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Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich Wohnfläche – Sollbeschaffenheit?

AG Hamburg – Az.: 25a C 312/20 – Urteil vom 22.12.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers wegen Wohnflächenunterschreitung.

Der Kläger schloss mit der Beklagten zu 1), deren Gesellschafter der Beklagte zu 2) ist, am 27.03.2018 einen Mietvertrag über eine Wohnung im Hause … in … Hamburg (vgl. Anlage K1). In § 1 Ziff. 2 S. 1 MietV findet sich der Passus, dass die Wohnfläche ca. 66,00 qm beträgt. In § 1 Ziff. 2 S. 2, 3 MietV wird weiter ausgeführt, dass diese Angabe Messfehler enthalten könnte und deshalb nicht zur Festlegung der Mietsache diene, weshalb sich der räumliche Umfang der Mietsache allein aus der vorstehenden Angabe der Mieträume ergebe.

Im Zeitraum Juni 2018 bis Mai 2019 betrug die Nettokaltmiete € 1.189,65, im Zeitraum Juni 2019 bis März 2020 betrug die Nettokaltmiete € 1.225,34 (vgl. §§ 4, 5 MietV, Anlage K1). Diese Beträge leistete der Kläger an die Beklagte zu 1).

Ein vom Kläger beauftragter Sachverständiger kam zu dem Schluss, dass die Wohnfläche tatsächlich lediglich 53,88 qm betrage (vgl. Anlage K2). Dies nahm der Kläger zum Anlass, der Beklagten zu 1) mit Schreiben des Mietervereins zu Hamburg von 1890 r.V. vom 10.03.2020 Rückzahlungsansprüche darzulegen, verbunden mit einem Vergleichsangebot, zu dem bis zum 20.03.2020 Stellung genommen werden sollte (vgl. Anlage K3). Diese Frist verstrich fruchtlos.

Der Kläger meint, es bestünden Rückzahlungsansprüche i.H.v. monatlich € 218,42 für die Monate Juni 2018 bis Mai 2019 und i.H.v. € 224,97 monatlich für die Monate Juni 2019 bis März 2020. Die Miete für das streitgegenständliche Mietobjekt sei aufgrund einer Wohnflächenunterschreitung von 18,36% entsprechend gemindert. In § 1 Ziff. 2 S. 1 MietV sei als Sollbeschaffenheit eine Wohnfläche von 66qm vereinbart worden. § 1 Ziff. 2 S. 2 stehe hierzu in Widerspruch und sei intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und damit unwirksam, andernfalls würden hierdurch unzulässigerweise die Minderungsansprüche der Mieterseite entgegen § 536 Abs. 4 BGB ausgeschlossen. Mit der Rückzahlung dieser Beträge befänden sich die Beklagten spätestens nach Ablauf der mit Schreiben vom 10.03.2020 gesetzten Frist in Verzug.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn € 4.870,74 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 21.03.2020 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten wenden ein, § 1 Ziff. 2 MietV enthalte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Beschaffenheitsvereinbarung im Hinblick auf die vereinbarte Wohnfläche.

Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2020 persönlich angehört.

Wegen des Inhalts der persönlichen Anhörung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 17.11.2020 (Bl. 55 f. d.A.) Bezug genommen.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 03.12.2020 haben die Beklagten ergänzend ausgeführt, dass die im Vertrag angegebene Wohnfläche auf der Wohnflächenermittlung des Architektenbüros … beruhe und sie von der Richtigkeit dieser Angabe hätten ausgehen dürfen. Die Abweichungen hätten – wie sie jetzt erfahren hätten – ihre Ursache darin, dass es Veränderungen im Vergleich zur ursprünglichen Planung gegeben habe. Die Berechnung der Außenfläche durch den vom Kläger beauftragten Sachverständigen sei unzutreffend. Es sei zu vermuten, dass der Sachverständige den schmalen Gang um das Penthouse nicht mitgerechnet habe, obwohl dieser Teil der Terrasse sei. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass eine Penthouse-Dachterrasse in solch zentraler Lage etwas ganz Besonderes sei und deshalb die Fläche mit 50% und nicht mit lediglich 25% anzusetzen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (ggf. i.V.m. § 128 S. 1 HGB analog) herzuleitenden Rückzahlungsanspruch i.H.v. € 4.870,74, da die Miete in den Monaten Juni 2018 bis März 2020 nicht um 18,36% gemindert war. Dabei kann das Gericht offen lassen, ob die Wohnfläche tatsächlich – wie vom Kläger behauptet – lediglich 53,88 qm beträgt, was die Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz vom 03.12.2020 nunmehr bestreiten, da dies jedenfalls keinen Mietmangel gemäß § 536 BGB begründen würde.

Der Kläger beruft sich zur Begründung des von ihm geltend gemachten Mangels des Mietobjektes darauf, dass die tatsächliche Mietfläche erheblich von der in § 1 Ziff. 2 S. 1 MietV vertraglich vereinbarten Mietfläche abweiche, was einen minderungsrelevanten Mietmangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB darstelle. Dies ist zwar im Ansatz richtig, gilt indes nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn die Angabe der Mietfläche im Vertrag der vertraglichen Festlegung der Sollbeschaffenheit des Mietobjekts dient und nicht lediglich der Beschreibung des Mietobjekts (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2010, VIII ZR 306/09). Denn nur wenn die Flächenangabe im Mietvertrag Bestandteil des vom Vermieter zu erfüllenden Leistungsprogramms ist, kann der Umstand, dass die tatsächliche Fläche dahinter zurückbleibt, Gewährleistungsrechte begründen (vgl. zuletzt OLG Dresden, Urteil vom 21.10.2020, 5 U 1257/20, Rn. 37). Hier ist die Flächenangabe nicht Bestandteil des vom Vermieter zu erfüllenden Leistungsprogramms geworden.

Welche Bedeutung einer Flächenangabe im Mietvertrag zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Da es sich hier um einen Formularmietvertrag handelt, ist die Vertragsklausel dabei nach den Grundsätzen der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auszulegen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 07.07.2014, 11 C 545/13, Rn. 15).

Daran gemessen ergibt die Auslegung des Mietvertrages vom 27.03.2018, dass die in § 1 Ziff. 2 S. 1 MietV enthaltene Wohnflächenangabe nicht zur Festlegung der Sollbeschaffenheit des Mietobjektes, sondern lediglich zu dessen Beschreibung dienen sollte. Dies folgt, worauf die Beklagten zu Recht hinweisen, aus dem Umstand, dass in den der Quadratmeterangabe unmittelbar nachfolgenden beiden Sätzen klargestellt wird, dass die Quadratmeterangabe nicht zur Festlegung des Mietgegenstands dient und sich der räumliche Umfang der gemieteten Sache aus der vorstehenden Angabe der gemieteten Räume ergibt (so auch zur identischen Klausel BGH, Urteil vom 10.11.2010, VIII ZR 306/09, Rn. 17). Daran vermag auch der Zusatz „wegen möglicher Messfehler“ nichts zu ändern. Denn an einer verbindlichen Wohnflächenvereinbarung fehlt es auch dann, wenn die Parteien nur wegen möglicher Messfehler davon abgesehen haben, die angegebene Quadratmeterzahl als Beschaffenheit der Wohnung zu vereinbaren (BGH, a.a.O., Rn. 18).

Die Klausel ist entgegen der Annahme des Klägers nicht aus Gründen der Widersprüchlichkeit oder Intransparenz unwirksam. Es wird in § 1 Ziff. 2 S. 1 MietV eine „ca.“ Angabe zur Wohnfläche gemacht und daran anschließend in § 1 Ziff. 2 S. 2, 3 MietV darauf hingewiesen, dass diese Angabe Messfehler enthalten könnte und deshalb nicht zur Festlegung der Mietsache dient. Dadurch wird für den objektiven Empfänger dieser Erklärung hinreichend deutlich, dass § 1 Ziff. 2 S. 1 MietV wegen der Möglichkeit von Messfehlern die Flächenangabe keine Beschaffenheitsvereinbarung darstellen soll. Der Zusatz „wegen möglicher Messfehler“ lässt auch nicht den Eindruck entstehen, der Vermieter wolle sich nur für den Fall geringfügiger Abweichungen gegen Ansprüche des Mieters absichern, vielmehr ist angesichts des klaren Wortlauts eindeutig erkennbar, dass aufgrund der Möglichkeit von Abweichungen die Angabe der Wohnfläche nicht als Sollbeschaffenheit verstanden werden soll. Anders als der Kläger meint, werden deshalb auch nicht entgegen § 536 Abs. 4 BGB unzulässigerweise Mängelgewährleistungsrechte ausgeschlossen. Es wird lediglich geregelt, dass eine bestimmte Angabe im Mietvertrag nicht die Sollbeschaffenheit des Mietobjekts begründen soll. Einschränkend könnte sich der Kläger hier allenfalls auf § 305b BGB berufen, wenn zusätzliche Aussagen der Vermieterseite bei den Vertragsverhandlungen oder weitere individuelle Angaben im Mietvertrag bei ihm die Vorstellung hervorgerufen hätten, die genannte Wohnfläche beschreibe abweichend von § 1 Ziff. 2 S. 2, 3 MietV verbindlich die Beschaffenheit (vgl. MüKo, BGB, 8. Auflage 2020, § 536 Rn. 14). Dies hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.

2.

Mangels Hauptforderung sind auch die Nebenforderungen nicht begründet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 S. 2 ZPO.

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