AG Hamburg – Az.: 48 C 198/21 – Urteil vom 13.05.2022
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 196,47 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 70 % und der Beklagte 30 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegnerpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegnerpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
4. Der Streitwert wird auf € 689,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht eine Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2019 geltend.
Mit Mietbeginn am 01. September 2015 schloss der Beklagte als Mieter einen Mietvertrag über das Wohnobjekt […] Hamburg, ab.
§ 3 des Mietvertrages weist neben einer „Nettomiete“ von € 520,00 als „Vorauszahlungen für die Betriebskosten“ € 75,00 und als „Vorauszahlungen für die Heizkosten“ € 40,00 aus.
Unter § 9 des Mietvertrages heißt es unter der Überschrift „Sonstige Vereinbarungen“ unter anderem:
„Nr. 4 Nebenkosten/ Betriebskosten: Der Mieter verpflichtet sich, die anteiligen Nebenkosten auch dann zu zahlen, wenn er die Leistungen des Vermieters nicht oder nur teilweise in Anspruch nimmt. […]“
In § 9 Nr. 3 werden Regelungen zur Benutzung der Mieträume, insbesondere das Bekleben, Anbohren und Entfernen einzelner Einrichtungen der Wohnung getroffen. In Nr. 5 geht es um den Bodenbelag.
Es wird wegen der Regelungen und deren kontextuelle Einbettung auf Anlage B1 Bezug genommen.
Die vormals unter […] firmierende Klägerin erwarb das Wohngebäude mit Wirkung zum 01. Mai 2018.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 rechnete die Klägerin gegenüber dem Beklagten über die Nebenkosten für 2019 ab und machte einen Nachzahlungssaldo in Höhe von € 689,00 geltend.
Die Abrechnung weist als Heizkostenanteil € 745,47 und als Gesamtkosten € 2.231,00 aus. Als Heizkostenvorauszahlungen sind € 549,00 in Abzug gebracht.
Die Klägerin veräußerte das Mietobjekt am 31. Dezember 2020.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 689,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er wendet ein, der Klägerin sei es verwehrt, die Nebenkostenforderung geltend zu machen, da sie nicht mehr Vermieterin sei. Die Abrechnung sei durch […] erfolgt und diese habe Zahlung an sich gefordert, weshalb der Saldo dieser und nicht der Klägerin zustehe. Im Mietvertrag seien umlagefähige Betriebskosten nicht vereinbart.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Soweit die Klägerin einen Nachzahlungssaldo wegen Betriebskosten (ohne Heizkosten) gegenüber dem Beklagten in Ansatz bringt, ist ihre Forderung unberechtigt.
Denn eine hierfür erforderliche vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien zur Umlage von Betriebskosten auf den Mieter fehlt.
Nach § 535 Abs. 1 S. 3 BGB hat der Vermieter die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.
Von dieser grundsätzlichen Weichenstellung dürfen die Mietvertragsparteien gemäß § 556 Abs. 1 S. 1 BGB durch vertragliche Vereinbarung abweichen.
Dies hat der Bundesgerichtshof bereits herausgearbeitet und mit Urteil vom 02. Mai 2012 – XII ZR 88/10 –, juris Rn. 14, klargestellt:
„Eine Vereinbarung dieses Inhalts muss dem Mietvertrag allerdings klar und eindeutig zu entnehmen sein. Es bedarf deshalb einer ausdrücklichen, inhaltlich bestimmten Regelung, aus der sich ergibt, dass der Mieter neben der Grundmiete ganz oder anteilig Betriebskosten zu tragen hat. Letztere müssen der Art nach konkretisiert werden. Nur dann ist es dem Mieter möglich, sich zumindest ein grobes Bild davon zu machen, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können.“
Diesen Maßstab zugrunde gelegt, ergibt sich eine Übertragung von Betriebskosten auf den Beklagten dergestalt, dass über geleistete Vorauszahlungen nach tatsächlich angefallenen Kosten anteilig abzurechnen und im Falle von die Vorauszahlungen übersteigenden tatsächlichen Kosten ein Nachzahlungssaldo begründet wäre, nicht.
Zwar ist § 3 des Mietvertrages zu entnehmen, dass eine „Vorauszahlung“ für Betriebs- und Heizkosten zu leisten ist. Es findet sich jedoch keine Regelung dazu, dass und gegebenenfalls welche konkreten Betriebskosten umlage- und abrechnungsfähig sein sollen. Eine Konkretisierung der Art nach, welche dem Mieter ein zumindest grobes Bild der auf ihn zukommenden Betriebskosten gibt, fehlt.
Allerdings sind bei der Ermittlung etwaiger gegenüber dem Mieter abrechenbarer Kostenarten die getroffenen Abreden gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei die gesamten vertraglichen Regelungen und Absprachen umfassend einzubeziehen sind. Danach genügt es, wenn sich die Betriebskosten, die der Mieter zu tragen hat, hinreichend sicher bestimmen lassen. Insofern kann es etwa ausreichen, wenn der Vertrag auf einschlägige Verordnungen Bezug nimmt (BGH, Urteil vom 02. Mai 2012 – XII ZR 88/10 –, juris Rn. 15).
Doch sind abrechenbare Betriebskosten vorliegend auch nicht durch Auslegung des gesamten Vertrages bestimmbar.
Einen Verweis auf einschlägige Verordnungen enthält der Vertrag nicht.
Auch trägt der bloße Umstand, dass „Vorauszahlungen für die Betriebskosten“ vereinbart wurden, nicht die Annahme, dass damit etwa eine Umlage nach der Betriebskostenverordnung vereinbart worden sei. Dahingehende Anhaltspunkte lässt der Mietvertrag nicht erkennen. Einem durchschnittlichen Mieter ist auch keineswegs geläufig, dass eine Abrechnung von Betriebskosten häufig am Maßstab der Betriebskostenverordnung ausgerichtet ist. Der Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Mieters ist bei der Auslegung nach der Verkehrsauffassung indes zugrunde zu legen.
Die Höhe der vereinbarten „Vorauszahlungen“ im Verhältnis zur vereinbarten „Nettomiete“ lässt ebenso wenig einen Rückschluss darüber zu, ob und gegebenenfalls welche konkret anfallenden Kosten letztlich vom Mieter zu tragen sein könnten. Allgemeine Maßstäbe für ein – etwa bei Anwendung der Betriebskostenverordnung – ausgewogenes Verhältnis zwischen Nettomiete und Vorauszahlungsbetrag existieren nicht und vermögen demnach keine Verkehrsauffassung zu prägen. Für die Auslegung der Vertragsbestimmungen bleibt dieser Aspekt insofern unfruchtbar.
Die Auslegung des Gerichts steht in keinem Widerspruch zur weiteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die sich die Klägerin berufen hat.
Zwar ging der Bundesgerichtshof in einer Konstellation, in der vertraglich für „Art und Umfang“ der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten auf die „Zweite Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung maßgebend“ Bezug genommen wurde, obwohl diese bereits außer Kraft getreten war, davon aus, dass dann die Kostenpositionen nach der geltenden Betriebskostenverordnung umlagefähig seien (BGH, Urteil vom 10. Februar 2016 – VIII ZR 137/15 –, juris Rn. 13).
Dieses Ergebnis gewann der Bundesgerichtshof allerdings aufgrund der Auslegung der vereinbarten Klauseln in ihrer Gesamtheit (BGH, Urteil vom 10. Februar 2016 – VIII ZR 137/15 –, juris Rn. 14). Einen allgemeinen Grundsatz dahingehend, dass bei Vereinbarung einer Betriebskostenvorauszahlung in jedem Falle eine Umlage nach der Betriebskostenverordnung zulässig sei, stellte der Bundesgerichtshof nicht auf. Dies hätte sich auch nicht mit dem methodischen Ansatz einer Auslegung vertragen.
Die Auslegung der hier relevanten Vertragsbestimmungen ist Sache des erkennenden Gerichts. Der zu beurteilende Fall liegt anders. Während in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Vertrag überhaupt eine Abrechenbarkeit konkret angefallener Kosten nach „Art und Umfang“ – nach welchem Maßstab auch immer – vorsah, enthält der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag keine hinreichend bestimmte Regelung dahingehend, dass überhaupt eine Umlage konkret angefallener Kosten sowie eine Abrechnung mit einem sich möglicherweise ergebenden Nachzahlungssaldo stattfinden solle.
Mag der Begriff der Betriebskosten in der Wohnraummiete seit Langem festgelegt sein und mag zudem § 556 Abs. 1 S. 2 BGB eine Legaldefinition hierfür bieten und mag das Gesetz ferner zum Erlass konkretisierender Verordnungen für die Aufstellung von Betriebskosten ermächtigen (BGH, Urteil vom 10. Februar 2016 – VIII ZR 137/15 –, juris Rn. 16), hilft dies dennoch nicht darüber hinweg, dass Betriebskosten gemäß § 556 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 und Alt. 2 BGB entweder als Pauschale oder als Vorauszahlung auf den Mieter übertragen werden können. Haben sich die Parteien für letzteres Modell entschieden, so muss den getroffenen Vereinbarungen ein dahingehend übereinstimmender Wille hinreichend deutlich zu entnehmen sein. Dies gilt insbesondere bei Verwendung eines Formularvertrages. Denn das Gesetzt sieht auch bei getrennter Ausweisung einer Betriebskostenbeteiligung des Mieters gerade vor, dass diese gemäß § 556 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB als nicht abrechenbare Pauschale ausgestaltet sein kann.
Ein Vorbehalt späterer Abrechnung ergibt sich nicht – jedenfalls nicht hinreichend klar im Sinne der §§ 305c Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 2 BGB – aus der Bezeichnung als „Vorauszahlung“. Denn auch die Nettomiete stellt nach § 556b Abs. 1 BGB regelmäßig eine Vorauszahlung für kommende Zeitabschnitte dar, ohne dass über sie noch im Nachgang abgerechnet würde. Dementsprechend lässt die Bezeichnung als „Vorauszahlung“ bei AGB-rechtlich gebotenem, mieterfreundlichem Verständnis noch ein dahingehendes Verständnis zu, dass die Betriebskosten ebenfalls monatlich im Voraus zu entrichten seien, ohne dass es später noch zu einer Abrechnung mit möglicher Nachforderung käme.
Eine wirksame Umlagevereinbarung enthält auch § 9 Nr. 4 des Mietvertrages schon inhaltlich nicht. Bei objektivierender Auslegung verpflichtet diese Klausel den Mieter zur Zahlung von „anteiligen Nebenkosten“ bei teilweiser Inanspruchnahme der Leistungen des Vermieters. Aus ihr geht nicht hervor, dass Betriebskosten als Teil der Nebenkosten nach deren konkretem Anfall abzurechnen wären. Die Formulierung indiziert auch keine Abrechnung über eine etwaige als Vorschuss geleistete Betriebskostenzahlung und setzt eine solche keineswegs voraus. Bei Vereinbarung einer Betriebskostenpauschale ohne spätere Abrechnung (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 556 Rn. 44) ist eine (zeit-)anteilige Kostentragung ebenfalls sinnvoll. Im Übrigen mag die Klausel eine Vereinbarung im Sinne des § 560 Abs. 1 S. 1 BGB darstellen.
Ob diese Klausel als Umlage- und Abrechnungsvereinbarung einer Klauselkontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB standhalten würde, bedarf mithin keiner Erörterung.
Das Mietvertragsverhältnis wurde auch nicht nachträglich um eine Umlage- und Abrechnungsvereinbarung ergänzt.
Vertragsparteien können zwar durch eine gegenseitig etablierte Praxis bei der Durchführung eines Vertrages konkludent dessen Inhalt modifizieren, sofern ihrem Verhalten aus Sicht des jeweiligen Erklärungsempfängers schlüssig der rechtsgeschäftliche Wille zu entnehmen ist, die gehandhabte Durchführung des Vertrages mit Wirkung für die Zukunft zu billigen und verbindlich festzuschreiben (BGH, Urteil vom 07. April 2004 – VIII ZR 146/03 –, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – VIII ZR 101/03 –, juris Rn. 19 f.; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2000 – XII ZR 35/00 –, juris Rn. 5; OLG Oldenburg, Urteil vom 16. Mai 1995 – 5 U 170/94 –, juris Rn. 33; LG Landau, Urteil vom 28. Februar 2001 – 1 S 354/00 –, juris Rn. 7; AG Düsseldorf, Urteil vom 11. Oktober 2010 – 41 C 6789/10 –, juris Rn. 13).
Insoweit kommt es auf die Umstände des Einzelfalles und eine objektivierende Betrachtung an, wobei der Umstand allein, dass eine Partei der Forderung der anderen Partei nachgibt und diese erfüllt, regelmäßig noch keinen Rechtsbindungswillen erkennen lässt.
Nach diesem Maßstab ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin keinesfalls eine konkludente Billigung durch den Beklagten. Dieser hat vielmehr auch die Nebenkostennachforderung für 2018 nicht freiwillig beglichen, sondern diese musste durch Versäumnisurteil tituliert werden.
Soweit mit der Nebenkostenabrechnung eine Nachzahlung hinsichtlich der Heizkosten gefordert wird, folgt eine Umlagefähigkeit auf den Mieter nach Verbrauch aus §§ 2 und 6 Abs. 1 S. 1 Heizkostenverordnung, ohne dass es insoweit einer konstitutiven vertraglichen Regelung bedürfte.
Dass die Klägerin nach zwischenzeitlicher Veräußerung des Grundstücks nicht mehr Vermieterin des Beklagten ist, steht ihrer Forderungsinhaberschaft nicht entgegen. Denn die Saldoforderung ist mit Zugang der Abrechnung vom 28. Oktober 2020 noch vor der Veräußerung des Wohngebäudes Ende 2020 fällig geworden.
Schließlich ist unerheblich, dass die Abrechnung gegenüber dem Beklagten durch eine im Namen der Klägerin handelnde Verwaltungsgesellschaft erfolgte, die zunächst Zahlung an sich verlangte. Die Einschaltung eines Dritten bei der Abrechnung sowie die Erteilung einer Einziehungsermächtigung lassen die Forderungsinhaberschaft des Vermieters unberührt.