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Ausgleichsanspruch zwischen Mietern bei Beschädigung der Mietwohnung

OLG Frankfurt – Az.: 10 U 8/18 – Beschluss vom 07.09.2018

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6.12.2017 – Az.: 2/16 O 4/17 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger hat von der Beklagten Schadensersatz wegen Beschädigung seiner Mietwohnung verlangt.

Der Kläger ist Mieter einer Wohnung, die Beklagte ist Mieterin der darüber liegenden Wohnung. Am 19.5.2015 trat Wasser aus dem Leitungssystem des Hauses aus und drang in die Wohnung des Klägers ein.

Der Kläger hat behauptet, das Wasser sei unkontrolliert aus dem Wasserhahn im Bad/WC der Wohnung der Beklagten ausgelaufen, weil die Beklagte eine unsachgemäße Reparatur des Wasserhahns vorgenommen habe. Das Wasser sei auf den Boden des Raumes gelaufen und von dort über die Decken und Wände in seine Wohnung eingedrungen. Dadurch seien Schäden an seinen Tapeten verursacht worden. Mit der Klage hat er die Kosten für eine Neutapezierung gemäß einem Kostenvoranschlag von 6.557,25 € nebst Zinsen und Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein vertraglicher Anspruch bestehe nicht, soweit Mieter durch den Abschluss eines Mietvertrags allein zum Vermieter in rechtlicher Beziehung stünden. Von einem solchen Mietvertrag gingen regelmäßig auch keine Schutzwirkungen gegenüber anderen Mietern des Gebäudes aus. Ferner scheide eine Haftung der Beklagten aufgrund entsprechender Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB) im Verhältnis zwischen Mietern aus. Der Kläger habe auch keinen deliktischen Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 BGB. Der Kläger habe nicht dargetan, dass die Tapeten, deren Beschädigung in Frage stehe, in seinem Eigentum stünden. Nach dem Vortrag des Klägers sei nicht dargetan, dass die Tapeten nicht wesentlicher Bestandteil des Gebäudes (§ 93 BGB) seien. Mit Wänden fest verklebte Tapeten seien wesentliche Bestandteile eines Gebäudes, da sie – wie allgemein bekannt – nicht ohne wesentliche Beschädigung oder Zerstörung zu entfernen seien. Soweit der Kläger vorgetragen habe, es gebe nach moderner Technik Tapeten, die von den Wänden abzuziehen seien und dann wieder verwendet werden könnten, sei nicht ersichtlich, ob die streitgegenständlichen Tapeten derartige Eigenschaften hätten. Bereits der Aufwand nach dem Kostenvoranschlag von 80 Stunden Arbeitszeit für die Entfernung der Tapeten spreche dafür, dass die angeblich beschädigten Tapeten nicht ohne Zerstörung bzw. wesentliche Beeinträchtigung von den Wänden gelöst werden könnten. Der Kläger könne einen deliktischen Schadensersatzanspruch auch nicht auf eine Verletzung seines Rechts zum Besitz der Mietsache stützen. Der berechtigte Besitzer könne nur Ersatz des Schadens verlangen, der sich aus der Störung seiner Befugnis zur Nutzung ergebe, also nicht den Substanzschaden. Der Kläger habe weder eine Nutzungsbeeinträchtigung dargetan, noch begehre er Ersatz für eine Nutzungsbeeinträchtigung. Eine Besitzverletzung sei auch nicht als sogenannter Haftungsschaden zu bejahen. Unter diesem Gesichtspunkt werde ein Schadensersatzanspruch bei Beschädigung oder Zerstörung der Mietsache durch einen Dritten zugebilligt, falls der Mieter dem Vermieter vertraglich insoweit ersatzpflichtig sei. Bezüglich einer vertraglichen Vereinbarung, dass der Kläger dem Vermieter für zufällige bzw. von Dritten verursachte Beschädigungen der Mietsache hafte, sei nichts dargetan und auch aus dem Mietvertrag nichts ersichtlich. Insbesondere stelle die Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen keine solche Verpflichtung dar, denn diese umfasse nicht die Beseitigung eines Leitungswasserschadens, insbesondere wenn sie von einem Dritten verursacht worden sei. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der vom Landgericht festgestellten Tatsachen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (Bl. 86-93 d.A.).

Ausgleichsanspruch zwischen Mietern bei Beschädigung der Mietwohnung
(Symbolfoto: Von ronstik/Shutterstock.com)

Gegen das am 12.12.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.1.2018 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel binnen verlängerter Frist am 12.3.2018 begründet. Fehlerhaft habe das Landgericht einen Substanzschaden unterstellt, obwohl er unbestritten vorgetragen habe, dass gerade kein Gebäude- oder Mauerschaden vorliege. Das Landgericht habe auch nicht aus eigener Sachkunde unterstellen können, dass das Entfernen und Aufbringen von Tapeten auf Wänden und Decken nicht ohne größere Putzschäden bewerkstelligt werden könne. Das Gegenteil ergebe sich aus dem vorgelegten Kostenvoranschlag, der keinerlei Kosten für Putzarbeiten ausweise. Das Landgericht könne auch nicht damit gehört werden, dass sein (des Klägers) Eigentum an den Tapeten nicht geklärt worden sei. Er habe von Anbeginn vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass er die Wohnung im Januar 2015, mithin knapp viereinhalb Monate vor Eintritt des Wasserschadens, vollständig renoviert habe. Hinzu komme, dass die von ihm aufgebrachten und gestrichenen Tapeten nicht unlösbar mit dem Haus verbunden seien. Die Ausführungen des Landgerichts hierzu seien sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft. Nach allem stünden ihm originär Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der deliktischen Haftung (§§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 BGB) wie auch unter dem Gesichtspunkt eines besitzrechtlichen Haftungsschadens zu, da ihm im zugrundeliegenden Mietvertrag die Pflicht zu Schönheitsreparaturen aufgebürdet sei, so dass er sich nicht auf vermeintliche Ansprüche gegenüber dem Vermieter zu verweisen lassen brauche. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte das zu Grunde liegende Schadensereignis grob fahrlässig durch die unerlaubt und unfachmännisch ausgeführte Reparatur am Wasserhahn in ihrem Bad/WC herbeigeführt habe.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LG Frankfurt/M. vom 6.12.2017 – 2/16 O 4/17 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.557,25 € nebst 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2015 sowie außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 € nebst 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit 26.4.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie führt unter anderem aus, der Kläger verkenne das Urteil des Landgerichts, das nicht ausgeurteilt habe, Tapeten könnten nicht ohne Putzschäden entfernt werden. Das Gericht habe mehrfach ausgeführt, dass die Tapeten nicht entfernt werden könnten, ohne dass diese beschädigt oder zerstört werden könnten. Ferner werde bestritten, dass Tapeten gelöst werden könnten, ohne dass sie zerstört oder ihrem Wesen nach verändert würden.

Der Kläger ist mit Beschluss vom 24.7.2018 darauf hingewiesen worden, dass die Zurückweisung seiner Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt ist. Dazu hat er nicht mehr Stellung genommen.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Das Landgericht hat insbesondere zu Recht einen Anspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt verneint, dass der Mietvertrag zwischen dem Vermieter und der Beklagten Schutzwirkung zu seinen Gunsten habe. Es ist anerkannt, dass auch ein Untermieter nicht in den Schutzbereich des Hauptmietvertrages einbezogen ist und daraus nicht Ansprüche wegen vom Vermieter verursachter Schäden gegen diesen erheben kann. Der Untermieter ist nicht schutzbedürftig, weil ihm eigene vertragliche Ansprüche gegenüber dem Hauptmieter zustehen (BGH, Urteile vom 15.2.1978 – VIII ZR 47/77 = BGHZ 70, 327, 330; vom 6.11.2012 – VI ZR 174/11 = NJW 2013, 1002 Rdn. 9; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 328 Rn. 28, 29). Das gleiche muss im Verhältnis mehrerer Mieter im selben Gebäude untereinander gelten. Der Kläger ist durch eigene Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegenüber dem Vermieter ausreichend geschützt (siehe dazu BGH, Urteil vom 12.12.2003 – V ZR 180/03 = NJW 2004, 775, 776).

Zutreffend hat das Landgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 12.12.2003 a.a.O.) auch eine entsprechende Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB verneint. Dieser Ausgleichsanspruch hat seine Grundlage im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Er ist Teil des Interessenausgleichs, der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerlässlich ist. In einem solchen grundstücksbezogenen Regelungszusammenhang sind Normen, die das Verhältnis von Mietern untereinander regeln, nicht zu erwarten. Sie könnten auch nicht an den Gedanken der Beschränkung der Eigentümerrechte nach § 903 BGB anknüpfen, um den es bei § 906 BGB, allgemein gefasst, geht, sondern müssten im Mietrecht angesiedelt werden. Dass das Verhältnis der Mieter untereinander keine Berücksichtigung in § 906 BGB gefunden hat, kann nicht als planwidrige Lücke angesehen werden. Dass es zwischen Mietern Streit um beeinträchtigende Immissionen geben kann, kann dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben sein. Zudem bedarf es keiner spezifischen Regelung, zumal der Mieter vom Vermieter eine von Mitmietern ungestörte Gebrauchsgewährung verlangen kann (BGH a.a.O.).

Der Kläger wendet sich auch in erster Linie dagegen, dass das Landgericht einen deliktischen Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint hat, sein Eigentum an den Tapeten sei nicht verletzt, da der Kläger ein solches Recht an den Tapeten nicht dargetan habe. Nach § 93 BGB können Bestandteile einer Sache nicht Gegenstand besonderer Rechte sein, wenn sie nicht voneinander getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile). Nach § 94 Abs. 2 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Demgemäß sind Tapeten grundsätzlich wesentliche Bestandteile des Gebäudes, weil sie von der Wand nicht mehr abgelöst werden können, ohne dass sie in einer Weise beschädigt werden, die eine wirtschaftliche Zerstörung darstellt (ebenso LG Bonn, Urteil vom 13.6.2013 – 6 S 188/12, juris Rn. 18; zu aufgeklebten Plakaten siehe Staudinger/Stieper, BGB, Neubearb. 2017, § 93 Rdn. 16). Demgegenüber kommt es nicht, worauf die Berufungsbegründung aber abstellt, auf eine Beschädigung des Wandputzes an. Der Kläger hat auch nicht etwa dargelegt, dass in seinem Fall die betroffenen Tapeten solche seien, die von der Wand einfach abzuziehen seien und auf eine andere Wand angebracht werden könnten. Das Gegenteil folgt aus dem im Kostenvoranschlag für die Entfernung der Tapeten vorgesehenen Zeitaufwand. Der Vortrag in der Berufungsbegründung, die vom Kläger aufgebrachten und gestrichenen Tapeten seien nicht unlösbar mit dem Haus verbunden, geht an dem Problem vorbei. Es kommt nicht darauf an, dass die Tapeten nicht vom Putz gelöst werden könnten, sondern darauf, dass sie dabei beschädigt werden. Nicht entscheidend ist, dass Teile der Tapete bei der Ablösung nicht einreißen und theoretisch wieder aufgebracht werden könnten.

Ebenso hat das Landgericht mit Recht einen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des berechtigten Besitzes des Klägers verneint. Zwar ist grundsätzlich der so genannte Haftungsschaden ersatzfähig, wenn der Besitzer wegen Beschädigung der Mietsache durch Dritte selbst Ansprüchen ausgesetzt ist (BGH, Urteil vom 9.4.1984 – II ZR 234/33 = NJW 1984, 2569, 2570; OLG Naumburg, Urteil vom 25.9.2014 – 2 U 27/14 = NJW-RR 2015, 217; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 13). Solche Ansprüche des Vermieters gegenüber dem Kläger ergeben sich jedoch aus der Beschädigung der Tapeten nicht. Insbesondere hat das Landgericht zutreffend einen Anspruch des Vermieters aufgrund seines Rechts auf Schönheitsreparaturen abgelehnt.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht aus anderen Gründen geboten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

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