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Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung?

LG Berlin – Az.: 67 S 286/21 – Urteil vom 17.03.2022

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Oktober 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 9 C 5/20 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der klagende Mieter begehrt die Zustimmung zur unbefristeten Untervermietung je eines Zimmers in einer von der Beklagten angemieteten 3-Zimmer-Wohnung an zwei Untermieterinnen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Erlaubniserteilung verurteilt. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der teilweisen Gebrauchsüberlassung. Für die Annahme eines berechtigten Interesses des Klägers sei es ausreichend, dass er die Wohnung unterhalb der Woche teilweise auch weiterhin so zu nutzen beabsichtige, wie es die Beweiserhebung ergeben habe. Dass er zudem mit seiner Familie eine gemietete Doppelhaushälfte in ### bewohne, berühre sein berechtigtes Interesse nicht. Wegen der Einzelheiten, insbesondere zum erstinstanzlichen Vorbringen und zu den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen, wird auf das amtsgerichtliche Urteil (Bl. I/170-189 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 02.11.2021 zugestellte Urteil am 18.11.2021 Berufung eingelegt, die sie mit am selben Tage eingegangenen Schriftsatz vom 27.12.2021 begründet hat.

Sie rügt, schon die Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei unzutreffend. Der Kläger nutze die Wohnung zudem allenfalls aus Gründen bloßer Bequemlichkeit; diese seien für die Annahme eines berechtigten Interesses i.S.v. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ausreichend. Schließlich sei der auf Erteilung der Erlaubnis gerichtete Antrag des Klägers zu unbestimmt, da nicht klargestellt sei, welche Zimmer er wem überlassen und welches Zimmer er weiterhin selber nutzen wolle.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Teil- und Schlussurteils des Amtsgerichts Mitte vom 27.10.2021 (9 C 5/20) abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung gegen die Beklagte gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu.

Gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter von dem Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse entsteht. Ein berechtigtes Interesse des Mieters liegt vor, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Rechtsentscheid v. 3. Oktober 1984 – VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213 (zu § 549 BGB a.F.)). Berechtigt ist jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 2017 – VIII ZR 105/17, NZM 2018, 325, 330; Kammer, Urt. v. 9. April 2015 – 67 S 28/15, NJOZ 2015, 1084). Ein derartiges Interesse kommt dem Kläger nicht zu, da sein Überlassungsinteresse nicht hinreichend gewichtig ist:

Die beabsichtigte Gebrauchsüberlassung dient dem Kläger – ausweislich seines mehrfach geänderten Vorbringens – nunmehr ausschließlich zur Erzielung von (Unter-)Mieteinnahmen, um damit die von ihm zu tragenden Mietkosten einer von ihm und seiner Familie am Stadtrand von Berlin bewohnten Doppelhaushälfte und die Kosten des gleichwohl fortgesetzten Mietverhältnisses über die streitgegenständliche „Stadtwohnung“ zu reduzieren. Zwar sind die aus einer – notwendigen – doppelten Haushaltsführung erwachsenden Mietkosten grundsätzlich geeignet, ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Gebrauchsüberlassung von mehr als nur unerheblichem Gewicht zu begründen (vgl. BGH, Urt. v. 23. November 2005 – VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200). Dem vom Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemachten Interesse an der Senkung seiner Mietbelastung kommt wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles ein hinreichend erhebliches Gewicht jedoch nicht zu.

Die Bemessung der hinreichenden Gewichtigkeit des Interesses wird durch den Gesetzeszweck bestimmt. § 553 Abs. 1 BGB dient ausschließlich dem Bestandsschutz: Das Mietverhältnis soll auch dann aufrechterhalten bleiben, wenn der Mieter aufgrund veränderter Umstände ein Interesse daran hat, einen Teil des Wohnraums an Dritte zu überlassen (vgl. BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen v. 3. Oktober 1984 – VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213; Bieber, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 553 Rz. 2; Emmerich, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. Januar 2022, § 553 Rz. 4 m.w.N.).

Ob der Bestand des Mietverhältnisses den Schutz des § 553 Abs. 1 BGB verdient und damit ein berechtigtes – hier wirtschaftliches – Interesse des Mieters an der teilweisen Gebrauchsüberlassung begründet, ist trotz des weit gesteckten Anwendungsrahmens des § 553 Abs. 1 BGB stets eine Frage des Einzelfalls. Ein generalisierendes Gesetzesverständnis würde § 553 Abs. 1 BGB im hier maßgeblichen Kontext weitgehend überflüssig machen. Denn dann hätte ein Wohnraummieter bei jeder ihm nachteiligen Veränderung des ursprünglich vereinbarten Mietzinses oder jeder auch nur temporären sonstigen finanziellen Zusatzbelastung, die ihm nach Vertragsschluss entstünde, stets ein hinreichend berechtigtes Interesse an der Erzielung von Untermieteinnahmen und der damit verschränkten teilweisen Gebrauchsüberlassung, um auf diese Weise entweder seine Mietkosten oder seine gesamte finanzielle Belastung zu senken (vgl. Emmerich, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, § 553 Rz. 8 m.w.N.). Damit aber würde unabhängig von der Höhe des Mietzinses und unabhängig von den Einkommensverhältnissen des Mieters im Verlaufe nahezu jeden Mietverhältnisses – und zwar bereits nach der ersten Erhöhung des Mietzinses oder nach der ersten Nebenkostennachzahlung – zwangsläufig ein wirtschaftlich begründetes Interesse an der teilweisen Gebrauchsüberlassung entstehen. Eine derartig uferlose Anwendung des § 553 Abs. 1 BGB liefe auf die Schaffung einer institutionellen Erwerbsquelle des Wohnraummieters und eine damit einhergehende – und nur in seltenen Fällen durch die Erlaubnissperren der §§ 553 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB beschränkte – Genehmigungspflicht des Vermieters hinaus. Eine solche jedoch entspricht ausweislich der offenen Fassung des Tatbestandes von § 553 Abs. 1 BGB und des insoweit beredten Schweigens der Gesetzesbegründung zu § 553 Abs. 1 BGB und § 549 BGB a.F. nicht dem Willen des Gesetzgebers. Zudem hatte dieser nicht den schützenswerten Bestand mehrerer vom Mieter gleichzeitig eingegangener Mietverhältnisse, sondern lediglich den eines einzigen Mietverhältnisses vor Augen (vgl. AG Hamburg-Altona, Urt. v. 29. April 2014 – 314b C 273/13, ZMR 2015, 382; Flatow, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 553 Rz. 5).

Davon ausgehend kommt es für die Bemessung des hinreichenden Gewichts des vom Mieter verfolgten wirtschaftlichen Interesses vornehmlich darauf an, ob die zum Zwecke der Erzielung von Untermieteinnahmen beabsichtigte Gebrauchsüberlassung im Wesentlichen dem fortdauernden Bestand des den Hauptwohnsitz des Mieters betreffenden Mietverhältnisses oder lediglich sonstigen wirtschaftlichen Interessen des Mieters dient. Sonstigen wirtschaftlichen Interessen kommt ein für § 553 Abs. 1 BGB hinreichend erhebliches Gewicht allenfalls dann zu, wenn sie denjenigen Interessen des Mieters entsprechen, die mit dem fortdauernden Bestand des seinen Hauptwohnsitz betreffenden Mietverhältnisses in Zusammenhang stehen. Dazu zählt das Interesse am Bestand eines durch Untermieteinnahmen zu finanzierenden Nebenwohnsitzes nur dann, wenn es sich bei diesem – so wie etwa im Falle eines zeitweiligen Auslandsaufenthalts des Mieters – um den ehemaligen Hauptwohnsitz des Mieters handelt und die Gebrauchsüberlassung im Zusammenhang mit der (Doppel-)Eigenschaft des Nebenwohnsitzes als voraussichtlich auch zukünftigem Hauptwohnsitz des Mieters steht (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2014 – VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2717, beckonline Tz. 19 ff.). Dasselbe gilt, wenn die Gründe für den Erhalt des den Nebenwohnsitz betreffenden Mietverhältnisses so gewichtig sind, dass sie denen für den Erhalt des Hauptwohnsitzes im Wesentlichen nicht nachstehen. Beide Ausnahmevoraussetzungen sind hier nicht erfüllt:

Zunächst handelt es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung um einen bloßen Nebenwohnsitz des Klägers. Denn er übernachtet in dieser Wohnung ausweislich seines – von der Beklagten bestrittenen – Vortrags durchschnittlich an lediglich zwei bis drei Nächten in der Woche und zieht sich tagsüber gelegentlich nach dort zu Arbeitspausen aus seinem in zehnminütiger Entfernung gelegenen Speditionsbetrieb zurück. Seinen Hauptwohnsitz unterhält er stattdessen in der von ihm mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern bewohnten Doppelhaushälfte am Stadtrand von Berlin, die 16,7 km von der streitgegenständlichen Wohnung und 15,6 km vom Betriebsgelände seiner Spedition entfernt liegt. Weder beabsichtigt der Kläger derzeit, in der streitgegenständlichen (Neben-)Wohnung zukünftig wieder seinen Hauptwohnsitz zu begründen, noch entsprechen die von ihm geltend gemachten Gründe für den Fortbestand des den Nebenwohnsitz betreffenden Mietverhältnisses in ihrem Gewicht denen für den Erhalt eines Hauptwohnsitzes. Sie bleiben vielmehr weit dahinter zurück, da sie sich in dem bloßen Komfortzuwachs erschöpfen, der sich aus der zentralen Lage der (Neben-)Wohnung und den geringeren Fahrzeiten für die vom Kläger in Berlin entfalteten gewerblichen Tätigkeiten sowie die privaten Treffen mit seinem Sohn in der Stadt ergibt. Beides reicht angesichts der damit verbundenen und vergleichsweise geringfügigen Gebrauchs- und Komfortvorteile für die Begründung eines berechtigten Interesses von nicht lediglich unerheblichem Gewicht nicht aus (vgl. AG Hamburg-Altona, a.a.O.; AG Lichtenberg, Urt. v. 13. März 2019 – 8 C 338/18, BeckRS 2019, 37151; Flatow, a.a.O.). Das gilt erst recht mit Blick auf den Umstand, dass die in der mündlichen Verhandlung erörterten räumlichen Verhältnisse im Speditionsbetrieb des Klägers es jedenfalls mit Blick auf sein Ruhe- und Rückzugsbedürfnis nicht ausschließen, durch den Einsatz von Raumteilern einen geschützten Bereich zu schaffen, in dem er seine Arbeitspausen verbringen könnte, ohne die streitgegenständliche (Neben-)Wohnung aufzusuchen.

Ob die Erzielung von Untermieteinnahmen zum Unterhalt mehrerer Mietsachen jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin im Widerspruch zur geltenden Sozialordnung steht, da die davon betroffenen Untermieter wegen der vereinfachten Kündigungsmöglichkeiten des Hauptmieters nach § 573a Abs. 2 BGB und der zusätzlichen Möglichkeit zur unmittelbaren Inanspruchnahme durch den (Haupt-)Vermieter nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses gemäß § 546 Abs. 2 BGB einem erheblich höheren Beendigungsrisiko ausgesetzt sind als bei Begründung eines gewöhnlichen Hauptmietverhältnisses, bedarf davon ausgehend keiner Entscheidung (vgl. dazu Kammer, Urt. v. 9. April 2015 – 67 S 28/15, NJOZ, 2015, 1084; LG Berlin, Urt. v. 8. Februar 2017 – 65 S 433/16, WuM 2017, 263). Dasselbe gilt für die Frage, ob der Klage der Erfolg nicht schon mangels hinreichender Vollständigkeit des auf die Erlaubniserteilung gerichteten Antrags des Klägers zu versagen ist (vgl. dazu Kammer, Beschluss vom 15. Juli 2021 – 67 S 87/21, NZM 2021, 806). Schließlich kann ebenfalls dahinstehen, ob für ein hinreichendes wirtschaftliches Interesse an der teilweisen Gebrauchsüberlassung nicht nur auf die im Umfang der Untermieteinnahmen gesenkten Mietkosten des Mieters abzustellen ist, sondern auch auf die konkrete Höhe seiner Einkünfte und seines Vermögens, die es ihm womöglich ohne Weiteres erlauben, das Mietverhältnis auch ohne die Inanspruchnahme von Untermieteinnahmen fortzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO. Die Kammer hat gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der Frage zu ermöglichen, ob sämtliche oder nur bestimmte wirtschaftliche Interessen des Mieters geeignet sind, einen Anspruch auf die Genehmigung der teilweisen Gebrauchsüberlassung nach § 553 Abs. 1 BGB zu begründen.

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