LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 S 135/20 – Urteil vom 20.12.2021
In dem Rechtsstreit hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2021 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG Hanau vom 19.10.2020 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 15.000 €
Zusammenfassung
In diesem Fall geht es um einen Rechtsstreit zwischen einem Kläger und einem Beklagten. Der Kläger möchte eine Solaranlage auf dem Dach der Garage des Beklagten entfernen lassen. Er beruft sich auf das Recht auf Beseitigung von baulichen Veränderungen, die den optischen Gesamteindruck eines Gebäudes beeinträchtigen. Der Beklagte hält die Anlage für erlaubt und beruft sich auf sein Recht auf Gestattung der Maßnahme.
Das Gericht gibt dem Beklagten recht und weist die Klage des Klägers ab. Es sieht in der Solaranlage keine Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks, da sie sich gut in das Gesamtbild einfügt. Eine Belastung des Daches sieht das Gericht ebenfalls nicht als gegeben an, da der Beklagte nur das Dach seiner Garage für die Anlage nutzt und es sich nicht um das Dach des Wohngebäudes handelt.
Das Gericht stellt außerdem fest, dass für Beseitigungsklagen das neue Recht gilt und der Kläger seinen Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG aF nicht mehr geltend machen kann. Eine Rechtsänderung hat jedoch insoweit nicht stattgefunden.
Weiterführende Informationen
Was ist ein Balkonkraftwerk?
Ein Balkonkraftwerk ist eine Mini-Photovoltaikanlage, die meistens aus ein bis zwei Solarmodulen, einem Wechselrichter, einem Stecker und einer Befestigung besteht. Es kann optional um einen Stromzähler oder einen Speicher erweitert werden. Das Balkonkraftwerk kann an einer Balkonbrüstung, im Garten oder einem Garagendach aufgestellt werden und wird einfach mit einem Stecker an das Stromnetz angeschlossen. Der produzierte Strom kann dann unmittelbar für den eigenen Bedarf genutzt werden. Es handelt sich um eine kleine Photovoltaikanlage, die Sonnenenergie in Strom umwandelt, den man in seinem Hausnetz nutzen kann. Mit einem Balkonkraftwerk kann man ökologischen Strom produzieren und dadurch seinen Eigenverbrauch reduzieren sowie Stromkosten bei seinem Netzbetreiber sparen. Das Balkonkraftwerk ist eine Mini-PV-Anlage mit bis zu 600 Watt und kann von Nicht-Elektrofachkräften angeschlossen werden. Das Balkonkraftwerk ist eine interessante Möglichkeit für Eigenheimbesitzer, um den eigenen Strombedarf nachhaltig zu decken.
Gründe
I.
Wegen der tatschlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die angefochtene Entscheidung verteidigt. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung die Fotos Bl. 16, 71, 72 dA in Augenschein genommen, auf die Bezug genommen wird. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die trotz der WEG-Reform fortbestehende Aktivlegitimation des Klägers ist durch den BGH anerkannt (BGH NJW-RR 2021, 1170), so dass der Kläger den Anspruch weiter geltend machen kann. Die WEG ist von der Kammer in analoger Anwendung des § 48 WEG aF beigeladen worden, hat aber keine Erklärung abgegeben, die der Prozessführung des Klägers entgegensteht.
Materiell gilt – mit Ausnahme von Anfechtungsklagen, bei denen es auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommt (Kammer NZM 2021, 45 = ZWE 2021, 134; LG Rostock ZMR 2021, 63 = ZWE 2021, 287) – das neue Recht. Dies ergibt sich für Beseitigungsklagen schon daraus, dass entscheidend die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist. Letztlich kann dies aber dahinstehen, denn eine Rechtsänderung, hat insoweit nicht stattgefunden.
Ein Anspruch des Klägers aus § 1004 BGB, den er alleine noch geltend machen kann, nachdem durch die WEG-Reform der Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG aF entfallen ist (BGH, Urteil vom 1.Oktober 2021 – V ZR 48/21), besteht nicht, denn die Solaranlage auf dem Garagendach stellt keinen Nachteil iSv § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG dar, so dass der Kläger nach § 20 Abs. 3 WEG nF einen Anspruch auf Gestattung der Maßnahme hat, was dem Beseitigungsanspruch entgegensteht (§ 242 BGB).
Anders als die Berufung meint, ist eine bauliche Veränderung gegeben. Diese ist nicht nur bei einem Substanzeingriff gegeben, sondern auch bei einer sonstigen dauerhaften Änderung des äußeren Erscheinungsbildes. Angesichts der Massivität der Platten, die hier zum Beschweren der Solaranlage aufgebracht sind, bestehen keine Zweifel daran, dass die Anlage nicht nur vorübergehend aufgebracht ist und insoweit eine bauliche Veränderung vorliegt.
Entscheidend ob ein Nachteil vorliegt ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (Emmerich in Bärmann/Pick, WEG, 20. Aufl. 2020, § 14 Rn. 5). Nach der Rechtsprechung des BGH ist dabei ein umfassender Vorher- und Nachher Vergleich vorzunehmen, wobei insbesondere zu prüfen ist, welche Bedeutung das veränderte, hinzugefügte oder entfernte Bauteil für den optischen Gesamteindruck des Gebäudes hat, ob durch die bauliche Maßnahme Elemente verändert werden, die diesen Eindruck prägen, ob sich das Bauteil trotz der Veränderungen in Gestalt, Form und Farbgebung in das Gesamtbild einfügt (BGH WuM 2017, 298).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist eine erhebliche optische Veränderung des Gesamteindrucks nicht erkennbar. Zutreffend ist zwar, dass sich das Bild der Garage für sich betrachtet durch die Anlage verändert. In das Gesamtbild fügt es sich aber ein. Wie auf dem vorgelegten Bild erkennbar, ist nahezu das gesamte Dach auf der Seite, welche der Garage zugewandt ist, mit Solarplatten versehen. Hier fügen sich die Platten auf dem Dach der Garage optisch gut ein, zumal die Ausgestaltung ähnlich ist und durch den Winkel das Dach aufgegriffen wird. Hinzu kommt, dass auf dieser Seite des Hauses auch nur ein Fenster vorhanden ist, so dass auch aus dem Haus die Veränderung nur wenig sichtbar ist. Im Hinblick auf die zahlreichen Solaranlagen am Dach und die eher unscheinbare kleine Garage fallen die Solaranlagen nicht ins Gewicht.
Soweit der Kläger eine Beeinträchtigung durch die Belastung des Daches sieht, ist dem der Beklagte erstinstanzlich durch Vorlage von Statikberechnungen auch zur Windlast entgegengetreten, die der Kläger nicht substantiiert angegriffen hat. Insoweit ist im Übrigen auch zu bedenken, dass es sich lediglich um das Dach der von dem Beklagten genutzten Garage handelt, so dass auch hier das Gemeinschaftseigentum deutlich geringer tangiert ist, als dies etwa bei baulichen Veränderungen auf dem Dach des Wohngebäudes der Fall wäre.
Nach alledem war daher auf die Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe die Revision zulassen, liegen nicht vor, es handelt sich um einen atypischen Einzelfall.