OLG Koblenz – Az.: 5 U 1159/11 – Urteil vom 15.02.2012
1. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 31.08.2011 teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien sind Insolvenzverwalter, der Kläger über das Vermögen des …[A] und der Beklagte über das Vermögen …[B] GmbH (künftig GmbH), deren Geschäftsführer und Gesellschafter …[A] und …[C] waren. Sie streiten in zweiter Instanz noch um Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Oktober 2009 bis einschließlich März 2010 (146 GA) betreffend eine Immobilie in …[Z], die zum Vermögen des …[A] gehörte.
Mit Vertrag vom 01.08.2006 (7 GA) wurde eine Teilfläche davon an die GmbH als Standfläche für ein Blockheizkraftwerk zu einem monatlichen Zins von 1.725,00 € vermietet. Mit Schreiben vom 31.01.2007 (22 GA) kündigte …[A] das Mietverhältnis fristlos wegen „rückständiger Mietbeiträge“.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Kündigung später wirksam „zurückgenommen“ wurde. Mit Schreiben vom 26.10.2009 (13 GA), eingegangen beim Kläger am 27.10.2009, kündigte der Beklagte seinerseits „vorsorglich das Miet- bzw. Nutzungsverhältnis“ fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Der Kläger hat Mietzins für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des …[A], für die Monate Oktober 2009 bis einschließlich Juni 2010, geltend gemacht (4 GA). Er hat behauptet, …[A] habe die fristlose Kündigung vom 31.01.2007 mit Schreiben vom 09.02.2007 (27 GA) zurückgenommen. Dieses sei der GmbH am 10.02.2007 zugegangen. Mit Schreiben vom 20.03.2007 (57 GA.) habe die GmbH die Rücknahme der Kündigung bestätigt. Die Kündigung sei aufgehoben worden, da nachträglich und auch im Kalenderjahr 2007 durchgehend Miete gezahlt worden sei. Das Blockheizkraftwerk sei für den Beklagten frei zugänglich gewesen. Auf eine Nutzungsmöglichkeit durch den Insolvenzverwalter komme es letztlich nicht an, da es sich um Masseverbindlichkeiten handele. Der Kläger meint, dass es auf die Rechtsprechung zu § 181 BGB nicht ankomme, weil die Rücknahme eine einseitige Erklärung sei, die der anderen Seite nur zugehen müsse. Die spätere Kündigung des Beklagten sei gemäß § 580a Abs. 2 BGB wirksam erst zum 30. Juni 2010 erfolgt.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 15.525,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 1.725,00 € ab dem 01.10., 01.11., 01.12.2009, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05. und 01.06.2010 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, dass das Schreiben des …[A] vom 09.02.2007 tatsächlich unter diesem Datum erstellt und der GmbH zugegangen sei. Der Zugang zum Blockheizkraftwerk sei bei Einleitung des Insolvenzverfahrens nicht möglich gewesen. Im Übrigen liege in der „Rücknahme“ ein unzulässiges „Insichgeschäft“ vor.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in Höhe von 6.900,00 € (Mietzins vom Oktober 2009 bis Januar 2010) entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen. In der Rücknahme der Kündigung sei ein Angebot auf Fortsetzung des Mietverhältnisses zu sehen, das die GmbH durch Andauern der Besitzverhältnisse schlüssig angenommen habe. Durch die noch im Oktober 2010 zugegangene Kündigung des Beklagten sei das Mietverhältnis zum 31.01.2010 beendet worden. Bis dahin seien die Mietforderungen als Masseverbindlichkeiten vom Beklagten zu zahlen. Auf Tatbestand- und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird im Übrigen Bezug genommen (100-110 GA).
Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die (vollständige) Abweisung der Klage:
Die einseitige Rücknahme der Kündigung durch …[A] sei nicht möglich gewesen, eine Neubegründung des Mietverhältnisses nicht erfolgt.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts, begehrt mit der Anschließung weitere Miete bzw. Nutzungsersatz in Höhe von 3.450,00 € nebst Zinsen (145 GA) für die Monate Februar und März 2010, da das Grundstück zumindest bis dahin genutzt worden sei (147-149 GA).
Der Beklagte rügt Klageänderung und tritt dem entgegen. Das Kraftwerk sei stillgelegt gewesen; er habe weder Zutritt noch Nutzungsmöglichkeit gehabt (153-159 GA).
II.
Auf die zulässigen Rechtsmittel beider Parteien ist wie aus dem Tenor ersichtlich zu entscheiden. Dem Kläger stehen gegen den Beklagten weder Mietzins- noch Nutzungsersatzansprüche als Masseverbindlichkeiten zu, denn das Mietverhältnis war seit Februar 2007 beendet. Nutzungsersatzansprüche kämen somit nur als Insolvenzforderungen in Betracht, die hier nicht zur Entscheidung stehen.
…[A] kündigte wegen erheblicher Mietrückstände das Mietverhältnis über das Grundstück in …[Z] am 31.01.2007 fristlos auf, sodass es nach Zugang der Erklärung mit sofortiger Wirkung endete. Das ist im Grundsatz außer Streit. Die Rechtsfolgen dieser Kündigung konnten nach deren Zugang nicht einseitig widerrufen oder zurückgenommen werden (BGHZ, 139, 123). Das sieht auch das Landgericht, meint aber es sei bewiesen, dass sich …[A] und die GmbH zumindest konkludent auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses geeinigt hätten, indem die GmbH das Grundstück weiter genutzt und auch zeitweise Mietzins gezahlt habe. Das sieht der Senat aus Rechtsgründen anders, sodass es einer Wiederholung der Beweisaufnahme hierzu nicht bedarf.
Kommt im Falle einer außerordentlichen fristlosen Kündigung eine Einigung über deren „Rücknahme“ (wie hier) erst nach Zugang der Erklärung, somit nach Beendigung des Vertrages, in Betracht, so scheidet eine Fortsetzung des früheren Vertragsverhältnisses aus, der aufgelöste Vertrag kann nicht wieder aufleben. Die Begründung eines neuen Mietverhältnisses bedarf einer hierauf gerichteten Einigung der Parteien (BGH a.a.O.). Eine solche ist hier nicht zustande gekommen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es an einem Angebot „auf Fortführung des Mietverhältnisses zu den ursprünglichen Bedingungen“. Von daher kommt es auf die Beweisaufnahme, von wem das Schreiben vom 09.02.2007 verfasst und ob und ggfl. wem es zugegangen ist, nicht an. Dort heißt es auszugsweise:
„Wir nehmen die fristlose Kündigung vom 31.01.2007 zurück und setzen diese bis auf weiteres aus. Wir bitten für die Zukunft die Mieten fristgerechter zu zahlen.“
Aus dieser Erklärung ergibt sich kein Wille, ein neues Mietverhältnis zu den alten Bedingungen zu begründen. Im Gegenteil, das alte Nutzungsverhältnis sollte fortgesetzt werden unter Aufrechterhaltung der Rechte aus der fristlosen Kündigung. Denn auf die Wirkungen der Kündigung sollte nicht endgültig verzichtet, sie sollten nur bis auf weiteres ausgesetzt werden. Der Senat sieht diese Willenserklärung deshalb nicht als auf die Neubegründung eines Mietverhältnisses gerichtet, vielmehr auf eine Duldung der Nutzung bis auf weiteres solange der Mietzins entrichtet wird. Durch die weitere Nutzung konnte schon mangels Angebot ein neues Vertragsverhältnis konkludent nicht begründet werden.
Es ist im Übrigen nicht bewiesen, dass das Schreiben vom 09.02.2007 einem Verantwortlichen der GmbH zugegangen ist. So hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, es sei nicht sicher, dass der Mitgesellschafter …[C] von diesem Kenntnis erlangt habe (105, 106 GA ). Es konnte nicht geklärt werden, von wem der Zusatz „erhalten, 10.02.2007“ stammte. Die Annahme, …[A] habe sich in Form eines „Insichsgeschäfts“ den Zugang selbst bestätigt, liegt fern, ist aber auch mit seiner Aussage nicht erwiesen. Mit der Angabe: „Gegebenenfalls kann es sich bei der sich darunter befindenden Unterschrift um mein …[A]- Kürzel handeln“ (85 GA), hat sich der Zeuge gerade nicht in diesem Sinne festgelegt.
Auch das an …[A] gerichtete Schreiben vom 20.03.2007 (57 GA) kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Dank „für das Verständnis und die Rücknahme der Kündigung“, konnte kein neues Mietverhältnis begründen, weil es (siehe oben) an einem hierauf gerichteten Angebot fehlte. Im Übrigen wurde das Schreiben nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht von einem Vertreter der GmbH, weder von …[A] noch vom Mitgesellschafter …[C] unterschieben.
Fehlte es nach alledem hinsichtlich der Neubegründung des Mietverhältnisses an Angebot und Annahmeerklärung, kann allein in der Aufrechterhaltung der Besitzverhältnisse und der eventuellen Zahlung von Nutzungsentschädigung (ob überhaupt und in welchem Umfang Zahlungen erfolgten, ist völlig offen 105 GA) kein konkludenter Neuabschluss des gekündigten Vertrages gesehen werden.
Daher scheiden Mietzinsansprüche für die Zeit ab Insolvenzeröffnung ebenso aus wie Nutzungsersatzansprüche. Denn wie auch die Anschlussberufung nicht in Zweifel zieht (148 GA), schuldet der Insolvenzverwalter Nutzungsersatzansprüche als Masseverbindlichkeiten nur dann, wenn der Mietvertrag zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch besteht und er dann nach Vertragsbeendigung die Nutzung fortsetzt. Hier war aber das Mietverhältnis lange vor der Eröffnung des Verfahrens beendet, sodass Nutzungsentgelt nur als Insolvenzforderung geltend gemacht werden könnte. Auf die Ausführungen des Landgerichts hierzu wird Bezug genommen (109, 110 GA).
Nach alledem ist unter Zurückweisung der Anschlussberufung auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Landgerichts teilweise zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, Abs. 1, 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.350,00 € festgesetzt (6.900,00 € für Berufung, 3.450,00 € Anschlussberufung).