LG Hannover – Az.: 17 S 1/19 – Urteil vom 27.03.2020
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.11.2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neustadt a.Rbg. (44 C 1219/17) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die teilweise Erstattung einer von ihr unter Vorbehalt auf die Nebenkostenabrechnung für das Kalenderjahr 2015 geleisteten Zahlung.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgericht Neustadt a. Rbge. vom 26.11.2018 (Bl.110 d.A.).
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin 424,91 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 12. Mai 2017 zu zahlen.
Das Amtsgericht Neustadt a. Rbge. hat der Klage in Höhe eines Betrages von 9,62 €, welcher sich aus der Differenz zwischen dem in der Nebenkostenabrechnung für Jahr 2015 ursprünglich für die Baumfällung angesetzten Betrag von 2.551,99 € und der korrigierten Kostenberechnung der Beklagten für die Baumfällung von 2.494,24 € (anteilig 16,65 %) ergibt, stattgegeben und im Übrigen die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die weiteren angesetzten Kosten nach der Betriebskostenverordnung umlagefähig gewesen seien.
Mit der Berufung hält die Klägerin an ihrem erstinstanzlichen Vortrag, insbesondere an der Ansicht fest, dass die Kosten von Baumfällarbeiten keine Betriebskosten i. S. v. § 1 Abs. 1 BetrKV seien. Darüber hinaus handele es sich bei Baumfällarbeiten auch nicht um Maßnahmen im Rahmen üblicher Gartenpflege, sondern um außergewöhnliche, gerade nicht regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen, sodass diese weder systematisch § 2 BetrKV zuzuordnen seien, noch dem Sinn und Zweck der BetrKV unterfallen würden.
Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil teilweise abändernd die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 415,29 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Mai 2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung und als unbegründet zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung eines über den Betrag von 9,62 € hinausgehenden weiteren Betrags von 415,29 € verneint. Der Klägerin steht insoweit kein Anspruch auf Rückzahlung der von ihr unter Vorbehalt gezahlten Betriebskosten aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu.
Die von ihr in diesem Umfang geleistete Betriebskostennachzahlung erfolgte mit Rechtsgrund. Die von der Beklagten angesetzten Baumfällkosten i.H.v. 2.494,24 € sind nach § 2 Nr. 10 BetrKV umlagefähig.
Kosten der Baumfällung sind zwar nicht ausdrücklich in der Betriebskostenverordnung aufgeführt. Die Auslegung von § 2 Nr. 10 BetrKV ergibt jedoch, dass diese von dem Begriff der Pflege gärtnerisch angelegte Flächen, einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen, erfasst sind.
Bereits vom Wortlaut her, handelt es sich bei Bäumen sowohl um Pflanzen als auch um Gehölze i.S.d. Norm. Begrifflich ergeben sich durch Verwendung der Bezeichnung „Pflanzen“ oder „Gehölz“ keine Einschränkungen auf Gartenbestandteile einer bestimmten Größe.
Systematisch sind umlagefähige Betriebskosten im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrKV grundsätzlich von Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV abzugrenzen. Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung werden durch Reparatur und Wiederbeschaffung verursacht oder müssen zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs aufgewendet werden, um die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinwirkung entstehenden baulichen oder sonstigen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen; Instandsetzung und Instandhaltung betreffen deshalb Mängel an der Substanz der Immobilie oder ihrer Teile. Regelmäßig durchzuführende Maßnahmen etwa zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer technischen Anlage gehören dagegen nicht zur Instandhaltung. Ein mehrjähriger Turnus reicht aus, um die wiederkehrenden Belastungen als laufend entstehende Kosten anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. 11. 2009 – VIII ZR 221/08).
Bei der Entfernung morscher oder abgestorbener Pflanzen einer Gartenanlage handelt es sich um wiederkehrende Arbeiten, die einer solchen immanent sind. Erforderlich für die Einordnung als Betriebskosten ist insoweit nicht, dass die Kosten wiederkehrend im Sinne eines starren Turnus anfallen. Ausreichend ist vielmehr, dass sie einem typischen Kreislauf unterfallen, wobei hinzukommt, dass gem. § 2 Nr. 10 BetrKV was die Gartenpflege betrifft ausdrücklich ausnahmsweise auch Instandsetzungskosten ansetzbar sein sollen, nämlich diejenigen entsprechender Neubepflanzung, soweit Pflanzen, Sträucher und Bäume durch Alter, Witterungs- oder Umwelteinflüsse abgängig wurden. Dasselbe gilt daher erst recht für das Fällen und den Abtransport kranker oder morscher Bäume einschließlich der Anpflanzung junger Bäume (vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, 14. Aufl. 2019, BGB § 556 Rn. 156-162). Es handelt sich dabei um eine Maßnahme, die für die Erhaltung einer gärtnerisch angelegten Fläche notwendig ist (Langenberg/Zehelein BetrKostR, A. Begriff der Betriebskosten Rn. 146).
Der Umlagefähigkeit von Baumfällkosten steht auch nicht der Sinn und Zweck der Betriebskostenverordnung entgegen. Wenn sich die Klägerin darauf beruft, dass Zweck der Verordnung u.a. sei, dass der Mieter vor unvorhergesehenen Kosten geschützt werden soll, so kann letztlich dahingestellt bleiben, ob dies tatsächlich dem Schutzzweck der Norm entspricht, die vorliegend in erster Linie Klarstellungsfunktion haben dürfte. Bei den Kosten einer Baumfällung handelt es sich schon nicht um nicht zu erwartende Kosten, da wie gerade vorliegend der Baum bereits von Beginn des Mietverhältnisses an in der zum Mietobjekt gehörigen Gartenanlage angelegt war, sodass dann damit gerechnet werden kann, dass wenn es um Gartenpflegekosten geht ggf. auch Kosten im Zusammenhang mit der Baumpflege entstehen können. Vor dem Hintergrund, dass die Gartenpflegekosten ausdrücklich die Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen erfassen, kann sich der Mieter gerade nicht darauf verlassen, dass diese Position keinen Schwankungen unterliegt. Insbesondere bei derartigen Gartenpflegekosten kann sich jährlich – allein schon durch unterschiedliche Umwelteinflüsse – ein ungleichmäßiger Bedarf ergeben, der sich dann in der jeweiligen Nebenkostenabrechnung niederschlägt.
Vorliegend war hierzu weiter zu berücksichtigen, dass die Fällung des Baumes nicht lediglich aufgrund gestalterischer Erwägungen des Vermieters vorgenommen wurde, sondern der Grund für die Fällung, die Morschheit des Baumes und dessen fehlende Standsicherheit war, somit auf einem in der Anlage eines Gartens naturgemäß angelegten Grund zurückzuführen ist.
III.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die zugrundeliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die vorliegende, bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Rechtsfrage, kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen. Sie ist klärungsbedürftig, da zu ihr sowohl in Rechtsprechung als auch in der Literatur verschiedene Auffassungen vertreten werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.