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Aufrechnung mit erwartetem Guthaben aus Betriebskostenabrechnung gegen Mietrückstände

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 9 U 16/11 – Urteil vom 16.08.2011

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg, Gesch.-Nr.: 10 O 1171/10 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.462,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.836,79 € ab dem 07. November 2009 und auf weitere 6.625,44 € ab dem 07. Dezember 2009 zu zahlen, sowie an den Kläger weitere 523,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25. September 2010 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten rückständige Miete.

Die Beklagte schloss mit der E. GmbH & Co. KG am 26. Januar 2002 einen Gewerbemietvertrag zum Betriebe eines Sonderpostenmarktes. Danach war der Vermieter verpflichtet, jeweils am 31. Mai eines jeden Folgejahres die Jahresabrechnung über die Nebenkosten vorzulegen. Wegen der Einzelheiten des Mietvertrages wird auf die Anlage K 6, Bl. 29 d. A. Bezug genommen. Zuletzt betrug der monatliche Mietzins insgesamt 12.836,79 €. Mit Schreiben vom 29. November 2006 hatte die E. GmbH & Co. KG der Beklagten eine Dauermietrechnung übermittelt, wonach die Beklagte die Nebenkostenvorauszahlungen in monatlicher Höhe von 1.400,00 € ab dem 01. Januar 2007 zahlen sollte (B 3, Bl. 58 d. A.). Aus der später erstellten Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 ergab sich unter Berücksichtigung der gezahlten Vorauszahlungen ein Guthaben zugunsten der Beklagten in Höhe von 6.069,67 €. Mit Schreiben vom 12. September 2008 forderte die Beklagte auf Grund dieses Abrechnungsergebnisses die Vermieterin auf, die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zu senken. Da keine Reaktion erfolgte, zahlte die Beklagte für den Zeitraum Januar 2008 bis Oktober 2009 weiterhin 1.400,00 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer. In der Folgezeit wurde der Kläger Gesamtrechtsnachfolger der E. GmbH & Co. KG. Er übertrug das streitgegenständliche Gewerbegrundstück zum Jahresende 2009 an die I. mbH & Co. KG. Ausweislich der notariellen Urkunde vom 25. November 2009 (K 4, Bl. 10 d. A.) sollte der wirtschaftliche Übergang mit der vollständigen Hinterlegung des Restkaufpreises erfolgen. Diese war am 16. Dezember 2009 vorgenommen worden. Ausweislich des Grundbuchauszuges wurde die Erwerberin, die I. mbH & Co. KG, am 26. März 2010 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte hat die Mieten für die Monate November und Dezember 2009 nicht gezahlt. Der Kläger macht daher gegen die Beklagte Mietrückstände bis zum 16. Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 19.462,23 € geltend (12.836,79 € für November; 12.836,79 € : 31 = 414,09 € x 16 = 6.625,44 € für Dezember). Mit Schreiben vom 04. März 2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, die noch ausstehenden Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2008 und 2009 vorzulegen. Zudem hat sie „auf Grund der zu erwartenden Erstattungen aus diesen Zeiträumen“ die vorläufige Aufrechnung mit den Mietforderungen erklärt. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage B 9, Bl. 67 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 15. Juli 2010 und vom 12. August 2010 (K 8) forderte die Beklagte den Kläger erneut zur Vorlage der Betriebskostenabrechnungen 2008/2009 (Bl. 80, 81 d.a.) auf. Mit Datum vom 01. September 2010 erstellte der Kläger die Betriebskostenabrechnung für das streitgegenständliche Objekt für die Jahre 2008 und 2009. Mit Schreiben vom 08. September und 14. September 2010 (Anlage K 9, K 10) stellte die Beklagte Rückfragen wegen der Heizkosten. In der Folgezeit beglich sie die zu ihren Lasten angefallene Nachzahlung für die Zeiträume 2008 und 2009 in Höhe von insgesamt 8.030,21 €. Mit Klageerwiderungsschriftsatz vom 12. Oktober 2010 erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit dem Rückerstattungsanspruch sämtlicher Vorauszahlungen für die Jahre 2008 und 2009 in der Reihenfolge Mietzins November 2009 und Dezember 2009. Gleichzeitig wiederholte sie die bereits erklärte Aufrechnung gegen die Klageforderung.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe gegen den Klageanspruch nicht wirksam aufgerechnet. Die Aufrechnungserklärung vom 04. März 2010 beziehe sich auf zu erwartende Erstattungen. Eine Aufrechnung mit künftigen Forderungen sei unwirksam. Zudem sei die erklärte vorläufige Aufrechnung nicht möglich, denn Aufrechnungserklärungen könnten lediglich unwiderruflich abgegeben werden, auch seien sie bedingungsfeindlich. Weiterhin enthalte die Aufrechnungserklärung vom 04. März 2010 keine Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte dieser bereits beziffert werden können. Auch seien die geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen in der Abrechnung in Höhe von 19.992,00 € zugunsten der Beklagten angerechnet worden. Dieser Betrag könne der Beklagten daher nicht zusätzlich im Rahmen der Aufrechnung zugute kommen. Höchstvorsorglich hat der Kläger seinen Klageanspruch insoweit auch auf die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 gestützt.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.462,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.836,79 € ab dem 07. November 2009 und auf weitere 6.625,44 € ab dem 07. Dezember 2009 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 523,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, mit Zugang der Aufrechnungserklärung vom 04. März 2010 seien die Mietzinsansprüche aus den Monaten November und Dezember 2009 erloschen. Die spätere Abrechnung sei in diesem Zusammenhang irrelevant. Zudem hätten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Betriebskostenabrechnung nicht unmittelbar an die Beklagte richten dürfen, ohne die Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Kenntnis zu setzen. Hierin liege ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 BORA.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Schreiben vom 04. März 2010 bzw. mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2010 sei wirksam die Aufrechnung mit erwarteten Erstattungen bei einer Betriebskostenabrechnung erklärt worden. Die Verwendung des Begriffes „vorläufig“ stehe der Aufrechnungswirkung nicht entgegen. Es habe lediglich die Verrechnungsabsicht ausgedrückt werden sollen, weil eine konkrete Berechnung angesichts der zum damaligen Zeitpunkt fehlenden Abrechnungen noch nicht möglich gewesen sei. Auch sei die Aufrechnung nicht von einer endgültigen Abrechnung abhängig gemacht worden, so dass eine bedingte Aufrechnung nicht gegeben sei. Der Beklagten stehe ein vertraglicher Anspruch auf Rückerstattung geleisteter Vorauszahlungen auf die Betriebskosten für das Abrechnungsjahr 2008 in Höhe von 19.992,00 € bzw. für das Abrechnungsjahr 2009 in Höhe von 16.660,00 € zu. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09. März 2005, Az.: VIII ZR 57/04, gelte der Anspruch auf Rückerstattung geleisteter Betriebskostenvorauszahlungen zwar ausdrücklich nur für beendete Mietverhältnisse. Im vorliegenden Falle handele es sich jedoch um ein Mietverhältnis, in welchem Rechte und Pflichten vom Veräußerer auf den Erwerber übergegangen seien; diese Konstellation sei einem beendeten Mietverhältnis gleichzustellen. Da der Veräußerer der Mietsache – der Kläger – für vor der Veräußerung der Mietsache liegende Zeiträume nicht abgerechnet habe, sei dem Mieter die Möglichkeit genommen, über das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB hinsichtlich der laufenden Betriebskostenvorauszahlungen eine Abrechnung zu erzwingen. Aus diesem Grunde sei es gerechtfertigt, dem Mieter die Möglichkeit zu geben, über die Rückforderungsmöglichkeit der geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen den Veräußerer bzw. den ursprünglichen Mieter zur Abrechnung anzuhalten. Die Aufrechnungswirkungen würden durch die Abrechnung im September 2009 nicht berührt. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe der Kläger die Möglichkeit, den sich aus der Abrechnung ergebenden Saldo geltend zu machen. Dies habe er jedoch in dem vorliegenden Verfahren nicht getan.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Er ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht eine wirksame Aufrechnung gegen die Klageforderung angenommen. Im Schreiben vom 04. März 2010 sei keine wirksame Aufrechnung enthalten. Die dort erklärte Aufrechnung mit erwarteten Erstattungen stelle eine unzulässige Aufrechnung mit einer künftigen Forderung dar. Zudem habe die Betriebskostenabrechnung letztlich keine Erstattung, sondern vielmehr eine Nachzahlung zulasten der Beklagten ergeben, sodass die Aufrechung ohnedies ins Leere gegangen sei. Unzutreffend habe das Landgericht der Erklärung der Beklagten vom 04. März 2010 die Bedeutung einer Aufrechnung mit einem Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Betriebskostenvorauszahlungen beigelegt. Bereits aus dem Wortlaut der Erklärung ergebe sich jedoch, dass die Beklagte mit einem Rückforderungsanspruch nicht aufgerechnet habe. Zudem hätte dieser auch beziffert werden können. Auch die Aufrechnungserklärung in der Klageerwiderung vom 12. Oktober 2010 habe nicht zum Erlöschen der Klageforderung geführt. Sofern dort die Aufrechnung hinsichtlich der Rückzahlung für die Jahre 2008 und 2009 geleisteter Vorauszahlungen erklärt worden sei, sei der Anspruch mit der Erteilung der Abrechnungen am 01. September 2010 weggefallen. Rechtsfehlerhaft sei daher das Landgericht von einem Fortbestand dieses Rückzahlungsanspruches trotz der Abrechnung ausgegangen. Dies widerspreche den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere in der Entscheidung vom 09. März 2005, Az.: VIII ZR 57/04. Zudem würde ein unnötiger Folgeprozess erforderlich. Ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Betriebskostenvorauszahlungen habe auch schon allein deshalb nicht bestanden, weil die Beklagte ab Fälligkeit des Betriebskostenabrechnungsanspruches Anfang Juni 2009 bis zum Eigentumswechsel Ende März 2010 zumindest die weiteren laufenden Vorauszahlungen für zehn Monate gegenüber dem „alten“ Vermieter bzw. Veräußerer noch hätte zurückbehalten können (10 x 1.400,00 € + 19 % Umsatzsteuer = 16.660,00 €). Auch insoweit wäre die Aufrechnung ins Leere gegangen. Unzutreffend habe das Landgericht schließlich angenommen, dass der Kläger aus der Betriebskostenabrechnung 2008 keinen Saldo geltend gemacht habe. Vielmehr habe der Kläger in seinem Schriftsatz vom 18. November 2010 vorsorglich für den Fall, dass das Landgericht eine wirksame Aufrechnung als gegeben ansieht, seinen Klageanspruch auf die Betriebskostenabrechnung 2008 gestützt. Darin seien die geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 19.992,00 € als Gutschrift berücksichtigt worden. Würde dieser Betrag zweimal zugunsten der Beklagten in Anrechnung gebracht, hätte dies zur Folge, dass der Kläger gar keine Erstattung der verauslagten Nebenkosten erhalten würde. Dieses Ergebnis sei jedoch wirtschaftlich nicht tragbar.

Der Kläger beantragt daher, an den Kläger 19.462,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 12.836,79 € ab dem 04. November 2009 und auf weitere 6.625,44 € ab dem 03. Dezember 2009 zu zahlen, an den Kläger weitere 523,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

1. Die zulässige Berufung hat in vollem Umfange Erfolg.

Sie führt zur Abänderung des klageabweisenden Urteils und zur vollständigen Verurteilung der Beklagten.

a) Der Kläger kann von der Beklagten rückständige Gewerberaummiete in Höhe von 19.462,23 € gemäß § 535 Satz 2 BGB verlangen.

Dieser Anspruch ist – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht durch Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen. Ein aufrechnungsfähiger Gegenanspruch der Beklagten kann nicht festgestellt werden.

aa) Die Aufrechnungserklärung im Schreiben vom 04. März 2010 bezieht sich nach Wortlaut und Sinnzusammenhang ausschließlich auf die nach Abrechnung der angefallenen Nebenkosten für die Jahre 2008 und 2009 nicht verbrauchten Vorschusszahlungen. Aus dem Formulierungszusammenhang ergibt sich die Abhängigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderung von dem Ergebnis der Nebenkostenabrechnungen. Das im Ergebnis der Abrechnung offensichtlich erwartete Guthaben sollte Gegenstand der Aufrechnung sein. Hierfür spricht, dass die zunächst als relativ hoch bemessenen Betriebskostenvorschusszahlungen von 1.400,00 € monatlich für das Abrechnungsjahr 2007 zu einem Guthaben der Beklagten von rund 6.000,00 € geführt hatten. Dem Umstand, dass das erwartete Guthaben für die Folgejahre ohne Abrechnung nicht beziffert werden konnte, wurde mit der Formulierung „vorläufig“ Rechnung getragen. Eine Bedeutung dahingehend, dass die Aufrechnung auch mit dem Anspruch auf Rückzahlung sämtlicher für die Jahre 2008 und 2009 geleisteter Betriebskostenvorschüsse erklärt werden sollte, kann dem Schreiben vom 04. März 2010 hingegen nicht beigelegt werden. In Rechtsprechung und Literatur war lange Zeit umstritten, auf welche Mittel ein Mieter, insbesondere ein Mieter, der ein Guthaben erwartet, zurückgreifen können soll, wenn der Vermieter seiner Abrechnungspflicht nicht nachkommt. Dabei wurde zwischen beendeten und unbeendeten Mietverhältnissen unterschieden. So wurde etwa vertreten, dass eine Rückzahlungsklage erst nach erfolgloser Vollstreckung eines Urteils auf Abrechnung möglich sei oder dass eine Rückzahlung nur unter Berücksichtigung eines geschätzten Mindestverbrauches in Betracht komme (Schmidt/Futterer, 10.A. § 556 BGB Rdnr. 282 ff.). Im Hinblick auf die lange umstrittene, komplizierte und auch differenzierte Rechtslage kann eine Aufrechnung mit Rückzahlungsansprüchen betreffend Vorschüsse auf Betriebskosten, insbesondere durch einen rechtlichen Laien nicht ohne weiteres angenommen werden. Dafür, dass die Beklagte mit Schreiben vom 04. März 2010 zusätzlich zu der vorläufigen Aufrechnung mit den erwarteten Erstattungen eine derartige Erklärung abgeben wollte, bestehen keine Anhaltspunkte. Wäre eine derartige Erklärung gewünscht gewesen, hätten die entsprechenden Rückzahlungsansprüche bereits zum Erklärungszeitpunkt – wie im Klageerwiderungsschrift vom 12. Oktober 2010 geschehen – näher bezeichnet, beziffert und unbedingt zur Aufrechnung gestellt werden können. Demnach bezieht sich die Aufrechnung alleine auf das nach Abrechnung der Betriebskosten erwartete Guthaben. Eine derartige Aufrechnung war jedoch im Hinblick auf die in § 387 BGB geregelten Aufrechnungsvoraussetzungen nicht möglich. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss demnach vollwirksam und fällig sein. Dies ist bei Ansprüchen aus Abwicklungs- und Abrechnungsverhältnissen wie dem vorliegenden erst der Fall, wenn ein Überschuss feststeht (vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, 70. Aufl. 2011, § 387 Rdnr. 11). Da sich ein solcher für die Beklagte letztlich – unstreitig – nicht ergeben hat, geht die Aufrechungserklärung vom 04. März 2010 ins Leere.

bb) Auch die in der Klageerwiderung vom 12. Oktober 2010 enthaltene Aufrechnungserklärung betreffend den Rückzahlungsanspruch geleisteter Betriebskostenvorauszahlungen für die Jahre 2008 und 2009 vermögen den Klageanspruch nicht zu Fall zu bringen.

Grundsätzlich hat der Mieter bei beendeten Mietverhältnissen das Recht, die Betriebskostenvorauszahlungen insgesamt zurückzuverlangen, wenn der Vermieter für einen bestimmten Abrechnungszeitraum die geschuldete Abrechnung nicht innerhalb angemessener Frist erteilt. Insbesondere ist er nicht gezwungen, den mit der Abrechnung säumigen Vermieter auf Erteilung der Abrechnung zu verklagen (BGH, Urteil vom 09. März 2005, Az.: VIII ZR 57/04). Der Rückzahlungsanspruch besteht hingegen nicht bei laufenden Mietverhältnissen, weil dem Mieter bis zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Vermieters ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen zusteht und er bereits durch dieses Druckmittel hinreichend geschützt ist (BGH, Urteil vom 29. März 2006, Az.: VIII ZR 191/05). Zutreffend hat im vorliegenden Falle das Landgericht die vorliegende Konstellation nach Eigentumswechsel den Fällen beendeter Mietverhältnisse gleichgestellt. Nach der überwiegend vertretenen Meinung sind die Nebenkosten für abgeschlossene Abrechnungsperioden ungeachtet eines späteren Eigentumsübergangs allein zwischen den bisherigen Mietvertragsparteien abzurechnen und etwaige Nachzahlungen oder Erstattungen überzahlter Beträge nur zwischen diesen Parteien abzuwickeln. Hierdurch soll Rechtsklarheit geschaffen und das ungereimte Ergebnis vermieden werden, dass eine vor dem Eigentumswechsel fällig gewordene Abrechnungspflicht beim bisherigen Vermieter verbleibt, während Nachzahlungen und Erstattungen, deren Vorbereitung und Berechnung die Abrechnung dient, dem Erwerber zustehen bzw. von diesem zu erbringen sein soll (BGH, Urteil vom 14. September 2000, Az.: III ZR 211/99). Dabei hat das Landgericht auch zutreffend die Eintragung des Erwerbers als neuen Eigentümer in das Grundbuch – den 26. März 2010 – als maßgeblichen Stichtag für den Vermieterwechsel entsprechend § 566 BGB angenommen. Die bloße Vereinbarung zwischen den Kaufvertragsparteien im notariellen Vertrag über den Eintritt des Erwerbers in das Mietverhältnis lässt die Vermieterstellung des Veräußerers unberührt (vgl. Schmidt/Futterer, Mietrecht, 10.A. § 556 BGB Rdnr. 20). Hieraus ergibt sich allerdings, dass der Beklagten das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB hinsichtlich der an den Erwerber zu entrichtenden laufenden Vorauszahlungen abgeschnitten ist, wenn der Ver-äußerer nicht abrechnet. Dies rechtfertigt die Gleichstellung mit dem beendeten Mietvertrag dahingehend, dass die Beklagte grundsätzlich die Möglichkeit erhalten muss, die Abrechnung durch die Rückforderung der gesamten Vorschusszahlungen zu erzwingen. Ob der Kläger im vorliegenden Falle verpflichtet war, sogleich nach Ablauf der Abrechnungsfrist bis zur Veräußerung gegenüber dem ursprünglichen Mieter die laufenden Betriebskostenvorauszahlungen zurückzubehalten, kann dahinstehen, weil letztlich der Rückforderungsanspruch nur bis zur Vorlage einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung besteht (Schmidt/Futterer, 10.A., § 556 Rdnr. 459). Diese erfolgte im September 2010 und somit vor der mit Klageerwiderung vom 12. Oktober 2010 erklärten Aufrechnung. Dabei ist der formellen Abrechnungspflicht auch dann Genüge getan, wenn die Parteien – wie im vorliegenden Falle – über einzelne Abrechnungspositionen streiten. Demnach lagen zum Zeitpunkt der Aufrechnung die Rückforderungsvoraussetzungen nicht mehr vor. Die Aufrechnung mit einem entsprechenden Rückzahlungsanspruch ging daher ebenfalls ins Leere. Mit der zwischenzeitlich erfolgten Abrechnung hat der Kläger den Nachweis erbracht, dass die Vorschüsse für den betreffenden Zeitraum angefallenen und vom Mieter zu erstattenden Kosten verbraucht sind.

cc) Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten die Betriebskostenabrechnung nicht unmittelbar an die Beklagte richten dürfen und hiermit gegen § 12 Abs. 1 BORA verstoßen. Der Kläger hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass die Abrechnung unmittelbar von der Beklagten mit Schreiben vom 15. Juli 2010 und 12. August 2010 angefordert worden ist. Im Nachgang erfolgten weitere Rückfragen durch die Beklagte bzw. deren Geschäftsführer mit Schreiben vom 08. September bzw. 14. September 2010. Auch die Klageschrift im erstinstanzlichen Verfahren ist der Beklagten noch persönlich zugestellt worden. Hieraus ergibt sich, dass die Beklagte bis zur Klageerwiderung offensichtlich anwaltlich nicht vertreten war.

dd) Im Ergebnis haben die Kosten, soweit sie vom Vermieter für von der Beklagten verbrauchte Nebenkosten verauslagt worden sind, wirtschaftlich bei ihm zu verbleiben. Ein völliger Verlust des Aufwendungsersatzanspruches des Vermieters auch im Falle verspäteter Abrechnung ist weder mit dem Wortlaut des § 556 Abs. 3 BGB noch mit dem entsprechenden Schutzzweck, der auch für den Bereich des Gewerbemietrechts gilt, zu vereinbaren (BGH, Entscheidung vom 09. März 2005, Az.: VIII ZR 57/04). Die von der Beklagten geleisteten Vorschüsse sind, soweit sie hier mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2010 zur Aufrechnung gestellt worden sind, in der Abrechnung 2008/2009 vom 01. September 2010 zugunsten der Beklagten berücksichtigt worden. Für eine Aufrechnung mit der Klageforderung war daher kein Raum. Sie besteht zugunsten des Klägers fort.

2. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 556 b Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 BGB, die außergerichtlichen Kosten als materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch ebenfalls gemäß § 286 Abs.2 Nr.1 BGB gerechtfertigt.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert ( § 543. Abs. 2 S.1 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gemäß §§ 47 Abs.1, 48 Abs.1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 19.462,23 € festgesetzt.

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