LG München I – Az.: 14 S 10193/20 – Urteil vom 12.02.2021
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.07.2020, Az. 432 C 19678/18, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung mit Scan Ofen für Holzbefeuerung im 2. Dachgeschoss links, bestehend aus 2 Zimmern, Abstellkammer, Küche mit Einbauküche, Flur, WC mit Bad, und zu dieser Wohnung gehörendem Kellerraum des Hauses … (gemietet mit Mietvertrag vom 26.09.2009 – Anlage A1), zu räumen und geräumt an die Klagepartei herauszugeben.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
VI. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 31.07.2021 gewährt.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.286,40 € festgesetzt.
Gründe
I.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Zusammenfassend und ergänzend hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
Die Parteien streiten in zweiter Instanz – nach mehreren fristlosen sowie ordentlichen Kündigungen – um die Räumung und Herausgabe einer von der Beklagten angemieteten Wohnung im 2. DG links des Anwesens …. Ferner nimmt die Klagepartei die Beklagte auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 892,02 € in Anspruch.
Die Eheleute …, die ursprünglichen Kläger, vermieteten der Beklagten die streitgegenständliche Wohnung mit schriftlichem Mietvertrag vom 26.09.2009. Die Nettomiete betrug zuletzt 607,20 €. Die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen beliefen sich auf insgesamt 170,00 €. …, der ursprüngliche Kläger zu 1), verstarb am 16.12.2020.
Eine im Jahre 2012 von den Eheleuten … vor dem Amtsgericht München unter dem Az.: 472 C 8915/12 erhobene Räumungsklage gegen die Beklagte in der Folge einer Eigenbedarfskündigung vom 13.04.2011 wurde wegen der damals bei der Beklagten bestehenden Suizidgefahr erstinstanzlich abgewiesen; das Mietverhältnis wurde nach §§ 574, 574a BGB auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. Der hiergegen unter dem Az.: 14 S 24905/13 klägerseits eingelegten Berufung blieb der Erfolg versagt.
Am 09.10.2017 erfolgte die Einweisung der Beklagten in das …; sie verblieb dort stationär bis zum 04.04.2018.
Im November 2017 wurde die vorläufige Betreuung der Beklagten angeordnet. Deren Aufgabenkreis wurde am 23.01.2018 durch einstweilige Anordnung u.a. auf Wohnungsangelegenheiten erweitert.
Mit Schreiben vom 26.01.2018 kündigten die ursprünglichen Kläger der Beklagten erneut wegen Eigenbedarfs zum 31.10.2018. Auf das vorgenannte Kündigungsschreiben und die diesbezüglichen erstgerichtlichen Ausführungen wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 09.02.2018 (Anlage A 2, Bl. 23 ff. d.A.) wurde die Beklagte abgemahnt. Der Gegenstand der an die Beklagte selbst adressierten Abmahnung bestand u.a. darin, dass die Beklagte am 18.08.2017 sämtliche Dachfenster („Dachschrägen-Fenster“) ihrer Wohnung „so weit, wie es der Öffnungsmechanismus zulässt“ hatte offenstehen lassen, sodass während eines Unwetters mit Sturm, Starkregen und Hagel große Mengen an Regenwasser in das Mietobjekt eindringen konnten und darin einen Wasserschaden anrichteten. Die Beklagte meldete den Schadensfall in der Folgezeit ihrer Hausratsversicherung, die schließlich einen Betrag in Höhe von 1.500,00 € an die ursprünglichen Kläger bezahlte.
Mit Beschluss vom 23.02.2018 wurde unter dem Az. 712 XVII 6579/17 seitens des Amtsgerichts – Betreuungsgericht – München die Betreuung der Beklagten angeordnet, die auch die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Wohnungsangelegenheiten umfasste.
Nach der Entlassung der Beklagten aus dem … am 04.04.2018 wurde im Mai 2018 Rechtsanwalt … mandatiert, der sodann im Rahmen des PKH-Verfahrens der Beklagten als Prozessbevollmächtigter beigeordnet wurde.
Im darauffolgenden Monat kam es zu erneuten Auffälligkeiten der Beklagten im Rahmen der Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung, die zur Abmahnung vom 09.07.2018 führten. Gegenstand dieser „zweite[n] und letzte[n] Abmahnung“, die die Klagepartei an Rechtsanwalt … adressierte, war u.a. eine erneute „Wohnungsbeschädigung und Unterlassung der rechtzeitigen Schadensanzeige“ (Anlage A 3, Bl. 27 ff. d.A.).
Die Abmahnung lautet insoweit auszugsweise wie folgt:
„Nach den Erfahrungen Ihrer Mandantin in der Zeit vom 01.06.2017 bzw. 18.08.2017 und trotz unserer letzten Abmahnung vom 09.02.2018 hat Ihre Mandantin am 25. bis 28.06.2018 wiederum während eines Unwetters Dachschrägen-Fenster so weit, wie es der Öffnungsmechanismus zulässt, offengehalten. Zu mindestens am 28.06.2018 eignete sich ein Starkregen, der in großen Mengen durch die offenen Fenster in das Wohn- und Kinderzimmer sowie in die Küche eindrang. Dies wurde uns zunächst von einem Bewohner des Hauses am 28.08.2018 mitgeteilt. Es bestand die Gefahr eines Wasserschadens nicht nur in o.g. Wohnung, sondern auch durch das Versickern des Wassers durch den Boden in die darunter liegende Wohnung. Unsere Mandantschaft befand sich zu dieser Zeit für uns nicht erreichbar im Urlaub. Aus diesem Grunde und nach dem bereits zwei Mal die Polizei erschienen war, beauftragten wir einen Handwerker mit der Gefahrenabwehr ausschließlich durch Verschließen der Fenster und Entfernung der sich auf dem Boden angesammelten Wassermassen.
Wieder stand also der Boden unter Wasser. Bei der Gefahrenabwehr stellte sich zudem heraus, dass nicht nur der Wohnungsboden, sondern auch die Fensterrahmen und Fensterbänke, diese aus Marmor, von dem eindringenden Wasser erheblich beschädigt wurden.“
Am 03.09.2018 gegen 20:00 Uhr verursachte die Beklagte einen Brand in der streitgegenständlichen Wohnung. Bei Ankunft der von Mitmietern herbeigerufenen Feuerwehr verweigerte die Beklagte den Einsatzkräften den Zutritt zur Wohnung, woraufhin sich diese in Anwesenheit der Polizei gewaltsam durch Aufbrechen der Tür Zutritt zum klagegegenständlichen Mietobjekt verschaffen mussten. Infolge des Brandes wurde das Treppenhaus unter Rauch gesetzt. Der Schwelbrand einer im Eigentum der Beklagten stehenden Klappmatratze konnte von der Feuerwehr gelöscht werden; die Wohnung sowie das Treppenhaus wurden mit Gebläsen entraucht.
Ab dem 03.09.2018 befand sich die Beklagte erneut im ….
Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.09.2018, adressiert und übersandt an Rechtsanwalt … (Anlage A 10, Bl. 45 ff. d.a.) kündigten die ursprünglichen Kläger das Mietverhältnis „außerordentlich fristlos aus wichtigem Grunde gem. §§ 543, 569 Abs. 2 BGB, hilfsweise mit der gesetzlichen Frist aus berechtigtem Interesse gem. §§ 573, 573c BGB“. Der wichtige Grund bzw. das berechtigte Interesse ergäben sich aus der nachhaltigen Störung des Hausfriedens und der Verletzung sowie Gefährdung des Eigentums der Kläger und übriger Wohnungseigentümer im Haus.
Wörtlich hieß es im vorgenannten Kündigungsschreiben:
„Gegenstand der Hausfriedensstörung und Verletzung diversen Eigentums ist die Inbrandsetzung o.g. Wohnung am 03.09.2018. Diese Inbrandsetzung ist gemeingefährlich. Sie erfolgte durch Ihre Mandantin [die Beklagte] und ist von ihr zu vertreten. Ebenfalls Gegenstand der Hausfriedens- und Eigentumsverletzungen sind die in beiliegenden Schreiben vom 09.02.2018 und 09.07.2018 dargelegten Sachverhalte mit Handlungen Ihrer Mandantin. Mit diesen Schreiben sind die sich teilweise wiederholenden Verletzungshandlungen abgemahnt worden. Trotz dieser Abmahnungen hat Ihre Mandantin ihr Verhalten nicht geändert, sondern ihre Verletzungshandlungen in der Gewichtigkeit und im Umfang gesteigert.
Darüber hinaus verstößt Ihre Mandantin gegen vertragliche Verpflichtungen.
Durch die sich immer wiederholenden Verletzungshandlungen Ihrer Mandantin ist der Hausfrieden nachhaltig gestört. Zumindest Teile der übrigen Mieterschaft erwägen gar die Kündigung und das Verlassen ihrer Wohnungen, zumindest jedoch eine Mietminderung, da ein Zusammenleben mit Ihrer Mandantin gerade wegen der Verletzungshandlungen nicht erträglich, geschweige denn zumutbar ist. Zudem erwägen einige Wohnungseigentümer unsere Mandantschaft wegen der Maßnahmen der übrigen Mieterschaft in Regress zu nehmen. Auch erwägen einige Wohnungseigentümer, direkte Schadensersatzansprüche gegen unsere Mandantschaft [die ursprünglichen Kläger] zu erheben, die auf den Folgen der Verletzungshandlungen Ihrer Mandantin beruhen (Eindringen des Wassers durch den Boden in die darunter liegende Wohnung).
Da Ihre Mandantin trotz vorerwähnter Abmahnungen die übrige Mieterschaft wie auch die übrigen Wohnungseigentümer und schließlich auch unsere Mandantschaft permanent, ohne Ende in ihren Rechten verletzt, kann weder unserer Mandantschaft [den ursprünglichen Klägern] noch der übrigen Mieterschaft und den übrigen Wohnungseigentümern die Beendigung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist zugemutet werden. Daher ist unter Abwägung sämtlicher Interessen, insbesondere aber der Interessen Ihrer Mandantin und der unserer Mandantschaft nur die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses die einzige für sämtliche Parteien zumutbare Lösung.“
In der Kündigung wurde der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 545 BGB widersprochen sowie das Widerspruchsrecht der Beklagten nach §§ 574 ff. BGB erläutert. Ferner wurden Regressansprüche für den Fall der Inanspruchnahme der Kläger durch Dritte angekündigt.
Mit Schreiben vom 17.09.2018 widersprach Rechtsanwalt … für die Beklagte der Kündigung.
Unter dem 11.12.2018 wurde die Beklagte über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Brandstiftung vom 03.09.2018 (Az 267 Js 205238/18 der Staatsanwaltschaft München I) gemäß § 153 Abs. 1 StPO informiert. Die Einlassung der insoweit beschuldigten Beklagten, der Brand sei aufgrund des fahrlässigen Umgangs mit Rauchzeugresten entstanden, könne nicht widerlegt werden. Belastbare Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Brandstiftung hätten die polizeilichen Ermittlungen nicht ergeben. Bloße Vermutungen aufgrund der bei der Beschuldigten vorliegenden psychischen Erkrankung genügten nicht, um ihr eine Vorsatztat zur Last zu legen. Für die Version der Beschuldigten spreche, dass die Feuerwehr nur eine glimmende, keine brennende Matratze vorgefunden habe. Für eine Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB wäre kein Raum. Der dafür erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen der fahrlässigen Brandstiftung als Anlasstat und der psychischen Erkrankung der Beschuldigten habe nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden können.
Mit Schreiben vom 11.03.2019, der damaligen Betreuerin am 14.03.2019 zugegangen, kündigten die Kläger das Mietverhältnis erneut wegen Eigenbedarfs.
Von April bis Juni 2019 gab es nach den Behauptungen der Kläger weitere massive Verhaltensauffälligkeiten der Beklagten im Zusammenhang mit der Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung, unter anderem in Form von Lärmbelästigungen, des Übernachtens vor der Wohnungstür sowie der Verursachung eines weiteren Wasserschadens durch offenstehende Fenster. Was das erneute Eindringen von Wasser in die Wohnung angeht, ließ die Beklagte am 04.05.2019 abermals bei Starkregen die Fenster derart weit offenstehen, dass es in die streitgegenständliche Wohnung hinein regnete bzw. Wasser in die Wohnung eindrang. Eine diesbezügliche verhaltensbedingte Kündigung erfolgte jedoch nicht.
Mit Klageschrift vom 11.10.2018 nahmen die Klägerin und deren nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens verstorbener Ehemann, …, die Beklagte vor dem Amtsgericht München unter dem Az. 432 C 19678/18 auf Räumung und Herausgabe sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
Die Beklagte verteidigte sich gegen die Klage und vertrat dabei die Auffassung, dass sämtliche Kündigungen unwirksam seien.
Das Amtsgericht München erhob Beweis durch Einvernahme der Zeugen … sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie … über die Fragen der Geschäftsfähigkeit, Verschuldensfähigkeit und Räumungsfähigkeit der Beklagten. Auf dessen schriftliches Gutachten vom 17.07.2019 (Bl. 266 ff. d.A.) wird verwiesen.
Mit Endurteil vom 23.07.2020 wies das Amtsgericht München die Klage vollumfänglich ab.
Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Klagepartei könne von der Beklagten nicht die Räumung und Herausgabe der innegehaltenen Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB verlangen. Zwar sei die Eigenbedarfskündigung vom 11.03.2019 in formeller und materieller Hinsicht wirksam ausgesprochen worden. Allerdings sei das Mietverhältnis wegen des Härteeinwandes der Beklagten nach §§ 574, 574a BGB auf unbestimmte Dauer fortzusetzen. Die weiteren verfahrensgegenständlichen Kündigungen hätten das Mietverhältnis ebenso wenig beendet.
Gegen dieses erstinstanzliche Urteil wendet sich die Berufung der Klagepartei. Das Amtsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Gericht sei in fehlerhafter Weise insbesondere davon ausgegangen, dass die fristlose Kündigung vom 07.09.2018 unwirksam sei. Das der Beklagten insoweit zur Last gelegte Fehlverhalten sei derart gravierend, dass das Erstgericht nicht zum Ergebnis der Unwirksamkeit dieser Kündigung hätte kommen dürfen. Mit Blick auf § 574 Abs. 1 S. 2 BGB sei der Beklagten daher die Berufung auf eine nicht zu rechtfertigende Härte versagt. Die Klagepartei meint ferner, auch Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Kosten der vorgerichtlichen rechtsanwaltlichen Tätigkeit im Rahmen der Kündigung vom 07.09.2018 zu haben.
Die Klagepartei beantragt daher zu erkennen:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.07.2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts München abgeändert und insgesamt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung mit Scan Ofen für Holzbefeuerung im 2. Dachgeschoss links, bestehend aus 2 Zimmern, Abstellkammer, Küche mit Einbauküche, Flur, WC mit Bad, und zu dieser Wohnung gehörendem Kellerraum des Hauses … (gemietet mit Mietvertrag vom 26.09.2009 – Anlage A1), zu räumen und geräumt an die Kläger herauszugeben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 892,02 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von p.a. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Hilfsweise beantragt die Beklagte, die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO.
Im Rahmen der Anschlussberufung vom 27.11.2020 beantragt die Beklagte ferner, das Urteil aufzuheben betreffend die Feststellung des geltend gemachten Eigenbedarf und die Klage auch diesbezüglich abzuweisen.
Die Klagepartei beantragt wiederum die Zurückweisung der Anschlussberufung.
Die beklagte Partei geht von der Unwirksamkeit aller ausgesprochenen Kündigungen aus. Die Abweisung der Klage hätte aus ihrer Sicht jedoch nicht (erst) wegen des wirksamen Härtefallwiderspruchs nach §§ 574 ff. BGB erfolgen dürfen. Vielmehr wäre bereits die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung zu verneinen gewesen. Die Berufung der Klagepartei sei daher zurückzuweisen, die Anschlussberufung der Beklagten begründet.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen … in der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2020. Die Kammer hat die Akte des Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I zum Az.: 267 Js 205238/18 beigezogen.
Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2021 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klagepartei hat in der Sache Erfolg. Sie führt – unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils – zur Verurteilung der Beklagten zur Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung. Soweit mit der Berufung ferner die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt wird, ist das Rechtsmittel unbegründet und daher zurückzuweisen.
1. Der von der Klagepartei geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe besteht. Er beruht auf der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 07.09.2018.
Nach § 546 Abs. 1 BGB kann der Vermieter Räumung und Herausgabe der Mietsache verlangen, wenn das Mietverhältnis beendet ist.
Dies ist hier der Fall.
Denn die fristlose Kündigung vom 07.09.2018 führte zur Beendigung des verfahrensgegenständlichen Mietverhältnisses.
Die Klagepartei kann sich insoweit auf einen wichtigen Grund nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB stützen.
Nach dieser Vorschrift liegt ein wichtiger Grund insbesondere dann vor, wenn der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet.
So verhält es sich hier.
a) Nach Überzeugung der Kammer erfüllt die Verursachung des kündigungsgegenständlichen Brandes vom 03.09.2018 – zumal vor dem Hintergrund der vorangegangenen und ebenfalls auf das Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführenden Wasserschäden vom 18.08.2017 und 25. bis 28.06.2018 – den vorgenannten Tatbestand.
Der Mieter vernachlässigt die ihm obliegende Sorgfalt insbesondere dadurch, dass er gegen die allgemeine Obhutspflicht verstößt (BeckOGK/Mehle, 01.01.2021, § 543 BGB Rn. 122; Palandt/Weidenkaff Rn. 21; Schmidt-Futterer/Blank Rn. 54; Staudinger/V. Emmerich, 2018, Rn. 32). Ein Mieter hat die Mietsache pfleglich zu behandeln und Schäden von ihr abzuwenden, wenn dies dem Vermieter nicht rechtzeitig möglich ist. Ein über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgehender Gebrauch ist vertragswidrig und kann einen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB darstellen.
Die Sorgfaltspflichtverletzung des Mieters muss die Mietsache erheblich gefährden. Eine Gefährdung liegt vor, wenn durch das Verhalten eines Mieters die Mietsache bereits beschädigt worden ist oder der Eintritt eines Schadens an der Substanz, Brauchbarkeit, Haltbarkeit oder am Aussehen der Mietsache konkret droht. Der drohende Schaden muss erheblich, d.h. von einigem Gewicht, sein, um eine Kündigung zu rechtfertigen (BeckOGK/Mehle, a.a.O. Rn. 123; BGHZ 123, 233 = NJW 1993, 2528; BeckOK BGB/Wiederhold Rn. 27; MüKoBGB/Bieber Rn. 36; Schmidt-Futterer/Blank Rn. 57f.). Dies gilt insbesondere deshalb, weil ein mit der Kündigung einhergehender Verlust der Mietsache regelmäßig einen schweren Eingriff in den persönlichen Lebensbereich des Mieters bedeutet (BVerfG NJW 1994, 41; BGHZ 123, 233 = NJW 1993, 2528; Schmidt-Futterer/Blank Rn. 58).
Gegen unerhebliche Auswirkungen kann der Vermieter indes nur im Wege der Leistungs- oder Unterlassungsklage nach § 541 vorgehen (BeckOGK/Mehle, a.a.O. Rn. 124). Es bedarf einer Einzelfallbetrachtung, ob ein Mieter durch die Gefährdung der Mietsache die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt (BGHZ 123, 233 = NJW 1993, 2528; MüKoBGB/Bieber Rn. 39). Es kommt dabei vor allem auf die Schwere und Nachhaltigkeit des Verstoßes an BeckOGK/Mehle, a.a.O. Rn. 124; Staudinger/V. Emmerich, 2018, Rn. 34).
Ist es durch eine Verletzung der Anzeige- und Obhutspflicht des Mieters binnen kurzer Zeit zu mehreren Bränden gekommen, so liegt ein Grund für eine fristlose Kündigung vor (AG Charlottenburg, Urteil vom 15.10.2003 – 212 C 150/03, NJW-RR 2004, 731; BeckOGK/Mehle, a.a.O. Rn. 125). Gleichfalls kann ein Kündigungsgrund gegeben sein, wenn der Mieter es wiederholt zu Wasserschäden kommen ließ (BeckOK BGB/Wiederhold Rn. 28; Schmidt-Futterer/Blank Rn. 60).
Zwar kam es vorliegend erst zu einem einzigen und nicht bereits zu mehreren Bränden wie bspw. in der Konstellation, die dem vorstehend zitierten Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg zugrunde lag. Gleichwohl ist hier nach voller Überzeugung der Kammer unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls von einer erheblichen Gefährdung der Mietsache durch gravierende Vernachlässigung der der Mieterin obliegenden Sorgfalt auszugehen.
Verstöße gegen die allgemeinen Obhutspflichten seitens der Beklagten sind hier in der Verursachung des Brandes in der verfahrensgegenständlichen Wohnung, im gesamten Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem entstandenen Brand sowie im Nachgang zu ihrem letztlich nicht erfolgreichen Versuch, den Brand nachhaltig zu löschen, zu sehen. Diese Sorgfalts- und Ohutspflichtverletzungen der Beklagten waren überdies – insbesondere in der Gesamtschau – gravierender Natur und führten zu einer erheblichen Gefährdung der Mietsache sowie des gesamten Mehrfamilienhauses und seiner Bewohner.
Insoweit ist auch nicht entscheidend, ob es der Beklagten selbst gelungen ist, noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr die Gefahrensituation zumindest teilweise zu entschärfen und den Schadensbereich auf die Matratze und den darunter befindlichen Fußboden – und damit auf die Wohnung selbst – zu begrenzen.
Vorliegend waren die Auswirkungen des Brandes auch außerhalb der Wohnung so deutlich wahrzunehmen, dass sich Nachbarn entschlossen, die Feuerwehr zu alarmieren.
Die unter diesen Umständen verständlichen Befürchtungen der Mitmieter vor Wiederholungen mit möglicherweise lebensbedrohlichen Folgen wurden in dem an die Kläger gerichteten Schreiben geäußert und zeigen, dass das subjektive Sicherheitsempfinden der Mietbewohner aufgrund des streitgegenständlichen Brandvorfalls aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nachhaltig gestört ist. Nicht nur für das Gebäude selbst, sondern insbesondere für dessen Bewohner stellt das gravierende Fehlverhalten der Beklagten ein derart hohes Sicherheitsrisiko dar, dass es den Klägern schon wegen der ihnen gegenüber den anderen Mietern obliegenden Schutzpflichten nicht zuzumuten ist, das Vertragsverhältnis weiter fortzusetzen.
Unter Berücksichtigung aller Umstände muss nach dem Vorkommnis am 03.09.2018 dem Sicherheitsbedürfnis der Klagepartei und der anderen Mieter des Hauses der Vorrang eingeräumt werden. Denn es ist nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig zerstört. Vielmehr lässt es sich keineswegs ausschließen, dass das Verhalten der Beklagten erneut dazu führen kann, dass sie die üblichen Sorgfaltspflichten gröblich vernachlässigt und abermals konkrete Gefahrensituationen herbeigeführt werden.
Soweit das erstgerichtliche Urteil insoweit ausführt, dass ein „Inbrandsetzen der Wohnung“ nicht stattgefunden habe, sodass in der Kündigungserklärung „schon nicht wahrheitsgemäß vorgetragen“ worden sei, ist dies bereits deshalb nur eingeschränkt nachvollziehbar, weil es sich primär um eine Frage der rechtlichen, insbesondere strafrechtlichen Würdigung handelt, ob von einem „Inbrandsetzen“ auszugehen ist oder nicht. Um die Frage wahrheitsgemäßen oder wahrheitswidrigen Sachvortrags geht es in diesem konkreten Kontext indes nicht.
Im Übrigen vermag sich die Kammer auch der weiteren, verharmlosend anmutenden Betrachtung dieses Vorfalls seitens des Erstgerichts nicht anzuschließen. Soweit dieses ausführt, dass „geglimmt bzw. geraucht […] lediglich eine Yogamatte [hat] und […] bei dem Schwelbrand zwei Parkett-Bretter angeschwärzt [wurden]“, ferner die Beklagte das Feuer sofort gelöscht habe „und […] nur nicht ein letztes bisschen Rauch [bemerkte], das dann zu weiterer Rauchentwicklung führte“, sieht die Kammer darin eine verkürzte, unvollständige und beschönigende Betrachtung der Vorkommnisse. Auch die Wertung, dass eine „besondere Gefahr […] durch die bereits nasse und nur rauchende Yogamatte nicht [bestand]“, teilt die Kammer nicht. Dies gilt auch für die weiteren Darlegungen und Wertungen des erstinstanzlichen Gerichts, wonach der „kleine Brand/die Rauchentwicklung vom 03.09.2018 […] das Eigentum der Kläger nur geringfügig beschädigt und gefährdet“ habe.
Zutreffend ist allerdings auch aus Sicht der Kammer die Auffassung, dass sich die Beklagte „zu den relevanten Daten in einem nicht schuldfähigen Zustand“ befand.
Im Ansatz noch zutreffend hält das Erstgericht fest, dass „nach menschlichem Ermessen bei normalem Wohnverhalten durchaus Unfälle passieren [können], egal ob der Mieter krank ist oder nicht“. Dem ist grundsätzlich auch aus Sicht der Kammer zuzustimmen. Auch ein an sich sorgfältiger Mieter kann namentlich im Rahmen eines Augenblicksversagens einen Brand in einer Wohnung verursachen. Ein Automatismus dahingehend, dass dies zur Wirksamkeit einer – zumal fristlosen – Kündigung führen würde, ist freilich zu verneinen. Denn es kommt stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, die einer sorgfältigen und erschöpfenden Betrachtung zuzuführen sind.
Hiernach ist zunächst zu konstatieren, dass die Beklagte – aus nicht mehr rekonstruierbaren Gründen – einen Brand verursachte, der sich zunächst auf die in ihrem Eigentum stehende und auf dem Boden der Küche liegende Klappmatratze bezog. Insoweit bewegte sich das Fehlverhalten der Beklagten in einem Bereich, der eine fristlose Kündigung wohl noch nicht tragen würde, zumal die Beklagte auch einen diesbezüglichen Löschversuch unternahm. Im vorliegend zu betrachtenden Einzelfall schließen sich hieran aber weitere gravierende Sorgfaltspflichtverletzungen der Beklagten an, die gerade nicht mehr hingenommen werden können. Denn nach ihrem vermeintlich erfolgreichen Löschversuch stellte die Beklagte nicht etwa sicher, dass von der Klappmatratze keine weitere Brandgefahr mehr ausging. Vielmehr legte sie sich, ohne die Feuerwehr gerufen oder die Brandgefahr selbst endgültig beseitigt zu haben, zu Bett. Hinzu kommt, dass die Beklagte in dieser Situation den an der Decke des Wohn-/Schlafraumes der Wohnung magnetisch angebrachten Rauchwarnmelder entfernte und mit zu sich ins Bett nahm. Als sich anschließend die Feuerwehreinsatzkräfte – die von Mitmietern wegen des starken Rauchaustritts aus den Fenstern der Wohnung der Beklagten herbeigerufenen worden waren – in die Wohnung der Beklagten begeben wollten, öffnete diese die Wohnungstür selbst auf Klingeln und Klopfen nicht. Daher sah sich die Feuerwehr im Beisein von ebenfalls vor Ort befindlichen Polizeibeamten veranlasst, die Wohnungstür der Beklagten mit Zwang zu öffnen. Diese Gesamtbetrachtung verleiht dem sorgfaltswidrigen Verhalten der Beklagten nach Überzeugung der Kammer ein weit gravierenderes Gepräge, als es das Erstgericht gezeichnet und schließlich seiner Entscheidung zugrundegelegt hat.
In den Augen der Kammer geht es damit vorliegend nicht nur um eine „rauchende Yogamatte“, sondern vielmehr um eine auf das grob sorgfaltswidrige Verhalten der Beklagten zurückzuführende Brandgefahr in einem von zahlreichen Menschen bewohnten Mehrparteienwohnhaus, die zu einem Einsatz von Polizei- und Feuerwehrkräften führte.
Überdies bestand durch die bei Eintreffen der Einsatzkräfte brennende Klappmatratze nicht nur eine konkrete Gefährdung der Mietsache sowie des gesamten Anwesens und seiner Bewohner. Vielmehr war es bereits zu einem Schadenseintritt am Holzlaminat der Küche gekommen, zum einen in Form eines – obschon vergleichsweise geringen – Hitzeschadens, zum anderen aber auch eines der Beklagten freilich ebenfalls zuzurechnenden weiteren Schadens hieran aufgrund von Löschwasser.
Neben einem Polizei- und Feuerwehreinsatz führte das Verhalten der Beklagten zudem zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I. Dass dies letztlich nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, bedeutet freilich nicht, dass dem Fehlverhalten der Beklagten in mietrechtlicher Hinsicht lediglich geringes Gewicht beizumessen wäre, zumal die Einstellung des Verfahrens 267 Js 205238/18 mit Verfügung vom 10.12.2018 insbesondere damit begründet wurde, dass der Beschuldigten, also der Beklagten, keine vorsätzliche Brandstiftung nachzuweisen sei und überdies die Voraussetzungen einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB verneint werden müssten.
b) Der Umstand, dass sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Brandes wohl in einem schuldunfähigen Zustand befand bzw. nicht verschuldensfähig war, steht der Annahme eines wichtigen Grundes nicht entgegen. Denn das Verschulden ist im Rahmen von § 543 Abs. 2, Abs. 1 BGB lediglich als Abwägungskriterium heranzuziehen, stellt also keine zwingende Voraussetzung für die Bejahung einer materiell-rechtlich wirksamen Kündigung dar.
Was den psychiatrischen Zustand der Beklagten namentlich zum Zeitpunkt des Brandvorfalles anbelangt, hat die Kammer …, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie als Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung angehört.
Dem Sachverständigen wurde dabei die Einlassung des damaligen Verteidigers der Beklagten aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren 267 Js 205238/18 zur Kenntnis gegeben bzw. von dem Vorsitzenden vorgelesen. Hierzu gab der Sachverständige u.a. an, dass ihm der damalige Aufnahmebericht des Bezirksklinikums im Rahmen seiner Exploration und der Untersuchung der Beklagten nicht vorgelegen habe. Auch habe er die Beklagte bei seiner Exploration nicht nach dem Vorfall vom 03.09.2018 gefragt. Hinsichtlich der Auszüge aus der strafrechtlichen Ermittlungsakte könne er allerdings angeben, dass sich das Verhalten der Beklagten im konkreten Fall als „nicht situationsangemessen und krankheitsbedingt“ darstelle. Ein vernünftig denkender Mensch hätte sichergestellt, dass der Brand gelöscht ist und, falls ihm dies nicht gelingt, Hilfe geholt. Die Beklagte indes habe Dinge gemacht, die ihr tatsächlich nicht helfen, etwa das Abschrauben bzw. Wegnehmen des Rauchwarnmelders. Er, der Sachverständige, könne sich vorstellen, dass sie, die Beklagte, mit dieser Handlung habe verhindern wollen, dass sie Aufsehen bei den anderen Mitbewohnern erregt. Es sei grundsätzlich so, dass selbst bei einem schwerkranken Menschen noch eine gewisse Restmöglichkeit bestehe, sein Verhalten in gewisser Weise zu steuern. Damit sei aber keine Steuerungsfähigkeit im rechtlichen Sinne zu verstehen.
Auch die damalige Alkoholisierung der Beklagten von 0,9 Promille bzw. die 2,5 mg Tavor im Blut seien nicht entscheidend für das Verhalten der Beklagten gewesen. Auch hier verhalte es sich so, dass Alkohol und Tavor grundsätzlich dämpfend wirkten und die manische Phase der Beklagten ansonsten noch stärker hervorgetreten wäre.
Er müsse angeben, dass das Symptom bei der Beklagten für deren Verhaltensweisen schlicht ein fehlender Realitätsbezug sei. Ein vernünftiger Mensch würde erkennen, dass es brenne und was man machen müsse. Die Beklagte in ihrer Krankheit erkenne dies nicht, sie erkenne insbesondere nicht die Lebensgefahr für sich und andere aufgrund der brennenden Matratze und versuche dann mit inadäquaten Mitteln den Schaden zu vertuschen. Hierbei handele es sich aber nicht um einen bewussten Vorgang eines Menschen, der Spuren vernichtet. Eher erinnere das Verhalten der Beklagten an das eines kleinen Kindes, das etwas hinunterwirft und dann die Scherben hinter dem Vorhang versteckt – in der Hoffnung, dass die Eltern sie nicht finden werden. Das geschilderte Verhalten der Beklagten stelle sich daher ganz klar als Ausdruck der bipolaren Störung in einer manischen Phase dar. Die Einsichtsfähigkeit der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt aufgehoben gewesen, weil sie gar nicht erkannt habe, was dort eigentlich passierte und welche Folgen dies haben könnte.
Die Wiederholungsgefahr eines solchen Verhaltens hänge letztlich vom Krankheitszustand der Beklagten ab. Wenn sie sich nicht in einer manischen oder einer depressiven Phase befinde, sei die Wahrscheinlichkeit relativ gering. Wenn sie allerdings eine Krankheitssymptomatik bekomme – und es habe wohl in der Vergangenheit mehrfach den Fall gegeben, dass sie ihre Medikamente abgesetzt habe -, dann könne das durchaus auch wieder vorkommen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Beklagte nicht sinnvoll behandelt wird, wie das in der Vergangenheit offensichtlich ebenfalls der Fall gewesen sei. Aus psychiatrischer Sicht sei die eigentliche Brandursache, dass eine Matratze aufgrund einer Zigarette in Brand gerät, nichts Außergewöhnliches, aber das Verhalten danach sei klarer Ausdruck ihres Krankheitsbildes. Die Gefahr einer Eskalation bestehe immer dann, wenn keine rechtzeitige stationäre Behandlung erfolgt. Eine solche sei dann vonnöten, wenn sie ihre Medikamente nicht nimmt oder diese nicht mehr wirken. Immer dann, wenn die Beklagte ihre Medikamente nicht nimmt, sei das nächste „Unheil“ absehbar. Die Einlassung der Beklagten gegenüber der Feuerwehr, irgendjemand habe einen Molotowcocktail geworfen und dies sei die Ursache des Brandes gewesen, sei auch Zeichen ihres Realitätsverlustes. Damit wolle sie letztendlich die Schuld auf andere abschieben. Die bei der Beklagten zu diagnostizierende Störung bestehe im Wesentlichen in einer Störung des Denkvermögens. Dies bestehe zum einen eine formale Denkstörung dahingehend, dass sie nicht logisch denke, zum anderen liege aber auch eine inhaltliche Denkstörung vor. Dies zeige sich insbesondere an dem Umstand, dass sie den Rauchwarnmelder entfernte. Sie gehe dann in ihrem krankhaften Denken davon aus, dass wenn das Haus nicht informiert wird, ihr dann auch nichts passieren werde. Bei diesen Denkstörungen handele es sich um Symptome, die üblicherweise zu einer Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB führten. Bei dem Versuch, den Brand ursprünglich zu löschen, handele es sich nicht um eine bewusste und logische Steuerung der Tätigkeit der Beklagten. Man dürfe hierbei nicht auf einzelne Handlungsstränge abstellen, die möglicherweise für sich gesehen logisch bzw. formal inhaltlich richtig wären, sondern müsse auf das Gesamtverhalten abstellen. Hier zeige sich ganz deutlich, dass die Beklagte nicht in der Lage gewesen sei, ihr Handeln sinnvoll zu planen und zu steuern.
Im Lichte dieser Ausführungen des gerichtsbekannt erfahrenen und kompetenten Sachverständigen geht die Kammer zum einen davon aus, dass der Beklagten ein Verschulden hinsichtlich des Brandvorfalls nicht vorgeworfen werden kann. Zum anderen liegt aber gleichzeitig überaus nahe, dass die Beklagte in manischen oder depressiven Phasen jederzeit erneut ein Verhalten wie am 03.09.2018 an den Tag legen könnte. Hierin sieht die Kammer ein erhebliches Risiko für erneute Gefährdungen oder gar Schädigungen der Mietsache und in der Konsequenz auch ein überaus ernst zu nehmendes Risiko für das gesamte streitgegenständliche Anwesen und dessen Bewohner.
Dies aber braucht die Klagepartei nicht hinzunehmen.
Nicht entscheidend ist dabei freilich, dass der Schaden am Parkettboden auf Veranlassung der Beklagten vollumfänglich repariert werden konnte. Auch kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob die Beklagte unter Einschaltung ihrer Hausratsversicherung die verfahrensgegenständlichen Wasserschäden – ganz oder teilweise – ausgeglichen hat, zumal dies die aufgezeigten Risiken für die Zukunft naturgemäß in keiner Weise tangiert. Auf die diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichts kommt es daher nicht maßgeblich an.
c) Anders als das Amtsgericht meint, kann hier durchaus auch auf das vorangegangene, die Mietsache gefährdende Verhalten der Beklagten abgestellt werden, insbesondere sieht das Gericht die beklagtenseits verursachten Wasserschäden gleichermaßen als Folge eines sorgfaltswidrigen Mieterverhaltens.
Auf die vorangegangenen Abmahnungen vom 09.02.2018 und 09.07.2018 kann daher vor diesem Hintergrund durchaus abgestellt werden. Denn auch ihnen lag insbesondere der Vorwurf einer erheblichen Gefährdung der Mietsache zugrunde, die sich überdies in einem konkreten Schadenseintritt manifestiert hatte.
Dass dies seinerzeit durch Wassereinbruch und nicht ebenfalls durch Feuer vonstatten gegangen war, ist freilich nicht entscheidend. Denn das abgemahnte bzw. das spätere kündigungsgegenständliche Fehlverhalten müssen freilich nicht inhaltlich übereinstimmen. Der diesbezügliche Standpunkt des Erstgerichts überzeugt mithin nicht.
Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die erste Abmahnung vom 09.02.2018 an die zu diesem Zeitpunkt bereits unter Betreuung stehende Beklagte selbst adressiert war und daher nach § 131 Abs. 1 BGB analog nicht von einem wirksamen Zugang auszugehen sein dürfte, denn nach ganz h.M. ist § 130 BGB auf geschäftsähnliche Handlungen entsprechend anwendbar, da die Interessenlage der Beteiligten mit der bei Willenserklärungen übereinstimmt (MüKoBGB/Einsele, 8. Aufl. 2018, § 130 BGB Rn. 4). Dies gilt auch für § 131 BGB (Palandt/Ellenberger, § 131 BGB Rn. 1). Demgegenüber war die zweite Abmahnung vom 09.07.2018 an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt …, adressiert. Ein wirksamer Zugang ist somit grundsätzlich anzunehmen.
Letztlich kommt es hierauf aber nicht entscheidend an. Denn – anders als das Erstgericht meint – wäre eine Abmahnung hier sogar entbehrlich gewesen.
Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist zwar nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB die Kündigung grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Nach S. 2 dieser Vorschrift gilt dies jedoch nicht, wenn eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Nr. 1), oder die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist (Nr. 2). Vorliegend sind aus Sicht der Kammer sowohl Nr. 1 als auch Nr. 2 der vorgenannten Norm einschlägig. Denn die Beklagte hat durch ihr – wohl primär, möglicherweise sogar ausschließlich krankheitsbedingtes – Verhalten gezeigt, dass sie nicht in der Lage, ggf. aber auch nicht willens ist, von Verhaltensweisen abzusehen, die zu einer Gefährdung der Mietsache führen können. Dies zeigt insbesondere, dass sie selbst nach fristloser Kündigung und Klageerhebung auf Räumung und Herausgabe – namentlich am 04.05.2019 abermals bei Starkregen die Fenster derart weit offenstehen ließ, dass es in die streitgegenständliche Wohnung regnete bzw. Wasser in die Wohnung eindrang. Wie ausgeführt, kommt es bei zutreffender Betrachtung in diesem Kontext nicht darauf an, ob die Schädigungs- oder Gefährdungshandlung mit der Verursachung eines Brandes oder der eines Wassereintritts einhergeht.
Ferner ist hier § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB einschlägig. Danach ist aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Kündigung gerechtfertigt, wenn wegen der Schwere der Vertragsverletzung und ihrer Folgen für den betroffenen Vertragsteil nur eine sofortige Vertragsbeendigung in Betracht kommt. Hierfür streitet insbesondere das hohe Maß der Gefährlichkeit des Handelns der Beklagten, die durch ihr gesamtes Verhalten im Zusammenhang mit dem Brand am 03.09.2018 nicht nur die verfahrensgegenständliche Wohnung und das gesamte Anwesen sondern auch die darin lebenden Personen erheblich gefährdete.
d) Ergänzend ist anzumerken, dass im Rahmen der Abwägung zwischen den Interessen der Klagepartei und denen der Beklagtenpartei nicht auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beklagten und deren mögliche Folgen abgestellt werden kann. Zwar sind Gerichte bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gehalten, ihre Entscheidung auch verfassungsrechtlich auf eine tragfähige Grundlage zu stellen und diesen Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen. Das kann bei der Gesamtabwägung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB zur Folge haben – was vom Gericht im Einzelfall zu prüfen ist -, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung wegen besonders schwerwiegender persönlicher Härtegründe auf Seiten des Mieters trotz seiner erheblichen Pflichtverletzung nicht vorliegt (BGH, Urt. v. 09.11.2016 – VIII ZR 73/16, NZM 2017, 26 im Anschluss an BGH NZM 2005, 300).
Hier beruht die fristlose Kündigung jedoch auf § 543 Abs. 2 BGB. Im Gegensatz zu § 543 Abs. 1 S. 2 BGB lassen die in § 543 Abs. 2 BGB geregelten Kündigungsgründe eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht zu (BGH, a.a.O., NZM 2017, 26 [28] Rn. 20; BGHZ 204, 134 = NZM 2015, 196 = NJW 2015, 1296 Rn. 21). Kündigt der Vermieter gem. § 543 Abs. 2 S. 1 BGB aus wichtigem Grund, findet eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht statt. Vielmehr sind die nach dieser Vorschrift allein auf den Umstand der erheblichen Gefährdung der Mietsache abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 BGB bereits ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben ist und die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Abwägungsvoraussetzungen nicht noch zusätzlich erfüllt sein müssen (vgl. BGH, Urt. v. 04.02.2015 – VIII ZR 175/14, NZM 2015, 196 zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB in Abgrenzung zu BGH NZM 2010, 37 = NJW 2009, 3781 Rn. 26).
e) Die Kammer durfte vorliegend die beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft München I zum Az.: 267 Js 205238/18 ergänzend zu Beweiszwecken verwerten.
Zwar hat keine der Parteien einen entsprechenden Antrag ausdrücklich gestellt. Allerdings sieht das Gericht in der wiederholten Bezugnahme insbesondere der Klagepartei auf dieses Ermittlungsverfahren und der Vorlage der mit Gründen versehenen staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung jedenfalls einen diesbezüglichen konkludenten Antrag.
Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht seine Absicht, die beigezogene Akte zu Beweiszwecken zu verwerten, in der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2021 erkennbar gemacht hat, indem auf die Beiziehung ausdrücklich hingewiesen, aus der beigezogenen Akte mehrfach zitiert und diese auch als weitere Grundlage für die mündliche Anhörung des Sachverständigen herangezogen wurde. Rechtliches Gehörs gem. § 139 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 ZPO wurde daher gewährt.
Die diesbezügliche Vorgehensweise steht im Einklang mit den Vorgaben des Bundesgerichtshofs (vgl. namentlich BGH, Urt. v. 03.03.2016 – I ZR 245/14 NJW-RR 2016, 957 [958]).
Die Befugnis zur Beiziehung und Verwertung der Ermittlungsakte lässt sich ferner auf § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO stützen (BVerfG, Beschl. v. 06.03.2014 – 1 BvR 3541/13, NJW 2014, 1581 ff.). Dabei wird darauf hingewiesen, dass sich der Vortrag, wonach die Beklagte den Rauchwarnmelder von der Zimmerdecke „löste“ und diesen „auf dem Bett ab[legte], wo sie sich schlafen legte“ auch und sogar der eigenen Einlassung der Beklagte vom 30.11.2018 im Ermittlungsverfahren entnehmen lässt (dort Bl. 147 d.A.), die dem Sachverständigen … seitens der Kammer vorgehalten wurde.
Ergänzend und klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die Verwertung von Teilen der Ermittlungsakte nicht entscheidend für die Meinungsbildung der Kammer war. Vielmehr bestand bereits auf Grundlage des unstreitigen Sachvortrags beider Parteien eine vollumfänglich ausreichende Tatsachengrundlage für die vorliegende Entscheidung der Kammer.
f) Aufgrund der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung kommt es auf das Vorbringen der Beklagten zum Bestehen von Härtegründen nach § 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB nicht mehr an. Denn ein wirksamer Härtewiderspruch kommt vor diesem Hintergrund nach § 574 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Betracht.
2. Soweit das Erstgericht die Klage auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten abgewiesen hat, ist das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn ein solcher Anspruch auf Schadensersatz bezogen auf den Ersatz der Rechtsverfolgungskosten nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus.
Eine solche sieht die Kammer indes im Rahmen des die fristlose Kündigung rechtfertigenden Verhaltens vorliegend nicht. Vielmehr ist im Lichte des Ergebnisses des schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie der mündlichen Anhörung des Sachverständigen … davon auszugehen, dass sich die Beklagte insoweit zu exkulpieren vermochte, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Auf die obigen Ausführungen des Sachverständigen wird insoweit Bezug genommen.
3. Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass das angefochtene Urteil des Erstgerichts zwar aus den dargelegten Gründen abzuändern war. Die von der Berufung auf S. 3 von 34 im letzten Absatz (Bl. 447 d.A.) in Richtung des Amtsgerichts geäußerten Anwürfe gehen jedoch nach Überzeugung der Kammer in gravierendem Maße fehl. Dies gilt insbesondere für die in den Raum gestellten Ehrverletzungsdelikte sowie den Tatbestand der Rechtsbeugung.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.
IV.
Nach Überzeugung der Kammer ist vorliegend die Gewährung einer Räumungsfrist bis 31.07.2021 angemessen, § 721 Abs. 1, Abs. 4 ZPO.
Die Beurteilung der Frage, ob eine Räumungsfrist gewährt, verlängert, verkürzt oder aufgehoben wird, muss vom Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden. Voraussetzung für die Gewährung einer Räumungsfrist ist, dass das Interesse des Schuldners am vorübergehenden Verbleib in seiner Wohnung (Bestandsinteresse) größer ist, als das Interesse des Gläubigers an der sofortigen Durchsetzung seines Räumungstitels (Erlangungsinteresse). Das Gericht hat bei seiner Entscheidung konkret auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen; eine schematische Anwendung des § 721 ZPO verbietet sich (Kindl/Meller-Hannich/Wolf/ Giers, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 721 Rn. 1; Schmid/Harz/Eiden, § 721 ZPO Rn. 28). Auch existiert kein allgemeiner Grundsatz, wonach das befristete Bestandsinteresse des Schuldners generell höher zu bewerten sei als das Erlangungsinteresse des Gläubigers (BeckOK ZPO/Ulrici, 36. Ed. 01.03.2019, § 721 ZPO Rn. 5 m.w.Nachw. zur Rspr.).
Bei der i.R.d. § 721 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung sind sämtliche Umstände auf Schuldner- wie auf Gläubigerseite zu berücksichtigen (Zöller/Seibel, § 721 ZPO Rn. 6 m.w.Nachw. zur Rspr.). Das sind zunächst die objektiven Umstände, welche zum Erlass des Räumungsurteils geführt haben, ferner die Urteilsgründe selbst. Zudem sind die jeweiligen Parteiinteressen in die Abwägung einzustellen. In Anbetracht der gerade in Ballungsräumen oftmals bestehenden Wohnungsknappheit wird überdies die Frage der Beschaffbarkeit von Ersatzwohnraum zunehmend relevant.
Hat der Mieter – wie hier – eine schwerwiegende Vertragsverletzung an den Tag gelegt, die (ggf. sogar ohne vorherige Abmahnung) eine wirksame fristlose Kündigung nach sich gezogen hat, spricht dies in erheblichem Maße für das Erlangungsinteresse des Vermieters. Ist dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar, spricht dies gegen die Bewilligung einer Räumungsfrist (vgl. LG Konstanz, Urt. v. 08.12.2017 – A 11 S 83/17, WuM 2018, 201 = BeckRS 2017, 145366).
Als maßgebliche Interessen des Schuldners sind vor allem seine persönlichen Verhältnisse zu werten. Hierzu zählen namentlich sein Gesundheitszustand und sein Alter, seine familiäre Situation, eine etwaige Schwangerschaft der Räumungsschuldnerin sowie die Anzahl der Kinder einer Familie oder eines alleinerziehenden Elternteils. Aber auch weitere soziale Kriterien, wie z.B. eine Verwurzelung im sozialen Umfeld und ein ggf. ungünstiger Zeitpunkt für einen Wechsel der Schule, der Arbeits- oder Ausbildungsstelle können als Abwägungskriterien Bedeutung erlangen. Bei schweren psychischen Erkrankungen (evtl. verbunden mit Suizidgefahr) ist bei der Bemessung der Räumungsfrist auch zu berücksichtigen, dass sich der Mieter auf den anstehenden Umzug seelisch einstellen (können) muss und bis zum Ende der Räumungsfrist vorbereitende therapeutische Behandlungen notwendig sein könnten (LG Bonn, Urt. v. 16.08.1999 – 6 S 93/ 99, ZMR 2000, 27; LG Köln, Urt. v. 15.04.2016 – 10 S 139/15, NJOZ 2016, 1006). In diesem Zusammenhang kommt es insbesondere auf eine Beurteilung des in räumlicher Hinsicht maßgeblichen Wohnungs-/Immobilienmarkts an. Ist die diesbezügliche Lage angespannt, wird der Räumungsschuldner mit teilweise erheblichen Schwierigkeiten bei der Suche nach Ersatzwohnraum rechnen müssen. Dabei reicht aber in der Regel – sofern die örtlichen Verhältnisse nicht gerichtsbekannt sind – ein allgemeiner Hinweis auf die angespannte Lage nicht aus (OLG Köln, Urt. v. 10.03.2003 – 16 U 72/02, WuM 2003, 465 = ZMR 2004, 33). Vielmehr ist eine nähere Begründung des Antrags sowie der gerichtlichen Entscheidung erforderlich, soweit maßgeblich auch auf diesen Gesichtspunkt abgestellt wird. Auch die Dauer des bisherigen Mietverhältnisses ist grundsätzlich ein wichtiges Abwägungskriterium, zumal sie Indiz für eine Verwurzelung des Mieters im räumlichen und sozialen Umfeld der Mietsache sein kann.
Vorliegend wurde bei der Abwägung zugunsten des Erlangungsinteresses der Klagepartei maßgeblich berücksichtigt, dass eine schwere Vertragsverletzung zur Beendigung des Mietverhältnisses auf Grundlage einer wirksamen fristlosen Kündigung führte. Nach Überzeugung der Kammer besteht auch weiterhin ein signifikantes Gefährdungspotential der Beklagten, das sich jederzeit manifestieren und zur Schädigung der Mietsache sowie zur Beeinträchtigung des gesamten Anwesens und seiner sonstigen Bewohner führen kann.
Zugunsten der Beklagten und ihres Bestandsinteresses wurde in die Interessenabwägung eingestellt, dass sie unter einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung leidet, die augenscheinlich mit einer nicht zu vernachlässigenden Suizidgefahr einhergeht. Sie wird daher sicherlich Zeit benötigen, um sich mit ihrer Betreuerin und ggf. mit ärztlicher/therapeutischer Hilfe auf einen bevorstehenden Verlust der Wohnung vorbereiten zu können. Die aufgrund der angespannten Lage des Immobilienmarktes in der Landeshauptstadt München und deren Umgebung ohnehin schwierige Situation wird durch die vorgenannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch erschwert. Hinzu kommen derzeit ferner die Beeinträchtigungen und Schwierigkeiten im Kontext der Corona-Pandemie. Aufgrund des nunmehr über elf Jahre währenden Mietverhältnisses kann auch von einer Verwurzelung der Beklagten im Wohnumfeld ausgegangen werden.
V.
Eine Zulassung der Revision war vorliegend nicht veranlasst.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts sind gegeben, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder jedenfalls verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe („Leitentscheidung“) ganz oder teilweise fehlt (BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, 32. Ed. 1.3.2019, ZPO § 543 Rn. 23 m.w.N.).
Dies ist hier aus Sicht der Kammer nicht der Fall. Denn es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.
Darüber hinaus hat die Sache nach Rechtsmeinung der Kammer auch keine grundsätzliche Bedeutung. Denn sie wirft keine entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfragen auf, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (vgl. BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, a.a.O. Rn. 19).
VI.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 S. 1, 41 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 GKG. Maßgeblich ist der Jahresbetrag der Nettomiete der verfahrensgegenständlichen Wohnung. Die Nebenforderung ist nicht streitwerterhöhend.