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Betriebskosten-Nachzahlung: Mieterin obsiegt – alte Verträge schlagen neue Kostenarten

Eine überraschende Betriebskostenabrechnung ließ eine langjährige Mieterin aufhorchen. Nach fast 60 Jahren Mietverhältnis forderte ihr Vermieter plötzlich Geld für Posten, die nie im ursprünglichen Vertrag standen. Die Mieterin weigerte sich, da sie nur die im alten Schreiben explizit genannten Kosten akzeptierte. Musste eine Mieterin plötzlich Kosten tragen, die Jahrzehnte lang nicht Teil ihrer vertraglichen Vereinbarung waren?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 9 C 467/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: AG Hamburg
  • Datum: 11.12.2024
  • Aktenzeichen: 9 C 467/23
  • Verfahren: Klageverfahren
  • Rechtsbereiche: Mietrecht, Vertragsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Vermieter und Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, der eine Nachzahlung von Betriebskosten forderte.
  • Beklagte: Mieterin einer Wohnung, die die Zahlung weiterer Betriebskosten über die im ursprünglichen Vertrag genannten Posten hinaus ablehnte.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Der Vermieter forderte von der Mieterin eine Nachzahlung von Betriebskosten für das Jahr 2020. Die Mieterin weigerte sich, da sie der Ansicht war, diese Kosten seien nicht vertraglich vereinbart.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Ob ein Mieter zur Nachzahlung von Betriebskosten verpflichtet ist, die über die im ursprünglichen, fast 60 Jahre alten Mietvertrag explizit aufgeführten Kostenarten hinausgehen, wenn keine spätere vertragliche Anpassung erfolgt ist.

Wie hat das Gericht entschieden?

  • Klage abgewiesen: Das Gericht wies die Klage des Vermieters auf Nachzahlung von Betriebskosten ab.
  • Kernaussagen der Begründung:
    • Gesetzliches Leitbild: Betriebskosten, die über die im Mietvertrag ausdrücklich genannten Arten hinausgehen, gelten grundsätzlich als mit der Grundmiete abgegolten.
    • Ausschließlichkeit der vertraglichen Vereinbarung: Die Auflistung der Betriebskosten im ursprünglichen Mietvertrag von 1967 wurde als abschließend und nicht als beispielhaft bewertet.
    • Keine spätere Anpassung: Es wurde keine nachweisbare vertragliche Änderung oder Ergänzung vorgelegt, die die Umlage weiterer Betriebskosten erlaubt hätte.
  • Folgen für den Kläger:
    • Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Nachzahlung von 396,97 EUR.
    • Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Der Fall vor Gericht


Haben Sie schon einmal eine Rechnung erhalten, auf der plötzlich neue Kosten auftauchten?

Stellen Sie sich vor, Sie haben seit Jahrzehnten einen Vertrag, zum Beispiel für Ihr Handy oder eine Versicherung. Die monatlichen Kosten sind klar geregelt. Plötzlich flattert eine Jahresabrechnung ins Haus, die ganz neue Posten enthält, von denen nie die Rede war. Sie fragen sich: Muss ich das bezahlen? Eine ganz ähnliche Frage musste das Amtsgericht Hamburg in einem Fall zwischen einem Vermieter und seiner langjährigen Mieterin klären. Es ging um einen Mietvertrag, der fast 60 Jahre alt war, und um die Frage, welche Betriebskosten die Mieterin wirklich zahlen muss.

Worum ging es in diesem Fall genau?

Frau prüft Mietvertrag über Betriebskosten Nachzahlung in häuslicher Umgebung bei Sonnenlicht.
Mieterin mit Nebenkostenabrechnung: Ist Ihr alter Mietvertrag noch aktuell genug für die Nachzahlungen? | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Kläger in diesem Fall war der Eigentümer und Vermieter eines Mehrfamilienhauses in Hamburg. Die Beklagte, nennen wir sie Frau W., ist Mieterin einer Wohnung in diesem Haus. Ihr Mietverhältnis begann nicht mit einem dicken, seitenlangen Vertrag, wie es heute üblich ist, sondern mit einem einfachen „Vertragsbestätigungsschreiben“ vom 13. Dezember 1967. In diesem Schreiben war die Miete genau aufgeschlüsselt. Sie bestand aus der Grundmiete und einigen klar benannten Nebenkosten: Grundsteuer, Wassergeld, Sielgebühr (das ist die Gebühr für die Abwasserentsorgung), Müllgebühr und die Kosten für die Treppenreinigung.

Fast 55 Jahre später, im Dezember 2021, erhielt Frau W. eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2020. Darin forderte ihr Vermieter eine Nachzahlung von 396,97 Euro. Frau W. war misstrauisch. Sie verlangte zunächst Einsicht in die Rechnungsbelege und legte dann Widerspruch gegen die Abrechnung ein. Der Grund: In der Abrechnung tauchten viele Kostenarten auf, die in ihrem ursprünglichen Vertrag von 1967 gar nicht erwähnt waren.

Was genau forderte der Vermieter und warum?

Der Vermieter zog vor Gericht. Sein Ziel war es, Frau W. zur Zahlung der 396,97 Euro zu verpflichten. Juristisch nennt man das einen Klagantrag. Zusätzlich forderte er Zinsen auf diesen Betrag ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit. Das ist der formelle Moment, in dem die Klage der beklagten Person, also Frau W., offiziell zugestellt wird und das Gerichtsverfahren damit beginnt.

Obwohl die genaue Argumentation des Vermieters im Urteil nicht ausführlich wiedergegeben wird, lässt sich sein Standpunkt klar erkennen: Er war der Meinung, dass alle von ihm abgerechneten Kostenarten zu den umlagefähigen Betriebskosten gehören. Das sind Kosten, die ein Vermieter laut Gesetz grundsätzlich auf seine Mieter verteilen darf, zum Beispiel für Versicherungen, Gartenpflege oder die Wartung von technischen Anlagen. Er ging also davon aus, dass er berechtigt war, auch solche Kosten abzurechnen, die nicht explizit im alten Vertrag von 1967 standen.

Wie hat sich die Mieterin gegen die Forderung gewehrt?

Frau W. beantragte vor Gericht, die Klage abzuweisen. Ihre Verteidigung stützte sich auf ein zentrales Argument: Sie und der ursprüngliche Vermieter hätten eine sogenannte Teilinklusivmiete vereinbart.

Was bedeutet das konkret? Eine Teilinklusivmiete ist eine besondere Form der Miete. Dabei sind einige Betriebskosten bereits in der Grundmiete enthalten und werden nicht extra abgerechnet. Nur ein kleiner, aber ganz klar im Mietvertrag festgelegter Teil der Betriebskosten wird zusätzlich zur Miete gezahlt. Frau W. argumentierte, dass die Liste im Schreiben von 1967 genau dieser klar definierte Teil sei. Alles, was nicht auf dieser Liste steht – so ihre Position –, sei mit der Grundmiete bereits abgegolten. Sie sei also nicht verpflichtet, für Kosten wie Versicherungen, Gartenpflege oder Schornsteinreinigung zu zahlen, weil diese nie Teil ihrer vertraglichen Vereinbarung waren.

Wie hat das Gericht entschieden und was ist der Kern der Begründung?

Das Amtsgericht Hamburg gab der Mieterin Frau W. vollständig recht. Die Klage des Vermieters wurde abgewiesen. Das bedeutet: Der Vermieter erhält die geforderten 396,97 Euro nicht. Mehr noch, er muss die gesamten Kosten des Gerichtsverfahrens tragen.

Der zentrale Grund für diese Entscheidung war verblüffend einfach: Es fehlte an einer vertraglichen Grundlage für die Forderung des Vermieters. Das Gericht stellte fest, dass der Vermieter keinen Anspruch auf das Geld hat, weil er mit Frau W. nie wirksam vereinbart hatte, dass sie diese zusätzlichen Betriebskosten übernehmen muss. Um das zu verstehen, müssen wir uns ansehen, wie Juristen Mietverträge und Betriebskosten bewerten.

Warum ist der ursprüngliche Mietvertrag der entscheidende Dreh- und Angelpunkt?

Das Gericht stützte seine Argumentation auf einen fundamentalen Grundsatz des deutschen Mietrechts, der im § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert ist. Dieses Gesetz beschreibt das gesetzliche Leitbild einer Miete.

Man kann sich das wie eine Grundeinstellung vorstellen: Laut Gesetz ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter die Wohnung zur Verfügung zu stellen, und der Mieter ist verpflichtet, die vereinbarte Miete zu zahlen. Zu den Pflichten des Vermieters gehört es auch, alle laufenden Kosten für das Gebäude zu tragen. Diese Kosten gelten grundsätzlich als mit der Grundmiete bezahlt.

Möchte ein Vermieter von dieser Grundeinstellung abweichen und die Betriebskosten auf den Mieter umlegen, braucht er dafür eine klare und eindeutige vertragliche Vereinbarung. Er kann nicht einfach annehmen, dass der Mieter schon zahlen wird.

Ein Alltagsvergleich zur Verdeutlichung

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Auto zum Festpreis von 20.000 Euro. Der Verkäufer kann später nicht einfach eine zusätzliche Rechnung über 300 Euro für die Fußmatten und das Warndreieck schicken, es sei denn, Sie hätten das vorher ausdrücklich vereinbart. Ohne eine solche Vereinbarung sind diese Extras im Gesamtpreis enthalten. Genauso ist es bei der Miete: Ohne eine klare Vereinbarung sind alle Betriebskosten in der Grundmiete enthalten.

Wie hat das Gericht die alte Vereinbarung aus dem Jahr 1967 ausgelegt?

Das Gericht nahm das Vertragsbestätigungsschreiben von 1967 ganz genau unter die Lupe. Dort stand, dass sich die Miete aus der Grundmiete und den Posten „Grundsteuer, Wassergeld, Sielgebühr, Müllgebühr, Treppenreinigung“ zusammensetzt.

Der entscheidende Punkt für das Gericht war: Diese Aufzählung ist abschließend. Das bedeutet, sie ist endgültig und vollständig. Es ist keine beispielhafte Liste, an die man nach Belieben weitere Punkte anhängen kann. Hätte der ursprüngliche Vermieter gewollt, dass auch andere Kosten umgelegt werden können, hätte er eine sogenannte Öffnungsklausel in den Vertrag aufnehmen müssen, zum Beispiel mit einer Formulierung wie „…sowie alle sonstigen anfallenden Betriebskosten“. Da eine solche Klausel fehlte, ging das Gericht davon aus, dass die Parteien 1967 ganz bewusst nur die aufgezählten Kostenarten vereinbaren wollten.

Für die Forderung des Vermieters bedeutete das Folgendes: Er hatte eine ganze Reihe von Kosten abgerechnet, für die es schlicht keine vertragliche Grundlage gab. Das Gericht zählte diese Posten explizit auf, um die fehlende Grundlage zu verdeutlichen. Für die folgenden Kosten hatte Frau W. nie eine Zahlungspflicht übernommen:

  • Gartenpflege (45,69 €)
  • Straßenreinigung und Winterdienst (26,82 €)
  • Sach- und Haftpflichtversicherung (286,33 €)
  • Wartung verschiedener technischer Anlagen wie Rauchwarnmelder (insgesamt über 300 €)

All diese Kosten musste der Vermieter selbst tragen, da sie nach der ursprünglichen Vereinbarung mit der Grundmiete von Frau W. bereits abgegolten waren.

Wurde geprüft, ob sich die Vereinbarung im Laufe der Jahrzehnte geändert haben könnte?

Eine letzte Frage blieb noch offen: Könnte sich der Vertrag in den fast 60 Jahren vielleicht stillschweigend oder durch eine mündliche Absprache geändert haben? Theoretisch ist das möglich.

Das Gericht prüfte auch diesen Punkt. Es stellte jedoch fest, dass der Vermieter keinerlei Beweise dafür vorgelegt hatte, dass es eine spätere Vertragsänderung gab. Im Zivilprozess gilt der Grundsatz: Wer etwas für sich Günstiges behauptet, muss es auch beweisen. Der Vermieter hätte also nachweisen müssen, dass er mit Frau W. irgendwann nach 1967 eine neue Vereinbarung über die zusätzlichen Betriebskosten getroffen hat. Da er das nicht konnte, blieb es bei der ursprünglichen und einzigen schriftlichen Vereinbarung aus dem Jahr 1967. Und diese sah eine Zahlung der neu abgerechneten Kosten nicht vor.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Amtsgericht Hamburg bestätigte in diesem Fall einen fundamentalen Grundsatz des Mietrechts: Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung können Vermieter keine zusätzlichen Betriebskosten von Mietern verlangen.

  • Vertragsauslegung ist entscheidend: Das Urteil verdeutlicht, dass abschließende Aufzählungen in Mietverträgen wörtlich zu nehmen sind. Fehlt eine Öffnungsklausel für weitere Kostenarten, bleiben nur die explizit genannten Posten umlagefähig, während alle anderen Betriebskosten als mit der Grundmiete abgegolten gelten.
  • Beweislast liegt beim Fordernden: Daraus folgt, dass derjenige, der eine Vertragsänderung behauptet, diese auch beweisen muss. Selbst bei jahrzehntelangen Mietverhältnissen können Vermieter nicht einfach annehmen, dass stillschweigend neue Kostenpositionen vereinbart wurden.
  • Das gesetzliche Leitbild wirkt subsidiär: Das Urteil unterstreicht, dass nach § 535 BGB grundsätzlich der Vermieter alle Betriebskosten trägt. Eine Abweichung zugunsten des Vermieters bedarf stets einer klaren und eindeutigen vertraglichen Grundlage.

Diese Entscheidung stärkt die Position von Mietern bei langjährigen Verträgen und macht deutlich, dass auch jahrzehntealte Vereinbarungen ihre volle rechtliche Bindungswirkung behalten.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Kosten trägt ein Vermieter laut Mietrecht grundsätzlich selbst?

Nach dem deutschen Mietrecht trägt der Vermieter grundsätzlich alle laufenden Kosten für das Mietobjekt selbst, es sei denn, es gibt eine klare und ausdrückliche Vereinbarung, die bestimmte Kosten auf den Mieter umlegt. Diese Kosten gelten laut dem gesetzlichen Leitbild des § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als bereits mit der vereinbarten Grundmiete abgegolten.

Diesem fundamentalen Grundsatz folgend, sind alle Aufwendungen, die für den Betrieb und die Instandhaltung des Gebäudes anfallen, zunächst Vermietersache. Dazu gehören beispielsweise Kosten für Versicherungen, die Gartenpflege, die Straßenreinigung oder die Wartung technischer Anlagen, sofern sie nicht vertraglich anders geregelt sind.

Möchte ein Vermieter von dieser Regel abweichen und sogenannte Betriebskosten auf den Mieter umlegen, benötigt er dafür zwingend eine präzise vertragliche Vereinbarung im Mietvertrag. Fehlt eine solche, kann er diese Kosten nicht nachträglich einfordern. Dies entspricht dem Prinzip, dass bei einem Autokauf zum Festpreis der Verkäufer nicht im Nachhinein zusätzliche Kosten für Fußmatten abrechnen kann, wenn diese nicht vorher explizit vereinbart wurden.


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Wann dürfen Betriebskosten auf Mieter umgelegt werden?

Betriebskosten dürfen auf Mieter nur dann umgelegt werden, wenn dies im Mietvertrag klar und eindeutig vereinbart wurde. Ohne eine solche vertragliche Grundlage ist der Vermieter gesetzlich verpflichtet, diese Kosten selbst zu tragen.

Der Gesetzgeber sieht vor, dass alle laufenden Kosten eines Gebäudes grundsätzlich vom Vermieter mit der Grundmiete abgegolten sind. Möchte ein Vermieter von dieser Regel abweichen und die Betriebskosten auf seine Mieter umlegen, muss er dies also explizit im Mietvertrag festlegen.

Diese Vereinbarung kann entweder durch eine detaillierte und abschließende Auflistung der konkret umzulegenden Kosten erfolgen, oder durch eine allgemeine Formulierung, die weitere Betriebskosten einbezieht, wie zum Beispiel „…sowie alle sonstigen anfallenden Betriebskosten“. Fehlt eine solche Vereinbarung, etwa bei einem sehr alten Mietvertrag, dürfen später keine neuen Kostenarten plötzlich vom Mieter gefordert werden.

Eine einseitige, nachträgliche Forderung von nicht vereinbarten Betriebskosten durch den Vermieter ist daher ohne vertragliche Grundlage nicht zulässig und verpflichtet den Mieter nicht zur Zahlung.


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Können in einem langjährigen Vertrag plötzlich neue Kostenpositionen auftauchen, die bezahlt werden müssen?

Nein, in einem langjährigen Vertrag können grundsätzlich keine neuen Kostenpositionen einseitig gefordert werden, die nicht ausdrücklich im ursprünglichen Vertrag vereinbart wurden. Ein Vertrag, wie ein Mietvertrag, legt fest, welche Leistungen und Kosten geschuldet sind, und dies ist die verbindliche Grundlage für beide Parteien.

Das Amtsgericht Hamburg bestätigte dieses Prinzip kürzlich in einem Fall, der einen fast 60 Jahre alten Mietvertrag betraf. Der Vermieter versuchte, einer Mieterin in einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2020 neue Posten wie Gartenpflege, Versicherungen und Wartungskosten aufzuerlegen, die im ursprünglichen Vertrag von 1967 nicht erwähnt waren. Das Gericht entschied jedoch zugunsten der Mieterin.

Das Urteil stellte klar, dass der Vermieter nur die im ursprünglichen Vertrag explizit genannten Nebenkosten – wie Grundsteuer, Wassergeld, Müllgebühr und Treppenreinigung – zusätzlich zur Grundmiete verlangen darf. Diese Aufzählung wurde als abschließend betrachtet, was bedeutet, dass sie vollständig war und keine weiteren Kosten ohne eine ausdrückliche neue Vereinbarung hinzukommen durften. Da der Vermieter keine spätere Vereinbarung über die neuen Kosten beweisen konnte, musste er diese selbst tragen.


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Was bedeutet es, wenn ein Vertrag eine „Abschließende Aufzählung“ von Kostenpositionen enthält?

Wenn ein Vertrag eine „abschließende Aufzählung“ von Kostenpositionen enthält, bedeutet dies, dass nur die explizit genannten Kosten vereinbart und somit zu zahlen sind. Die Liste ist vollständig und endgültig; alles, was nicht aufgeführt ist, ist nicht Teil der vertraglichen Vereinbarung.

Dieser Begriff wird oft bei älteren Verträgen gefunden, wie im Fall eines fast 60 Jahre alten Mietvertrags. Dort waren nur spezifische Nebenkosten wie Grundsteuer, Wassergeld oder Treppenreinigung aufgeführt. Das Gericht hat hier bestätigt, dass diese Aufzählung nicht beispielhaft, sondern endgültig war.

Im Gegensatz dazu steht eine sogenannte „Öffnungsklausel“. Eine solche Klausel, die Formulierungen wie „…sowie alle sonstigen anfallenden Betriebskosten“ enthalten könnte, würde es dem Vertragspartner ermöglichen, weitere, ursprünglich nicht genannte Kosten umzulegen. Fehlt eine solche Klausel, ist die Aufzählung tatsächlich abschließend.

Die praktische Folge ist, dass keine weiteren Kosten nachträglich abgerechnet werden dürfen, selbst wenn es sich um an sich umlagefähige Ausgaben handeln würde. So mussten im genannten Fall neue Posten wie Gartenpflege oder Versicherungen vom Vermieter selbst getragen werden, da sie nicht Teil der ursprünglichen Liste waren und somit bereits mit der Grundmiete abgegolten waren.


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Wer trägt die Beweislast, wenn behauptet wird, dass sich eine alte Vertragsvereinbarung über die Jahre stillschweigend geändert hat?

Wenn jemand behauptet, eine langjährige Vertragsvereinbarung habe sich im Laufe der Zeit stillschweigend oder mündlich geändert, liegt die Beweislast dafür bei dieser Person. Dies ist ein grundlegendes Prinzip im Zivilprozess.

Das bedeutet konkret: Wer geltend macht, eine ursprünglich schriftliche oder klar definierte Abmachung sei nachträglich anders geregelt worden – zum Beispiel durch jahrelanges Handeln oder eine mündliche Zusage –, muss dem Gericht entsprechende Nachweise vorlegen. Im Fall des Mietvertrags, der fast 60 Jahre alt war, prüfte das Gericht, ob sich die Vereinbarung über die Betriebskosten geändert haben könnte. Der Vermieter hätte belegen müssen, dass er mit der Mieterin eine neue, über den ursprünglichen Vertrag hinausgehende Vereinbarung getroffen hatte.

Gerade bei sehr alten Verträgen ist es oft extrem schwierig, solche mündlichen Absprachen oder stillschweigenden Änderungen zu beweisen, da Zeugen oder schriftliche Belege fehlen können. Gelingt dieser Beweis nicht, bleibt die ursprünglich vereinbarte und dokumentierte Regelung weiterhin gültig. Das Gericht im vorliegenden Fall lehnte die Forderung des Vermieters ab, weil er keinerlei Beweise für eine solche nachträgliche Änderung vorlegen konnte. Die alte, schriftliche Vereinbarung hatte somit weiterhin Bestand.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abschließende Aufzählung

Wenn ein Vertrag eine abschließende Aufzählung von Leistungen oder Kosten enthält, bedeutet dies, dass nur die explizit genannten Punkte vereinbart sind. Die Liste ist somit vollständig und endgültig. Alles, was nicht auf dieser Liste steht, ist nicht Teil der vertraglichen Verpflichtung und kann nicht nachträglich gefordert werden. Im vorliegenden Fall bedeutete dies, dass die Mieterin nur die 1967 ausdrücklich genannten Nebenkosten zusätzlich zur Grundmiete zahlen musste.

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Beweislast

Die Beweislast im Zivilprozess bedeutet, dass die Partei, die eine Behauptung aufstellt, die für sie günstig ist, diese Behauptung auch beweisen muss. Kann sie den Beweis nicht erbringen, geht das Gericht davon aus, dass die Behauptung nicht zutrifft. Im Fall des Mietvertrags musste der Vermieter beweisen, dass sich die Vereinbarung über die Betriebskosten nachträglich geändert hatte. Da ihm dies nicht gelang, blieb die ursprüngliche vertragliche Regelung gültig.

Beispiel: Behauptet ein Vermieter, Sie hätten zugestimmt, dass er die Gartenpflege auf Sie umlegt, muss er dies beweisen, zum Beispiel durch eine schriftliche Vereinbarung.

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Gesetzliches Leitbild

Das gesetzliche Leitbild beschreibt die vom Gesetzgeber vorgesehene Grundform oder Idealvorstellung eines Vertragsverhältnisses, wenn keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden. Es dient als Standardregel, auf die zurückgegriffen wird, falls im Vertrag bestimmte Punkte nicht klar geregelt sind. Im Mietrecht besagt das gesetzliche Leitbild des § 535 BGB, dass der Vermieter grundsätzlich alle laufenden Kosten für das Gebäude selbst trägt und diese mit der Grundmiete abgegolten sind. Möchte er davon abweichen, muss er dies ausdrücklich mit dem Mieter vereinbaren.

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Klagantrag

Der Klagantrag ist der zentrale Teil einer Klageschrift, in dem der Kläger genau formuliert, welches rechtliche Ziel er mit seiner Klage verfolgt. Hierin wird dem Gericht präzise mitgeteilt, welche Entscheidung es treffen soll, zum Beispiel die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages oder die Herausgabe einer Sache. Der Klagantrag bildet die Grundlage, über die das Gericht letztlich entscheiden wird. Im Text forderte der Vermieter mit seinem Klagantrag die Mieterin zur Zahlung einer Nachzahlung auf.

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Öffnungsklausel

Eine Öffnungsklausel in einem Vertrag ist eine Formulierung, die es ermöglicht, eine ursprünglich nicht abschließende Liste von Punkten später um weitere, noch nicht genannte Inhalte zu ergänzen. Sie verhindert, dass eine Aufzählung als endgültig missverstanden wird. Hätte der Mietvertrag eine solche Klausel enthalten, wie „…sowie alle sonstigen anfallenden Betriebskosten“, hätte der Vermieter möglicherweise auch nicht explizit genannte Kosten auf die Mieterin umlegen können.

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Rechtshängigkeit

Rechtshängigkeit ist der formelle Zeitpunkt in einem Gerichtsverfahren, ab dem eine Klage bei Gericht eingereicht und dem Beklagten offiziell zugestellt wurde. Mit der Rechtshängigkeit beginnen bestimmte rechtliche Wirkungen, wie etwa die Möglichkeit, Zinsen auf die geforderte Summe zu erheben oder die Verjährung der Forderung zu hemmen. Sie markiert den offiziellen Beginn des streitigen Gerichtsverfahrens zwischen den Parteien.

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Teilinklusivmiete

Eine Teilinklusivmiete ist eine spezielle Form der Mietpreisgestaltung, bei der ein Teil der Betriebskosten bereits in der Grundmiete enthalten ist und nicht gesondert abgerechnet wird. Nur ein kleiner, genau im Mietvertrag festgelegter Teil der Nebenkosten wird zusätzlich zur Miete gezahlt. Die Mieterin argumentierte, ihr alter Vertrag von 1967 stelle eine solche Teilinklusivmiete dar, bei der nur die dort genannten Nebenkosten extra zu zahlen waren.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Gesetzliches Leitbild des Mietvertrags und Pflicht des Vermieters zur Kostentragung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB): Im deutschen Mietrecht ist der Vermieter grundsätzlich dafür verantwortlich, dem Mieter die Mietsache in einem für den Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und diesen Zustand während der Mietzeit zu erhalten. Dazu gehört auch, alle laufenden Kosten, die mit dem Eigentum am Gebäude verbunden sind (z.B. Versicherungen, Wartung), selbst zu tragen. Diese Kosten sind ohne weitere Vereinbarung bereits in der Grundmiete enthalten.
    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Grundsatz bedeutet, dass der Vermieter von Frau W. die neu abgerechneten Kostenarten (wie Gartenpflege oder Versicherungen) nur dann auf sie umlegen durfte, wenn es eine explizite vertragliche Vereinbarung gab. Ohne eine solche Vereinbarung musste der Vermieter diese Kosten selbst tragen.
  • Erfordernis einer klaren vertraglichen Vereinbarung zur Umlage von Betriebskosten (vgl. § 556 Abs. 1 BGB): Möchte ein Vermieter von der gesetzlichen Grundregel abweichen und bestimmte Betriebskosten zusätzlich zur Miete auf den Mieter umlegen, muss dies klar und eindeutig im Mietvertrag vereinbart sein. Eine solche Vereinbarung darf nicht nur angedeutet sein, sondern muss die betreffenden Kostenarten konkret benennen oder eine umfassende, eindeutige Klausel enthalten, die deren Umlagefähigkeit regelt. Fehlt eine solche Vereinbarung, besteht keine Pflicht zur Zahlung.
    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der ursprüngliche Mietvertrag von 1967 nur eine abschließende Liste bestimmter Nebenkosten enthielt, fehlte dem Vermieter für alle anderen, neu abgerechneten Posten eine gültige vertragliche Grundlage. Das Gericht bestätigte, dass er nicht einfach pauschal „Betriebskosten“ fordern konnte, wenn dies nicht explizit vereinbart war.
  • Vertragsauslegung bei (vermeintlich) abschließender Aufzählung (vgl. §§ 133, 157 BGB): Bei der Auslegung von Verträgen versucht das Gericht zu ermitteln, was die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich vereinbaren wollten. Eine Aufzählung von Leistungspflichten kann entweder abschließend (d.h. vollständig und final) oder beispielhaft (d.h. eine nicht vollständige Liste, die erweitert werden könnte) gemeint sein. Fehlt eine Formulierung, die weitere Kosten zulässt (eine sogenannte „Öffnungsklausel“), spricht dies stark für eine abschließende Liste.
    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht legte das ursprüngliche Vertragsbestätigungsschreiben von 1967 als eine abschließende Aufzählung der umlagefähigen Nebenkosten aus. Da der Vertrag keine „Öffnungsklausel“ enthielt, durfte der Vermieter keine anderen als die explizit genannten Kosten nachträglich von Frau W. fordern.
  • Beweislast im Zivilprozess: Im Zivilrecht gilt der Grundsatz, dass jede Partei die Tatsachen beweisen muss, die ihr für ihren Anspruch oder ihre Verteidigung dienlich sind. Wer also etwas von einer anderen Person fordert oder eine Behauptung aufstellt, trägt die Verantwortung, die erforderlichen Beweise vorzulegen, um diese Behauptung zu untermauern. Gelingt dieser Beweis nicht, geht dies zulasten der Partei, die die Beweislast trägt.
    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Vermieter behauptete, dass Frau W. zur Zahlung der zusätzlichen Betriebskosten verpflichtet sei, möglicherweise aufgrund einer späteren Vertragsänderung. Da er jedoch keinerlei Beweise für eine solche Änderung oder eine anderslautende Vereinbarung vorlegen konnte, musste er die Konsequenz tragen. Seine Klage wurde daher abgewiesen.

Das vorliegende Urteil


AG Hamburg – Az.: 9 C 467/23 – Urteil vom 11.12.2024


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