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Balkonnachrüstung – Duldungspflicht des Mieters bei vorhandenem Balkon

LG Leipzig, Az.: 2 S 385/12, Urteil vom 07.05.2013

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 08.06.2012 – Aktenzeichen: 167 C 9903/11 – aufgehoben.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, hinsichtlich der Wohnung im 2. Obergeschoss links des Anwesens … in … Leipzig der Nachrüstung mit einem weiteren Balkon an der Straßenseite des Wohngebäudes unter Erweiterung eines der insgesamt drei Fenster im Wohnzimmer zu einem Balkonaustritt, des Rückbaus des bislang dort befindlichen Heizkörpers und der Installation zweier neuer Heizkörper jeweils unter der Fensterbank der übrigen zwei Wohnzimmerfenster – alternativ der Versetzung des bisherigen Heizkörpers unter einer der Fensterbänke der beiden Nachbarfenster des Wohnzimmers – zuzustimmen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von einer Darstellung der Tatsachengrundlagen wird gemäß §§ 540 Abs. 1, Abs. 2, 313a, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen. Insoweit wird auf die Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil verwiesen.

Balkonnachrüstung - Duldungspflicht des Mieters bei vorhandenem Balkon
Foto: donfiore/Bigstock

Der Kläger und Berufungskläger beantragt, unter Aufhebung des Endurteils des Amtsgerichts Leipzig vom 08.06.2012, Aktenzeichen: 167 C 9903/011, werden die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt, hinsichtlich der Wohnung zu ca. 120 m2 im 2. Obergeschoss links des Anwesens … in … Leipzig, bestehend aus 5 Zimmern, einer Küche, einem Korridor, einem Bad/WC, einem Balkon sowie einer Abstellkammer, der Nachrüstung mit einem weiteren Balkon zu ca. 1,96 m2 an der Straßenseite des Wohngebäudes unter Erweiterung eines der insgesamt drei Fenster im Wohnzimmer zu einem Balkonaustritt, des Rückbaus des bislang dort befindlichen Heizkörpers und der Installation zweier neuer Heizkörper jeweils unter der Fensterbank der übrigen zwei Wohnzimmerfenster – alternativ der Versetzung des bisherigen Heizkörpers unter eine der Fensterbänke der beiden Nachbarfenster des Wohnzimmers – zuzustimmen.

Die Beklagten und Berufungsbeklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Das Gericht hat einen Augenschein in der Mietwohnung vorgenommen.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 11.04.2013 verwiesen.

Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 10.08.2012, die Berufungserwiderung vom 18.09.2012, die Schriftsätze des Klägers vom 15.10.2012, der Beklagten vom 15.01.2013 sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 22.01. und 11.04.2013 Bezug genommen, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils.

Der Anbau, des vom – derzeitigen – Wohnzimmer der Beklagten zugänglichen Balkons führt zu einer Verbesserung der Mietsache, sodass der Einbau einer Balkontüre und das Versetzen der Heizkörper von den Beklagten zu dulden ist, § 554 Abs. 2 BGB.

1. Zwischen den Parteien steht nicht in Streit, dass die formellen Voraussetzungen eines Duldungsverlangens nach § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB vorliegen.

2. Die Kammer ist unter Abwägung der Argumentationen der Parteien und nach Einnahme eines Augenscheins vor Ort zur Überzeugung gelangt, dass im konkreten Fall der Anbau des Balkons an der Frontseite des Hauses mit Zugang vom derzeitigen Wohnzimmer der Beklagten eine Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache darstellt. Die Beklagten sind daher verpflichtet – restliche – Bauarbeiten zu dulden, damit der Balkon von ihrem Wohnzimmer aus zugänglich ist und die Beheizung des Zimmers nach Einbau der Balkontür weiterhin sichergestellt ist.

Nach Auffassung der Kammer erhöht der eingebaute Balkon den Gebrauchswert der angemieteten Wohnung. Er erhöht zugleich die Attraktivität der Mietwohnung auch für künftige Interessenten.

Beiden Parteien ist zuzugeben, dass in der Einschätzung durch die Kammer auch subjektive, individuelle Wohnvorstellungen nicht vollständig zurückzudrängen sind, sodass – dies zeigt der Vortrag der Parteien in beiden Instanzen – unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich einer Wohnwertverbesserung bestehen.

Die Kammer geht hierbei von Folgendem aus: Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 2012, 63 ff.) wird grundsätzlich davon auszugehen sein, dass Üblicherweise im städtischen Bereich der Anbau eines Balkons eine Maßnahme zur Wohnwertverbesserung darstellt.

Auch wenn im konkreten Fall bereits ein – wesentlich größerer – Balkon an der Nordwestseite der Wohnung, zu begehen über die Küche und mit Blick in den Innenhof vorhanden ist, wird durch den zusätzlichen Balkon – mit einer Größe von ca. 1,5 bis 2,0 m2 – eine zusätzliche, in die entgegengesetzte Himmelsrichtung weisende (Süd-Osten) Möglichkeit direkt von der Wohnung nach Draußen zu treten geschaffen. Unabhängig der zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen genauen Größe des Balkons ist jedenfalls nach Augenscheinseinnahme eine Möglichkeit für zwei Personen, dort auf einem Stuhl Platz zu nehmen, vorhanden. Es sind Möglichkeiten für die Anbringung von Balkonkästen vorgesehen, sodass bei Bedarf ein wenig „Grün“ vor die Wohnzimmerfenster gebracht werden kann, dessen Ausblick auf die Turnhalle einer gegenüber liegenden Schule geht.

Durch die Anbringung mittig im Wohnzimmer wird das Zimmer – geringfügig – heller und die Bewohner erhalten die Gelegenheit, jederzeit nach außen zu treten und nach rechts und links in die Straße Einsicht zu nehmen. Insoweit kann der Balkon – jedenfalls in den Sommermonaten – auch teilweise die Funktion eines Erkers erfüllen.

Nach Auffassung des Gerichts wird das Zimmer jedenfalls während der Frühlings- und Sommermonate zu einem anderen – angenehmeren – Wohngefühl der Nutzer führen. Ein künftiger Mietinteressent wird nach Auffassung der Kammer eine solche Wohnung mit einem zweiten Balkon an der Front ohne weiteres einer Wohnung ohne einem solchen Balkon vorziehen.

Hierbei ist zunächst auf die objektive Wohnwertverbesserung abzustellen, das heißt, es hat insoweit zunächst außer Betracht zu bleiben, dass die Familie der Beklagten mit insgesamt 5 Personen den Balkon nicht gleichzeitig wird nutzen können und insoweit der rückseitige Balkon in der Küche und der neue frontseitige unterschiedliche Funktionen innerhalb der Wohnung haben.

Beim Augenschein wurde durch das Gericht festgestellt, dass es sich bei der Oeserstraße um eine ruhige Anliegerstraße handelt, die offensichtlich von den dortigen Bewohnern sowie den Schulkindern der gegenüber liegenden Schule genutzt wird. Eine erhöhte Lärmbelästigung konnte nicht festgestellt werden. Der vom nahen Schleußiger Weg herrührende Autoverkehr stellte sich für die Kammer als Hintergrundgeräusch dar, welches vernehmbar aber nicht störend wahrgenommen wurde.

3. Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass die Öffnung durch Einbau einer Balkontür für die Beklagten und ihre Familie eine Härte darstellt, die unter Würdigung der berechtigten Interessen des Klägers nicht zu rechtfertigen ist, § 554 Abs. 2 Satz 2, 3 BGB.

Zunächst ist festzustellen, dass der Einbau der Balkontür durch Öffnung des Fensterbereichs sowie das Versetzen der beiden Heizkörper in dem vorhandenen Zimmer für den Zeitraum des Einbaus eine erhebliche Lärm- und Schmutzbelästigung mit sich bringt. Hierbei geht das Gericht aber davon aus, dass bei entsprechender Koordination der Gewerke die wesentlichen Belästigungen durch Lärm und Schmutz durch Arbeiten an einem Tag erledigt sein dürften. Nicht in Abrede zu stellen ist, dass es sich um eine Beeinträchtigung der Nutzung der Mietwohnung für einen vorübergehenden Zeitraum handelt.

Keine Härte sieht die Kammer darin, dass gegebenenfalls die Beklagten nach Einbau einer Balkontür beabsichtigen, die derzeit im Wohnzimmer vorhandenen Möbel anders zu stellen.

Zunächst besteht aus Sicht des Gerichts hierfür dann keine Notwendigkeit, wenn die Beklagten weiterhin den Balkon nicht zur Nutzung wünschen. Eine Notwendigkeit der Öffnung der Balkontür besteht sodann nicht. Die Möblierung kann so verbleiben.

Das Gericht geht aber davon aus, dass die Beklagten nach Einbau einer Tür den Balkon in der Zukunft auch nutzen werden. Dies bedingt, dass man den großen Tisch im Wohnzimmer anders stellt, damit die Balkontür vollständig geöffnet werden kann. Dies mag zwar insoweit einer Folge des Einbaus einer Tür sein, bedeutet aber aus Sicht des Gerichts keine Einschränkung in der Gebrauchstauglichkeit des Zimmers und in der Möglichkeit der Möblierung.

Die – gegebenenfalls – vom Kläger nach Einbau einer Balkontür umlegbaren Kosten der Modernisierung, hier vorgetragen 50,26 € stellen unter Abwägung beiderseitiger Interessen nach Ansicht der Kammer ebenfalls keine Härte für die Beklagten dar.

Der Mietzins würde sich damit um ca. 7,7 % erhöhen, was im Hinblick auf die insgesamt gezahlte Miete, den bezahlten Quadratmeterpreis und die Tatsache, dass der Mietzins seit 9 Jahren unverändert ist, als zumutbar angesehen wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

IV.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

V.

Die Revision ist – anders als von den Beklagten beantragt – nicht zuzulassen, da die hierfür im Gesetz vorgesehenen Gründe nicht vorliegen, § 543 ZPO.

Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, das heißt der Entscheidung, ob der Anbau eines zweiten Balkons in der konkreten Situation der Mietwohnung eine Verbesserung der Mietsache darstellt und ob dies den Mietern zuzumuten ist. Einer generell-abstrakte Entscheidung wird nicht getroffen. Weder wird mit einer solchen Entscheidung ausgesagt, dass grundsätzlich ein zweiter Balkon eine Wohnwertverbesserung darstellt, noch dass dies im Regelfall ausscheidet. Ob eine Wohnwertverbesserung anzunehmen ist, ist grundsätzlich nach dem individuellen Einzelfall zu beurteilen, sodass der Entscheidung keine allgemeine Bedeutung zukommt.

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