe des Zeugen (…), Herr (…) habe die Unterlagen über sein Stipendium vorgelegt, ohne Weiteres glaubhaft.
Glaubhaft ist dann auch die weitere Angabe des Zeugen (…), dass über Mieterwechsel gesprochen wurde und allen Gesprächsbeteiligten klar war, dass solche stattfinden würden.
Beim Mieter (…) war die ihm in Berlin verbleibende Zeit bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses absehbar begrenzt. Auch der Gesellschafter der Beklagten (…) – der sich im Wesentlichen nicht erinnerte – bzw. (allgemein) die Beklagte haben nicht behauptet, dass mit dem Auslaufen des Stipendiums des Mieters (…) der Mietvertrag über die Nachbarwohnung sein Ende finden oder der Mieter – ohne die Wohnung noch bewohnen zu können – weiterhin an den Mietvertrag gebunden sein sollte. Das konnte im Übrigen mit Blick auf allgemein bekannte Schwierigkeiten der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Ansprüchen nicht im Interesse der Beklagten sein.
Dann wiederum ist ebenso glaubhaft, dass über das „Wie“ etwaiger Wechsel gesprochen wurde, dies – mit Blick auf die überzeugenden Ausführungen des Zeugen (…) – zum Zweck der Realisierung des Zusammenlebens in einer internationalen Gemeinschaft in den beiden benachbarten Wohnungen – über den Mieter (…) hinaus. Der Zeuge gab in diesem Zusammenhang – ersichtlich aus der Erinnerung heraus – ungefragt an, dass es der Hausverwaltung und dem Gesellschafter (…) auf eine gleichbleibende Anzahl von (drei) Hauptmietern ankam; die Aufnahme weiterer Personen sollte über Untermietverträge geregelt werden. Im Fall eines beabsichtigten Hauptmieterwechsels sollten die Hauptmieter den neuen Mieter finden und Bewerbungsunterlagen einreichen. Genau so habe es – so der Zeuge – in der Folgezeit funktioniert.
Für den Wahrheitsgehalt dieser Angaben sprechen nicht nur die vier Nachträge zum Mietvertrag vom 31. März 2005, sondern auch das Schreiben der Mieter der beiden benachbarten Wohnungen vom 12. Oktober 2020, mit dem sie unter Beifügung der Einkommensunterlagen des Herrn (…) sowie einer Bürgschaftserklärung (erneut) um Zustimmung zum Mieterwechsel bitten.
Allen Nachträgen ist gemeinsam, dass es bei der Gesamtzahl von drei Hauptmietern bleibt. Das erste Ausscheiden von zwei Mietern und deren Ersatz durch genau zwei neue Mieter wurde noch vor Ablauf des Jahres 2005 vereinbart. Mit dem vierten Nachtrag waren alle ursprünglichen Mieter aus dem Mietvertrag ausgeschieden, ohne dass vorgetragen oder ersichtlich wäre, dass dies für die Beklagte bzw. ihre Vertreter von Belang gewesen wäre. Neben den Hauptmietern bewohnten – wie vom Zeugen geschildert – Untermieter die Wohnung, wie sich auch dem Schreiben der Hausverwaltung vom 3. April 2012 entnehmen lässt.
Die Angaben des Gesellschafters (…) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nach § 141 Abs. 3 ZPO sind nicht geeignet, die Aussage des Zeugen (…) in Frage zu stellen.
Der Gesellschafter der Beklagten betonte mehrmals, sich wegen des Zeitablaufs nicht erinnern zu können. Er beschränkte sich daher darauf zu schildern, wie es „generell“ gemacht werde, dass ein Auswechseln von Mietern nicht der „Politik“ der Beklagten entsprach.
Auf die Nachfrage des Beklagtenvertreters, ob er sich erinnern würde, wenn es hier eine Abweichung gegeben hätte, reagierte der Gesellschafter der Beklagten verhalten mit der Äußerung, dass er das „schon glaube“, weil es eine „Abweichung von der generellen Linie“ gewesen wäre.
Auf konkrete Nachfragen reagierte der Gesellschafter der Beklagten mit dem Hinweis auf seine Erinnerungslücken, war demgegenüber auch ungefragt bemüht, ohne konkrete Begründung zu äußern, dass „auf der Hand“ liege, weshalb man generell keine Mieter auswechsle, sondern das über die Untervermietung regeln wolle.
Die erst auf Nachfrage vom Gesellschafter mitgeteilten Gründe überzeugen nicht, denn zum einen bestehen die von ihm in den Blick genommenen Vorteile der Untermietlösung aus rechtlichen Gründen nicht, zum anderen widersprechen sich seine Ausführungen.
So gab er an, die Beklagte brauche keine Mieter, die ihre Wohnungen weitervermieten, räumte allerdings ein, dass sich insoweit kein Unterschied zur Untermiete ergebe. Ist nur eine Person Mieter, so wird die „Weitervermietung“ nach der vom Gesellschafter favorisierten Lösung über diesen einen Mieter als Untervermietung realisiert.
Der daraufhin erhobene Einwand, es sei besser, einen (einzigen) Hauptmieter als Ansprechpartner zu haben, der die Wohnung beaufsichtigt, überzeugt im Zusammenhang mit dem (einfachen) Bestreiten des Inhaltes der Vertragsgespräche nicht; gerade die (übersichtliche) Anzahl von Ansprechpartnern wurde nicht in Frage gestellt.
Der Zeuge (…) hat vielmehr glaubhaft bekundet, dass die Frage der (Anzahl der) Ansprechpartner besprochen wurde, allerdings – im Einklang mit dem vom Gesellschafter geltend gemachten Interesse der Beklagten – dahin, dass es – für den Fall von Mieterwechseln – immer bei drei Hauptmietern als Ansprech- und Vertragspartner (und wohl auch Schuldner) bleiben sollte.
Auch der Einwand des Gesellschafters, dass dem Vermieter mit dem „Auswechselungsrecht“ im Vergleich zur Untermiete jede Möglichkeit der Einflussnahme genommen werde, überzeugt nicht. Auf Nachfrage erläuterte er seine Ansicht dahin, dass er bei der Untermiete „Ja oder Nein sagen“ und einen Zuschlag verlangen könne. Diese Vorstellung widerspricht jedoch den nicht abdingbaren Regelungen des § 553 Abs. 1, 2 BGB.
Eben diese Vorschrift wird im Übrigen in § 8 des Mietvertrages in Bezug genommen. Dem Gesellschafter war daran gelegen mitzuteilen, dass diese Regelung bei den Vertragsverhandlungen besprochen worden sei. Unstreitig ist – wie ausgeführt – allerdings, dass auch Untermieter die Wohnung bewohnen sollten. Eben darüber wurde – so auch der Zeuge (…) – im Rahmen der Vertragsverhandlungen bzw. des Vorstellungsgesprächs am 4. März 2005 gesprochen. Die Angabe des Gesellschafters der Beklagten schließt mit Blick auf die aus sechs Zimmern bestehende, rechts gelegene (kleinere) Wohnung daher nicht aus, dass daneben – wie vom Zeugen (…) geschildert – Mieterwechsel besprochen und geregelt wurden.
Unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen (…) sowie der weiteren vorstehend dargestellten Umstände überzeugt auch die Einlassung des Gesellschafters auf die Nachfrage des Gerichts zu den vier Nachträgen nicht. Nachdem er geäußert hatte, dass er sich nicht erinnere, aber sagen könne, dass die Beklagte generell keine Mieterwechsel vereinbare, gab er an, dass „man das auch aus Kulanz machen“ könne.
Das überzeugt hier schon vor dem Hintergrund der dem entgegenstehenden, glaubhaften und detailreichen Angaben des Zeugen (…) nicht. Entscheidend hinzu kommt, dass der Gesellschafter (…) selbst sich auf eine dem entgegenstehende „generelle Linie“ berief, Hauptmieterwechsel nie vereinbart würden. Vier Nachträge, die davon abweichen, bedürfen mit Blick auf die Darstellung der Vertragsgespräche, die die Nachträge ohne Weiteres erklären, dann doch einer weitergehenden Erläuterung. Die Erinnerungslücken des Gesellschafters der Beklagten gehen insoweit zu ihren Lasten.
Die Kammer übersieht nicht, dass der Zeuge (…) die Frage, weshalb der Zweck der Nutzung der Wohnung als Wohngemeinschaft und die nach seinen Angaben besprochenen Mieterwechsel nicht schriftlich fixiert wurden, nicht beantworten konnte.
Dies erklärt sich jedoch unter Berücksichtigung der weiteren Schilderungen des Zeugen aus der Situation und dem, was „nach der Verkehrssitte“ üblich war (und wohl auch ist).
Die Situation war aus Sicht der Mieter klar; sie haben alles offengelegt, der Gesellschafter (…) zustimmend reagiert, nicht zuletzt für den Zeugen und die anderen Mieter ersichtlich auch dadurch, dass er die Mietverträge mit ihnen abgeschlossen hat. Dass die schriftliche Fixierung von Mieterwechseln nicht üblich war und bisher nicht ist (vgl. auch Kappus, NJW 2022, 2030, [2037]), ergibt sich (unter anderem) aus den Fallkonstellationen, die den oben zitierten Entscheidungen des BVerfG zugrunde lagen (BVerfG, Beschl. v. 28.1.1993 – 1 BvR 1750/92, WuM 1993, 104; BVerfG, Beschl. v. 5.9.1991 – 1 BvR 1046/91, WuM 1992, 45), aber auch Wertungen des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 04.02.2015 – VIII ZR 166/14, juris Rn. 28).
ee) Aus den Ausführungen im Rahmen der Würdigung der Angaben des Gesellschafters (…) zu seiner Interessenlage folgt auch, dass die hiesige Vertragsgestaltung aus der maßgeblichen Sicht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Kappus, NJW 2022, 2030, [2037]) durchaus im Interesse der Beklagten lag.
Der Mietvertrag wurde am 31. März 2005 zu einer Zeit geschlossen, als der Berliner Wohnungsmarkt aufgrund rückläufiger Einwohnerzahlen entspannt war (vgl. Expertenkommission zur Anschlussförderung im öffentlichen Wohnungsbau im Land Berlin, Endbericht, Berlin 27.01.2003, S. 3, 18ff., 21).
Die aus sechs Zimmern bestehende Wohnung weist eine Größe von 167,92 m2 auf. Sie wurde unstreitig nahezu zeitgleich und im Zusammenhang mit der Realisierung des beabsichtigten Wohnprojektes mit der noch größeren Nachbarwohnung vermietet. Die Wohnungen waren bereits im Zeitpunkt der Vermietung im Berliner Mietspiegel 2005 als lärmbelastet in einfacher Wohnlage ausgewiesen.
Die Vertragsgestaltung stellte die langfristige Vermietung dieser Wohnungen in einem Gebiet sicher, das (damals) nicht zu den vielversprechenden Innenstadtlagen Berlins zählte, dies bei einer im damaligen Zeitpunkt im Rückgang begriffenen Bevölkerung und einem hohen Überschuss überwiegend einfacher Wohnungen (vgl. Expertenkommission zur Anschlussförderung im öffentlichen Wohnungsbau im Land Berlin, Endbericht, Berlin 27.01.2003, S. 21).
c) Ohne Erfolg wendet die Beklagte sich gegen die zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts zur Bonität des eintretenden Mieters. Die Kammer folgt den zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts nach eigener rechtlicher Prüfung, mit Blick auf die Berufungsbegründung mit nachfolgender Ergänzung:
Der Anspruch auf Austausch einzelner Vertragspartner unterliegt auch nach der Rechtsprechung der Kammer mit Blick auf den Rechtsgedanken des § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB Einschränkungen. Sichergestellt sein muss, dass der (oder die) neu eintretende(n) Mieter in gleicher Weise wie der oder die ausscheidenden in der Lage ist (sind), der Hauptleistungspflicht nach § 535 Abs. 2 BGB nachzukommen und auch sonst kein Grund in ihrer Person vorliegt, der ihrer Aufnahme in den Mietvertrag entgegensteht (vgl. Kammer, Urt. v. 23.03.2016 – 65 S 314/15, WuM 2016, 553, juris; Jacobs, NZM 2008, 111, [115]). Die Beklagte hat weder Einwände gegen die Person des eintretenden Mieters erhoben noch hat sie eine Verschlechterung der Bonität der Mietermehrheit vorgetragen, dies auch nicht in der Berufungsbegründung. Eine solche ist auch nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage höchstrichterlich bereits entwickelter Maßstäbe. Die Auslegung der Vertragsbestimmungen ist Sache des Tatrichters und unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2004 – VIII ZR 115/03, nach juris Rn. 21).