LG Berlin, Az.: 67 T 41/19, Beschluss vom 09.04.2019
Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Spandau vom 4. April 2019 – 5 C 258/18 – wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die gemäß §§ 567 ff., 721 Abs. 6 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg.
Der Nichtabhilfebeschluss war wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache gemäß § 572 Abs. 3 ZPO zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Das Amtsgericht hat sich mit dem Beschwerdevorbringen nicht hinreichend auseinandergesetzt.
Gemäß § 572 ZPO hat das erstinstanzliche Gericht der Beschwerde, wenn es sie für begründet erachtet, abzuhelfen, andernfalls die Beschwerde dem Beschwerdegericht vorzulegen. In jedem Fall besteht die Amtspflicht des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird, zunächst zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 572 Rz. 4 m.w.N.). Dabei sind mit Rücksicht auf § 571 ZPO vorgebrachte neue Tatsachen zu beachten und in die Prüfung einzubeziehen. Mit § 571 ZPO wird der Zweck verfolgt, die Kosten verursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen der Erstentscheidung unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können (vgl. Heßler, a. a. O., § 572 Rz. 1).
Hilft das erstinstanzliche Gericht der Beschwerde nicht ab, so ist diese Entscheidung jedenfalls dann zu begründen, wenn in der Beschwerde neue Tatsachen oder Gesichtspunkte vorgetragen werden, die das Erstgericht für widerlegt oder unerheblich hält (vgl. Heßler, a.a.O., § 572 Rz. 11). Denn anders ist nicht erkennbar, dass sich das Erstgericht mit dem maßgeblichen materiellen Vorbringen überhaupt befasst hat. Fehlt es daran und werden die maßgeblichen – ergänzenden – Ausführungen übergangen, liegt ein erheblicher Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung durch das Beschwerdegericht und die Zurückverweisung an das Gericht der ersten Instanz rechtfertigt (vgl. OLG Jena, Beschl. v. 30. April 2010 – 1 WF 114/10, MDR 2010, 832 Tz. 5 m.w.N.; Heßler, a.a.O., Rz. 4).
Gemessen an diesen Grundsätzen war der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Befassung und Entscheidung zurückzuverweisen. Denn das Amtsgericht hat sich im Nichtabhilfebeschluss mit dem Beschwerdevorbringen im Einzelnen nicht auseinander gesetzt.
Das ist nunmehr nachzuholen. Dabei wird das Amtsgericht zuvor die im angefochtenen Beschluss für die Stattgabe des – gemäß § 721 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO auf Verkürzung der im Räumungsurteil gewährten Räumungsfrist gerichteten – Antrags für erforderlich gehaltene Beweiserhebung über die von der Klägerin behaupteten neuerlichen Verhaltenspflichtverletzungen der Beklagten zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ungeachtet des langen Terminsstandes der zuständigen Abteilung gemäß § 272 Abs. 4 ZPO umgehend – und nicht wie zunächst angekündigt erst nach Ablauf der bis zum 30. Juni 2019 gewährten Räumungsfrist – durchzuführen haben. Denn das besondere Beschleunigungsgebot des § 272 Abs. 4 ZPO erfasst alle Räumungssachen einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Zwangsvollstreckung und damit auch den streitgegenständlichen Antrag auf Verkürzung der Räumungsfrist (vgl. Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 272 Rz. 3).