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Besichtigungsrecht des Vermieters während Corona-Pandemie

AG Ludwigshafen – Az.: 2i C 228/20 – Urteil vom 29.03.2021

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im I. Obergeschoss rechts, bestehend aus 2 Zimmern, einer Küche und einem Bad, mit der Bezeichnung Nr. 4, in … zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Beklagte erhält eine Räumungsfrist bis 31.08.2021.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung des zwischen ihnen bestandenen Mietverhältnisses.

Der Beklagte ist seit 18 Jahren Mieter der im Tenor genannten Wohnung. Die Klägerin trat auf Vermieterseite in das Mietverhältnis ein.

Am 19.02.2020 überprüfte der Monteur … von der Firma … in der Wohnung des Beklagten den Satellitenempfang auf eine Fehlfunktion hin und meldete danach zurück, es würde sich um eine sogenannte „Messie-Wohnung“ handeln. Die Firma … erklärte daraufhin gegenüber der Klägerin, keine neuen Aufträge in dieser Mietsache mehr anzunehmen. Die Klägerin begehrte deshalb Zutritt zu der Wohnung des Beklagten durch ihren Geschäftsführer Herrn … zur Überprüfung, ob und inwiefern eine „Messie-Wohnung“ vorliege. Die Klägerin gab dem Beklagten mit Schreiben vom 17.04.2020 mehrere mögliche Besichtigungstermine zur Auswahl vor. Der Beklagte meldete sich am 16.04.2020 telefonisch bei der Klägerin und teilte mit, er sei erkrankt und könne wegen der coronabedingten Kontaktsperren den Termin nicht wahrnehmen. Die Klägerin setzte am 05.05.2020 eine Frist bis zum 12.05.2020 zur Mitteilung eines neuen Besichtigungstermins, der bis zum 19.05.2020 durchgeführt werden sollte. Mit Schreiben vom 17.05.2020 antwortete der Beklagte, er werde die nächsten Wochen zur Erholung verbringen. „Man sollte des guten Willens wegen einen Termin im Juli machen.“ (Anl. K3, Bl. 10 d.A.). Der Klägervertreter bat mit Schreiben vom 19.05.2020 um Benennung eines konkreten Termins. Die bis 31.05.2020 gesetzte Frist verlief fruchtlos. Am 04.06.2020 erhob die Klägerin Klage auf Duldung des Zutritts. Am 09.07.2020 erging antragsgemäß Versäumnisurteil (Az. 2i C 120/20). Mit Schreiben vom 24.07.2020 kündigte der Klägervertreter die Besichtigung der streitgegenständlichen Wohnung an. Mit Schreiben vom 07.08.2020 schlug er 3 Besichtigungstermine vor und kündigte gleichzeitig Vollstreckungsandrohung des Versäumnisurteils vom 09.07.2020 an. Nach fruchtlosem Fristablauf setzte der Klägervertreter mit Schreiben vom 19.08.2020 erneut eine Frist bis zum 24.08.2020 zur Bestätigung einer der 3 genannten Terminsvorschläge oder zur Benennung eines Ersatztermins. Gleichzeitig erklärte er die Abmahnung und kündigte eine Kündigung an, sollte der Beklagte weiterhin nicht reagieren. Mit Beschluss vom 14.10.2020 setzte das Amtsgericht Ludwigshafen antragsgemäß Zwangsgeld gegen den Beklagten fest. Der Beklagte reagierte nicht. Der Klägervertreter forderte mit Schreiben vom 05.11.2020 nochmals um Benennung eines Besichtigungstermins auf und erklärte die fristlose und fristgerechte Kündigung wegen Nichtgewährens des Zugangs zu der vermieteten Wohnung.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im I. Obergeschoss rechts, bestehend aus 2 Zimmern, einer Küche und einem Bad, mit der Bezeichnung Nr. 4, in der … zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gemäß §§ 546, 985 Abs. 1 BGB einen Räumungs- und Herausgabeanspruch. Die Kündigung vom 05.11.2020 hat das streitgegenständliche Mietverhältnis beendet. Die Kündigung ist gemäß § 543 Abs. 1 BGB wirksam.

Besichtigungsrecht des Vermieters während Corona-Pandemie
(Symbolfoto: Steve Heap/Shutterstock.com)

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann in jeglicher Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag liegen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB. Vorliegend besteht die Pflichtverletzung des Beklagten darin, der Klägerin als Vermieterin nicht den berechtigten Zutritt zu der vermieteten Wohnung gestattet zu haben. Die Berechtigung der Klägerin folgt aus ihrem Eigentumsrecht aus Art. 14 Grundgesetz. Nach Mitteilung des Herrn …, es handle sich um eine sog. „Messie-Wohnung“, hatte die Klägerin ein anlassbegründetes Interesse daran, zeitnah nach ihrem Eigentum zu schauen.

Die Schwere der Pflichtverletzung, die der Klägerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beidseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zur sonstigen Beendigung unzumutbar macht, liegt in der beharrlichen – bereits seit über einem Jahr andauernden – Weigerung des Beklagten, einem Vertreter der Klägerin den Zutritt zur Überprüfung zu gestatten. Die Klägerin nannte stets rechtzeitige Alternativtermine oder bat um Benennung eines Termins. Eine Besichtigung wäre auch während der Pandemie – unter Einhaltung der gebotenen Hygienebedingungen und Abstandsregelungen – möglich gewesen. Der Beklagte ließ sich nicht einmal durch gerichtlich festgestellte Duldungs- und Vollstreckungstitel beeindrucken.

Eine vorherige Abmahnung ist erfolgt, selbst wenn diese gem. § 543 Abs. 3 Ziff. 2 BGB im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 7, 711 ZPO.

Dem Beklagten war gemäß § 721 Abs. 1 ZPO Räumungsfrist bis 31.08.2021 zu gewähren. Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts. Dabei hat das Gericht Interessen der Parteien, aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts zu berücksichtigen.

Das Gericht hat vorliegend insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin nunmehr ein erhebliches Interesse am Zugang zu der Wohnung hat, da sie mittlerweile auch eine Substanzverletzung befürchten muss, nachdem der Beklagte nicht bereit ist, den „Messie-Vorwurf“, der nach dem Hinweis des Monteurs … im Raum liegt, zu entkräften. Der Beklagte hat keinerlei Entgegenkommen gezeigt, auch nicht in der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2021. Selbst da war er bei gutem Zureden nicht bereit, der Klägerseite einen konkreten Termin zu benennen, zu dem diese die Wohnung besichtigen kann. Es ist deshalb davon auszugehen, dass dies bis zur tatsächlichen Räumung und Herausgabe der Wohnung auch nicht mehr geschehen wird. Wegen des hartnäckigen Weigerns fällt der Umstand, dass sich der Beklagte im Übrigen vertragsgemäß verhält, insbesondere seit 18 Jahren pünktlich und vollständig die Miete zahlt, nicht ins Gewicht. Der Beklagte ist gesundheitlich angeschlagen. Er war dennoch in der Lage, zum Verhandlungstermin zu erscheinen und scheint auch sonst selbständig zur Bewältigung seines Alltags befähigt zu sein. Er ist deshalb auch in der Lage, angemessenen Ersatzwohnraum zu suchen. Das Gericht hat allerdings auch berücksichtigt, dass aufgrund der derzeit herrschenden Covid-19-Pandemie, mit einer momentanen Inzidenzzahl von über 100, Tendenz steigend, und damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen, es dem Beklagten schwerfallen wird, eine geeignete Ersatzwohnung zu finden, zu besichtigen und einen Umzug zu organisieren. Schon zu „normalen“ Zeiten ist der hiesige Wohnungsmarkt, insbesondere im Niedrigpreissektor, auf den der Beklagte angewiesen ist, angespannt. Dennoch ist es bei der hier gebotenen Anstrengung auch für den Beklagten nicht unmöglich.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 4.620,24 € festgesetzt.

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