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Besichtigungsrecht des Vermieters bei geplanten Modernisierungsmaßnahmen

AG Berlin-Mitte, Az.: 16 C 59/09

Urteil vom 29.03.2010

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger oder einem Mitarbeiter der beauftragten Hausverwaltung und einem Mitarbeiter der beauftragten Handwerker, nach vorheriger mindestens siebentägiger schriftlicher Ankündigung an einem Werktag zwischen 10 und 13 Uhr oder zwischen 15 und 18 Uhr Zutritt zu der von ihm genutzten Wohnung in zu gewähren und zwar durch Öffnen der Wohnungseingangstür sowie sämtlicher Zimmertüren.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Besichtigungsrecht des Vermieters bei geplanten Modernisierungsmaßnahmen
Foto: fizkes/Bigstock

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

I.

Der Kläger kann als Vermieter von dem Beklagten unter den im Tenor genannten Einschränkungen verlangen, ihm Zutritt zu der vom Beklagten gemieteten Wohnung zu gewähren.

1.

Dieser Anspruch des Klägers ergibt sich allerdings nicht schon aus der formularmäßigen Vereinbarung in § 7 Nr. 3 des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages vom 30.09.1988.

Die Klausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und ist somit unwirksam. Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB sind vorliegend anwendbar, da es sich bei der Klausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB handelt und diese in Vertrag miteinbezogen wurde.

In der hier vorliegenden Klausel in § 7 Nr. 3 des Mietvertrages heißt es: „Der Mieter gestattet nach vorheriger Ankündigung die Besichtigung der Wohnung durch den Vermieter bzw. durch Beauftragte des Vermieters zur Feststellung des Zustandes der Wohnung.“

Die in § 7 Nr. 3 des Mietvertrages getroffene Vereinbarung stellt damit eine von Rechtsvorschriften abweichende Bestimmung im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB dar, so dass eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stattfindet. Denn grundsätzlich steht dem Mieter auf Grund des Mietvertrages das Recht auf ungestörten Besitz an der Mietsache zu, § 535 Abs. 1 S. 1 BGB. Dieses Besitzrecht des Mieters wird sowohl durch Art. 14 Abs. 1 GG als auch durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfG MDR 2004, 266 ff.).

Der vorzunehmenden Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB hält die Klausel nicht stand. In der Klausel ist abgesehen von der allgemeinen Formulierung „zur Feststellung des Zustandes der Wohnung“ kein konkreter Anlass für das Besichtigungsrecht des Vermieters vorgesehen. Darüber hinaus sieht die Klausel keine zeitliche Beschränkung in Bezug auf die Häufigkeit des Besichtigungsrechts vor. Bei Wirksamkeit der Klausel wäre es dem Vermieter zum Beispiel möglich, ohne konkreten Anlass monatlich eine Besichtigung zu verlangen. Dies stellt eine mit dem wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken, dass dem Mieter das Recht auf ungestörten Besitz an der Wohnung zusteht, nicht zu vereinbarende Abweichung von der gesetzlichen Regelung dar, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Gerade im Hinblick auf die grundgesetzlichen Wertungen handelt es sich damit um eine Bestimmung, die den Mieter gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

2.

Allerdings steht dem Vermieter unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne eine besondere vertragliche Vereinbarung ein Besichtigungsrecht zu. Dies folgt zum einen daraus, dass der Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zur Erhaltung der Mietsache verpflichtet ist und daher das Recht haben muss, zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Erhaltungsmaßnahmen zu treffen sind. Zum anderen wären dem Vermieter ohne ein solches Besichtigungsrecht die Wahrnehmung seiner ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen verwehrt.

In Rechtsprechung und Literatur ist dabei umstritten, ob dem Vermieter ohne eine vertragliche Vereinbarung ein so genanntes allgemeines Besichtigungsrecht zusteht, nach dem er ohne einen konkreten Anlass in periodischen Abständen von ein bis zwei Jahren und nach vorheriger Ankündigung eine Besichtigung verlangen kann (bejahend etwa LG Berlin MM 2004, 125; AG Schöneberg GE 2007, 453; AG Münster WuM 2009, 288; Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Auflage, § 535 Rn. 82; Lützenkirchen NJW 2007, 2152, 2153 jeweils m.w.N.; verneinend etwa AG Bonn NJW-RR 2006, 1387; AG Coesfeld WuM 2009, 112; Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage, § 535 Rn. 134 ff. jeweils m.w.N.).

Vorliegend kann die streitige Frage, ob ein von einem konkreten Anlass losgelöstes (periodisches) Besichtigungsrecht des Vermieters besteht, dahinstehen. Denn für den Kläger bestand ein konkreter Anlass, die Wohnung des Beklagten zu besichtigten. Der Kläger trägt vor, er plane Modernisierungsmaßnahmen und müsse sich deshalb ein Bild vom Zustand der Wohnung des Beklagten, insbesondere vom Zustand der Heizungsanlage, machen. Solche geplanten Modernisierungsmaßnahmen stellen einen konkreten Anlass dar, der unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zu einem Besichtigungsrecht des Vermieters führt. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung in § 554 Abs. 2 BGB, wonach der Mieter Modernisierungsmaßnahmen zu dulden hat. Soweit der Beklagte vorträgt, von geplanten Modernisierungsmaßnahmen sei ihm nichts bekannt, da ihm weder eine Modernisierungsankündigung noch sonstige Informationen vorlägen, so ist dieses Vorbringen nicht erheblich. Denn im Falle von geplanten Modernisierungsmaßnahmen ist der Mieter nach § 554 Abs. 2 BGB nicht nur verpflichtet die konkreten Maßnahmen zu dulden, vielmehr muss er dem Vermieter bereits zur Vorbereitung einer solchen Entscheidung die Besichtigung der Räume ermöglichen (LG Berlin MM 2004, 125; AG Schöneberg GE 1987, 629; Lützenkirchen NJW 2152; Schlüter NZM 2006, 681, 682).

Allerdings kann auch in dem Fall, dass ein konkreter Anlass zur Besichtigung vorliegt, ein Besichtigungsrecht des Vermieters nicht unbeschränkt bestehen. Insbesondere auf Grund der bereits geschilderten Wertungen des Grundgesetzes (Art. 13, 14 GG) bedarf es einer Abwägung zwischen den wechselseitigen Interessen von Mieter und Vermieter.

In jedem Fall hat der Vermieter bei der Ausübung seines Besichtigungsrechts das sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herzuleitende Gebot der schonenden Rechtsausübung zu beachten, was beinhaltet, dass vermeidbare Belästigungen unterbleiben müssen (AG Hamburg NJW-RR 2007, 211 m.w.N.)

Im vorliegenden Fall bedeutet dies zunächst, dass die Anzahl der an der Besichtigung teilnehmenden Personen nicht, wie vom Kläger zuletzt beantragt, unbeschränkt sein kann. Das Gericht hält es auf Grund der zu berücksichtigenden Privatsphäre des Mieters und des Grundsatzes der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) für zwingend erforderlich, die Anzahl der teilnahmeberechtigten Personen auf höchstens zwei zu begrenzen (so auch LG Berlin MM 2004, 125). Der vom Kläger gestellte Antrag, der eine konkrete Anzahl von teilnahmeberechtigten Personen nicht vorsah, war daher insoweit abzuweisen. Das Gericht ist der Auffassung, dass diese Abänderung als vom klägerischen Antrag umfasstes „Minus“ anzusehen ist.

Zudem bedarf es auf Grund der zu berücksichtigenden Interessen des Mieters einer rechtzeitigen Ankündigung der Besichtigung. Das Besichtigungsrecht darf grundsätzlich nicht ungefragt ausgeübt werden. Das Gericht hält unter Berücksichtigung der beruflichen und privaten Interessen des Beklagten eine Vorlaufzeit von mindestens sieben Tagen für angemessen und ausreichend, damit sich der Beklagte auf die Besichtigung einstellen kann (so auch LG Berlin MM 2004, 125). Da der vom Kläger zuletzt gestellte Antrag keine Vorlaufzeit vorsah, war er auch insoweit abzuweisen. Das Gericht sieht diese Einschränkungen ebenfalls als vom klägerischen Antrag umfasstes „Minus“ an. Zudem war, wie beantragt, die Verpflichtung zu einer schriftlichen Ankündigung auszusprechen. Auch wenn das Gericht davon ausgeht, dass die Ankündigung keiner besonderen Form bedarf (vgl. Lützenkirchen NJW 2007, 2152, 2153), so war es insoweit gemäß § 308 Abs. 1 ZPO an den vom Kläger gestellten Antrag gebunden.

Darüber hinaus folgt aus dem vom Kläger zu beachtenden Gebot der schonenden Rechtsausübung, dass mehrere Besichtigungstermine nach Möglichkeit zu bündeln sind. Einen Verstoß hiergegen erkennt das Gericht jedoch nicht. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass Mitarbeiter der Hausverwaltung und vom Kläger beauftragte Handwerker im Jahr 2009 bereits dreimal (28.01.2009; 19.02.2009; 18.05.2009) in der Wohnung des Beklagten waren. Diese Termine waren aber unstreitig erfolgt, weil der Beklagte bestimmte Mängel (Fenster, Wasserschaden) angezeigt hatte. Mit den vom Kläger nunmehr geplanten Modernisierungsmaßnahmen im Hinblick auf die Heizungsanlage hatten diese Termine in der Wohnung des Beklagten nichts zu tun. Dass die nunmehr angestrebten Modernisierungsmaßnahmen möglicherweise schon zum Zeitpunkt dieser Termine geplant waren, weshalb der Kläger auf Grund seiner Pflicht zur schonenden Rechtsausübung verpflichtet gewesen sein könnte, die Besichtigung zur Überprüfung des Zustandes der Wohnung gleichzeitig mit diesen Terminen durchzuführen, wurde von keiner der Parteien vorgetragen.

Die Geltendmachung des Besichtigungsrechts durch den Kläger stellt sich vorliegend auch nicht als ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB dar. Zwar war zwischen den Parteien bereits für den 28.07.2009 ein Besichtigungstermin vereinbart, welcher durch den vom Kläger beauftragten Handwerker kurzfristig abgesagt worden ist. Dem Kläger ist somit eine Verletzung seiner eigenen Mitwirkungspflicht bei der Wahrnehmung des vereinbarten Besichtigungstermins zur Last zu legen. Ein Rechtsverlust folgt hieraus jedoch nicht. Zwar kann die Rechtsausübung unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung seiner eigenen Pflichten zur Last fällt. Es gibt aber keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass nur derjenige Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhält. Rechtsverletzungen begründen gegebenenfalls Schadensersatzansprüche, führen aber nur ausnahmsweise zu einem Wegfall des Gläubigeranspruchs (Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Auflage, § 242 Rn. 46 m.w.N.) So liegt der Fall auch hier. Das einmalige Absagen eines Besichtigungstermins durch den Kläger führt nicht dazu, dass für den Beklagten die Vereinbarung und Wahrnehmung eines neuen Termins unzumutbar ist. Soweit dem Beklagten durch die kurzfristige Terminsabsage ein Schaden entstanden sein sollte, so kann er diesen gesondert geltend machen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Der Kläger ist mit seinem Antrag teilweise unterlegen (vgl. oben). Darüber hinaus hat er seinen Antrag im Verlauf des Rechtsstreits umgestellt, was als Teilrücknahme zu werten ist. Dem Kläger war daher ein entsprechender Teil der Kosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert wird auf 600,00 Euro festgesetzt.

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