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Betriebskostenabrechnung – fingierte Zustimmungserklärung wirksam?

LG Bochum – Az.: 17 O 85/19 – Urteil vom 29.09.2020

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung von gezahlten Nebenkosten für die Jahre 2014 bis 2017.

Die Klägerin mietete mit Vertrag vom 08.06.2012 / 20.06.2012 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten Ladenflächen im Einkaufszentrum „S“ (später umbenannt in „Q“). Wesentliche Bestandteile dieses Vertrages sind nach Ziffer 8 u. a. die Allgemeinen Mietbedingungen (AMB). In § 5 der AMB sind Regelungen zu den „Betriebs- und Nebenkosten sowie Heizkosten“ niedergelegt. In § 5 Ziffer 7 Abs. 3 der AMB heißt es:

Die Abrechnung gilt als vom Mieter anerkannt, wenn er nicht innerhalb einer Frist von acht Wochen nach Zugang der Abrechnung unter Mitteilung seiner Einwendungen schriftlich widerspricht und der Vermieter in der Abrechnung unter Benennung der Frist ausdrücklich auf diese Wirkung hingewiesen hat. Der Vermieter wird den Mieter auf dessen Wunsch nach vorheriger terminlicher Abstimmung innerhalb der vorgenannten Frist in der Verwaltungszentrale des Vermieters/Verwalters oder im Objekt Einsicht in die Abrechnungsunterlagen geben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages und der drei Nachträge, die die Parteien später vereinbarten sowie der AMB wird auf die Anlagen K1 bis K4 ergänzend Bezug genommen.

Für die streitgegenständlichen Jahre 2014 bis 2017 ließ die Beklagte Nebenkostenabrechnungen erstellen, die der Klägerin zugingen. In den Abrechnungen war jeweils ein Anschreiben vorangestellt, welches jeweils den nachfolgenden Passus enthielt:

Die Abrechnung gilt als von Ihnen anerkannt, wenn Sie nicht innerhalb einer Frist von zwölf Wochen nach Zugang der Abrechnung schriftlich widersprechen bzw. Ihre Einwendungen mitteilen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Abrechnungen wird auf die Anlagen K 5 – K 8 ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin erhob im Hinblick auf die einzelnen Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2014 bis 2017 innerhalb einer Frist von 8 bzw. 12 Wochen nach Zugang jeweils keinen Widerspruch.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage verschiedene Abrechnungspositionen in den Abrechnungen 2014 bis 2017 als unberechtigt geltend und zwar nicht umlagefähige Versicherungskosten in Höhe von insgesamt 18.993,93 Euro (netto), nicht umlagefähige Kosten für die technische Betreuung vor Ort in Höhe von insgesamt 123.277,28 Euro (netto), nicht umlagefähige Kosten der kaufmännischen Betreuung vor Ort in Höhe von insgesamt 59.141,07 Euro (netto), nicht umlagefähige Kosten für die Wartung von Gemeinschaftseinrichtungen in Höhe von insgesamt 79.301,40 Euro (netto) sowie eine unzulässige Vorverteilung und einen unzulässigen Umlageschlüssel, die zu unberechtigten Kosten in Höhe von insgesamt 223.685,91 Euro (netto) führen würden. Insgesamt errechnet die Klägerin so einen Betrag von 504.399,59 Euro netto und 600.235,50 Euro brutto, von dem sie die rechnerischen – von ihr nicht gezahlten – Nachforderungen aus den Abrechnungen 2016 mit 17.060,23 Euro und 2017 mit 22.884,73 Euro in Abzug bringt, so dass sich der Klagebetrag von 560.290,54 Euro ergibt.

Soweit die Klägerin in der Klageschrift ursprünglich 4.610,32 Euro mehr verlangt hat, hat sie die Klage mit Schriftsatz vom 04. Mai 2020 insoweit teilweise zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 560.290,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 13.01.2020 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.600,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin nach Maßgabe von § 5 Ziff. 7 Abs. 3 der AMB durch ihr Schweigen innerhalb der Frist von 8 Wochen bzw. 12 Wochen nach Zugang der jeweiligen Abrechnungen diese jeweils anerkannt habe, so dass jedenfalls keine Ansprüche bestehen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und des unstreitigen Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Diese Entscheidung beruht – gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefasst – auf folgenden Erwägungen:

Der Klägerin stehen die von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil hinsichtlich der von ihr angegriffenen Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2014 bis 2017 jeweils die Anerkenntnisfiktion nach § 5 Ziff. 7 Abs. 3 der AMB eingreift.

1. Die Regelung in § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB ist wirksam.

Ein berechtigtes Interesse an einer solchen Regelung ist evident, weil ansonsten – begrenzt nur durch Verjährung und Verwirkung – zeitlich uneingeschränkt noch Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnungen vorgebracht werden können.

Die Regelung erfüllt die beiden kumulativ notwendigen Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB. Diese Regelung ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich hier um Unternehmen handelt (§ 310 BGB). Es ist aber anerkannt, dass bei der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB die in § 308 BGB zum Ausdruck kommenden Wertungen auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen zu berücksichtigen sind.

a) Die in § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB gesetzte Frist von 8 Wochen ist im Sinne des § 308 Nr. 5 a) BGB angemessen. So wird etwa eine Frist von 4 bis 6 Wochen als angemessen vertreten (Beyerle/Lindner-Figura/Opré/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl. 2017, Kap. 11, Rn. 216; Sternel Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, II Rn. 127). Die hier gewährten 8 Wochen sind daher nicht zu beanstanden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass nach § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB die Einsicht in die Abrechnungsunterlagen innerhalb dieser Frist zu gewähren ist. Auch wenn das Erheben von Einwendungen mehr als den bloßen Widerspruch darstellt, ist dafür eine vorherige Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen nicht erforderlich. Hinreichend für den Begriff von Einwendungen ist, dass der Mieter seine Beanstandungen so konkret anbringt, dass der Vermieter erkennen kann, wo genau der Mieter Korrekturanlass sieht (vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 556 Rn. 501; Münchener Kommentar/Zehelein, 8. Aufl. 2020, § 556 Rn. 101). Dafür genügt eine summarische Prüfung der Abrechnung selbst; eine vorherige Einsicht in die zugrunde liegenden Unterlagen ist nicht notwendig. Anhaltspunkte dafür, dass die danach geltend zu machenden Einwendungen auch substantiiert sein müssten, sieht das Gericht nicht.

b) Die Klausel in § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB genügt auch den Anforderungen des § 308 Nr. 5 b) BGB. Danach muss der Verwender sich verpflichten, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung besonders hinzuweisen. Auch wenn sich in der hier verwendeten Klausel der Begriff „Pflicht“ nicht ausdrücklich findet, ist dies unschädlich. Denn mit Pflicht ist in diesem Zusammenhang nicht etwa eine vom Vertragspartner einklagbare Pflicht zu verstehen. Es handelt sich bei § 308 Nr. 5 b) BGB vielmehr um die Statuierung einer (Hinweis-)Obliegenheit (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 308 Rn. 34). Denn gibt der Verwender den Hinweis bei Beginn der Frist nicht, so knüpfen sich daran für ihn negative Folgen, d.h. die Fiktionswirkung tritt nicht ein. Genau dies wird mit der hier verwendeten Klausel aber deutlich zum Ausdruck gebracht. Der verfolgte Gesetzeszweck, dass schon in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegt ist, dass der Verwender später bei Fristbeginn nochmals auf die Bedeutung seines Verhaltens, den Eintritt der Fiktionswirkung, besonders hinweisen wird, ist hier gewahrt.

c) Die Klausel in § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB ist auch nicht unwirksam, weil sie keine Regelung zur Frage einer unverschuldeten Fristversäumnis enthält. Dem § 308 Nr. 5 BGB ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber hier eine dahingehende Einschränkung für erforderlich gehalten hätte. Anders als bei Haftungstatbeständen, bei denen fehlendes Verschulden die Haftung regelmäßig in Frage stellt, kann dies hier bei der Fiktion einer Willenserklärung nur allenfalls mittelbar von Bedeutung sein. Naheliegender Weise sind dahingehende Ausnahmefälle über das für Willenserklärungen vorhandene Instrumentarium (Anfechtung) zu lösen.

Das Urteil des OLG Jena (NZM 2012, 643), auf das die Klägerin in diesem Zusammenhang abstellen will, ist hier schon deshalb nicht einschlägig, das es dort um eine Ausschlussfrist ging, d.h. dort nach Fristablauf bestimmte Ansprüche nicht mehr verfolgt werden konnten. Diese Problematik mag mit dem Eintritt von Verzug, der grundsätzlich ein Verschulden erfordert (§ 286 Abs. 4 BGB), vergleichbar sein, nicht aber mit der Fiktion von Willenserklärungen.

d) Die Klausel ist schließlich auch nicht wegen grober Einseitigkeit unwirksam. Eine solche grobe, zur Unwirksamkeit führende Einseitigkeit, ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte sich eine nachträgliche Korrektur der Abrechnung vorbehalten hat. Denn eine so vom Vermieter später abgeänderte Nebenkostenabrechnung gibt dem Mieter erneut die Möglichkeit, dieser wiederum nach § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB mit Einwendungen entgegenzutreten.

2. Die Beklagte hat im Hinblick auf die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2014 bis 2017 jeweils nach Maßgabe von § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB verfahren, so dass die Anerkenntnisfiktionswirkung jeweils eingetreten ist.

a) Die Klägerin ist auf diese Wirkung bei Fristbeginn besonders hingewiesen worden. Erforderlich ist dafür eine Form, die unter normalen Umständen eine Kenntnisnahme verbürgt (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 308 Rn. 30). Ein Hinweis befindet sich hier jeweils in einem gesonderten Absatz der jeweils nur aus wenigen Absätzen bestehenden Anschreiben der Beklagten (Anlagen K5 bis K8). Gerade im geschäftlichen Verkehr – wie hier – ist damit nach Auffassung des Gerichts in hinreichender Weise verbürgt, dass der Mieter zumindest dieses relativ kurze Anschreiben vollständig liest, zumal er eine solche Abrechnung regelmäßig nur einmal pro Jahr erhält. Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz in diesem Zusammenhang darüber hinaus eine hervorgehobene Verdeutlichung erfordern würde, sieht das Gericht nicht.

b) Der von der Beklagten in den Anschreiben K5 bis K8 jeweils gegebene Hinweis steht auch in Einklang mit den Anforderungen in § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB.

Betriebskostenabrechnung - fingierte Zustimmungserklärung wirksam?
(Symbolfoto: Von Iakov Filimonov/Shutterstock.com)

aa) Der Umstand, dass in der Klausel eine Frist von 8 Wochen niedergelegt ist, in dem Anschreiben mit dem Hinweis aber 12 Wochen eingeräumt werden, ist unschädlich. Denn hiermit verzichtet der Vermieter einseitig zu Gunsten des Mieters auf die vereinbarte kürzere Frist und gibt zu verstehen, dass er auch nach Ablauf von 8 Wochen und zwar bis zum Ablauf von 12 Wochen Einwendungen zulässt. Diese Vorgehensweise gereicht dem Mieter zum Vorteil

bb) Entsprechendes gilt hinsichtlich des Umstandes, dass die Beklagte in dem Hinweis die Formulierung „schriftlich widersprechen bzw. ihre Einwendungen mitteilen“ verwendet. Denn auch hier begnügt sich der Vermieter zu Gunsten des Mieters mit weniger als nach der Regelung in § 5 Ziff. 7 Abs. 3 AMB eigentlich vorgegeben ist. So lässt der Vermieter jeweils zum Ausschluss der Anerkenntnisfiktion bereits den bloßen schriftlichen Widerspruch bzw. die bloße Mitteilung von Einwendungen ausreichen. Auch diese Vorgehensweise ist für den Mieter vorteilhaft.

c) Da die Klägerin unstreitig die Abrechnungen für die Jahre 2014 bis 2017 nicht jeweils innerhalb von 8 Wochen bzw. 12 Wochen moniert hat, gelten diese als von ihr anerkannt. Auf einer etwaigen Unrichtigkeit der Abrechnungen 2014 bis 2017 basierende Ansprüche der Klägerin bestehen daher nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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