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Behindertendiskriminierung – Verschulden des Benachteiligenden

Ein gebuchtes Zimmer in einer kleinen Pension: Für eine blinde Frau endete die Anreise jedoch mit einer Abweisung. Die Pensionsbetreiberin verweigerte ihr den Zutritt, weil sie den Aufenthalt wegen ihrer Blindheit als zu gefährlich einstufte. Genau dieses Vorgehen stuft ein aktuelles Gerichtsurteil nun als unzulässige Diskriminierung aufgrund von Behinderung ein. Die Betreiberin wurde deshalb zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 S 72/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine blinde Person, die ein Zimmer in der Pension buchte, wegen ihrer Blindheit abgewiesen wurde und Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG forderte.
  • Beklagte: Die Betreiberin der Pension, die der Klägerin das Zimmer verweigerte und sich auf Sicherheitsbedenken sowie die Unanwendbarkeit des AGG berief.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Eine blinde Frau buchte ein Zimmer in einer Pension. Bei Ankunft wurde ihr das Zimmer von der Pensionsbetreiberin wegen ihrer Blindheit unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken verweigert. Die Frau musste sich eine teurere Unterkunft suchen und verlangte Entschädigung wegen Diskriminierung.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf eine kleinere Pension anwendbar ist. Weiter ging es darum, ob die Ablehnung einer blinden Person aus Sicherheitsgründen eine unzulässige Diskriminierung wegen Behinderung darstellt und einen Anspruch auf Entschädigung begründet.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht gab der Klage auf Entschädigung weitgehend statt und hob das Urteil der Vorinstanz auf. Die Beklagte wurde verurteilt, der Klägerin 1.200 Euro Entschädigung sowie vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
  • Begründung: Das Gericht entschied, dass das AGG auf die Pension anwendbar ist, da es sich um ein Massengeschäft handele. Die Abweisung der blinden Klägerin sei eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen Behinderung gewesen. Sicherheitsbedenken stellten keinen ausreichenden Grund dar, insbesondere da die Klägerin die Bewältigung der Treppen selbst einschätzte.
  • Folgen: Die Beklagte muss der Klägerin die zugesprochene Entschädigung und die Anwaltskosten zahlen. Das Urteil stellt klar, dass auch kleinere Beherbergungsbetriebe unter das AGG fallen können, wenn sie als Massengeschäft geführt werden.

Der Fall vor Gericht


Diskriminierung Blinder Gast: Pension muss nach AGG-Urteil 1.200 Euro Entschädigung zahlen

Das Landgericht Meiningen hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass die Betreiberin einer kleinen Pension eine blinde Frau diskriminiert hat, als sie ihr die Aufnahme in ein gebuchtes Zimmer verweigerte.

Pensionsrezeption: strenge Pensionbesitzerin verweigert blinder Frau mit Begleiter den Zugang wegen Stufen und Verletzung.
Pensionsstreit: Barrierefreiheit und Recht auf Unterkunft für blinde Frau mit Fußverletzung im stufenreichen Haus. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Begründung der Pensionsbetreiberin, die Unterkunft sei aufgrund baulicher Gegebenheiten zu gefährlich für die blinde Frau, ließ das Gericht nicht gelten. Es sprach der Frau eine Entschädigung in Höhe von 1.200 Euro zu, da die Ablehnung einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellt. Das Urteil klärt wichtige Fragen zur Anwendbarkeit des AGG auf kleinere Beherbergungsbetriebe.

Ausgangslage: Gebuchtes Zimmer wegen Blindheit und Fußverletzung verweigert

Die Vorgeschichte des Falls begann mit einer telefonischen Buchung. Eine blinde Frau reservierte über ihren Begleiter ein Zimmer in einer Pension in M. für einen viertägigen Aufenthalt im August 2022. Die Pension, betrieben von der späteren Prozessgegnerin, verfügte über 13 Zimmer auf drei Etagen ohne Aufzug. In einem späteren Telefonat bestätigte die Betreiberin der Frau selbst die Verfügbarkeit eines Zimmers im Dachgeschoss, womit die Frau einverstanden war. Ihre Blindheit wurde in diesen Gesprächen nicht erwähnt.

Als die Frau am Anreisetag mit ihrem Begleiter in der Pension erschien, bemerkte die Betreiberin sowohl die Blindheit der Anreisenden als auch eine Fußverletzung. Daraufhin verweigerte sie der Frau den Bezug des Zimmers. Als Grund nannte sie die baulichen Gegebenheiten der Pension mit vielen Stufen, Schwellen und Absätzen, die den Aufenthalt für die Frau „viel zu gefährlich und beschwerlich“ machten. Die Frau und ihr Begleiter versicherten zwar, dass sie sich das Überwinden der Treppen zutraue, doch die Betreiberin blieb bei ihrer Weigerung. Sie verwies die abgewiesene Frau stattdessen an die örtliche Tourist-Information, um eine alternative Unterkunft zu finden.

Die blinde Frau musste daraufhin kurzfristig ein Ersatzzimmer in einem anderen Hotel in M. buchen. Dieses war mit 87 Euro pro Nacht deutlich teurer als das ursprünglich gebuchte Pensionszimmer (55 Euro pro Nacht). Die Mehrkosten beliefen sich auf 128 Euro für die vier Nächte. Noch während des späteren Gerichtsverfahrens zahlte die Pensionsbetreiberin „aus Kulanz“ 130 Euro an die Frau, um diesen Differenzbetrag auszugleichen. Dieser Teil des Streits wurde daraufhin von beiden Seiten für erledigt erklärt.

Der Rechtsstreit: Vorwurf der Diskriminierung nach AGG vs. Sicherheitsbedenken der Pension

Im Kern des Rechtsstreits stand die Frage, ob die Pensionsbetreiberin die blinde Frau wegen ihrer Behinderung diskriminiert hatte und ob dafür eine Entschädigung nach dem AGG zu zahlen sei. Die Frau argumentierte, sie sei unmittelbar wegen ihrer Behinderung benachteiligt worden. Ihrer Ansicht nach falle die Zimmervermietung der Pension unter den Anwendungsbereich des AGG, da es sich um ein sogenanntes Massengeschäft im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG handle. Solche Geschäfte, die typischerweise einer Vielzahl von Personen ohne Ansehen der Person angeboten werden, unterliegen dem Diskriminierungsverbot. Sie forderte eine angemessene Entschädigung von mindestens 1.500 Euro. Diese Summe solle nicht nur einen Ausgleich für die erlittene Demütigung und Persönlichkeitsverletzung darstellen, sondern auch eine abschreckende Wirkung entfalten. Sie kritisierte zudem das Verhalten der Betreiberin nach ihrer Beschwerde, die ihr unredliche Absichten unterstellt habe.

Die Pensionsbetreiberin verteidigte sich damit, dass es sachliche Gründe für die Ablehnung gegeben habe, die eine unterschiedliche Behandlung nach § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AGG rechtfertigen würden. Die Pension sei aufgrund der vielen Stufen, Schwellen und der fehlenden Barrierefreiheit für blinde Personen schlicht ungeeignet und nicht verkehrssicher. Die Ablehnung sei erfolgt, um Gefahren zu vermeiden, insbesondere Sturzrisiken vorzubeugen. Sie habe handeln müssen, um sich nicht dem Vorwurf einer Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichten auszusetzen. Zudem berief sie sich auf die allgemeine Privatautonomie, also das Recht, frei zu entscheiden, mit wem man Verträge schließt.

Erste Instanz: Amtsgericht Meiningen sah kein Massengeschäft und wies Klage ab

Das zunächst zuständige Amtsgericht Meiningen hatte die Klage auf Entschädigung abgewiesen (Az. 14 C 330/23). Die Richter dort waren der Auffassung, dass der sachliche Anwendungsbereich des AGG nicht eröffnet sei. Bei einer Pension mit nur 13 Zimmern und der persönlichen Anwesenheit der Vermieterin handle es sich nicht um ein typisches Massengeschäft im Sinne des Gesetzes. Das Gericht zog einen Vergleich zur Vermietung von Wohnraum, bei der die Privatautonomie traditionell eine größere Rolle spiele und das AGG nur eingeschränkt gelte. Daher bestehe kein Anspruch auf Entschädigung.

Berufungsurteil Landgericht Meiningen: Pensionsbetreiberin zur Zahlung von 1.200 Euro Entschädigung verurteilt

Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte die blinde Frau Berufung ein und verfolgte ihren Anspruch auf Entschädigung und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten weiter. Das Landgericht Meiningen als Berufungsinstanz hob das erstinstanzliche Urteil auf und gab der Frau weitgehend Recht. Es verurteilte die Pensionsbetreiberin zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.200 Euro zuzüglich Zinsen. Zusätzlich muss die Betreiberin die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Frau in Höhe von 220,27 Euro erstatten. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits über beide Instanzen wurden ebenfalls der Pensionsbetreiberin auferlegt.

Begründung: Auch kleine Pensionen können unter das AGG fallen – Kriterium Massengeschäft

Das Landgericht Meiningen begründete seine Entscheidung ausführlich und kam zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 21 Abs. 2 S. 3 AGG erfüllt sind. Zentral war dabei die Frage, ob das AGG überhaupt auf eine kleine Pension Anwendung findet.

Das Gericht bejahte dies klar. Die Vermietung von Zimmern für kurzzeitige Aufenthalte in einer Pension sei ein typisches Massengeschäft gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Entscheidend sei die Art des Geschäfts: Solche Beherbergungsverträge würden üblicherweise ohne eingehende Prüfung der Person des Gastes geschlossen – also „ohne Ansehen der Person“. Die Größe des Betriebs sei dabei nicht ausschlaggebend. Die im Gesetz an anderer Stelle (§ 19 Abs. 5 S. 3 AGG) genannte Grenze von mehr als 50 Wohnungen für die Anwendbarkeit bei Mietverhältnissen sei nicht auf das Massengeschäft übertragbar. Das Merkmal „Vielzahl von Fällen“ im AGG erfordere keine riesigen Dimensionen, sondern diene lediglich dazu, vereinzelte, untypische Vorgänge auszuschließen. Eine Parallele zog das Gericht zur Auslegung bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 305 BGB), wo bereits drei Verwendungen ausreichen können. Angesichts der 13 Zimmer und der eigenen Aussage der Betreiberin, sie schließe Verträge in der Regel mit jedem Anfragenden ohne Personenprüfung, liege ein Massengeschäft vor. Auch der Umstand, dass es sich um kurzfristige Verträge und nicht um Dauerschuldverhältnisse wie bei der Wohnraummiete handelt, stütze diese Einordnung.

Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des AGG wegen eines besonderen Nähe- oder Vertrauensverhältnisses (§ 19 Abs. 5 S. 1 AGG) kam für das Gericht ebenfalls nicht in Betracht. Allein der Umstand, dass die Betreiberin im selben Haus wohnt, reiche dafür nicht aus. Die Pensionszimmer befänden sich in einem getrennten Bereich, es würden keine wesentlichen Einrichtungen wie Bad oder Küche geteilt. Ein solches besonderes Verhältnis setze eine engere persönliche Beziehung voraus, die über den üblichen Gästekontakt hinausgeht.

Weiter stellte das Gericht klar, dass ein Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden nach § 21 Abs. 2 S. 3 AGG kein Verschulden der diskriminierenden Person voraussetzt. Dies entspreche der herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft, der Systematik des Gesetzes und den Vorgaben des EU-Rechts, das wirksame und abschreckende Sanktionen verlange. Selbst wenn man ein Verschulden fordern würde, wäre dies im vorliegenden Fall einer direkten Benachteiligung gegeben.

Begründung: Angeführte Sicherheitsbedenken rechtfertigen Diskriminierung nicht – Schutz vor Bevormundung

Den entscheidenden Punkt sah das Gericht in der Frage, ob die Ablehnung der blinden Frau gerechtfertigt war. Die Pensionsbetreiberin hatte sich auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 AGG berufen und argumentiert, die baulichen Mängel (Stufen, Schwellen) stellten einen sachlichen Grund dar, der die unterschiedliche Behandlung aus Sicherheitsgründen erlaube.

Diesem Argument folgte das Landgericht nicht. Es betonte, dass es gerade ein Ziel des AGG sei, Benachteiligungen aufgrund von Behinderungen abzubauen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Dazu gehöre auch der Schutz vor Bevormundung. Es stehe der Pensionsbetreiberin nicht zu, die Fähigkeiten der blinden Frau – zumal in Begleitung einer sehenden Person – geringer einzuschätzen als diese selbst, nachdem die Frau ausdrücklich erklärt hatte, sich die Bewältigung der Treppen zuzutrauen.

Die angeführten Sicherheitsbedenken überzeugten das Gericht nicht. Die von der Betreiberin vorgelegten Fotos zeigten eine normale, geschlossene Treppe mit Handlauf und Anti-Rutsch-Belag, die keine außergewöhnliche Gefahrenquelle darstelle. Die Welt sei voller Treppen, auch in öffentlichen Gebäuden, was kein Grund sei, blinde Menschen pauschal auszuschließen. Zudem habe die Betreiberin weder auf ihrer Webseite noch in Prospekten auf die fehlende Barrierefreiheit oder besondere Schwierigkeiten hingewiesen. Dass sie sich durch die Aufnahme der Frau einer unkalkulierbaren Haftungsgefahr ausgesetzt hätte, sei fernliegend, da auf die Treppen hingewiesen wurde.

Das Gericht wertete das Fürsorgeargument der Betreiberin zudem als vorgeschoben. Nach der Ablehnung habe sie der Frau keinerlei Hilfe bei der Suche nach einer neuen Unterkunft angeboten, sondern sie lediglich an die Tourist-Information verwiesen. Dieses Verhalten stehe im Widerspruch zu einer angeblich aus Sorge erfolgten Ablehnung.

Bemessung der Entschädigung: 1.200 Euro als Genugtuung und Abschreckung

Bei der Festsetzung der Höhe der Entschädigung orientierte sich das Gericht an den Zielen des § 21 Abs. 2 S. 3 AGG: Genugtuung für die erlittene Herabsetzung und Prävention bzw. Abschreckung, um zukünftige Diskriminierungen zu verhindern. Das Gericht hielt einen Betrag von 1.200 Euro für angemessen.

Es berücksichtigte dabei die Art und Schwere der Diskriminierung. Es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Blindheit, die für die Betroffene einen persönlich herabsetzenden Charakter hatte (Demütigung, Bevormundung). Negativ floss auch das Verhalten der Pensionsbetreiberin nach der Beschwerde ein, insbesondere der Vorwurf unredlicher Absichten gegenüber der Frau, was diese zusätzlich verletzt habe.

Grundsatzfrage geklärt? Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen

Das Landgericht Meiningen hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Dies bedeutet, dass die unterlegene Pensionsbetreiberin das Urteil vom höchsten deutschen Zivilgericht überprüfen lassen kann. Die Zulassung erfolgte wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf kleinere Pensions- und Beherbergungsbetriebe Anwendung findet. Eine Entscheidung des BGH könnte hier für mehr Rechtsklarheit sorgen. Das aktuelle Urteil des Landgerichts ist jedoch vorläufig vollstreckbar, die Entschädigung und Kosten sind also zunächst zu zahlen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Landgericht Meiningen hat entschieden, dass auch kleine Pensionen unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz fallen und Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund vermeintlicher Sicherheitsbedenken ablehnen dürfen. Die Entscheidung stärkt den Schutz behinderter Menschen vor Bevormundung und betont ihr Recht auf gesellschaftliche Teilhabe, indem sie selbst einschätzen dürfen, welche Hindernisse sie bewältigen können. Pensionen und Hotels müssen demnach sorgfältig abwägen, ob eine Ablehnung tatsächlich sachlich gerechtfertigt ist, andernfalls drohen empfindliche Entschädigungszahlungen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „unmittelbare Benachteiligung“ im Zusammenhang mit dem AGG?

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, wenn eine Person direkt und unmittelbar schlechter behandelt wird als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der Grund für diese schlechtere Behandlung muss eines der im AGG genannten Merkmale sein.

Stellen Sie sich vor: Eine Person bewirbt sich um eine Wohnung. Sie erfüllt alle Kriterien (Einkommen, Schufa etc.). Der Vermieter lehnt sie jedoch ab, weil sie ein Kopftuch trägt. Wenn ein anderer Bewerber mit gleichen Qualifikationen, aber ohne Kopftuch, die Wohnung bekommen hätte, könnte dies eine unmittelbare Benachteiligung sein. Der Grund (Religion/Weltanschauung) führt unmittelbar zur schlechteren Behandlung (Ablehnung der Wohnung), verglichen mit einer Person in gleicher Lage.

Für Sie bedeutet das: Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn diese drei Dinge zusammenkommen:

  1. Es gibt eine schlechtere Behandlung. Jemand wird benachteiligt, erhält etwas nicht oder wird ausgeschlossen.
  2. Diese schlechtere Behandlung geschieht wegen eines bestimmten Merkmals, das im AGG geschützt ist. Dazu gehören:
    • die ethnische Herkunft oder „Rasse“,
    • das Geschlecht,
    • die Religion oder Weltanschauung,
    • eine Behinderung,
    • das Alter,
    • die sexuelle Identität.
  3. Diese schlechtere Behandlung ist unmittelbar. Das bedeutet, die Benachteiligung erfolgt direkt aufgrund des Merkmals, nicht erst durch eine neutrale Regelung, die sich dann nachteilig auswirkt (das wäre eine indirekte Benachteiligung). Und es gibt eine vergleichbare Situation, in der eine andere Person ohne das Merkmal besser behandelt wurde oder würde.

Ein weiteres Beispiel: Eine Frau wird in einem Geschäft abgewiesen, weil „heute nur Männer Zutritt haben“. Dies wäre eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts, da Männer in der gleichen Situation (Eintritt ins Geschäft) bevorzugt behandelt werden. Oder ein älterer, qualifizierter Bewerber bekommt eine Stelle nicht, weil der Arbeitgeber „lieber jemanden Jüngeren“ einstellen möchte, obwohl der jüngere Bewerber nicht besser geeignet ist. Auch das kann eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters sein.

Es geht also darum, dass die unterschiedliche (schlechtere) Behandlung direkt an eines der geschützten Merkmale geknüpft ist und es eine Person in einer vergleichbaren Situation gibt, die aufgrund des Fehlens dieses Merkmals besser gestellt ist.


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Wann gilt ein Beherbergungsbetrieb als „Massengeschäft“ im Sinne des AGG und warum ist das relevant?

Wenn Sie von einem Beherbergungsbetrieb wie einem Hotel oder einer Pension sprechen, der Zimmer oder Dienstleistungen anbietet, stellt sich manchmal die Frage, ob die Regeln des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gelten. Das ist wichtig, weil das AGG bestimmte Diskriminierungen verbietet.

Was bedeutet „Massengeschäft“ bei Beherbergungsbetrieben?

Das AGG gilt für sogenannte „Massengeschäfte“. Stellen Sie sich darunter Dienstleistungen vor, die typischerweise einer Vielzahl von Personen angeboten werden, ohne dass der Anbieter eine individuelle Auswahl nach der Person trifft. Bei einem Beherbergungsbetrieb bedeutet das, dass der Betrieb seine Zimmer oder andere Leistungen (wie Restaurantbesuche für Nicht-Gäste) jedermann anbietet, der buchen möchte, solange Plätze frei sind.

Es geht dabei nicht in erster Linie um die Größe des Betriebs. Ob es ein großes Hotel mit hunderten Zimmern oder eine kleine Pension mit nur wenigen Zimmern ist, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, wie der Betrieb seine Leistungen anbietet: Wird das Angebot öffentlich gemacht und richtet es sich an eine unbestimmte Anzahl von Personen, die ohne Ansehen der Person buchen können? Wenn ja, handelt es sich in der Regel um ein Massengeschäft. Ein Beispiel dafür ist ein Hotel, das Zimmer online oder über Reisebüros anbietet.

Warum ist die Einordnung als „Massengeschäft“ wichtig?

Die Einordnung als „Massengeschäft“ ist entscheidend dafür, ob das Diskriminierungsverbot des AGG greift. Das AGG verbietet Diskriminierung unter anderem aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität.

Wenn ein Beherbergungsbetrieb als Massengeschäft gilt, bedeutet das, dass er Personen beim Zugang zu seinen Leistungen und bei deren Versorgung nicht aufgrund dieser im AGG genannten Merkmale benachteiligen darf. Das heißt, der Betrieb darf zum Beispiel nicht die Buchung eines Zimmers ablehnen oder einen Gast schlechter behandeln, nur weil dieser beispielsweise eine bestimmte Religion hat oder eine Behinderung aufweist, es sei denn, es gibt einen im Gesetz vorgesehenen, sehr engen Grund dafür.

Für Sie als potenzieller Gast bedeutet das: Wenn ein Hotel oder eine Pension ein Massengeschäft ist, haben Sie einen Anspruch darauf, beim Zugang zu den angebotenen Leistungen gleich behandelt zu werden und nicht aus den im AGG genannten Gründen diskriminiert zu werden.


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Welche „sachlichen Gründe“ können eine unterschiedliche Behandlung nach dem AGG rechtfertigen?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet grundsätzlich, dass Menschen wegen bestimmter Merkmale wie ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder einer Behinderung unterschiedlich behandelt werden, wenn dies zu einer Benachteiligung führt. Man spricht hier vom Diskriminierungsverbot. Es gibt jedoch Situationen, in denen eine unterschiedliche Behandlung unter bestimmten, sehr engen Voraussetzungen ausnahmsweise erlaubt sein kann. Hierfür müssen sogenannte „sachliche Gründe“ vorliegen.

Was bedeutet „sachlicher Grund“?

Ein „sachlicher Grund“ ist kein beliebiger oder willkürlicher Grund. Es muss ein objektiver, nachvollziehbarer Umstand sein, der es unter sehr strengen Kriterien rechtfertigt, jemanden anders zu behandeln als andere. Solche Gründe können sich beispielsweise aus der Art der auszuübenden Tätigkeit, den damit verbundenen Risiken oder anderen notwendigen Anforderungen ergeben.

Hohe Hürden für eine Rechtfertigung

Wichtig ist: Eine unterschiedliche Behandlung ist nur dann zulässig, wenn sie unverzichtbar („erforderlich“) und angemessen ist, um ein legitimes Ziel zu erreichen. Stellen Sie sich vor, jemand möchte Sie wegen einer Eigenschaft, die durch das AGG geschützt ist, anders behandeln. Diese Person muss dann beweisen, dass es wirklich keinen anderen Weg gab, um ihr Ziel zu erreichen, und dass die Art der unterschiedlichen Behandlung nicht über das nötige Maß hinausgeht. Eine bloße Vermutung oder ein allgemeines Unbehagen reichen nicht aus.

Sicherheit als möglicher, aber streng geprüfter Grund

Manchmal wird versucht, eine unterschiedliche Behandlung mit Sicherheitsbedenken zu begründen, zum Beispiel unter Verweis auf eine Pflicht, Gefahren von anderen fernzuhalten (die sogenannte „Verkehrssicherungspflicht“). Dies kann in der Tat ein legitimes Ziel sein. Allerdings muss die angebliche Gefahr wirklich und konkret sein. Außerdem muss die ungleiche Behandlung das einzige Mittel sein, um diese Gefahr abzuwenden. Wenn es andere, weniger einschneidende Wege gibt, die Sicherheit zu gewährleisten, ist eine Benachteiligung nicht erlaubt.

Berücksichtigung von Menschen mit Behinderungen

Gerade im Zusammenhang mit dem Merkmal Behinderung ist zu beachten, dass der Gesetzgeber erwartet, dass angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um Menschen mit Behinderungen die Teilhabe zu ermöglichen. Wenn durch zumutbare Anpassungen (zum Beispiel den Einbau einer Rampe oder die Bereitstellung von Hilfsmitteln) die Teilnahme oder Nutzung ermöglicht werden kann, ist eine pauschale Ablehnung oder ungleiche Behandlung wegen der Behinderung in der Regel nicht zulässig. Die Pflicht zu solchen Vorkehrungen schränkt mögliche „sachliche Gründe“ erheblich ein.


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Welche Pflichten hat ein Vermieter von Unterkünften gegenüber Menschen mit Behinderungen?

Vermieter von Unterkünften sind grundsätzlich verpflichtet, Menschen mit Behinderungen nicht zu benachteiligen. Dies ergibt sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierung unter anderem aufgrund einer Behinderung verbietet, auch beim Zugang zu Dienstleistungen wie der Vermietung von Wohnraum oder Ferienunterkünften.

Eine zentrale Pflicht ist die sogenannte Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen. Das bedeutet, Vermieter müssen notwendige und geeignete bauliche oder organisatorische Anpassungen vornehmen, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zu ermöglichen, es sei denn, diese Anpassungen stellen eine unverhältnismäßige oder unzumutbare Belastung dar.

Was bedeutet „angemessene Vorkehrungen“ in der Praxis?

Was genau „angemessene Vorkehrungen“ sind, hängt stark vom Einzelfall ab. Es gibt keine allgemeingültige Liste für alle Unterkünfte. Stattdessen müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden:

  • Die individuellen Bedürfnisse des Gastes: Welche spezifischen Anpassungen sind aufgrund der Behinderung erforderlich (z.B. Rollstuhlzufahrt, spezielle Hilfsmittel im Bad)?
  • Die Beschaffenheit der Unterkunft: Welche baulichen Gegebenheiten sind vorhanden? Ist eine Anpassung überhaupt technisch machbar?
  • Die Zumutbarkeit für den Vermieter: Welche Kosten und welcher Aufwand wären mit der Anpassung verbunden? Stehen diese in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen für den Gast und der allgemeinen wirtschaftlichen Situation des Vermieters?

Beispiele für mögliche Vorkehrungen könnten sein:

  • Eine Rampe über eine kleine Stufe am Eingang.
  • Das Bereitstellen eines speziellen Duschstuhls.
  • Eine klare Beschilderung in Brailleschrift.

Wichtig ist dabei: Es geht darum, Barrieren abzubauen oder zu umgehen, damit Menschen mit Behinderungen die Unterkunft nutzen können, wie es auch Menschen ohne Behinderung möglich ist. Die Pflicht endet dort, wo die Anpassung für den Vermieter unzumutbar wäre, beispielsweise bei sehr hohen Kosten für umfangreiche Umbauten an einem alten Gebäude, die nicht in einem sinnvollen Verhältnis stehen.

Vermieter sollten sich bewusst sein, dass die Nichtbeachtung dieser Pflichten zu rechtlichen Konsequenzen führen kann. Eine offene Kommunikation mit potenziellen Gästen über deren Bedürfnisse und die Möglichkeiten der Unterkunft ist oft ein guter erster Schritt.


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Wie wird die Höhe der Entschädigung bei Diskriminierung nach dem AGG bemessen?

Wenn jemand aufgrund eines im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Grundes diskriminiert wird, kann dies einen Anspruch auf Entschädigung auslösen. Diese Entschädigung ist nicht dazu gedacht, einen finanziellen Schaden auszugleichen, sondern soll das erlittene persönliche Leid, die Kränkung und die Demütigung abgelten.

Wichtig zu wissen ist: Es gibt keine festen Beträge oder Tabellen dafür, wie hoch diese Entschädigung sein muss. Die Höhe der Entschädigung wird immer im Einzelfall vom Gericht festgelegt.

Dabei berücksichtigen die Gerichte verschiedene Faktoren, um einen fairen Betrag zu finden. Dazu gehören insbesondere:

  • Die Schwere der Diskriminierung: Wie schlimm war die Benachteiligung? Handelte es sich um einen einmaligen Vorfall oder um wiederholte Handlungen? War die Diskriminierung besonders öffentlich oder herabwürdigend?
  • Der Grad der erlittenen Kränkung: Wie stark hat die betroffene Person unter der Diskriminierung gelitten? Wie sehr wurde ihre Würde verletzt?
  • Die abschreckende Wirkung: Die Entschädigung soll auch dazu beitragen, dass derjenige, der diskriminiert hat, und andere in Zukunft von ähnlichen Handlungen abgeschreckt werden.

Für Sie bedeutet das: Jede Situation ist anders, und das Gericht wägt all diese Umstände ab, um die angemessene Höhe der Entschädigung festzulegen.

Neben der Entschädigung für das immaterielle Leid (die Kränkung) kann unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen. Das ist der Fall, wenn Ihnen durch die Diskriminierung ein tatsächlicher finanzieller Schaden entstanden ist. Stellen Sie sich vor, Sie wurden wegen Diskriminierung abgewiesen und mussten deshalb zusätzliche Kosten für eine Ersatzunterkunft tragen. Solche direkten Kosten könnten als Schadensersatz geltend gemacht werden, zusätzlich zur Entschädigung für die Kränkung.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Entschädigung bei Diskriminierung nach dem AGG ist eine Wiedergutmachung für das erlittene Leid und wird vom Gericht individuell unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der genannten Faktoren bemessen. Ein zusätzlicher finanzieller Schaden kann separat als Schadensersatz verlangt werden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dient dem Schutz vor Diskriminierung aus Gründen wie Behinderung, Geschlecht, Alter oder Religion im gesellschaftlichen und beruflichen Leben. Das Gesetz verbietet es, Personen bei Dienstleistungen oder Arbeitsverhältnissen aufgrund dieser Merkmale schlechter zu behandeln. In dem Fall regelt das AGG, dass auch kleinere Beherbergungsbetriebe wie Pensionen Diskriminierungen verhindern müssen. Ein Verstoß gegen das AGG kann zu einem Anspruch auf Entschädigung führen, auch ohne Verschulden der benachteiligten Person.

Beispiel: Wenn ein Hotel einem blinden Gast ein Zimmer verweigert, ohne dass ein gerechtfertigter Sicherheitsgrund besteht, verletzt es das AGG.


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Massengeschäft im Sinne des AGG

Ein Massengeschäft ist im AGG ein Geschäftsvorgang, bei dem einem großen, unbestimmten Kreis von Personen Leistungen angeboten werden, ohne dass der Anbieter individuell über die Person entscheidet. Bei Beherbergungsbetrieben bedeutet dies, dass Zimmer grundsätzlich jedem Interessenten mit freien Kapazitäten angeboten werden, ohne persönliche Auswahl oder Prüfung. Die Einordnung als Massengeschäft ist wichtig, weil das AGG gerade für solche Geschäfte gilt und Diskriminierung dort untersagt ist. Dabei ist die Größe des Betriebs sekundär, entscheidend ist die Art des Angebots.

Beispiel: Ein Hotel, das Zimmer online für alle offen anbietet, führt ein Massengeschäft; auch eine kleine Pension kann als Massengeschäft gelten, wenn sie ihre Zimmer mehreren Gästen öffentlich anbietet.


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Sachlicher Grund (Rechtfertigungstatbestand) nach § 20 Abs. 1 AGG

Ein sachlicher Grund ist ein objektiver und legitimer Grund, der unter engen Voraussetzungen eine ansonsten verbotene unterschiedliche Behandlung erlaubt. Nach § 20 Abs. 1 AGG kann eine Benachteiligung wegen einer Behinderung gerechtfertigt sein, wenn sie erforderlich ist, um legitime Zwecke wie Sicherheit zu gewährleisten. Die Hürden dafür sind jedoch sehr hoch: Die Maßnahme muss angemessen und erforderlich sein, es dürfen keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, und der Schutz vor Gefahren muss tatsächlich und konkret nachweisbar sein. Pauschale oder vorsorgliche Ablehnungen sind unzulässig.

Beispiel: Ein Veranstalter darf eine Person mit Behinderung nur dann von einer Veranstaltung ausschließen, wenn konkrete Sicherheitsrisiken bestehen, die nicht durch andere Maßnahmen vermieden werden können.


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Unmittelbare Benachteiligung nach dem AGG

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person direkt schlechter behandelt wird als eine andere in vergleichbarer Lage, weil sie ein im AGG geschütztes Merkmal (z. B. Behinderung) hat. Dabei muss die schlechtere Behandlung kausal auf dieses Merkmal zurückzuführen sein, ohne dass ein zwischengeschalteter neutraler Umstand vorliegt. Die Benachteiligung kann darin bestehen, dass Leistungen verweigert werden oder schlechtere Bedingungen gelten. Für den Nachweis genügt, dass eine vergleichbare Person ohne das Merkmal besser behandelt worden wäre.

Beispiel: Wenn eine blinde Person ein Zimmer verweigert wird, während ein sehender Gast es erhalten hat, liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor.


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Entschädigung nach § 21 Abs. 2 AGG für immaterielle Schäden

§ 21 Abs. 2 AGG regelt, dass Personen, die wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals diskriminiert wurden, Anspruch auf Entschädigung haben, die das immaterielle Leid (wie Demütigung, Kränkung und Persönlichkeitsverletzung) ausgleichen soll. Dabei ist kein Verschulden der diskriminierenden Partei erforderlich. Die Höhe der Entschädigung wird vom Gericht individuell festgelegt und orientiert sich an der Schwere der Diskriminierung sowie an einer abschreckenden Wirkung. Diese Entschädigung ersetzt keinen konkreten finanziellen Schaden, sondern zielt auf Wiedergutmachung des erlittenen persönlichen Unrechts ab.

Beispiel: Eine blinde Frau, der die Buchung eines Zimmers verweigert wurde, erhält eine Entschädigung für das erlittene Unrecht, selbst wenn sie keine direkten finanziellen Verluste nachweisen kann.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG (Massengeschäft): Dieser Paragraph definiert, welche Arten von Geschäften als Massengeschäfte gelten und somit dem Diskriminierungsschutz unterliegen. Es handelt sich um Verträge, die für eine Vielzahl von Personen ohne individuelle Prüfung der Person geschlossen werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht stellte fest, dass die Zimmervermietung in einer 13-Zimmer-Pension trotz der geringen Größe ein Massengeschäft im Sinne des AGG ist, wodurch das Diskriminierungsverbot und der Entschädigungsanspruch anwendbar sind.
  • AGG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 AGG (Rechtfertigung der Benachteiligung): Hier wird geregelt, unter welchen Bedingungen eine Benachteiligung wegen einer Behinderung zulässig ist, nämlich wenn sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Pensionsbetreiberin berief sich auf Sicherheitsbedenken als sachlichen Rechtfertigungsgrund, welcher das Gericht jedoch nicht als ausreichend ansah, da die Maßnahmen unverhältnismäßig und bevormundend wirkten.
  • AGG, § 21 Abs. 2 S. 3 AGG (Entschädigungsanspruch bei Benachteiligung): Dieser Paragraph gewährt Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden bei Benachteiligungen nach dem AGG, und zwar unabhängig von einem Verschulden des Benachteiligenden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die blinde Frau wurde unmittelbar wegen ihrer Behinderung benachteiligt, weshalb ihr unabhängig von einem Verschulden eine Entschädigung in Höhe von 1.200 Euro zugesprochen wurde.
  • Verkehrssicherungspflichten (Grundsatz aus dem allgemeinen Zivilrecht): Betreiber von Gebäuden müssen dafür sorgen, dass keine vermeidbaren Gefahren für Dritte bestehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Pensionsbetreiberin argumentierte, sie habe die Ablehnung aus Sorge um die Sicherheit der blinden Frau getroffen, doch das Gericht befand, dass eine gefahrlose Nutzung der Treppen möglich ist und die Betreiberin damit keine übermäßigen Verkehrssicherungspflichten verletzt.
  • Privatautonomie (grundlegendes Vertragsrecht): Das Recht, frei zu entscheiden, mit wem man einen Vertrag schließt, wird durch das Diskriminierungsverbot des AGG eingeschränkt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Betreiberin konnte ihre Privatautonomie nicht geltend machen, da das AGG ihr Verweigern des Vertrages aufgrund der Blindheit untersagt und somit die Diskriminierung rechtlich nicht zulässig ist.
  • AGG, § 19 Abs. 5 S. 1 AGG (Ausnahme wegen Nähe- oder Vertrauensverhältnis): Hier ist ein Ausschluss vom Anwendungsbereich des AGG vorgesehen, wenn ein besonderes persönliches Verhältnis zwischen den Vertragsparteien besteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht schloss eine solche Ausnahme aus, da die Pension geschäftlich betrieben wird und kein besonderes Vertrauensverhältnis mit der blinden Frau zustande kam.

Das vorliegende Urteil


LG Meiningen – Az.: 4 S 72/24 – Urteil vom 15.01.2025


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