LG Rostock, Az.: 1 S 198/16, Urteil vom 19.05.2017
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Rostock – 44 C 153/16 – vom 17.10.2016 wie folgt abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der I. und II. Instanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 892,50 € festgesetzt.
Gründe
I.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO).
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
1.
Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht aus § 3 des Mietvertrages herleiten. Danach haben zwar die Beklagten die Betriebskosten einschließlich der Wasserkosten zu tragen. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Kosten für den streitigen Mehrverbrauch unter die Betriebskosten im vorgenannten Sinne fallen.
a.
Die Miete ist von der gesetzlichen Ausgestaltung her eine sog. Inklusivmiete. Für Wohnraummietverhältnisse ermöglicht § 556 BGB die Umlegung von – grds. dem Vermieter obliegenden – Betriebskosten auf den Mieter durch eine Abrechnung oder die Vereinbarung einer Pauschale. Umlegungsfähig sind nur die Betriebskosten im Sinne der Betriebskostenverordnung, wozu auch die hier in Rede stehenden Kosten für den Verbrauch von Wasser gehören. Die Umlegung kann – wie auch im vorliegenden Fall geschehen – durch Allgemeine Geschäftsbedingungen des Vermieters erfolgen.
Gem. § 556 Abs. 1 S. 2 BGB und § 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV (in der Fassung vom 25.11.2003) sind Betriebskosten die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Abzugrenzen sind die Betriebskosten zu den Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV in der Fassung vom 25.11.2003). Unter Berücksichtigung der vorgenannten Legaldefinitionen und unter Heranziehung der für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen maßgeblichen Grundsätze umfassen Betriebskosten nicht solche Kosten, die ihre alleinige Ursache in einem Mietmangel haben oder in einem Umstand, der nicht zur Risikosphäre des Mieters, sondern zu der des Vermieters gehört.
Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass der für eine Wohnung mittels fehlerfrei arbeitender Messgeräte erfasste Verbrauch maßgeblich ist für die umzulegenden Betriebskosten. Der Vermieter genügt seiner Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Betriebskosten (allg. Ansicht; vgl. u.a. Staudinger/Birgit Weitemeyer (2014) BGB § 556, Rn. 87), wenn er nach dem so gemessenen Verbrauch die Betriebskosten ermittelt und umlegt. Kann der Mieter indes Umstände darlegen und ggf. beweisen, die es plausibel erscheinen lassen, dass der gemessene Verbrauch nicht auf seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache beruht, sondern auf einem Mietmangel oder einem nicht seiner Risikosphäre zugehörigen Umstand, muss der Vermieter diese Umstände ausräumen. Solche Umstände sind jedenfalls dann anzunehmen, wenn der gemessene Verbrauch im Vergleich zu dem Verbrauch in der vorherigen Zeit und in der späteren Zeit signifikant gestiegen ist, sich hierfür keine Erklärung finden lässt, die dem Mieter zurechenbar ist, und sich diese Steigerung durch einen Mietmangel erklären lässt, der grds. in die Risikosphäre des Vermieters fällt (im Ergebnis ebenso Sternel Mietrecht aktuell, 4. Aufl. (2009), Rn. V 43 m.w.N.; grds. anders aber ohne nähere Begründung Schmidt-Futterer/Langenberg, MietR, 12. Aufl., § 556 Rn. 110: Bei einem außergewöhnlichen Wasserverbrauch müsse der Vermieter nach der Ursache suchen und dem Mieter erwachse ein Schadensersatzanspruch, wenn der Vermieter diese vertragliche Verpflichtung schuldhaft verletze).
Lässt sich ein Verbrauch aufgrund von Umständen im vorgenannten Sinne nicht sicher als betriebskostenrelevanter Verbrauch feststellen, können die umlagefähigen Betriebskosten im Sinne von § 556 BGB wegen eines dem Mieter zurechenbaren Mindestverbrauchs geschätzt werden (so auch AG Hannover, Urt. V. 13.11.2008, 514 C 7283/08).
b.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin nicht dargelegt und bewiesen, dass der streitgegenständliche Mehrverbrauch den Beklagten anzulasten ist und sie die diesbezüglichen Kosten tragen müssen. Die Kosten für den geschätzten Mindestverbrauch haben die Beklagten ausgeglichen und sind nicht streitgegenständlich.
Unstreitig hat sich der Verbrauch der Beklagten im Jahr 2012 auf weniger als 70 m³ belaufen. Dies gilt auch für das Jahr 2014. Dieser Verbrauch steht im Einklang mit dem statistischen durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von Wasser. Demgegenüber sollen die Beklagten im streitgegenständlichen Jahr 2013 die rund vierfache Menge verbraucht haben. Nach der Anhörung der Beklagten – einem älteren Ehepaar im Rentenalter – im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung lässt sich diese Varianz nicht mit einem geänderten Verbrauchsverhalten der Beklagten erklären. Vielmehr ist naheliegend, dass ein Wasserverlust vorgelegen hat, der seine Ursache in einem Mangel der Toilettenspülung oder des Boilers gehabt hat. Denn unstreitig hat es insoweit Beanstandungen der Beklagten und Reparaturversuche der Klägerin gegeben.
2.
Die Klägerin kann die Kosten für den Mehrverbrauch auch nicht als Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 249 BGB geltend machen mit der Begründung, die Beklagten hätten den Wasserverlust bemerken müssen und es versäumt, die Klägerin hierauf aufmerksam zu machen.
Gem. § 536c Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Mieter verpflichtet, einen Mietmangel anzuzeigen. Unterlässt der Mieter die Anzeige, so ist er dem Vermieter zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 536c Abs. 2 S. 1 BGB). Die Anzeigepflicht des Mieters setzt die Erkennbarkeit des Mietmangels voraus. Er muss die anzeigerelevanten tatsächlichen Umstände entweder positiv kennen oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht zur Kenntnis genommen haben. Letzteres ist der Fall, wenn der Mangel so offensichtlich ist, dass seine Wahrnehmung sich dem Mieter praktisch hat aufdrängen müssen (vgl. u.a. BeckOK BGB/Ehlert BGB § 536c Rn. 7).
Der diesbezügliche Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin ist nicht ausreichend, eine Anzeigepflichtverletzung der Beklagte anzunehmen. Unstreitig haben die Beklagten im Oktober 2013 einen Mangel am Toilettenspülkasten und am Boiler angezeigt. Dass die Beklagten diesen Mangel aber bereits so früh erkannt haben bzw. hätten erkennen müssen, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, den Mehrverbrauch zu verhindern, hat die Klägerin nicht dargetan. Ihre – von den Beklagten bestrittene und nicht ausreichend unter Beweis gestellte – Behauptung, die Beklagten hätten im Zeitpunkt einer (welcher?) Mängelanzeige „schon einige Zeit“ Rausch- und Brummgeräusche gehört, ist ohne hinreichende Substanz.
Die Beklagten haben demgegenüber ausgeführt, sie hätten sofort nach Gewahrwerden des hohen Wasserverlustes selbst nach den Ursachen gesucht. Den Hinweis, ursächlich könne der Spülkasten und/oder Boiler sein, hätten sie erst durch Dritte erhalten. Sie hätten sofort die Klägerin informiert, nachdem sie den Verdacht eines mangelbedingten Wasserverlusts bemerkt hätten. Ergänzend haben im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung der Kammer nachvollziehbar und glaubhaft vorgetragen, sie hätten keine Auffälligkeiten vor der Mängelanzeige wahrgenommen; die Funktionsfähigkeit des höher aufgehängten Boilers sei für sie ohnedies wegen ihrer geringen Körpergröße nicht ohne weiteres kontrollierbar gewesen.
Diesen die Beklagten entlastende Sachverhaltsdarstellung hat die Klägerin nicht widerlegt.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 ZPO sind nicht gegeben.