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Betriebskostenabrechnung bei Gewerberaummietvertrag – Reichweite Belegeinsichtnahme

LG Hamburg – Az.: 418 HKO 117/18 – Teilurteil vom 30.04.2020

I. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, der Klägerin alle Unterlagen und Belege im Original, soweit vorhanden, alternativ Belegkopien unter Nachweis, dass diese den Originalen gleichstehen zur Einsicht vorzulegen, die den Abrechnungen sämtlicher Nebenkosten für die Jahre 2013 und 2014 im Zusammenhang mit dem durch Mietvertrag vom 25./27.06.2012 begründeten Mietvertrag für das Objekt mit der postalischen Bezeichnung K. … ,… H.- P. zugrunde liegen, insbesondere sämtliche Verträge, die die Beklagte mit Dritten abgeschlossen hat und die in die Abrechnung eingeflossen sind, sämtliche in die Abrechnungen eingeflossenen Rechnungen einschließlich der zugehörigen Lieferscheine, Stundenzettel, sämtliche Unterlagen zur Ermittlung der Umlageschlüsse und sämtliche Ableseprotokolle für die Mieter.

II. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, der Klägerin alle Unterlagen und Belege im Original, soweit vorhanden, alternativ Belegkopien unter Nachweis, dass diese den Originalen gleichstehen, zur Einsicht vorzulegen, die den Abrechnungen für die Jahre 2013 und 2014 der so genannten E.-Vereinbarungen für das Objekt mit der postalischen Bezeichnung, K. … …. H.- P., zugrunde liegen, insbesondere sämtliche Verträge, die die Beklagte mit Dritten abgeschlossen hat und die in die Abrechnung eingeflossen sind, sämtliche in die Abrechnungen eingeflossene Rechnungen einschließlich der zugehörigen Lieferscheine, Stundenzettel, sämtliche Unterlagen zur Ermittlungen der Umlageschlüssel sowie sämtliche Ableseprotokolle für die Mieter.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,- vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Auskunftspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin betreffend Unterlagen und Belege, welche den Nebenkostenabrechnungen der Beklagten zu 2. gegenüber der Klägerin für die Jahre 2013 und 2014 zugrunde liegen, insbesondere um die Vorlage des zwischen den Beklagten abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages und Unterlagen zur Ermittlung des Flächenschlüssels, sowie um Rückzahlungsansprüche der Klägerin aufgrund überzahlter Nebenkosten im genannten Zeitraum.

Die Klägerin und die Beklagte zu 1. sind durch den als Anlage K 1 vorgelegten Mietvertrag vom 25./27.06.2012 über eine Gewerbefläche in dem im Eigentum der Beklagten zu 1. stehenden Einkaufszentrum in K. … , H.- P., die Klägerin und die Beklagte zu 2. durch die als Anlage K 7 vorgelegte sog. E.-Vereinbarung vom 27.06.2012 verbunden. Die Beklagte zu 2. ist Verwalterin des Einkaufszentrums.

Betriebskostenabrechnung bei Gewerberaummietvertrag - Reichweite Belegeinsichtnahme
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

§§ 7, 7a des Mietvertrages regeln die Umlage von Nebenkosten, welche gemäß § 7 Abs. 5 im Wege der Nebenkostenvorauszahlungen zu leisten sind. Die Größe der für die Nebenkosten zu berücksichtigenden Ladenfläche wird in § 7a Ziffer 1 des Mietvertrages mit 6.733,65 m2 angegeben. Im Einklang mit § 7a Ziffer 5 sind nebenkostenerhebliche Leistungen der Beklagten zu 2. übertragen. Weiter sehen § 1.1-1.3 der E.-Vereinbarung die Übernahme weiterer Betriebskostenpositionen durch die Klägerin vor, Vorauszahlungen hierauf sind gemäß § 2 zu leisten. Die Beklagte zu 2. rechnet über die Nebenkosten ab.

Die Beklagte zu 2. rechnete gegenüber der Klägerin die Heiz- und Nebenkosten der Jahre 2013 und 2014 ab.

Mit Schreiben vom 14.05.2018 bat die Klägerin um Einsicht in die der Nebenkostenabrechnung für 2014 zugrundeliegenden Dokumente im Original. Im Rahmen eines auf den 15.10.2018 vereinbarten Termins wurden Ausdrucke der Abrechnungsunterlagen vorgelegt. Unterlagen, welche dem Quadratmeterschlüssel zugrunde liegen sowie der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Beklagten und der E.-Gesellschaft, dessen Kosten zumindest teilweise im Rahmen der Nebenkostenabrechnungen umgelegt werden, fehlten. Ein weiterer Termin zur Belegeinsicht wurde auf den 26.11.2018 vereinbart. Dieser wurde von der Klägerin am selbigen Tage abgesagt, da die Beklagten ihr auszugsweise Einsicht in die abrechnungsrelevanten Passagen des Geschäftsbesorgungsvertrages sowie Flächenübersichten in Form einer Liste / tabellarischen Übersicht mit Erläuterungen angeboten hatten, nicht aber die Vorlage vollständiger, papierförmiger Originale des Geschäftsbesorgungsvertrages sowie der dem Quadratmeterschlüssel zugrunde gelegten Unterlagen. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde mit E-Mail vom 30. November 2018 seitens der Beklagten zu 2. nochmals mitgeteilt, in welchem Umfang der Geschäftsbesorgungsvertrag und die Flächennachweise in möglichen Folgeterminen würden eingesehen werden können. Zu solchen Terminen kam es in der Folge nicht.

Die Klägerin behauptet, die Beklagten würden über Originalbelege sowie ein Aufmaß nach Maßgabe der gif-Richtlinien Mf-H verfügen.

Die Klägerin meint, die Beklagten seien als Vermieterin bzw. de facto Vermieterin verpflichtet, Verträge auch mit Dritten vollständig und im Original vorzulegen, wenn diese Grundlagen für Rechnungen seien, die in die Nebenkostenabrechnung eingeflossen sind. Entsprechendes gelte für die zugehörigen Rechnungen.

Die vertraglich festgelegte Fläche sei ohne Belang, da nach Fläche zu verteilende Nebenkostenabrechnungen nach den tatsächlich vorhandenen Flächen umzulegen seien. Deren Überprüfung erfordere die Vorlage der Ableseprotokolle und vollständigen Unterlagen im Original, welche die Beklagte zu 1. der Ermittlung der m2 – Umlageschlüssel zugrunde gelegt habe.

Die Klägerin beantragt im Wege der Stufenklage,

1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, der Klägerin alle Unterlagen und Belege im Original vorzulegen, die den Abrechnungen sämtlicher Nebenkosten für die Jahre 2013 und 2014 im Zusammenhang mit dem durch Mietvertrag vom 25./27.06.2012 begründeten Mietvertrag für das Objekt mit der postalischen Bezeichnung K. … ,… H.- P. zugrunde liegen, insbesondere sämtliche Verträge, die die Beklagte mit Dritten abgeschlossen hat und die in die Abrechnung eingeflossen sind, sämtliche in die Abrechnungen eingeflossenen Rechnungen einschließlich der zugehörigen Lieferscheine, Stundenzettel, sämtliche Unterlagen zur Ermittlung der Umlageschlüsse und sämtliche Ableseprotokolle für die Mieter,

2. ggf. die Vollständigkeit der Unterlagen an Eides statt zu versichern,

3. an die Klägerin einen Betrag in nach Einsichtsgewährung zu bestimmender Höhe nebst 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

die Beklagte zu 2. zu verurteilen

4. der Klägerin alle Unterlagen und Belege, die den Abrechnungen für die Jahre 2013 und 2014 der so genannten E.-Vereinbarungen für das Objekt mit der postalischen Bezeichnung, K. … …. H.- P., zugrunde liegen, insbesondere sämtliche Verträge, die die Beklagte mit Dritten abgeschlossen hat und die in die Abrechnung eingeflossen sind, sämtliche in die Abrechnungen eingeflossene Rechnungen einschließlich der zugehörigen Lieferscheine, Stundenzettel, sämtliche Unterlagen zur Ermittlungen der Umlageschlüssel sowie sämtliche Ableseprotokolle für die Mieter,

5. ggf. die Vollständigkeit der Unterlagen an Eides statt zu versichern,

6. an die Klägerin einen Betrag in nach Einsichtsgewährung zu bestimmender Höhe nebst 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Klägerin sei bekannt, nach welcher Methode die Beklagte zu 1. Flächenberechnungen vornehme.

Sie meint, der Anspruch auf Rechnungslegung erfordere nicht zwingend die Vorlage von Belegen in Papierform, diese könnten auch elektronisch erfasst und für die Belegprüfung reproduziert werden. Auch eine Vorlage vorhandener Originale sei nur dann geboten, wenn begründete und nachvollziehbare Zweifel an der Richtigkeit der Auszüge bestehen.

Weder Aufmaßpläne noch Mietverträge anderer Mieter könnten im Wege der Akteneinsicht verlangt werden, letztere seien bereits nicht abrechnungsrelevant. Aufmaßpläne hätten gegenüber Flächenplänen keinen Mehrwert mit Blick auf die Überprüfung der Nebenkostenabrechnung. Die nebenkostenrelevante Vertragsfläche der Klägerin sei zudem vertraglich festgelegt. Eine vermeintlich bestehende Flächenabweichung wäre jedenfalls zu substantiieren gewesen.

Ausreichend sei schließlich die Einsichtnahme in die abrechnungsrelevanten Inhalte des Geschäftsbesorgungsvertrages.

Die Richtigkeit und Vollständigkeit relevanter Unterlagen könne auch eidesstaatlich versichert werden.

Entscheidungsgründe

I. Zulässigkeit

Die Klage ist als Stufenklage gern. § 254 ZPO zulässig. Über den Auskunftsantrag (Klageantrag Ziff. 1 und 4) ist durch Teilurteil gern. § 301 ZPO zu entscheiden.

II. Begründetheit

Die Klage ist auf der ersten Stufe im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin hat Anspruch auf Vorlage aller Unterlagen und Belege, wenn und soweit diese für eine sachgerechte Prüfung der Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014 und Vorbereitung etwaiger Einwendungen gegen diese Abrechnungen notwendig sind gemäß § 259 BGB.

1. Unterlagen sind im Original oder in ausgedruckter Form, wenn diese in ihrer Beweiskraft einem Original gleichstehen, vorzulegen.

Im Rahmen der Belegeinsicht erstreckt sich das Einsichtsrecht des Mieters grundsätzlich auf die Originalunterlagen (LG Kempten, Urt. v. 16.11.2016 – 53 S 740/16, BeckRS 2016, 20368; KG, Urteil v. 22. März 2010 – 8 U 142/09 = BeckRS 2010, 8460; LG Freiburg NJW-RR 2011, 1096; LG Hamburg, Teilurteil v. 08.01.2010, BeckRS 2020, 193) dieser muss sich grundsätzlich nicht auf die Vorlage von Kopien verweisen lassen (LG Kempten, Urt. v. 16.11.2016 – 53 S 740/16, BeckRS 2016, 20368). Sollten Originalbelege nicht mehr umfassend vorhanden sein, so muss der Vermieter jedenfalls im Einzelnen darlegen und benennen, wo solche noch vorhanden sind und diese vorlegen (vgl. LG Hamburg, Teilurteil v. 08.01.2010, BeckRS 2020, 193). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird teilweise dann gemacht, wenn der Vermieter auf ein papierloses Büro umgestellt hat und Rechnungen in einer elektronischen Form vorliegen, die auch vom Finanzamt akzeptiert werden (BeckOGK/Drager, 1.1.2020, BGB § 556 Rn. 209; LG Berlin BeckRS 2018, 39067). Der Mieter muss sich auf eingescannte Daten verweisen lassen, wenn das vom Vermieter gewählte Scanverfahren zur Dokumentenspeicherung und -verwaltung fälschungssicher ist (LG Hamburg, WuM 2004, 97; AG Mainz, ZMR 1999, 114, Schmid, ZMR 2003, 15; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.05.2015 – I-10 U 29/15); aA LG Freiburg, NJW-RR 2011, 1096, Staudinger/Artz, 2018, Rn. 112 mwN). Präsentiert der Vermieter gescannte Belege, kann der Mieter nicht (vgl. aber AG Hamburg Urt. vom 12.04.2002, WuM 2002, 499, AG Hamburg Urt. vom 17.07.2002, WuM 2002, 499) schlicht einwenden, es handele sich nicht um Originale, wenn der Vermieter gleichzeitig ausführlich vorträgt, die vom Speichermedium ausgedruckten Belege stünden den Originalen gleich (LG Hamburg, Urt. v. 05.12.2003 – 311 S 123/02, BeckRS 2011, 14030).

2. Der Klägerin steht insbesondere auch ein Anspruch auf die Einsichtnahme in den gesamten Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Beklagten zu.

Zu den vom Vermieter vorzulegenden Abrechnungsunterlagen gehören grundsätzlich auch Verträge des Vermieters mit Dritten, soweit deren Heranziehung zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung und zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB erforderlich ist (BGH, Beschluss v. 22.11.2011 – VIII ZR 38/11, BeckRS 2012, 8073 – Wärmelieferungsvertrag). Diese Voraussetzung ist hier gegeben.

Der Vertrag ist auch insgesamt vorzulegen, weil die Klägerin nur so in der Lage ist, zu prüfen, ob eine Interessenkollision vorliegt und welche konkreten Positionen mit oder ohne gesonderte Berechnung versehen sind.

Kein Einsichtsrecht hat der Mieter nur in solche Belege, die sich ausschließlich auf nicht umlagefähige Kosten beziehen (BGH, NJW 2016, 1439 vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil v. 31.05.2015 – I-10 U 29/15). Da gerade diese Frage hier zu klären ist, ist der gesamte Dienstleistungsvertrag vorzulegen.

3. Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Einsicht in etwaig vorhandener Flächenpläne. Ein Mieter kann im Übrigen auch die Einsichtnahme in die vom Vermieter erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer eines gemeinsam versorgten Mietobjekts beanspruchen, um sich über die Richtigkeit der Kostenverteilung Klarheit zu verschaffen. Der Darlegung eines besonderen Interesses an einer Belegeinsicht bedarf es dann nicht (BGH, NJW 2018, 1599). Sofern und soweit Betriebskosten nach Flächenanteilen umgelegt werden, ist für die Abrechnung der jeweilige Anteil der tatsächlichen Wohnfläche der betroffenen Wohnung an der in der Wirtschaftseinheit tatsächlich vorhandenen Gesamtwohnfläche maßgebend. (BGH, NJW 2018, 2317).

III.

Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorbehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss vom 05.05.2020

Das Urteil vom 30.04.2020 ist ein Teil-Urteil.

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