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Baulärm durch Straßenbauarbeiten – Mietminderung möglich?

LG Berlin, Az.: 65 S 90/17

Urteil vom 14.06.2017

In dem Rechtsstreit hat die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin in Berlin………, auf die mündliche Verhandlung vom 14.06.2017 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 27. Januar 2017 -16 C 276/16 – unter Zurückweisung des weitgehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung auf dem Grundstück …, Berlin, Dachgeschoss Mitte, bestehend aus zwei Zimmern, 1. Kammer, 1 Küche, 1 Bad mit Toilette sowie 1 Kellerraum bis zum 31. Juli 2017 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 16% und der Beklagte zu 84%; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 1/12 und der Beklagte zu 11/12.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 2017 gewährt.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Baulärm durch Straßenbauarbeiten – Mietminderung möglich?
Foto: Pixabay

1. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist überwiegend begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen die aus dem Tenor ersichtliche Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von diesem inne gehaltenen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB. Die hilfsweise ausgesprochene – mit der Berufung allein verfolgte – fristgemäße Kündigung vom 11. Oktober 2016 hat das Mietverhältnis zum 31. Juli 2017 beendet, §§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB, 573c Abs. 1, 542 BGB.

Nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat; ein solches liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

a) Der Beklagte hat seinen Pflichten aus dem Mietvertrag verletzt, hier seine Hauptleistungspflicht aus § 535 Abs. 2 BGB.

In den Monaten von September 2015 bis September 2016 zahlte er an die Klägerin eine um monatlich bis zu 20% geminderte Miete, dies – nach dem außergerichtlichen Schriftverkehr der Parteien – gegen deren ausdrücklich erklärten Willen. Im Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung betrug der Mietrückstand 1.284,90 EUR, wobei in diesem Betrag die vollständige Miete für den Monat Oktober 2016 enthalten war, die der Beklagte erheblich verspätet zahlte.

Die Miete war nicht gemäß § 536 Abs. 1 BGB wegen der Straßenarbeiten im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Bereiches …-/… und der Bauarbeiten an der Treppe zum K.-Gelände gemindert, denn ein Mangel der Mietsache war nicht gegeben.

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht.

Ein Mangel der Mietsache ist gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich vorrangig nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die – als sogen. Umweltfehler – von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken, wie etwa Immissionen. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB, nach der Verkehrsanschauung bestimmt (vgl. gefestigte Rspr. BGH, Urt. v. 29.04.2015 – VIII ZR 197/14; Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12).

aa) Umstände, die den Rückschluss zuließen, die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrages hinsichtlich künftiger von Dritten verursachter Lärmbelästigungen den zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrages als unverändert bestehen bleibend wenigstens stillschweigend vereinbart, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch eine stillschweigend getroffene Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Eine Willensübereinstimmung kann nicht schon angenommen werden, wenn der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache einwirkenden Umstand -hier das Fehlen von in der Wohnung vernehmbarem Straßenbzw. Baulärm – als für sich vorteilhaft wahrnimmt und sich gerade deshalb möglicherweise entscheidet, die Wohnung zu mieten. Zur konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung wird der Umstand nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont erkennen musste, §§ 133, 157 BGB, dass der Mieter diesen Umstand als maßgebliches Beschaffenheitskriterium ansieht und der Vermieter dem zustimmt. Eine – wie hier allenfalls – einseitig gebliebene Vorstellung des (beklagten) Mieters genügt für die Annahme einer konkludenten Vereinbarung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist, dass der Vermieter in irgendeiner Weise zustimmend reagiert (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2015; Urt. v. 19.12.2012; Urt. v. 23.09.2009 – VIII ZR 300/08).

bb) Die Bestimmung des zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks als Wohnung und des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB, führt ebenfalls nicht zur Annahme eines Mangels im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB.

Namentlich Straßenbauarbeiten – wie hier – in der Innenstadt Berlins, die zu zeitweilig erhöhten Lärmbelastungen führen, stellen jedenfalls dann, wenn sie sich – wie hier – in den üblichen Grenzen halten, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel dar (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2015, ; Urt. v. 19.12.2012,).

cc) In der sogen. „Bolz Platz-Entscheidung“ (VIII ZR 197/14, a.a.O.) hat der Bundesgerichtshof an der o. a. Rechtsprechung nicht nur ausdrücklich festgehalten und sie – anders als das Amtsgericht annimmt – nicht etwa auf dauerhafte Umfeldveränderungen beschränkt, sondern weitergehend fortentwickelt.

Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung auf die lebensnahe Erkenntnis gestützt, dass bei Lärmimmissionen, die von öffentlichen Straßen oder von einem Nachbargrundstück auf die Mietsache einwirken, für beide Parteien offensichtlich und ihnen bekannt ist, dass der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf hat, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestehen. Bei vernünftiger Betrachtung kann der Mieter regelmäßig nicht erwarten, dass der Vermieter die vertragliche Haftung für den Fortbestand derartiger „Umweltbedingungen“ übernehmen will. Die Annahme einer so weitgehenden, vom Vermieter nicht beherrschbaren Haftung kommt allenfalls im Ausnahmefall in Betracht und bedarf konkreter – hier unstreitig nicht vorhandener – Anhaltspunkte (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2015, a.a.O.), die den Rückschluss auf eine – wie auch sonst erforderliche -Willensbildung zulassen. Würde der Vermieter/Eigentümer die Wohnung selbst bewohnen, wäre er – in einem Fall wie dem hier gegebenen – den Umweltwirkungen ebenfalls ausgesetzt, ohne sie beeinflussen oder Ansprüche daraus herleiten zu können.

Im Bereich des Besitzschutzes nach §§ 858ff. BGB in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist seit Langem anerkannt, dass der weite Begriff der Besitzstörung einer Begrenzung bedarf; entsprechende Anwendung finden die in § 906 BGB geregelten Maßstäbe. Anderenfalls würde die Rechtsposition des Besitzers weiter reichen als die des Eigentümers (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2015, a.a.O.; Urt. v. 26.09.1975 – V ZR 204/73; Urt. v. 29.10.1954 – V ZR 53/53; OLG München, Urt. v. 21.01.1992 – 13 U 2289/91; LG Berlin, Beschluss vom 16.09.2014 – 65 T 224/14; Beschluss vom 24.10.2014 – 63 S 203/14; Joost in: MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 858 Rn. 5, m. w. N.; Gutzeit in: Staudinger, 2012, § 862 Rn. 2, m. w. N.; Fritzsche in: Beck’scher OKBGB; Bamberger/Roth 38. Ed., Stand 01.02.2016, § 858 Rn. 21, beck-online; LG Berlin, Urt. v. 20.04.2016 – 65 S 424/15).

Dem entspricht folgerichtig die Annahme, dass nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte – seien sie dauerhaft oder zeitlich begrenzt – grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel begründen, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich (im Sinne des § 906 BGB) hinnehmen muss (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2015, a.a.O.).

Im Rahmen der Beantwortung der Frage, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand der Wohnung nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB gehört, ist daher zu berücksichtigen, wie weit die vom Vermieter vertraglich übernommene Gebrauchsgewährungspflicht nach § 535 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB reicht (vgl. im Einzelnen BGH, Urt. v. 29.04.2015, a. a. O). Fehlen entgegenstehende Abreden, so nimmt der Mietgebrauch des Mieters an der Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks und Einwirkungen aus der Nachbarschaft einschließlich damit verbundener Veränderungsrisiken jedenfalls in dem Umfang teil, den der an § 906 BGB gebundene Vermieter angesichts des ihm danach billigerweise zuzumutenden Gebrauchsüberlassungsrisikos nicht beeinflussen kann (BGH, Urt. v. 29.04.2015, a. a. O.).

Die öffentlich veranlassten Bauarbeiten – nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin mit dem Ziel der Verkehrsberuhigung im Bereich der vom Beklagten inne gehaltenen Wohnung – begründen unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe keinen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB. Auch der Beklagte trägt weder vor, noch geht er davon aus, dass die damit verbundenen Lärmimmissionen – objektiv – vermeidbar wären und die üblichen Grenzen überschreiten mit der Folge, dass ein zeitgemäßes oder gesundheitlich unbedenkliches Wohnen nicht mehr möglich wäre. Dies gewährleisten im Zweifel die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften, auf deren Einhaltung der Vermieter hinzuwirken gegebenenfalls gehalten sein kann, um eine Minderung der Miete abzuwenden. Auch dafür ergeben sich hier keine Anhaltspunkte.

b) Im Ansatz zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass die Feststellung des Zahlungsverzugs in der hier gegebenen Höhe allein – anders als der Kündigungstatbestand des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB – nicht ausreicht, die Kündigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB zu rechtfertigen.

Zu beantworten ist vielmehr weitergehend die Frage, ob es sich um eine schuldhafte, nicht unerhebliche Pflichtverletzung handelt, die ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses zu begründen geeignet ist. Die Beantwortung der Frage ist Ergebnis einer wertenden Betrachtung, die – nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – umfassend die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat. Sie entzieht sich einer Verallgemeinerung, denn die Vielgestaltigkeit der Lebenswirklichkeiten und möglichen, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu beachtenden Geschehensabläufe und Zustände schließen eine solche – bei lebensnaher Betrachtung nahe liegender Weise – aus (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20.07.2016 – VIII ZR 238/15, in: WuM 2016, 682; Urt. v. 04.02.2015 – VIII ZR 175/14, in: WuM 2015, 152; st. Rspr. der Kammer, vgl: LG Berlin, Beschluss vom 18.02.2015 – 65 S 527/14; Beschluss vom 23.10.2015 – 65 S 239/15; Urt. v. 11.08.2016; Urt. v. 08.06.2017 – 65 S 112/17, z. Veröff. vorgesehen).

aa) Die Pflichtverletzung des Beklagten ist nicht nur unerheblich. Das Amtsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass die einmalige Verspätung der Mietzahlung im Oktober 2016 unter den hier gegebenen Umständen nach den eingangs dargestellten Maßstäben als Pflichtverletzung nicht das erforderliche Gewicht erreicht; es handelt sich vielmehr um ein singulär gebliebenes Versehen der Großmutter des Beklagten, deren etwaiges Verschulden der Beklagte sich allerdings nach § 278 BGB zurechnen lassen müsste. Soweit dies nicht regelmäßig geschieht und auch sonst keine besonderen Umstände dagegen sprechen, ist die einmalig fehlerhafte, das heißt – wie hier – unvollständige Angabe der IBAN im Überweisungsverkehr als eine Pflichtverletzung von geringerem Gewicht anzusehen; sie allein rechtfertigt nicht den Ausspruch einer Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Anders als das Amtsgericht meint, gilt diese Wertung nicht für die Mietrückstände, die infolge der über den Zeitraum September 2015 bis September 2016 erheblich unvollständigen Zahlungen entstanden sind. Die Pflichtverletzung stellt sich nicht deshalb als weniger gravierend dar, weil der Beklagte die Klägerin über den Grund der Rückstände informiert hat bzw. für den Monat Februar 2016 die Miete vollständig gezahlt hat, weil kein Lärm auftrat.

Er hat damit keine Pflichten im Verhältnis zur Klägerin erfüllt, sondern unter anderem seiner Wahrheitspflicht als Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis bzw. den Anforderungen des § 536 Abs. 1 BGB genügt. Auf die Beurteilung der Verletzung seiner Hauptleistungspflicht aus § 535 Abs. 2 BGB wirkt sich das nicht aus, denn diese wird davon nicht berührt. Der Zahlungsrückstand wird nicht geringer, wenn der Vermieter weiß, worauf er beruht oder der Einbehalt der Miete angekündigt wird. Hinzu kommt, was das Amtsgericht als Umstand unberücksichtigt lässt, dass die Klägerin den Beklagten mehrfach zum Ausgleich der Mietrückstände aufgefordert hat, der Beklagte sich mit der Fortsetzung seines Zahlungsverhaltens über den Willen der Klägerin hinweggesetzt hat.

bb) Zu Recht beanstandet die Klägerin die Feststellungen des Amtsgerichts, mit denen es die Schuldhaftigkeit der Pflichtverletzung verneint, indem es einen unverschuldeten Rechtsirrtum des Beklagten annimmt. Im Ansatz zutreffend erkennt das Amtsgericht zwar die vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäbe, wendet sie aber fehlerhaft an.

Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig nur vor, wenn der Schuldner die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (Urt. v. 11.04.2012 – XII ZR 48/10; v. 12.07.2006 – X ZR 157/05; Urt. v. 04.07.2001 – VIII ZR 279/00; Urt. v. 28.06.1978 – VIII ZR 139/77, Urt. v. 09.02.1951 – I ZR 35/50). Nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten diese strengen Anforderungen auch im Wohnraummietrecht, dies sowohl mit Blick auf die tatsächlichen Voraussetzungen einer Mietminderung als auch die rechtlichen, einschließlich des (angemessenen) Umfangs der eingetretenen Minderung (vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2012 – VIII ZR 138/11; Urt. v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06).

Der Bundesgerichtshof hat bereits 2012 (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2012, a.a.O.) und 2015 (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2015, a. a. O.) die hier gegenständlichen Fragestellungen zur Mietminderung bei Lärmimmissionen durch Dritte beantwortet. Soweit die Instanzgerichte – wie das Landgericht Berlin – der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht folgen, sind sie nach § 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO gehalten, die Revision zuzulassen, sofern nicht im Einzelfall eine Ausnahmesituation vorliegt, wie sie der Bundesgerichtshof in den vorgenannten Entscheidungen selbst für möglich gehalten hat.

Danach ist schon die Annahme des Amtsgerichts unzutreffend, dass eine schwierige, unübersichtliche Rechtslage vorliege. Hinzu kommt aber, dass der Beklagte nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen sich allenfalls dann mit Erfolg auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen könnte, wenn er mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Das ist hier weder unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Mietminderung bei Lärmimmissionen durch Dritte der Fall, noch dann, wenn die Annahme des Amtsgerichts zugrunde gelegt wird, die Rechtsprechung des Landgerichts Berlin sei unübersichtlich. Gerade dann wäre der Beklagte gehalten gewesen, die Miete unter Vorbehalt zu zahlen und seinerseits eine gerichtliche Klärung herbeizuführen (vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2012, a.a.O.). Nichts anderes gilt für die Bemessung der Höhe der eingetretenen Mietminderung.

cc) Die Gesamtbewertung der hier gegebenen Umstände trägt das berechtigte Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses. Der Beklagte hat über einen erheblichen Zeitraum seine Zahlungspflicht aus § 535 Abs. 2 BGB erheblich verletzt; Dauer und Höhe des Mietrückstandes rechtfertigten sogar den Ausspruch einer fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft; soweit das Zahlungsverhalten auf der anwaltlichen Beratung beruhte, muss der Beklagte sich diese nach § 278 BGB zurechnen lassen. Die Reduzierung der Mietzahlungen in der Annahme, es sei eine Mietminderung nach § 536 Abs. 1 BGB eingetreten, ist zumindest fahrlässig, § 276 Abs. 1 BGB.

c) Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie die Verurteilung des Beklagten zur sofortigen Räumung begehrt.

Das Mietverhältnis bestand im Zeitpunkt der Kündigung – Oktober 2016 – länger als 8 Jahre, so dass sich die Kündigungsfrist um 2 x 3 Monate (vom 31. Januar 2017 zum 31.07.2017) verlängert hat, § 573c BGB.

Die Verurteilung zur künftigen Räumung stellt gegenüber der geltend gemachten Verurteilung sofortigen Räumung ein „Minus“ dar, so dass die Klage – wie aus dem Tenor ersichtlich – im Übrigen abzuweisen ist.

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage des Gesetzes, seiner Materialien und höchstrichterlich bereits entwickelter Maßstäbe.

4. Die Entscheidung über die Gewährung der Räumungsfrist beruht auf § 721 Abs. 1 ZPO. Sie soll dem Beklagten Gelegenheit zur Wohnungssuche auf dem derzeit angespannten Wohnungsmarkt gewähren. Im Rahmen der Abwägung der Interessen der Klägerin und des Beklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass der Beklagte alle Außenstände beglichen hat und die laufende Miete bzw. Nutzungsentschädigung pünktlich in der geschuldeten Höhe zahlt.

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