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Anspruch des Mieters auf „frisch abgezogene Dielen“

LG Berlin, Az.: 67 S 355/14, Urteil vom 24.02.2015

Die Berufung der Beklagten gegen das am 31. Juli 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 12 C 304/12 – wird auf ihre Kosten bei einem Streitwert bis zu 1.000,- € zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Antrages zu 3 erledigt ist. Das Urteil des Amtsgerichts Mitte wird insoweit (d. h. hinsichtlich des Tenors zu 3) aufgehoben.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Anspruch des Mieters auf "frisch abgezogene Dielen"
Symbolfoto: Von photographerstudio /Shutterstock.com

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen. Von der Darstellung des Tatbestandes wird im Übrigen gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die erforderliche Berufungssumme von mehr als 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist erreicht.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Beklagte ist gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zur Beseitigung der von den Klägern geltend gemachten Mängel an den Dielen im Umfang der Verurteilung in dem Tenor zu 1. verpflichtet.

Nach dieser Vorschrift ist der Vermieter verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen.

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da mit dem Amtsgericht anzunehmen ist, dass die Dielen weder bei Vertragsschluss (26. Oktober 2011) noch am 1. November 2011 (Beginn des Mietverhältnisses) tatsächlich den vertraglich vereinbarten Zustand aufwiesen.

Der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand im Sinne des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB wird vorliegend durch die Vereinbarung der Parteien in § 22 Ziffer 13 des Mietvertrages vom 26. Oktober 2011 bestimmt. Die darin getroffene Abrede „Die Wohnung wird mit frisch abgezogenen Dielen … an den Mieter übergeben“ ist entgegen der Ansicht der Beklagten dahingehend zu verstehen, dass jene sich verpflichtet hat, den Dielenfußboden mit frisch abgezogenen Dielen, das heißt in einem unbeschädigten, einwandfreien Zustand zu übergeben. Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist zu berücksichtigen, wie die Erklärung unter Berücksichtigung aller Begleitumstände redlicherweise zu verstehen ist. Wird ein Formular des Vermieters benutzt, ist unabhängig davon, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, für die Auslegung der Vertragsbestimmung (§§ 133, 157 BGB) maßgeblich, wie der Inhalt der von der Beklagten vorformulierten Erklärung aus Sicht der Kläger zu verstehen war (vgl. BGH, Urt. vom 23. März 1983 – VIII ZR 335/81 -; Urt. vom 17. Juli 1997 – I ZR 40/95 -, jeweils zit. nach juris). Die Kläger konnten bei unbefangener und objektiver Auslegung von dem Vorhandensein eines aufgearbeiteten, frisch versiegelten Dielenbodens ohne die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellten deutlichen Gebrauchsspuren ausgehen.

Die von dem Amtsgericht nach der am 19. Dezember 2013 durchgeführten Augenscheinnahme vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Der Amtsrichter hat dabei unmissverständlich festgestellt, dass sowohl im Erker-, als auch im Wohn- sowie im Schlafzimmer in den Dielen jeweils Vertiefungen vorhanden waren, die bis in das Holz reichen, d.h. nicht nur oberflächliche Schrammen, sowie an diesen Stellen teils farbliche Unterschiede festgestellt.

Diese Zustandsbeschreibung bezogen auf einen späteren Zeitpunkt nach Einzug der Mieter kann mit dem Amtsgericht vorliegend deshalb Berücksichtigung finden, da sie mit derjenigen der Kläger in ihrer ausführlichen Bestandsaufnahme vom 30. Oktober 2011, bezogen auf Ortstermine am 28. und 29. Oktober 2011, übereinstimmt und insofern mangels berücksichtigungsfähigen, abweichenden Vortrag der Beklagten davon ausgegangen werden kann, dass der bei der Augenscheinseinnahme festgestellte mangelhafte Zustand tatsächlich abredewidrig bereits bei der Übergabe bestand.

Entgegen der Ansicht des Beklagten handelt es sich bei den von dem Amtsgericht festgestellten Beeinträchtigungen auch nicht um lediglich unerhebliche, sondern um deutliche Kratzspuren mit unterschiedlichen Längen und Tiefen, die mit dem pauschalen Vorbringen der Beklagten, die Dielen seien frisch abgezogen worden, nicht in Einklang zu bringen sind.

Ferner lässt der Umstand, dass der beschädigte Dielenfußboden in dem Protokoll zur Wohnungsübergabe vom 28. Oktober 2011 nicht erwähnt wird, keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Zustand des Dielenfußboden zu. Da bereits – wie oben erläutert – vertraglich die Aufarbeitung der Dielen vereinbart war, ist es folgerichtig, dass ebenso wie das gleichermaßen zugesagte neue Verputzen der Wände die Beschaffenheit des Dielenfußbodens keine gesonderte Erwähnung in dem Übergabeprotokoll findet, sowie ebenso wenig ein Vorbehalt der Beseitigung durch die Beklagte seitens der Kläger. Ein Ausschluss des Instandsetzungsanspruchs kommt bereits nach der klaren Bestimmung des § 536b BGB hinsichtlich des Anspruchs gem. § 535 S. 2 BGB ohnehin nicht in Betracht.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, ein Abschleifen und Versiegen der Dielen habe in dem kurzen Zeitraum bis zu Beginn des Mietvertrages gar nicht erfolgen können, wird darauf hingewiesen, dass der Beklagten wegen des geplanten Einzugs der Kläger erst zu Ende November 2011 genügend Zeit zur Verfügung stand, die Dielen aufzuarbeiten.

Wenn die Beklagte mit der Berufung schließlich rügt, das Amtsgericht habe rechtsfehlerhaft die gegenbeweislich benannten Zeugen … und … nicht vernommen, kann dem nicht gefolgt werden. Das Amtsgericht hat zu Recht von der Einvernahme der Zeugen Abstand genommen: Angesichts der festgestellten nicht nur unerheblichen Gebrauchsspuren der Dielen in mehreren Räumen, von deren Vorhandensein – wie erläutert – auch im Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache ausgegangen wird, war die Beklagte zunächst gehalten, ihren Vortrag zu dem angeblich erfolgten frischen Abziehen und Lackieren der Dielen vor Übergabe der Wohnung jedenfalls hinsichtlich des Zeitpunktes sowie der Art und Weise der Ausführung dieser Maßnahmen zu konkretisieren und zu den nach den überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts bereits bei Einzug der Mieter vorhandenen Gebrauchsspuren substantiiert Stellung zu nehmen, was weder in der Berufungsbegründung noch in der mündlichen Verhandlung hinreichend erfolgt ist.

2. Die Berufung ist auch nicht begründet, soweit sie sich gegen die von den Klägern im zweiten Rechtszug erklärte Erledigung der Hauptsache hinsichtlich des Tenors zu 3) des Urteils des Amtsgerichts wendet.

Der Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache – der hinsichtlich des Klageantrags zu 3) gestellte Klageabweisungsantrag der Kläger bewirkt die konkludente Änderung des Klageantrages auf Feststellung, dass die Hauptsache erledigt ist, § 256 ZPO – ist zulässig und begründet.

Allein die Kläger haben den Rechtsstreit wegen der unstreitig erfolgten Verstärkung der Küchenwände für erledigt erklärt. Dieser einseitige Erledigungsantrag ist auszulegen und bedeutet, dass die Kläger festgestellt haben wollen, der ursprüngliche Antrag war zulässig sowie begründet und wurde nachträglich durch ein objektiv erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet. Die darin liegende Klageänderung ist gem. § 533 ZPO zulässig.

Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Das Amtsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, dass der diesbezügliche Antrag zu 3) zulässig und begründet war. Hinsichtlich der in dem Tenor zu 3) des amtsgerichtlichen Urteils bezeichneten Wände in der Küche, die wegen ihrer einfachen Gipsplattenbeplankung nicht geeignet waren, die Befestigung von Wandschränken zu ermöglichen, bestand ein Anspruch auf Verstärkung der Wand, wie zwischenzeitlich erfolgt, da die Wände nicht die zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Beschaffenheit im Sinne des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB aufwiesen.

Mangels einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand im Sinne des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB durch den vereinbarten Nutzungszweck bestimmt. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Mindest-Wohnstandard aufweisen, der der üblichen Ausstattung vergleichbarer Wohnung entspricht. Hierbei sind insbesondere die Ausstattung und die Art des Gebäudes sowie die Höhe des Mietzinses und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 26. Juli 2004 – VIII ZR 281/03 -; LG Berlin, Urt. v. 20. März 2014 – 67 S 490/11 – m.w.N., jeweils zit. nach juris). Gemessen an diesen Grundsätzen konnten die Kläger erwarten, dass sie zur Aufbewahrung ihrer Küchenutensilien als normale, zeitgemäße Nutzung Hängeschränke an den dafür infrage kommenden Wänden befestigen können. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die überzeugenden, detaillierten Ausführungen des Amtsgerichtes Bezug genommen.

Ferner ist anzunehmen, dass infolge der Gipskartonbeplankung ein sicheres Aufhängen nicht möglich war, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat. Zwar kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Mindeststandard nur dann gewährleistet ist, wenn die Wände doppelbeplankt sind, sowie wenn alle Wände hängeschranktauglich sind. Jedoch kann mit ausreichender überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund der eigene Sachkunde der erkennenden Kammer festgestellt werden, dass die für das Aufhängen von Hängeschränken nach dem Grundriss der Küche passenden,(d.h. ohnehin nicht alle) Wände jedenfalls deshalb nicht dem üblichen Mindeststandard entsprachen, da ohne die nunmehr von den Klägern veranlasste Küchenwandverstärkung durch das Anbringen von Holzplanken die erforderliche und geschuldete Hängeschranktauglichkeit nicht gegeben war. Angesichts dessen ist das nicht näher substantiierte Bestreiten der fehlenden Hängeschranktauglichkeit seitens der Beklagten unzureichend, worauf das Amtsgericht mit ausführlicher zutreffender Begründung hinweist.

Durch die zwischenzeitlich auf Kosten der Kläger veranlasste Verstärkung der Küchenwände ist im zweiten Rechtszug der Antrag zu 3. unbegründet geworden, mithin ein erledigendes Ereignis eingetreten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zu der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat im Hinblick auf die Einzelfallbeurteilung weder grundsätzliche Bedeutung noch bedarf es einer Überprüfung durch das Revisionsgericht im Hinblick auf die Rechtsfortbildung oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

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