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Betriebskosten Umlagefähigkeit durch langjährige Übung

AG Remscheid – Az.: 7 C 147/15 – Urteil vom 31.10.2016

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 663,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2015 sowie 147,56 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger selbst Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Durch Mietvertrag vom 23.07.1987 (Blatt 9 ff. d. GA) vermietete der Kläger der Beklagten eine Wohnung im Hause O-straße in Remscheid. In § 3 des Mietvertrages – Miete und Nebenkosten – heißt es:

„Die Miete beträgt monatlich … 383,50 DM. Neben der Miete sind monatlich zu entrichten für Heizungsabschlag … 66,38 DM Betriebskostenabschlag … 118,00 DM Frischwasserabschlag … 50,00 DM insgesamt zzt. 617,88 DM

In § 4 – Zahlung der Miete und der Nebenkosten – heißt es unter Nr. 2:

„Die Nebenkosten für Frischwasser, Betriebskosten und Heizung werden in Form monatlicher Abschlagszahlungen erhoben und sind jährlich nach dem Stichtag vom 15.12.1987 eines jeden Jahres mit dem Mieter abzurechnen … “

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Mietvertrag (Blatt 9 ff. d. GA) ausdrücklich Bezug genommen.

Von Anfang an rechnete der Kläger jährlich gegenüber der Beklagten über die zu zahlenden Nebenkosten ab. Darin enthalten waren außer den im Mietvertrag ausdrücklich genannten Kosten für Heizung und Frischwasser auch sämtliche anderen Betriebskosten, die auch jetzt Gegenstand der Abrechnung sind. Guthabenbeträge zugunsten der Beklagten ergaben sich für die Jahre 1988, 1994, 2010 bis 2012. Über 25 Jahre lang beglich die Beklagte die Nachzahlungsbeträge und erstattete der Kläger die Guthabenbeträge.

Erstmals streitig zwischen den Parteien ist die streitgegenständliche „Nebenkostenabrechnung“ für das Jahr 2013 vom 13.05.2014 (Anlage K9, Blatt 68 ff. d. GA). Wie schon seit Beginn des Mietverhältnisses rechnete der Kläger neben den Heizkosten und den Wasserkosten Müllkosten, Aufzugskosten und sonstige Nebenkosten ab, wobei sich die Einzelheiten aus der detaillierten Abrechnung Blatt 69 ff. ergeben. Unter den sonstigen Nebenkosten rechnet er ab Grundsteuer, Straßenreinigung, Winterdienst, FWS Versicherung, Haftpflicht, Hauswart und Aufzugwart, Allgemeinstrom abzüglich Garagenstrom.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger den Nachzahlungsbetrag aus der vorgenannten Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 geltend. Diese mahnte er persönlich mit Schreiben vom 29.12.2014 an sowie durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 01.07.2015, in dem die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren berechnet wurden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn 663,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2015 sowie

2. an den Kläger 147,56 außergerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, nur zur Tragung von Betriebskosten für Heizung und Wasser verpflichtet zu sein. Alle übrigen Kosten seien nicht auf sie umlagefähig. Die Zahlungen in der Vergangenheit seien in Unkenntnis der Rechtslage erfolgt. Aus der streitgegenständlichen Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2013 sei sie lediglich verpflichtet zur Tragung:

Heizkosten 864,30 EUR Wasserkosten 289,31 EUR gesamt 1.153,61 EUR.

Hierauf seien die Vorauszahlungen anzurechnen in Höhe von – 1.262,66 EUR Guthaben – 106,66 EUR.

Den vorgenannten Betrag begehrt sie im Rahmen der Widerklage.

Darüber hinaus hat sie ursprünglich mit der Widerklage die Zahlung weiterer 269,92 EUR begehrt als 15%igen Abschlag auf die vom Kläger erhobenen Heizkosten aus den Abrechnungen für das Jahr 2011 und 2012. Diesen Betrag hatte der Kläger indessen vor Rechtshängigkeit am 08.04.2015 bereits gezahlt. Die Beklagte hat ihre diesbezügliche Widerklage zurückgenommen. Sie beantragt nunmehr noch im Wege der Widerklage,

den Kläger zu verurteilen, an sie 108,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2014 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 663,30 EUR als Nachzahlungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung betreffend die Wohnung der Beklagten für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2013 zu. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages nicht nur zur Tragung der Kosten für Heizung und Wasser verpflichtet, sondern auch all diejenigen Betriebskosten, die in der streitgegenständlichen Abrechnung für das Jahr 2013 enthalten sind.

In einem Mietverhältnis können Betriebskosten grundsätzlich nur dann gesondert abgerechnet und auf den Mieter umgelegt werden, wenn dies im Mietvertrag klar und eindeutig geregelt ist. Das setzt einerseits voraus, dass die vereinbarte Mietstruktur erkennen lässt, dass der Mieter überhaupt Betriebskosten ganz oder anteilig neben der Grundmiete tragen soll, damit er sich auf die aus dem Mietverhältnis ergebenden Lasten einstellen kann. Der schriftliche Mietvertrag der Parteien genügt diesem Erfordernis, denn sowohl in der im Tatbestand zitierten Klausel in § 3 als auch in derjenigen in § 4 Nr. 2 ist deutlich geregelt, dass außer Heizung und Frischwasser die Beklagte auch sonstige Betriebskosten zu tragen hat. Dies folgt aus dem Umstand, dass in den beiden vorgenannten Klauseln ausdrücklich ein „Abschlag“, d. h. eine Vorauszahlung auf diese vereinbart ist und sich aus der Klausel in § 4 Nr. 2 ausdrücklich ergibt, dass über diese Abschlagzahlungen jährlich abzurechnen ist.

Darüber hinaus folgt aus dem schuldrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (§ 241 BGB), dass die umlagefähigen Betriebskosten inhaltlich entweder konkretisiert oder zumindest eindeutig bestimmbar sind. Insoweit ist grundsätzlich ein Verweis auf § 2 der Betriebskostenverordnung bzw. der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages geltenden Vorgängernormen ausreichend.

Dem schriftlichen Mietvertrag der Parteien fehlt sowohl eine konkrete Aufzählung derjenigen Betriebskosten, die umgelegt werden sollen als auch der Verweis auf § 2 der Betriebskostenverordnung bzw. der damals geltenden Vorgängervorschrift. Gleichwohl haben die Parteien im vorliegenden Fall die Umlage der hier abgerechneten Betriebskosten auf die Beklagte durch 25-jährige Übung konkludent vereinbart. Entscheidend ist, dass trotz der Formulierung im schriftlichen Mietvertrag der Parteien die Beklagte über 25 Jahre hinweg den für die sonstigen Betriebskosten (die weder auf Heizung noch auf Frischwasser entfallen) entfallenden, angeforderten Betriebskostenvorschuss vorbehaltlos gezahlt hat, der Kläger jeweils Jahresabrechnungen erteilt hat, die unstreitig all diejenigen Betriebskosten enthalten, die auch in der jetzigen Abrechnung enthalten sind und dass anschließend der sich aus der Abrechnung ergebende Guthaben- bzw. Nachzahlungsbetrag jeweils von der betreffenden Mietpartei an die andere gezahlt wurde. Einwendungen hat die Beklagte für die Abrechnungen der Jahre 1987 bis 2012 nicht erhoben.

Dieses Verhalten kann nur so verstanden werden, dass die Parteien eine vom schriftlichen Mietvertragstext abweichende Vereinbarung über die Tragung der abgerechneten Betriebskosten konkludent getroffen haben. Entscheidend ist hierbei der außergewöhnlich lange Zeitraum von 25 Jahren, in dem die Parteien diesen Vertragsmodus gelebt haben. Damit haben sie eine fortwährende Übung hinsichtlich der Umlage der Betriebskosten gepflegt und dadurch konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie übereinstimmend diese Übung der Umlage der Betriebskosten nach all den Jahren zu einer für beide Seiten verbindlichen, rechtsgeschäftlichen Praxis geworden ist, an die sie sich auch in Zukunft halten müssen.

Die Beklagte hat die Abrechnungspraxis des Klägers durch die jahrelangen vorbehaltlosen Zahlungen der Nachforderungsbeträge und auch der Entgegennahme der Guthabenbeträge akzeptiert. Ohne Erfolg wendet sie insoweit ein, in der bloßen Entgegennahme der Guthabenbeträge könne keine rechtserhebliche Erklärung gesehen werden. Es fehle an einer rechtserheblichen Erklärung und dem erforderlichen Rechtsbindungswillen. Auch ohne diese Elemente liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH, Urteil vom 07.06.1984, Aktenzeichen IX ZR 66/83, zitiert nach juris Rn. 22). Es mag vorliegend dahinstehen, ab wann die vorbehaltlosen Zahlungen bzw. Entgegennahme der Guthabenbeträge durch die Beklagte in diesem Sinne als Zustimmung zur Umlage der Betriebskosten zu verstehen war. In der Rechtsprechung werden insoweit Zeiträume von 5 oder mehr Jahren genannt. Nachdem die Beklagte jedoch vorliegend 25 Jahre lang sich so verhalten hat, konnte und durfte der Kläger davon ausgehen, dass sie mit der Umlage der Betriebskosten einverstanden war (so auch AG Köln, Urteil vom 14.05.2008, Aktenzeichen 220 C 422/07, zitiert nach juris, Rn. 69 – 73).

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf die vermeintlich abweichende Entscheidung des BGH vom 02.05.2012 (Aktenzeichen XII ZR 88/10, zitiert nach juris). Der dort entschiedene Fall weicht gravierend vom hiesigen ab, hatte der damalige Vermieter vor der dort streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnung bisher erst einmal, nämlich für das Jahr 1998 abgerechnet (BGH aaO. Rn. 7).

Auch das von der Beklagten im Schriftsatz vom 28.09.2016 (Blatt 87 d. GA) zitierte Urteil des BGH mit dem Aktenzeichen VIII ZR 279/09, welches sie mit dem Datum 10.10.2007 zitiert, aber tatsächlich vom 07.07.2010 stammt (zitiert nach juris), verfängt nicht. Im dortigen Fall ging es nicht um die Umlage von Betriebskosten, sondern um die Wirksamkeit von einseitig erklärten Mieterhöhungen gemäß §§ 10, 8a WoBindG. Diese waren unwirksam, weil die Wohnung nicht der Preisbindung unterlag, da die von der Rechtsvorgängerin des dortigen Vermieters durchgeführten Sanierungsmaßnahmen nicht den gesetzlichen Vorschriften gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 II. WoBauG beschriebenen Umfang gehabt hatten. Im Gegensatz zum hiesigen Fall, wo es um die Frage einer wirksamen Vereinbarung von Betriebskostenumlagen geht, unterlag die dortige Tatbestandsvoraussetzung, nämlich das Bestehen einer Mietpreisbindung nach den oben genannten gesetzlichen Vorgaben, gerade nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien und konnte deshalb nicht konkludent zwischen ihnen vereinbart werden. Gleichwohl hat der BGH im dortigen Fall erkannt, dass die Mieterin die letztlich unwirksamen Mieterhöhungen grundsätzlich gegen sich gelten lassen muss, allerdings nicht in vollem Umfang, sondern letztlich nur soweit der Vermieter die Miete bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nach den allgemeinen Vorschriften erhöhen durfte.

Wie gesagt, das Urteil ist auf den vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres anwendbar und widerspricht der hiesigen Entscheidung zumindest nicht. Demgegenüber sind als weitere BGH-Urteile, die die hiesige Auffassung des Gerichts stützen, noch zu nennen BGH, Urteil vom 07.04.2004, Aktenzeichen VIII ZR 146/03, zitiert nach juris, BGH, Beschluss vom 29.05.2000, Aktenzeichen VII ZR 35/00, Rn. 5, zitiert nach juris. Ebenfalls nicht entgegen steht das Urteil des BGH vom 10.10.2007, Aktenzeichen VIII ZR 279/06, Rn. 17 ff., zitiert nach juris. Dort hatte der BGH zwar eine konkludente Vereinbarung über die Tragung von Betriebskosten abgelehnt, allerdings hatte der Vermieter im dortigen Fall lediglich 4 Jahre lang über Betriebskosten abgerechnet und der Mieter hatte, im Gegensatz zum hiesigen Fall, in keinem einzigen Jahr die sich aus den Abrechnungen ergebenden Nachzahlungsbeträge entrichtet.

Nach alledem ist die Beklagte verpflichtet, die sich aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 ergebende Nachforderung in Höhe der titulierten Forderung von 663,30 EUR zu begleichen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB. Ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des Verzuges ist die Beklagte zur Tragung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer aus einem Gegenstandswert von 663,30 EUR verpflichtet.

Die Widerklage ist unbegründet. Da die Klägerin, wie vorstehend ausgeführt, zur Tragung der Betriebskosten gemäß der vorgenannten Abrechnung verpflichtet ist, steht ihr ein Rückforderungsanspruch nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 11, 712 ZPO.

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