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Betriebskosten Verteilungsschlüssel – Änderung Abrechnungsmaßstab

AG Bonn – Az.: 204 C 56/21 – Urteil vom 27.10.2021

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 08.06.2021 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, nach welchem Verteilungsschlüssel die vom Kläger zu tragenden Betriebskosten im Rahmen eines zwischen ihnen bestehenden Mietverhältnisses zu berechnen sind.

Der Kläger mietete mit Vertrag vom 15.09.2013 (Bl. 5 ff. d.A.) eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 80 m2 von der Beklagten (§ 1 Abs. 1, 4 des Vertrags), in welcher er seitdem allein wohnt. Die Berechnung der vom Kläger zu tragenden Betriebskosten ist in § 3 Abs. 4 f. wie folgt geregelt:

(4) Die Betriebskosten werden mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasser im Verhältnis der Anzahl der Mieter der Wohnung zur Gesamtzahl der Mieter im Haus F Cstraße ## umgelegt, soweit kein abweichender Verteilungsschlüssel vereinbart ist oder zwingende gesetzliche Bestimmungen dem Umlegungsmaßstab entgegenstehen. In diesem Fall gilt für die betroffenen Betriebskostenarten der vereinbarte bzw. der gesetzliche Umlegungsmaßstab.

(5) Der Vermieter kann den Abrechnungsmaßstab bei Vorliegen sachlicher Gründe durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mieter ändern. Ein sachlicher Grund liegt vor, wenn sich der bisherige Umlegungsmaßstab als unzweckmäßig oder unbillig erweist.

Die Beklagte legte den Abrechnungen über die vom Kläger zu tragenden Betriebskosten zunächst eine Verteilung nach dem Verhältnis der in der Wohnung lebenden Personen zu den in dem Haus insgesamt lebenden Personen (im Folgenden: Personenanzahl) zugrunde. Mit Schreiben vom 07.12.2017 (Bl. 20 f. d.A.) erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger jedoch, dass sie die Betriebskosten ab dem Abrechnungszeitraum 2018 nach der Wohnfläche verteilen werde, da dies zweckmäßiger sei, Ungerechtigkeiten vermeide und erheblich weniger Aufwand verursache. In weiterer Korrespondenz teilte die Beklagte mit, dass die Wasser- und Abwasserkosten weiterhin nach der Personenanzahl verteilt werden würden. Fünfzehn der sechzehn Mietparteien des Hauses erklärten schriftlich, mit der Änderung des Verteilungsschlüssels einverstanden zu sein. Für den Kläger führte hingegen der Mieterbund Bonn/Rhein-Sieg/Ahr e.V. mit Schreiben vom 26.01.2018 (Bl. 22 f. d.A.) gegenüber der Beklagten aus, dass kein sachlicher Grund für die Änderung vorliege.

Mit Schreiben vom 05.09.2019 (Bl. 24 d.A.) legte die Beklagte dem Kläger eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018 vor, in der die vom Kläger zu tragenden Kosten – außer diejenigen für die Müllabfuhr sowie das Kalt- und Abwasser – anhand der Wohnfläche berechnet waren und für ihn eine Nachzahlungsverpflichtung in Höhe von 19,35 EUR ausgewiesen war. Eine Verteilung nach der Personenzahl hätte demgegenüber ein Guthaben des Klägers ergeben.

Der Kläger meint, dass es für eine Änderung des Verteilungsschlüssels durch die Beklagte an einem sachlichen Grund im Sinne des § 3 Abs. 5 des Mietvertrags fehle. Die Verteilung nach der Personenanzahl sei nämlich nicht unzweckmäßig, da dieser Schlüssel in den Vorjahren – wie der Kläger behauptet – beanstandungslos angewandt worden sei. Eine Unzweckmäßigkeit sei – wie der Kläger weiter meint – auch aufgrund der vermeintlich aufwändigen Ermittlung der Personenanzahl nicht gegeben, da die Beklagte einzelne Positionen – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – weiterhin nach diesem Schlüssel berechne und die Personenzahl folglich ohnehin erheben müsse. Zudem sei es – wie der Kläger ferner behauptet – für die Beklagte leicht, sich vor der Abrechnungserstellung bei den Mietern über eine etwaige Änderung der Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen zu informieren. Diesbezüglich vertritt der Kläger überdies die Auffassung, dass § 3 Abs. 4 des Mietvertrags nur dahingehend ausgelegt werden könne, dass auch Nichtmieter, nicht aber Besucher zu berücksichtigen seien und die Regelung mithin nicht ungenau sei. Die Umlage nach der Personenanzahl sei ferner nicht unbillig, da mehr Personen auch einen höheren Verbrauch auslösen würden.

Die Klageschrift (Bl. 1 ff. d.A.) ist der Beklagten am 12.05.2021 zusammen mit der Aufforderung des Gerichts (Bl. 34 d.A.) zugestellt worden (Bl. 46 ff. d.A.), binnen zwei Wochen ihre Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. Nach Ablauf dieser Frist, innerhalb derer die Beklagte ihre Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt hatte, hat das Amtsgericht Bonn mit Versäumnisurteil vom 08.06.2021 (Bl. 50 f. d.A.) antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei den dem Kläger erteilten Nebenkostenabrechnungen für die Abrechnungsjahre 2018 (Abrechnungszeitraum 01.01.2018-31.12.2018) sowie 2019 (Abrechnungszeitraum 01.01.2019-31.12.2019) sowie den darauffolgenden Abrechnungen ab dem Jahre 2020 über die Wohnung im II. OG des Hauses in der F C-Str. ## in ##### C bei unveränderter Vertragslage für sämtliche Positionen anstelle des Verteilerschlüssels Wohnfläche den Verteilerschlüssel Personenanzahl zugrunde zu legen. Gegen dieses Versäumnisurteil, das dem Kläger am 14.06.2021 und der Beklagten am 16.06.2021 zugestellt wurde (Bl. 51.A d.A.), hat die Beklagte mit Anwaltsschriftsatz vom 30.06.2021 (Bl. 76 ff. d.A.), der noch am selben Tag beim Gericht eingegangen ist, Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 08.06.2021 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 08.06.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass sich die Verteilung der Betriebskosten nach der Personenzahl als unzweckmäßig erwiesen habe. Dazu behauptet sie, dass sie in den Vorjahren die Anzahl der in den Wohnungen lebenden Personen nicht hätte nachhalten können, sondern immer wieder und oftmals nachträglich festgestellt habe, dass Mieter ihre Ehe- bzw. Lebenspartner oder Freunde für mehrere Wochen oder Monate, in einem Fall über mehrere Jahre, heimlich zu sich aufgenommen hätten. Ein Ehepartner einer Mieterin habe eine Wohnung vermutlich zu beruflichen Zwecken immer wieder für einige Tage verlassen – erst nach langen Recherchen habe die Mieterin eine gemeinsame Nutzung zumindest zu 50 % eingeräumt.

Die Beklagte vertritt überdies die Auffassung, dass der Verteilungsschlüssel der Wohnfläche im Vergleich zur bisherigen Praxis gerechter sei, was sich insbesondere daraus ergebe, dass Mieträume – wie die Beklagte behauptet – vermehrt auch als Home-Office genutzt und Freunden oder Kollegen zur Mitnutzung angeboten würden und dies umso wahrscheinlicher werde, je größer die Mietfläche sei.

Seit der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2021 behauptet die Beklagte zudem, dass es in dem Haus auch kleine Wohnungen mit einer Wohnfläche von 27 m2 gebe, die von Studenten bewohnt würden. Sie meint dazu, dass es unbillig sei, wenn Bewohner solcher Wohnungen einen ebenso hohen Anteil an den Betriebskosten zahlen müssten wie Bewohner von Wohnungen mit einer Wohnfläche von 80 m2. Zudem würden sich die Betriebskosten – wie die Beklagte ebenfalls seit dieser Verhandlung behauptet – immer weiter erhöhen. Der Kläger hat diese Ausführungen als verspätet gerügt.

Überdies sei die Änderung des Verteilungsschlüssels – wie die Beklagte meint – auch deshalb gerechtfertigt, da nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 4 in einer Wohnung lebende Personen, die selbst nicht Mieter sind, nicht berücksichtigt werden könnten und die Norm daher als ungenau angesehen werden könne. Schließlich könne die Änderung auch darauf gestützt werden, dass § 3 Abs. 5 nicht zwischen Heiz- und Betriebskosten differenziere und daher mit rechtlichen Unsicherheiten behaftet sei.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Betriebskosten Verteilungsschlüssel – Änderung Abrechnungsmaßstab
(Symbolfoto: Fevziie/Shutterstock.com)

I. Aufgrund des Einspruchs der Beklagten vom 30.06.2021 gegen das Versäumnisurteil vom 08.06.2021 ist der Prozess in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden (§§ 342, 495 Abs. 1 ZPO). Der Einspruch ist nämlich zulässig. Er ist statthaft, da er sich gegen ein echtes Versäumnisurteil richtet (§ 338 ZPO), das gemäß § 331 Abs. 3 ZPO aufgrund der entgegen § 276 Abs. 1, 2 ZPO nicht rechtzeitig eingegangenen Verteidigungsanzeige ergangen ist. Zudem war der Einspruch formgerecht, da er durch Einreichung einer Einspruchsschrift beim Prozessgericht eingelegt wurde (§ 340 Abs. 1 ZPO). Die am 30.06.2021 bei Gericht eingegangene Einspruchsschrift wahrte auch die zweiwöchige Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 1 ZPO), denn diese begann aufgrund der Zustellung des Versäumnisurteils am 14.06.2021 beim Kläger und am 16.06.2021 bei der Beklagten gemäß § 310 Abs. 3 ZPO und § 222 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 187 Abs. 1 BGB am 17.06.2021 und endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 30.06.2021.

II. Die Klage ist begründet, denn die Beklagte ist verpflichtet, bei den dem Kläger erteilten Nebenkostenabrechnungen für die Abrechnungsjahre 2018 und 2019 sowie den darauffolgenden Abrechnungen ab dem Jahr 2020 bei unveränderter Vertragslage für sämtliche Positionen anstelle des Verteilungsschlüssels Wohnfläche den der Personenanzahl zugrunde zu legen.

1. Dieser Verteilungsschlüssel wurde gemäß § 3 Abs. 4 des Mietvertrags für die Betriebskosten mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasser als Grundsatz festgelegt. Diese Abweichung vom gesetzlichen Leitbild der Umlage nach der Wohnfläche (§ 556a Abs. 1 BGB) ist auch wirksam.

a. Die Klausel, die eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) im Sinne des § 305 BGB darstellt, ist insbesondere nicht deshalb unwirksam, weil sie auch verbrauchsunabhängige Kosten erfasst. Nach § 307 Abs. 1 BGB ist eine AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Zwar ist eine Umlage der Betriebskosten nach der Personenanzahl an sich nur zulässig, soweit es sich um verbrauchsunabhängige Betriebskosten handelt (vgl. Wiederhold in BeckOK BGB, § 556a BGB Rn. 18; Arzt in Staudinger, Neubearbeitung 2021, § 556a BGB Rn. 25). Eine Klausel, die – wie hier § 3 Abs. 4 – auch verbrauchsunabhängige Betriebskosten der Verteilung nach der Personenanzahl zuweist, ist gleichwohl nicht gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (wie hier wohl auch Arzt in Staudinger, Neubearbeitung 2021, § 556a BGB Rn. 25; a.A. aber wohl Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 556a BGB Rn. 23 und Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 556a BGB Rn. 17).

aa. Zwar kann eine Umlage nach der Personenanzahl bei verbrauchsunabhängigen Betriebskosten wie der Grundsteuer erkennbar zu unbilligen Ergebnissen führen (Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 556a BGB Rn. 23). Eine Klausel ist aber nur dann gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vorliegt. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann eine Verteilung verbrauchsunabhängiger Betriebskosten nach der Personenanzahl für einzelne Mieter aber auch gerade vorteilhaft sein. Deswegen entspräche es dem Telos des § 307 BGB nicht, eine entsprechende Klausel generell für unwirksam zu halten. Vielmehr ist der Vermieter als regelmäßiger Verwender der Klausel an sie gegenüber denjenigen, die von ihr profitieren, gebunden.

bb. Zwar könnte es ihm hingegen gegenüber anderen Mietern dann verwehrt sein, entsprechend der Klausel abzurechnen, „wenn verschieden große Wohnungen von unterschiedlich vielen Personen genutzt werden und der betroffene Mieter doppelt so viel zahlt wie bei Wahl des Flächenmaßstabs“ (Arzt in Staudinger, Neubearbeitung 2021, § 556a BGB Rn. 25; vgl. auch AG Neuss, Urteil vom 22.01.1988 – 36 C 532/87, NJW-RR 1988, 653). Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor, da der Kläger von einer Kostenverteilung nach der Personenanzahl gerade profitieren würde.

b. Die Klausel ist auch nicht deshalb gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Betriebskosten nach ihrem Wortlaut nur nach dem Verhältnis der Anzahl der Mieter und nicht nach dem Verhältnis der in den jeweiligen Wohnungen lebenden Personen verteilt werden könnten. Zwar könnte eine nur auf die Mieter abstellende Verteilung zu einer unangemessenen Benachteiligung insbesondere alleinstehender Mieter führen, da der von ihnen zu tragende Kostenanteil vor allem davon abhängig wäre, wie viele Personen für Wohnungen mit mehreren Bewohnern die Stellung als Mieter einnehmen würden. Die gebotene Auslegung der Klausel nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ergibt jedoch, dass die Parteien ihrem Vertrag kein solches „formales“ Verständnis des Mieterbegriffs zugrunde gelegt haben. Denn der Sinn und Zweck der Verteilung der Betriebskosten nach der Personenanzahl ist das Erreichen einer tatsächlich oder vermeintlich höheren Verteilungsgerechtigkeit (kritisch dazu Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 556a BGB Rn. 70). Eine solche könnte jedoch ersichtlich jedenfalls dann nicht erreicht werden, wenn nur auf die in den Mietverträgen als Mieter genannten Personen und nicht auf die in den Wohnungen lebenden Personen abgestellt würde. In dieser Weise haben, wie die bis zur streitgegenständlichen Änderung durchgeführte Abrechnungspraxis, die auf das Verhältnis der „Köpfe“ und nicht bloß der Mieter abgestellt hat, bestätigt, auch die Parteien den Vertrag bei dessen Abschluss verstanden.

2. Der Verteilungsschlüssel wurde durch die Beklagte nicht gemäß § 3 Abs. 5 des Vertrags wirksam geändert. Nach Satz 1 dieser Regelung kann die Beklagte den Abrechnungsmaßstab bei Vorliegen sachlicher Gründe durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mieter ändern. Ein sachlicher Grund liegt gemäß Satz 2 vor, wenn sich der bisherige Umlegungsmaßstab als unzweckmäßig oder unbillig erweist.

a. Diese Klausel ist nicht unwirksam, weil sie Heiz- und Warmwasserkosten nicht gesondert erwähnt. Zwar ist eine vertragliche Regelung, die dem Vermieter einen Anspruch auf Zustimmung des Mieters zur Änderung des Verteilungsschlüssels bzw. eine Möglichkeit zur einseitigen Neubestimmung desselben einräumt, unwirksam, wenn die Regelungen der §§ 7 – 9 HeizKV nicht ausgenommen sind (Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 556a BGB Rn. 10). Dies wurde hier aber beachtet. Zwar enthält der Wortlaut des § 3 Abs. 5 keine Beschränkung seines Anwendungsbereichs. Nach der Systematik des Vertrags regelt § 3 Abs. 5 jedoch eine Möglichkeit zur Änderung des in § 3 Abs. 4 grundsätzlich vereinbarten Verteilungsschlüssels. § 3 Abs. 4 erstreckt sich aber ausdrücklich nicht auf die Heiz- und Warmwasserkosten. Daraus folgt, dass auch die auf § 3 Abs. 4 bezogene Änderungsmöglichkeit des § 3 Abs. 5 diese Kosten nicht erfasst.

b. Das Schreiben der Beklagten vom 07.12.2017 hat aber mangels eines sachlichen Grunds im Sinne des § 3 Abs. 5 zu keiner Änderung des Verteilungsschlüssels geführt. Ein solcher Grund ist nach dem zweiten Satz der Regelung gegeben, wenn sich der bisherige Umlegungsmaßstab als unzweckmäßig oder unbillig erweist. Aus dieser Formulierung („erweist“) folgt, dass die Beklagte zu einer Änderung nur dann berechtigt ist, wenn sich Unzweckmäßigkeiten oder Unbilligkeiten aus Entwicklungen ergeben haben, die bei Vertragsschluss noch nicht eingetreten und nicht absehbar waren. Daran fehlt es hier.

aa. Der bisherige Umlegungsmaßstab hat sich nicht als unzweckmäßig erwiesen.

(1) Eine Unzweckmäßigkeit folgt nicht aus etwaigen Ermittlungsschwierigkeiten in Bezug auf die Personenanzahl. Dabei kann dahinstehen, ob es der Beklagten – wie sie behauptet – in den vergangenen Jahren nicht gelungen ist, die Anzahl der in den Wohnungen lebenden Personen nachzuhalten. Denn selbst wenn dies so gewesen und der Beklagten eine sichere Ermittlung der Personenzahl auch durch – für sie und die Mieter – zumutbare Mechanismen nicht möglich wäre, ergäbe sich daraus kein sachlicher Grund im Sinne des § 3 Abs. 5. Entscheidet man sich bei Mietvertragsschluss für die Kostenverteilung nach der Personenanzahl, liegt nämlich auf der Hand, dass die in den Wohnungen lebenden Personen ständig ermittelt werden müssen und dies mit Hindernissen verbunden sein kann – etwa, weil Meldungen hinzugekommener Personen zur Senkung der Kostenlast bewusst unterlassen oder schlicht vergessen werden. Auf diese naheliegenden Probleme der Verteilung nach der Personenanzahl wird auch in der mietrechtlichen Literatur hingewiesen (vgl. etwa Zehelein in MüKoBGB, 8. Aufl., § 556a Rn. 36). Der zur Ermittlung der Personenanzahl erforderliche Aufwand war also schon bei Vertragsschluss erkennbar und kann daher keinen sachlichen Grund im Sinne des § 3 Abs. 5 begründen.

Anders wäre dies nur, wenn sich im Laufe des Mietverhältnisses ein zur Ermittlung der Personenanzahl notwendiger Aufwand ergeben hätte, der bei Vertragsschluss noch nicht absehbar war. Die Beklagte hat aber nichts dazu vorgetragen, dass sich der entsprechende Aufwand seit dem Vertragsschluss im Jahr 2013 erhöht hätte – was möglicherweise etwa dann angenommen werden könnte, wenn eine signifikant höhere „Fluktuation“ der in dem Haus lebenden Personen zu verzeichnen gewesen wäre. Es ist auch sonst nicht erkennbar, dass sich insoweit eine relevante Neuentwicklung zugetragen hätte.

(2) Gegen die Annahme einer Unzweckmäßigkeit spricht zudem, dass die Beklagte einzelne Kosten weiterhin nach der Personenanzahl umlegen wird bzw. muss und die Personenanzahl daher ohnehin (möglichst) korrekt zu ermitteln hat. Zwar kann ein Vermieter aufgrund der auch bei größtmöglicher Sorgfalt bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Ermittlung der Personenanzahl von diesem Umlageschlüssel in Neuverträgen – soweit zulässig – absehen. Wenn er die Personenanzahl aber ohnehin ermitteln muss, ist es ihm jedenfalls zumutbar, diese im Rahmen von bereits bestehenden Verträgen, in denen dieser Umlageschlüssel als Grundsatz vorgesehen ist, auch für andere Positionen zu verwenden.

bb. Der Verteilungsschlüssel hat sich auch nicht als unbillig erwiesen.

(1) Eine im Rahmen des § 3 Abs. 5 relevante Unbilligkeit ergibt sich nicht daraus, dass die Kostenverteilung nach der Personenanzahl dazu führen könnte, dass ein Mieter einer kleinen Wohnung einen ebenso hohen Anteil an (bestimmten) Nebenkosten tragen würde wie ein Mieter einer großen Wohnung. Denn dies ist eine naheliegende Konsequenz der Verwendung dieses Verteilungsschlüssels, für die sich die Beklagte bei Vertragsschluss im Jahr 2013 bewusst entschieden hat. Sie hat in Bezug hierauf auch nicht substantiiert vorgetragen, dass sich seither neue Entwicklungen ergeben hätten. Insbesondere hat sie nämlich nicht ausgeführt, ob der von ihr behauptete Anstieg der Nebenkosten nur auf die Inflation oder auf bei Vertragsschluss nicht erkennbare Entwicklungen zurückzuführen sei. Daher kann dahinstehen, ob die entsprechenden Ausführungen der Beklagten vom 06.10.2021 verspätet waren.

(2) Eine relevante Unbilligkeit ergibt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch nicht aus einer vermeintlich vermehrten Nutzung des eigenen Wohnraums.

(a) Insbesondere folgt eine Unbilligkeit nicht aus einer vermehrten Nutzung des Wohnraums auch als Home-Office. Zwar mag in tatsächlicher Hinsicht möglich sein, dass auch nach Abklingen der Sars-CoV2-Pandemie viele Beschäftigte ihren Wohnraum weiterhin auch als Home-Office nutzen werden. Allerdings erscheint jedenfalls offen zu sein, in welchem Umfang dies der Fall sein wird. Mit dieser Unsicherheit hat sich die Beklagte aber nicht auseinandergesetzt. Schon deshalb ist ihr Vortrag insoweit unsubstantiiert und daher unbeachtlich.

Eine anhaltend starke Nutzung des Home-Office würde zudem ohnehin nicht dazu führen, dass die Umlegung der Betriebskosten nach der Personenanzahl unbillig(er) würde. Die Beklagte behauptet hierzu offenbar, dass das Vorhandensein einer großen Wohnfläche die Wahrscheinlichkeit einer Nutzung derselben auch als Home-Office erhöhe; die dann verstärkte Nutzung rechtfertige – wie die Beklagte meint – die Tragung eines höheren Betriebskostenanteils. Die Behauptung, dass das Vorhandensein einer größeren Wohnfläche die Wahrscheinlichkeit zur Nutzung des Wohnraums als Home-Office in erheblicher Weise erhöhe, ist jedoch ebenfalls unsubstantiiert. Die Beklagte hätte sich zur Substantiierung ihrer Behauptung zumindest damit auseinandersetzen müssen, dass die Entscheidung, ob eine Wohnung auch als Home-Office genutzt wird, neben vielen weiteren Faktoren auch davon abhängen kann, wie viele Personen (im Verhältnis zur Wohnfläche) in ihr leben. Überdies hat die Beklagte nicht dargelegt, ob der „Trend“ zur vermehrten Arbeit im Home-Office im Jahr 2017 – in welchem sie dem Kläger gegenüber die geplante Änderung des Umlageschlüssels angekündigt hat – überhaupt schon in relevantem Umfang festzustellen war, sodass ihr Vortrag auch aus diesem Grund unsubstantiiert ist.

(b) Soweit die Beklagte überdies behauptet, dass Mieträume vermehrt auch Freunden oder Kollegen zur Mitnutzung angeboten würden, und dies bei größeren Wohnungen wahrscheinlicher sei, ist dies ebenfalls unsubstantiiert. Es ist nämlich schon nicht ersichtlich, ob dies dahingehend zu verstehen sein solle, dass Freunde und Kollegen vermehrt in privaten Kontexten eingeladen würden. Sollte die Beklagte dies behaupten wollen, wäre nicht erkennbar, worauf sie die Annahme einer solchen Entwicklung stützen würde. Hätte sie behaupten wollen, dass Freunden und Kollegen der eigene Wohnraum angeboten würde, damit diese von dort aus ihre Arbeit erledigen können, würde dies umso mehr gelten, da eine (Mit-)Nutzung des Home-Office durch Dritte bislang jedenfalls nicht verbreitet sein dürfte und die Beklagte ihre Behauptung daher eingehender hätte erläutern müssen.

(3) Eine Unbilligkeit der Verteilung der Betriebskosten nach der Personenanzahl ergibt sich auch nicht aus dem Einverständnis der anderen Mieter mit der Änderung des Verteilungsschlüssels. Denn dieser Umstand indiziert das Vorliegen (neuer) Unbilligkeiten nicht. Das Einverständnis mit einer solchen Neuregelung kann nämlich auch auf anderen Motiven beruhen. Dies erklärt sich von selbst mit Blick auf jene, die in verhältnismäßig kleinen Wohnungen (oder verhältnismäßig großen Wohnungen mit vielen Personen) leben und daher von der Neuregelung profitieren würden. Es mag aber auch Personen geben, die die für sie anfallenden Mehrkosten zu tragen bereit sind, um andere zu entlasten, oder der Änderung aus schlichtem Desinteresse zustimmten.

cc. Soweit die Beklagte anführt, dass § 3 Abs. 4 des Vertrags als ungenau angesehen werden könne, da nach dem Wortlaut dieser Regelung für die Umlage der Betriebskosten nur die Mieter selbst berücksichtigt werden könnten, ist dies – wie gezeigt – nicht der Fall. Überdies würde eine etwaige Ungenauigkeit des § 3 Abs. 4 ohnehin keinen sachlichen Grund im Sinne des § 3 Abs. 5 begründen.

dd. Dies gilt umso mehr für die rechtlichen Bedenken der Beklagten in Bezug auf § 3 Abs. 5. Diese Regelung ist – wie gezeigt – nicht zu unbestimmt. Beurteilte man dies anders, wäre die Klage zudem erst recht begründet. Denn dann wäre § 3 Abs. 5 unwirksam, sodass der Beklagten überhaupt kein vertragliches Abänderungsrecht in Bezug auf den Verteilungsschlüssel zustünde. Sie hätte dann lediglich unter den – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung (vgl. Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 556a BGB Rn. 11).

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.

IV. Streitwert: 1.500 EUR.

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