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Betriebskosten – Erfassung und Abrechnung des Wärmeverbrauchs

AG Sonneberg, Az.: 3 C 407/13, Urteil vom 09.10.2015

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 727,61 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 84% und die Beklagten als Gesamtschuldner 16% zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die jeweilige Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor selber Sicherheit in gleicher Höhe geleistet wird.

Tatbestand

Betriebskosten - Erfassung und Abrechnung des Wärmeverbrauchs
Symbolfoto: Von LadyPhotos /Shutterstock.com

Die Parteien streiten um Nachzahlungen aus Nebenkostenabrechnungen und rückständigen Vorauszahlungen aus einem Wohnraummietverhältnis.

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin in N., K. Straße … . Die Kaltmiete beträgt inkl. Antenne 312,71 €. Weiterhin leisten die Beklagten eine Betriebskostenvorauszahlung. Die Klägerin erstellte für die Jahre 2011 und 2012 eine Betriebskostenabrechnung. Diese ergaben Forderungen der Klägerin in Höhe von 1.727,64 € und 1.631,63 €.

Die Klägerin trägt vor, dass die Betriebskostenabrechnungen korrekt erstellt worden sind. Inklusive erhöhter Nebenkostenvorauszahlungsbeträge liege ein Rückstand von 4.533,27 € vor.

Die Klägerin beantragt zuletzt zu erkennen:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 4.533,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.421,64 € seit dem 23.10.2013 sowie aus 1.631,63 € seit dem 16.10.2013 sowie aus weiteren 480,00 € seit dem 08.01.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 132,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 08.03.2013 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung und erkennen zuletzt einen Teilbetrag von 727,71 € als berechtigte Forderung an.

Die Beklagten tragen vor, dass die Klägerin die Heizkosten falsch berechnet habe. Die erfasste Wärme im Jahr 2011 betrage nur 16,55 % und für 2012 20,00%. Damit liege ein sog. „Rohrwärmefall“ vor, so dass die Heizkosten nach VDI 2077 abzurechnen seien. Zum weiteren Vortrag wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Nachzahlungsanspruch aus der Betriebskostenabrechnung für 2011 in Höhe von 477,93 € und für 2012 in Höhe von 249,78 € gemäß § 535 BGB. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

In Gebäuden, in denen freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlichen Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, kann der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung). Vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) wurde die Richtlinie 2077 „Verbrauchskostenabrechnung für die Technische Gebäudeausrüstung“, Beiblatt „Verfahren zur Berücksichtigung des Rohrwärmeanteils“ entwickelt. Diese Richtlinie ist inzwischen als „anerkannte Regel der Technik“ anerkannt (LG Dresden, 4 S 610/12, Urteil vom 15.08.2013; LG Berlin, 63 S 11/12, Urteil vom 05.10.2012; LG Leipzig, 2 S 66/13, Urteil vom 07.10.2013, zitiert jeweils nach juris).

Die VDI-Richtlinie gibt drei Anwendungskriterien vor:

a) Der erfasste Verbrauchswärmeanteil ist kleiner/gleich 34%.

b) Der Anteil der Niedrigverbraucher ist größer/gleich 15%.

c) Die Standardabweichung muß größer/gleich 0,85 sein.

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass ungedämmte freiliegende Leitungen im Gebäude vorhanden sind (siehe Schriftsatz der Beklagten vom 21.03.2014 Seite 2). Nach der von der Klägerin während des Prozesses durchgeführten Berechnung nach VDI 2077 sind für das Jahr 2011 alle drei Anwendungskriterien erfüllt, nämlich der Verbrauchswärmeanteil beträgt nur 16,9%, der Anteil der Niedrigverbraucher liegt bei 27,5% und die Standardabweichung beträgt 1,363 (siehe Anlage K18 Seite 6). Diese Berechnungen sind unstreitig.

Grundsätzlich hat der Vermieter ein Ermessen, ob er die Kann-Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung anwendet. Allerdings ist eine verbrauchsunabhängige Bestimmung des Wärmeverbrauchs dann „angezeigt“, wenn ein Anteil von mindestens 20% nicht verursachergerecht erfasst werden kann (Bundesratsdrucksache 570-08 Anlage Seite 2, zitiert nach LG Leipzig, a.a.O., 2 S 66/13). Jedenfalls bei Erfassungsraten von deutlich unter 34% kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung des Vermieters der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht (LG Leipzig, a.a.O.).

Da im vorliegenden Fall lediglich eine Erfassungsrate von 16,9 % vorliegt und auch die anderen beiden Voraussetzungen der VDI-Richtlinie erfüllt sind, liegt nach Ansicht des Gerichts eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend vor, dass nach den anerkannten Regeln der VDI 2077 abzurechnen ist.

Für 2011 ergibt die unstreitige Berechnung nach VDI 2077, dass die Heizkosten ohne Warmwasserkosten von 2.434,84 € auf 1.185,13 € zu korrigieren sind. Dies führt dann noch zu restlichen offenen Nebenkosten für 2011 in Höhe von 477,93 € (Heizkosten berechnet 2.434,84 € minus 1.185,13 € Neuberechnung ergibt 1.249,71 €; Nachforderung Betriebskosten 2011: 1.727,64 € minus Korrektur 1.249,71 € ergibt 477,93 €).

Auch für die Nebenkostenabrechnung 2012 liegen alle drei Voraussetzungen für die Anwendung der VDI 2077 vor. Der Verbrauchswärmeanteil beträgt 18,5 %‚ der Anteil der Niedrigverbraucher liegt bei 21,519% und die Standardabweichung beträgt 1,282 (siehe Seite 6 der Berechnung der Fa. A. vom 27.07.2015). Auch diese Berechnung ist unstreitig.

Bei der Betriebskostenabrechnung für 2012 ist in der Betriebskostenabrechnung ein Heizkostenanteil (ohne Warmwasser) in Höhe von 2.930,38 EUR vermerkt (siehe T.-Abrechnung vom 06.03.2013). Nach der Berechnung der Firma A. nach VDI 2077 ergibt sich ein Heizkostenanteil ohne Warmwasser in Höhe von 1.684,53 EUR. Die Differenz beträgt demnach 1.245,85 EUR hinsichtlich der unterschiedlichen Messverfahren.

Im Jahr 2012 mussten die Mieter eine Kaltmiete von 300,96 EUR und Antennenvorauszahlung in Höhe von 11,75 EUR leisten. Dies ergibt insgesamt 312,71 EUR. Dieser Betrag x 12 ergibt 3.752,52 EUR. Gezahlt haben die Mieter im Jahr 2012 8 x 457,71 EUR und 1 x 50,00 EUR und 4 x 545,71 EUR. Dies ergibt insgesamt an geleisteten Zahlungen im Jahr 2012 5.894,52 EUR.

Von diesem Betrag ist sodann die geschuldete Kaltmiete abzuziehen, also 5.894,52 EUR – 3.752,52 EUR ergibt 2.142,00 EUR. Dieser Betrag ist die Summe der Vorauszahlungen auf Betriebskosten. Der Betrag unterscheidet sich von der Betriebskostenabrechnung der Klägerin, weil das Gericht die geleisteten 50,00 EUR und auch die weiteren Ratenzahlungen nicht auf die Betriebskostenabrechnung 2011 verrechnet hat, sondern insgesamt als Vorauszahlungen auf Betriebskosten berücksichtigt hat.

Nunmehr ist anhand der Betriebskostenabrechnung für 2012 von der Gesamtsumme in Höhe von 3.637,63 EUR der Betrag der Vorauszahlungen abzuziehen, also 2.142,00 EUR. Dies ergibt insgesamt eine Nachforderung von 1.495,63 EUR. Von diesem Betrag ist sodann die oben ermittelte Differenz hinsichtlich der Heizkosten in Höhe von 1.245,85 EUR abzuziehen, sodass noch ein Restforderungsbetrag von 249,78 EUR für die Betriebskostenabrechnung 2012 verbleibt.

Damit verbleiben insgesamt 477,93 EUR für 2011 und 249,78 EUR für 2012. Die Summe beträgt 727,71 EUR.

Soweit noch weitere Vorauszahlungen auf Nebenkosten für 2013 in der Klageforderung enthalten sind, können diese hier nicht berücksichtigt werden, weil ja bereits Abrechnungsreife (für 2013) vorliegt. Insoweit sind die Beträge bei den Betriebskostenabrechnungen 2013 und 2014 noch einmal neu zu berechnen. Auch insofern erfolgte Klageabweisung.

Die Zinsforderung beruht auf § 291 ZPO. Spätestens am 22.08.2015 hatten die Beklagten beide Berechnungen der Fa. A., so dass der geschuldete Betrag ermittelbar war.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nicht verlangen, da mangels korrekter Abrechnung ursprünglich kein Zahlungsverzug der Beklagten vorlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Ein sofortiges Anerkenntnis durch Erklärung in der Sitzung vom 17.09.2015 gemäß § 93 ZPO liegt nicht vor, da die Beklagten bereits nach Zugang der Abrechnungen der Fa. A. ihren noch geschuldeten Betrag hätten ausrechnen können.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.

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