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Ausgleichsanspruch im Verhältnis der WEG-Eigentümer untereinander

LG Karlsruhe – Az.: 11 O 6/21 – Beschluss vom 29.10.2021

1. Das Landgericht Karlsruhe erklärt sich für sachlich unzuständig.

2. Der Rechtsstreit wird auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Karlsruhe (WEG-Abteilungen) verwiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Hausratversichererin. Der Beklagte bewohnt als Wohnungseigentümer die im 4. OG gelegene Wohnung des Hauses K. in K. In der darunter liegenden Wohnung im 3. OG des Hauses wohnen ebenfalls als Wohnungseigentümer die Versicherungsnehmerin der Klägerin, Frau W., und ihr mitversicherter Ehemann Herr W.

Der vorliegende Prozess steht im Gefolge eines Wasseraustritts im Jahre 2017 in der Wohnung des Beklagten, welcher womöglich Schäden am Hausrat der Versicherungsnehmerin der Klägerin hinterlassen hat. Wie es genau zum Schadensfall kam, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Ursache des Wasseraustrittes die Geschirrspülmaschine des Beklagten war. Innerhalb eines kurzen Zeitraumes seien dort zwei Mal erhebliche Mengen Wasser ausgetreten, was zu Nässeschäden in der Wohnung und an einem erheblichen Teil des Hausrates geführt haben soll. Zurückzuführen sei dies auf eine sorgfaltslosen Betrieb der Spülmaschine seitens des Beklagten. Die Klägerin habe bis heute ihrer Versicherungsnehmerin eine Versicherungsleistung in Höhe von 6.500,00 € ausgezahlt. Die Regulierung sei aber noch nicht abgeschlossen, daher müsse sichergestellt werden, dass die Beklagte für weitere Schäden aufkomme. Die Beklagte meint, der Schaden sei nicht durch einen Wasseraustritt an der Geschirrspülmaschine bzw. einen Defekt der Spülmaschine verursacht, sondern durch einen Haarriss in der Wasserzuleitung, die in der Wand verlief.

Der Kläger stellt hilfsweise Verweisungsantrag, wozu der Beklagte angehört wurde.

II.

Die Entscheidung beruht auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht ist sachlich unzuständig. Auf Antrag des Klägers hat sich das angegangene Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Gericht zu verweisen.

Die sachliche Zuständigkeit für die WEG-Streitigkeiten i.S.v. § 43 Abs. 2 WEG bestimmt § 23 Nr. 2 Buchstabe c) GVG. Danach umfasst die Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes Streitigkeiten nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 WEG. Diese Zuständigkeit ist ausschließlich. Die Wohnungseigentümer können die Zuständigkeit des Landgerichts also weder vereinbaren noch durch rügelose Verhandlung begründen (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 43 Rn. 14).

Es handelt sich auch dann um eine Streitigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wenn ein unter diese Vorschrift fallendes Recht von einem Rechtsnachfolger geltend gemacht wird (BGH NJW-RR 2014, 710 Rn. 6; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021 Rn. 53, WEG § 43 Rn. 53); hier geht es um die Sonderrechtsnachfolge kraft Legalzession nach § 86 VVG.

Nach Sinn und Zweck sollen zwar grundsätzlich Rechtsstreitigkeiten von Wohnungseigentümern untereinander wegen der Beschädigung von Allein- oder Sondereigentum nicht unter § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG fallen (ohne Stellungnahme: BGH NJW-RR 2016, 587 Rn. 5; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 43 Rn. 56), es sei denn die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer sind betroffen (BGH NJW-RR 2016, 587 Rn. 5, beck-online).

Eine solche Betroffenheit der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer ist hier anzunehmen. Geltend gemacht sind hier nämlich neben deliktischen Ansprüche (insbes. aus § 823 I BGB), die aber – was naheliegen dürfte –  mangels Verschulden zu verneinen sein könnten, insbesondere verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen aus nachbarrechtlichen Vorschriften des BGB, also insbes. ein Anspruch aus § 906 II 2 BGB analog.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (zuletzt BGHZ 157, 188 = NJW 2004, 775 = NZM 2004, 193) ist ein – verschuldensunabhängiger – nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 II 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung, Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten. Der davon betroffene Eigentümer ist dabei aber aus besonderen Gründen gehindert, diese Einwirkungen nach § 1004 I BGB rechtzeitig zu unterbinden.

Es handelt sich vorliegend zwar nicht um Grundstückeigentümer, die Fälle sind – im Gegensatz zu Mietern (vgl. BGHZ 157, 188 = NJW 2004, 775) – strukturell jedoch gleich gelagert. Zwischen Wohnungseigentümern besteht – wie §§ 14 Nr. 1, 15 III WEG zeigen – ein gesetzliches Schuldverhältnis, in dem das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ebenso gilt wie im Nachbarverhältnis von Grundstückseigentümern. Vorliegend ist dieses Rücksichtnahmegebot, an welches § 906 BGB anknüpft, auch für die Wohnungseigentümer relevant. Es besteht daher auch eine vergleichbare Interessenlage sowie eine planwidrige Regelungslücke. Die Vorschrift des § 906 II 2 BGB ist demnach auch entsprechend anwendbar (vgl. Dötsch NZM 2004, 177, bei FN 28, beck-online; OLG Stuttgart, Urteil vom 27. 10. 2005 – 7 U 135/05, NJW 2006, 1744, beck-online; Geigel Haftpflichtprozess/Pardey, 28. Aufl. 2020, Kap. 22 Rn. 28).

Das bedeutet zugleich, dass es sich – angesichts der deshalb zu prüfenden Verletzung der zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten – um eine WEG-Sache handelt.

Dieses Ergebnis steht auch in Übereinklang mit der sonstigen BGH-Rechtsprechung. Denn z.B. auch die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund einer behaupteten Verletzung der zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten (BGH ZWE 2012, 334; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 43 Rn. 55) ist eine WEG-Sache. Zum alten Recht neigte der BGH dazu, dass ein vergleichbarer Fall an sich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hätte ausgetragen werden müssen, was aber in der Revisionsinstanz nicht mehr geprüft werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2006 – V ZR 62/06 –, Rn. 5, juris). Hinzukommt: Unter Berufung auf die letztgenannte BGH-Entscheidungen und Treue- und Rücksichtnahmepflichten hält der Beklagte den Rückgriff des Versicherers gegen den schädigenden Wohnungseigentümer im konkreten Fall für ausgeschlossen (SCHR BEKL 19.04.2021 auf Seite 19 [AZ: 11 O 6/21]).

 

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