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Chronisch depressiven Mietern kann nicht gekündigt werden

In einem außergewöhnlichen Fall entschied das Landgericht Berlin zugunsten eines chronisch depressiven Mieters, der trotz Eigenbedarfsklage des Vermieters seine Wohnung behalten darf. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigte dem Mieter, dass ein Umzug seine psychische Gesundheit massiv gefährden würde, was das Gericht schwerer wog als das Eigentumsrecht des Vermieters. Dieser muss nun die Kosten des Verfahrens tragen und seine Tochter muss sich eine andere Bleibe suchen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Berlin
  • Datum: 12.05.2023
  • Aktenzeichen: 65 S 132/21
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren in einem Mietrechtsstreit
  • Rechtsbereiche: Mietrecht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Vermieter, der die Wohnung in Berlin geräumt haben möchte, um sie seiner Tochter zur Verfügung stellen zu können.
  • Beklagter: Der langjährige Mieter der Wohnung, der sich gegen die Räumung wehrt. Er argumentiert, dass eine Zwangsräumung seine psychische Gesundheit gefährden würde, da er unter einer chronischen depressiven Störung leidet.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Vermieter klagte auf Räumung einer vermieteten Wohnung, die der Mieter bereits über 30 Jahre bewohnt. Der Mieter widersprach der Kündigung wegen gesundheitlicher Härte, da der Verlust der Wohnung seine chronische depressive Erkrankung erheblich verschlechtern würde.
  • Kern des Rechtsstreits: Kann der Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, obwohl der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses geltend macht?

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Landgericht Berlin entschied, dass das Mietverhältnis unbefristet fortgesetzt werden muss. Die Klage des Vermieters wurde abgewiesen.
  • Begründung: Die gesundheitliche Härte des Mieters, bestehend aus einer chronischen depressiven Störung, wurde durch ein Gutachten bestätigt. Ein Verlust der Wohnung würde zu einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führen, was eine unzumutbare Härte darstellt. Die Interessen des Mieters auf körperliche und psychische Unversehrtheit überwiegen das Interesse des Vermieters, die Wohnung seiner Tochter zur Verfügung zu stellen.
  • Folgen: Das Mietverhältnis wird auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Eine Revision wurde nicht zugelassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt.

Kündigungsschutz bei chronischen Depressionen: Rechte und Schutz für Mieter

Chronische Depressionen stellen eine ernsthafte Herausforderung für die psychische Gesundheit dar und können das alltägliche Leben stark beeinträchtigen. Im Mietrecht kann es in solchen Fällen zu Konflikten kommen, insbesondere wenn es um Kündigungen von Mietverhältnissen geht. Psychische Erkrankungen wie Depressionen wirken sich nicht nur auf das individuelle Wohlbefinden aus, sondern werfen auch soziale Aspekte auf, die bei Kündigungen zu berücksichtigen sind. Der Schutz von Mietern mit psychischen Erkrankungen ist ein wichtiges Thema, das rechtliche Grundlagen und Unterstützung durch Organisationen wie den Mieterschutzbund umfasst.

In einem aktuellen Gerichtsentscheid wird beleuchtet, wie chronisch depressiven Mietern der Kündigungsschutz gewährt wird und welche Rolle psychiatrische Gutachten dabei spielen. Die Analyse dieses Falls zeigt die Bedeutung des Wohnungsschutzes und die Rechte von Mietern auf, besonders in Zeiten von Wohnungsnot und der Notwendigkeit, Hilfsangebote und Therapieansätze zu integrieren.

Der Fall vor Gericht


Mieter mit chronischer Depression darf in Berliner Wohnung bleiben

Gemütliche Ecke eines Berliner Altbaus mit einem Sessel, einem Tisch und einer Teetasse auf einem Stapel Bücher.
Kündigungsschutz für Mieter mit Depression | Symbolfoto: Flux gen.

Das Landgericht Berlin hat einem chronisch depressiven Mieter das Recht zugesprochen, in seiner Wohnung zu bleiben. Der Vermieter hatte die Wohnung für seine Tochter beansprucht und Räumungsklage eingereicht. Nach mehr als dreißigjähriger Mietdauer muss der Beklagte die 84,88 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung im ersten Obergeschoss eines Berliner Vorderhauses nicht verlassen.

Schwerwiegende gesundheitliche Folgen bei Zwangsräumung

Ein psychiatrisches Gutachten bestätigte, dass ein erzwungener Auszug für den Mieter Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führen würde. Der Sachverständige Dr. I. diagnostizierte eine seit der Jugend bestehende depressive Störung mit mittel- bis schwergradigen Episoden, die sich als erheblich chronifiziert erweise. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2015 habe sich die depressive Entwicklung weiter verstärkt.

Stabilisierende Funktion der vertrauten Umgebung

Besondere Bedeutung maß der Gutachter der wissenschaftlichen Bibliothek bei, die der Beklagte über Jahrzehnte in der Wohnung aufgebaut hat. Sie wirke als stabilisierender Faktor. Der Sachverständige stellte fest, dass der Mieter krankheitsbedingt über keine ausreichenden Ressourcen verfüge, um konstruktiv mit gravierenden Veränderungen in seiner Lebensführung umzugehen. Ein Umgebungswechsel würde zu Verunsicherung führen und die depressiv-nihilistische Symptomatik verstärken.

Gericht wägt Eigentümer- und Mieterinteressen ab

Das Gericht erkannte das Interesse des Vermieters an, die Wohnung seiner Tochter zur Verfügung zu stellen, als berechtigtes und gewichtiges Interesse im Rahmen seiner verfassungsrechtlich geschützten eigentumsrechtlichen Befugnisse. Bei der Gesamtabwägung überwog jedoch das Recht des Mieters auf körperliche Unversehrtheit. Das Mietverhältnis wird zu den bisherigen Vertragsbedingungen auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, da nach gutachterlicher Einschätzung die therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und mit einer Besserung des chronifizierten Zustandes nicht zu rechnen ist.

Die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen muss der Vermieter tragen. Eine Revision wurde nicht zugelassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf Grundlage höchstrichterlich entwickelter Maßstäbe handelt.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil stärkt die Position von Mietern in Härtefällen deutlich. Es bestätigt, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kombination mit hohem Alter und langer Mietdauer als Härtegründe für die Fortsetzung eines Mietverhältnisses anerkannt werden können. Der Bundesgerichtshof macht klar, dass nicht nur einzelne Faktoren, sondern deren Zusammenwirken für die Bewertung eines Härtefalls entscheidend sind. Besonders wichtig ist die Feststellung, dass diese Härtegründe durch Sachverständigengutachten nachgewiesen werden können.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Mieter haben Sie nun bessere Chancen, sich gegen eine Kündigung zu wehren, wenn mehrere Härtefaktoren zusammenkommen. Besonders wenn Sie älter sind, bereits lange in der Wohnung leben und gesundheitliche Probleme haben, können Sie sich auf dieses Urteil berufen. Ein erzwungener Umzug muss dann vom Vermieter besonders gut begründet werden. Wichtig ist, dass Sie Ihre gesundheitlichen Einschränkungen durch ärztliche Gutachten belegen können. Das Gericht wird dabei alle Ihre persönlichen Umstände in ihrer Gesamtheit betrachten und gegen die Interessen des Vermieters abwägen.


Schutz vor Kündigung: Ihre Rechte als Mieter

Das Urteil des Bundesgerichtshofs stärkt Ihre Position im Mietrecht, insbesondere wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen und ein langjähriges Mietverhältnis vorliegen. Gerade bei komplexen Lebenssituationen ist es wichtig, Ihre Rechte zu kennen und effektiv durchzusetzen. Wir helfen Ihnen, die relevanten Härtefallkriterien zu identifizieren und Ihre Interessen gegenüber dem Vermieter zu vertreten. Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu bewerten und die bestmöglichen Handlungsoptionen zu ermitteln.
Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann liegt ein Härtefall wegen Depression bei einer Mieterkündigung vor?

Ein Härtefall wegen Depression kann vorliegen, wenn der Mieter durch eine Kündigung und den damit verbundenen Wohnungsverlust in seiner psychischen Gesundheit erheblich beeinträchtigt würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kündigung eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder sogar eine konkrete Suizidgefahr beim Mieter auslösen könnte.

Rechtliche Grundlage und Kriterien

Gemäß § 574 BGB (Sozialklausel) kann ein Mieter der Kündigung widersprechen, wenn diese für ihn oder seine Angehörigen eine unzumutbare Härte darstellt. Eine solche Härte muss im Einzelfall geprüft werden und kann sich aus psychischen Erkrankungen wie Depressionen ergeben. Die Gerichte wägen dabei das Interesse des Vermieters an der Kündigung gegen die gesundheitlichen und sozialen Belange des Mieters ab.

Medizinische Voraussetzungen

  • Diagnose einer schweren Depression: Es muss eine ärztlich attestierte schwere depressive Störung vorliegen. Besonders relevant sind rezidivierende (wiederkehrende) oder chronische Depressionen.
  • Nachweis der Gesundheitsgefahr: Ein Facharzt (z. B. Psychiater) sollte bestätigen, dass der Verlust der Wohnung zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands führen würde. Dies umfasst Risiken wie soziale Isolation, Antriebslosigkeit oder Suizidgefahr.
  • Gutachten: In komplexen Fällen wird oft ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, das die Auswirkungen eines Umzugs auf die psychische Gesundheit des Mieters detailliert darlegt.

Gerichtliche Entscheidungen

  • Suizidgefahr: Gerichte erkennen eine unzumutbare Härte an, wenn durch den Verlust der Wohnung eine konkrete Suizidgefahr besteht. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass bei einer ernsthaften Suizidabsicht die Interessen des Vermieters zurücktreten müssen.
  • Verschlechterung des Gesundheitszustands: Auch ohne akute Suizidgefahr kann eine erhebliche Verschlechterung der psychischen Gesundheit ausreichen, um einen Härtefall zu begründen.
  • Langjährige Verwurzelung: Wenn ein Mieter stark mit seiner Wohnung und dem sozialen Umfeld verwurzelt ist, kann dies ebenfalls als Faktor für einen Härtefall gewertet werden.

Erforderliche Nachweise

Um einen Härtefall geltend zu machen, muss der Mieter:

  • Ein ärztliches Attest oder Gutachten vorlegen, das die Diagnose und die gesundheitlichen Folgen eines Umzugs beschreibt.
  • Genaue Angaben zur persönlichen Situation machen, z. B. zur Dauer des Mietverhältnisses, sozialen Bindungen im Wohnumfeld und alternativen Wohnmöglichkeiten.
  • Den Widerspruch gegen die Kündigung schriftlich begründen und rechtzeitig einreichen (§ 574b BGB).

Beispiele aus der Praxis

  1. Ein älterer Mieter mit schwerer Depression widerspricht einer Eigenbedarfskündigung. Ein Gutachten bestätigt, dass ein Umzug seine Krankheit verschlimmern und Suizidgefahr auslösen könnte. Das Gericht erkennt den Härtefall an und weist die Räumungsklage ab.
  2. Eine Mieterin mit rezidivierender Depression legt ein Attest vor, das jedoch keine ausreichenden Details enthält. Das Gericht gewährt lediglich eine Räumungsfrist, da die Beeinträchtigung nicht ausreichend belegt wurde.

Abwägung der Interessen

Die Interessen des Vermieters (z. B. Eigenbedarf) können zurücktreten, wenn die gesundheitlichen Folgen für den Mieter schwerwiegender sind als das berechtigte Interesse des Vermieters an der Nutzung der Wohnung. Dabei berücksichtigt das Gericht auch Alternativen wie Ersatzwohnungen oder Unterstützungsmöglichkeiten durch medizinische Betreuung.

Ein Härtefall wegen Depression erfordert also eine sorgfältige Prüfung aller Umstände sowie fundierte ärztliche Nachweise.


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Welche medizinischen Nachweise benötigt ein depressiver Mieter zum Kündigungsschutz?

Ein psychiatrisches Fachgutachten ist der wichtigste medizinische Nachweis für depressive Mieter zum Schutz vor einer Kündigung. Das Gutachten muss die konkrete Gefährdung durch einen Wohnungsverlust detailliert beschreiben und eine fundierte Prognose über die gesundheitlichen Folgen eines erzwungenen Umzugs enthalten.

Anforderungen an die medizinischen Nachweise

Die medizinischen Unterlagen müssen drei zentrale Aspekte nachweisen:

  • Die aktuelle Schwere der Depression und deren Auswirkungen auf die Alltagsbewältigung
  • Eine konkrete Prognose über die gesundheitlichen Folgen eines Wohnungsverlusts
  • Die Therapierbarkeit der Erkrankung und mögliche Behandlungsoptionen

Zeitpunkt und Form der Vorlage

Die Nachweise müssen unmittelbar nach Erhalt der Kündigung eingereicht werden. Ein einfaches ärztliches Attest reicht dabei nicht aus. Die Dokumente sollten von einem Facharzt für Psychiatrie oder einem psychiatrischen Gutachter erstellt werden.

Inhaltliche Anforderungen

Die medizinischen Unterlagen müssen konkrete Aussagen zu folgenden Punkten enthalten:

  • Diagnose und Schweregrad der Depression
  • Bisheriger Krankheits- und Behandlungsverlauf
  • Spezifische Bindung an die Wohnung und das Wohnumfeld
  • Zu erwartende gesundheitliche Verschlechterung bei Wohnungsverlust

Die Gerichte prüfen dabei auch, ob der Mieter aktiv an einer Verbesserung seiner gesundheitlichen Situation arbeitet. Eine Verweigerung notwendiger Behandlungen kann sich negativ auf den Kündigungsschutz auswirken.


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Wie wird das Recht auf Eigenbedarf gegen gesundheitliche Härtefälle abgewogen?

Bei der Abwägung zwischen Eigenbedarf und gesundheitlichen Härtefällen steht das Recht auf Eigentum dem Recht auf Gesundheit gegenüber. Eine pauschale Bewertung ist nicht möglich – stattdessen muss jeder Fall einzeln und sorgfältig geprüft werden.

Prüfung des Gesundheitszustands

Wenn Mieter gesundheitliche Gründe als Härtefall geltend machen, reicht ein einfaches ärztliches Attest nicht aus. Stattdessen muss ein gerichtlich bestellter Sachverständiger ein Gutachten erstellen, das:

  • Den aktuellen Gesundheitszustand detailliert darstellt
  • Die konkreten Auswirkungen auf die Lebensführung beschreibt
  • Eine Prognose über die gesundheitlichen Folgen eines Umzugs enthält

Bewertungskriterien der Gerichte

Die Gerichte prüfen besonders gründlich, wenn Mieter schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend machen. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle:

  • Die Schwere der Erkrankung und deren Verlauf
  • Die Wahrscheinlichkeit einer Verschlechterung durch einen Umzug
  • Die Bedeutung der gewohnten Umgebung für den Gesundheitszustand

Besondere Härtefälle

Bei bestimmten Erkrankungen prüfen Gerichte besonders intensiv. Dies gilt etwa bei:

  • Multipler Sklerose mit fortschreitender Verschlechterung
  • Schweren psychischen Erkrankungen mit Suizidgefahr
  • Demenzerkrankungen in Kombination mit weiteren gesundheitlichen Einschränkungen

Die Rechtsprechung verlangt eine umfassende Sachverhaltsaufklärung und eine besonders sorgfältige Abwägung der Interessen beider Seiten. Wenn ein Sachverständigengutachten eine erhebliche Gesundheitsgefährdung durch den Umzug bestätigt, kann dies die Eigenbedarfskündigung unwirksam machen.


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Welche Rolle spielt die Wohndauer bei der Härtefallprüfung psychischer Erkrankungen?

Die Wohndauer spielt eine bedeutende Rolle bei der Härtefallprüfung im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen, insbesondere im Mietrecht. Hier sind einige zentrale Punkte, die Sie beachten sollten:

Verwurzelung in der Umgebung

  • Hohes Alter und Verwurzelung: Wenn ein Mieter aufgrund seines hohen Alters und seiner Verwurzelung in der gewohnten Umgebung eine psychische Erkrankung hat, kann dies als Härtefall anerkannt werden. Gerichte berücksichtigen, dass ein Umzug oder eine Veränderung der Lebensumstände den Gesundheitszustand des Mieters verschlechtern könnte.

Suizidgefahr

  • Suizidgefahr als Härtegrund: Gerichte erkennen zunehmend eine Suizidgefahr des Mieters als Härtegrund an. Wenn die Wohndauer so lang ist, dass der Mieter mental stark an seine Wohnung gebunden ist, kann eine Räumungsklage zu einer konkreten Suizidgefahr führen. In solchen Fällen wird die Wohndauer als ein Faktor betrachtet, der die Härte des Falls verstärkt.

Beispiel aus der Rechtsprechung

  • Landgericht Aachen: In einem Urteil vom 28.9.2005 (Az. 7 S 66/05) wurde berücksichtigt, dass ein Herausreißen des Mieters aus seiner gewohnten Umgebung seinen Gesundheitszustand verschlechtern könnte.
  • Bundesgerichtshof: In einem Urteil vom 8.12.2004 (Az. VIII ZR 218/03) wurde einer psychisch kranken Mieterin, die ständig bei Nacht erheblichen Lärm veranstaltete, ein Bleiberecht aufgrund der Suizidgefahr zuerkannt.

Rechtliche Grundlagen

  • § 574 I 1 BGB: Bei der Prüfung der nicht zu rechtfertigenden Härte im Sinne des § 574 I 1 BGB wird die Wohndauer als ein Faktor berücksichtigt, wenn eine Räumungsklage die Gesundheit des Mieters erheblich verschlechtern könnte.
  • Interessenabwägung: Der Bundesgerichtshof betonte in einem Urteil vom 22.5.2019 (Az. VIII ZR 180/18), dass die Härte auf Seiten des Mieters die Belange des Vermieters bei der nötigen Interessenabwägung nicht deutlich, sondern nur überhaupt überwiegen müsse.

Handlungsschritte

  • Vorlage ärztlicher Atteste: Wenn ein Mieter einen medizinischen Härtegrund geltend macht, sollte er ärztliche Atteste vorlegen, die die Art, den Umfang und die konkreten Auswirkungen der Erkrankung auf seine Lebensführung darlegen.
  • Sachverständigengutachten: Wenn der Vermieter das Vorliegen der Erkrankung bestreitet, muss das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen, um die Härte des Falls zu beurteilen.

Zusammenfassend kann die Wohndauer bei der Härtefallprüfung psychischer Erkrankungen eine entscheidende Rolle spielen, insbesondere wenn sie zu einer starken Verwurzelung in der Umgebung und damit zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands bei einem Umzug führen könnte. Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, in einer solchen Situation ist, ist es wichtig, die rechtlichen Grundlagen zu kennen und gegebenenfalls ärztliche Atteste vorzulegen, um die Härte des Falls zu untermauern.


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Was bedeutet eine erfolgreiche Härtefallprüfung für das weitere Mietverhältnis?

Eine erfolgreiche Härtefallprüfung hat bedeutende rechtliche Konsequenzen für das Mietverhältnis, sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter. Die Grundlagen dieser Regelung sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert, insbesondere in § 574, der dem Mieter das Recht einräumt, gegen eine Kündigung des Vermieters Widerspruch einzulegen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Rechtliche Grundlagen der Härtefallregelung

Ein Härtefall liegt vor, wenn die Kündigung für den Mieter oder seine Angehörigen eine erhebliche Belastung darstellt, die unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters nicht gerechtfertigt ist. Zu den typischen Gründen, die als Härtefälle anerkannt werden können, zählen:

  • Schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen: Beispielsweise kann eine chronische Erkrankung wie schwere Depressionen dazu führen, dass ein Umzug nicht zumutbar ist.
  • Alter und Verwurzelung: Ein hohes Alter und eine lange Mietdauer können ebenfalls als Härtegründe gelten, da sie oft mit einer tiefen Verwurzelung im Wohnumfeld verbunden sind.
  • Schwierigkeiten bei der Wohnraumsuche: Wenn angemessener Ersatzwohnraum nicht zu zumutbaren Bedingungen gefunden werden kann, wird dies ebenfalls als Härtefall gewertet.

Folgen einer erfolgreichen Härtefallprüfung

Wenn die Härtefallprüfung erfolgreich verläuft und das Gericht die Interessen des Mieters als vorrangig anerkennt, hat dies folgende Konsequenzen:

  • Fortsetzung des Mietverhältnisses: Das Gericht kann entscheiden, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird. Dies kann entweder unbefristet oder befristet geschehen, abhängig von den Umständen des Einzelfalls.
  • Verlängerung der Kündigungsfrist: In einigen Fällen kann die Kündigungsfrist verlängert werden, sodass der Mieter mehr Zeit hat, um sich auf eine mögliche Wohnungsänderung vorzubereiten.
  • Schutz vor Kündigung: Insbesondere bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen wird häufig berücksichtigt, dass eine Kündigung zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands führen könnte. Dies schützt den Mieter vor einer sofortigen Räumung.

Praktische Auswirkungen für beide Parteien

Für den Mieter bedeutet eine erfolgreiche Härtefallprüfung in der Regel:

  • Sicherheit im Wohnverhältnis: Der Mieter kann in seiner Wohnung bleiben und muss sich nicht umgehend nach einem neuen Wohnraum umsehen.

Für den Vermieter hat dies folgende Auswirkungen:

  • Einschränkung der Kündigungsrechte: Der Vermieter muss die Entscheidung des Gerichts akzeptieren und kann nicht einfach auf seine Eigenbedarfskündigung bestehen.
  • Mögliche Anpassungen im Mietverhältnis: Der Vermieter könnte gezwungen sein, alternative Lösungen zu finden oder Kompromisse einzugehen, um die Situation zu klären.

Insgesamt dient die Härtefallregelung dazu, einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen von Mietern und Vermietern zu schaffen und sicherzustellen, dass besonders schutzbedürftige Mieter nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Eigenbedarf

Eine gesetzlich anerkannte Kündigungsgrund des Vermieters, wenn er die vermietete Wohnung für sich selbst, Familienangehörige oder Haushaltsangehörige zu Wohnzwecken benötigt. Geregelt in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Der Vermieter muss vernünftige und nachvollziehbare Gründe für den Eigenbedarf haben. Beispiel: Ein Vermieter kündigt, weil seine Tochter nach dem Studium in die Stadt zieht und eine Wohnung benötigt.


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Verfassungsrechtlich geschützte eigentumsrechtliche Befugnisse

Die im Grundgesetz (Art. 14 GG) verankerten Rechte eines Eigentümers, über sein Eigentum frei zu verfügen und es zu nutzen. Diese Rechte können aber durch Gesetze eingeschränkt werden, wenn wichtige Gründe des Gemeinwohls dies erfordern. Beispiel: Ein Hausbesitzer darf grundsätzlich selbst entscheiden, wer in seinem Haus wohnt, muss aber den gesetzlichen Mieterschutz beachten.


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Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit

Ein juristischer Beweismaßstab, der eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit (nahezu 100%) bezeichnet und praktisch jeden vernünftigen Zweifel ausschließt. Wird besonders bei Gutachten verwendet, um die Verlässlichkeit von Prognosen oder Feststellungen zu bewerten. Beispiel: Ein medizinischer Gutachter stellt fest, dass eine bestimmte Behandlung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zur Heilung führen wird.


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Krankheitsbedingt über keine ausreichenden Ressourcen verfügen

Ein medizinisch-rechtlicher Begriff, der beschreibt, dass eine Person aufgrund ihrer Erkrankung nicht über die notwendigen körperlichen, psychischen oder sozialen Fähigkeiten verfügt, um bestimmte Situationen zu bewältigen. Relevant bei der rechtlichen Beurteilung von Härtefällen nach § 574 BGB. Beispiel: Ein schwer kranker Mensch kann aufgrund seiner Erkrankung nicht die Kraft aufbringen, einen Umzug zu organisieren.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB (Härtefallregelung):
    Nach dieser Vorschrift kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung für ihn eine unzumutbare Härte bedeutet. Härtegründe umfassen Nachteile wirtschaftlicher, gesundheitlicher oder persönlicher Art, die deutlich über die typischen Unannehmlichkeiten eines Wohnungswechsels hinausgehen müssen.
    Im vorliegenden Fall hat das Gericht festgestellt, dass beim Beklagten gesundheitliche Beeinträchtigungen, sein fortgeschrittenes Alter und die lange Mietdauer von mehr als 30 Jahren eine solche Härte begründen. Insbesondere die bestehende depressive Erkrankung des Beklagten, die durch den Verlust der Wohnung erheblich verschlimmert würde, stellt eine unzumutbare Härte dar.
  • Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit):
    Das Grundgesetz schützt die körperliche und psychische Gesundheit jedes Einzelnen. Dieser Schutz verpflichtet auch die Zivilgerichte, die Interessen der Parteien unter besonderer Berücksichtigung der gesundheitlichen Gefahren für den Betroffenen abzuwägen.
    Im konkreten Fall wurde durch das psychiatrische Gutachten nachgewiesen, dass der erzwungene Wohnungswechsel das Risiko einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beklagten mit sich bringt. Diese Gefahren wiegen schwerer als das berechtigte Interesse des Vermieters, die Wohnung anderweitig zu nutzen.
  • § 286 ZPO (Freie Beweiswürdigung):
    Nach dieser Regelung kann das Gericht seine Überzeugung aus dem gesamten Inhalt der Verhandlung und den Ergebnissen der Beweisaufnahme frei schöpfen. Es muss dabei die Beweise umfassend würdigen und begründen, warum es bestimmte Feststellungen trifft.
    Im Fall wurde ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, das ausführlich die gesundheitlichen Einschränkungen und die Folgen eines Umzugs beschreibt. Das Gericht hat dieses Gutachten als überzeugend angesehen und den Vorbehalten des Klägers nicht gefolgt, da die Begründung des Sachverständigen nachvollziehbar war.
  • § 574a Abs. 1 BGB (Fortsetzung des Mietverhältnisses):
    Ist ein Härtefall nach § 574 Abs. 1 BGB festgestellt, kann das Gericht anordnen, dass das Mietverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fortgesetzt wird. Dies geschieht auch bei einem berechtigten Interesse des Vermieters, wenn dieses weniger schwer wiegt als die Härtegründe des Mieters.
    In diesem Fall wurde die Fortsetzung des Mietverhältnisses angeordnet, da die Härtegründe des Beklagten schwerer wiegen als das Interesse des Vermieters, die Wohnung für seine Tochter zu nutzen. Die Abwägung fiel zugunsten des Beklagten aus, da seine psychische Gesundheit gefährdet wäre.
  • § 308a ZPO (Vollstreckungsschutz):
    Die Vorschrift ermöglicht es, die Vollstreckung einer Entscheidung durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Der Kläger kann die Vollstreckung verhindern, wenn er eine Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.
    Im Urteil wurde festgelegt, dass der Kläger die Vollstreckung abwenden kann, sofern die notwendige Sicherheitsleistung erbracht wird. Dies schützt den Beklagten vor einer sofortigen Räumung, während der Kläger ein finanzielles Sicherungsrecht behält.

Das vorliegende Urteil


LG Berlin – Az.: 65 S 132/21 – Urteil vom 12.05.2023


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