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Corona-bedingte Geschäftsschließung – kein Mietmangel – kein Fall der Unmöglichkeit

LG Lüneburg – Az.: 5 O 158/20 – Urteil vom 17.11.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.043,90 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 57.346,86 Euro vom 04.04.2020 bis zum 30.07.2020 und aus einem Betrag von 48.043,90 Euro ab dem 31.07.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt,

a. an die Klägerin als Mietsicherheit eine unverzinsliche Barkaution in Höhe von 17.040,58 Euro zu zahlen;

oder

b. an die Klägerin eine Mietsicherheit in Höhe von 344.081,16 Euro durch eine Patronatserklärung einer über entsprechende Kapitalausstattung verfügende Gesellschaft der ### Firmengruppe gemäß dem als Anlage K 11 zur Gerichtsakte gereichten Muster (entsprechend Anl. 7 zu dem Mietvertrag vom 28.11.2001) zu leisten, und zwar mit der Maßgabe, dass die in dem Muster mit „### KG, ###straße 20###, Deutschland“ benannte Tochtergesellschaft bzw. „### KG“ jeweils ersetzt wird durch die Firma sowie die aktuelle Anschrift der Beklagten, nämlich „Fa. ### GmbH & Co. KG, ### Straße 70, ###.“

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von ihr durch vorgerichtliche Vertretung entstandenen Rechtsanwaltsgebühren als Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung in hälftiger Höhe, mithin in Höhe von 821,20 Euro freizustellen und diese Summe an die Kanzlei ### Rechtsanwälte, ###, zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung einer rückständigen Monatsmiete sowie Zahlung einer Mietsicherheit.

Die Parteien sind über einen Gewerberaummietvertrag bezüglich eines Grundstücks mit Geschäftshaus in ### miteinander verbunden. Die Beklagte betreibt dort ein Modegeschäft. Die monatliche Bruttomiete beträgt 57.346,86 Euro, zahlbar jeweils zum 3. Werktag eines jeden Monats. Auf den Mietvertrag vom 28.11.2001 einschließlich der 3 Nachträge vom 04.05./11.05.2001, 01.06./06.06.2011 und vom 22.11./03.12.2019 (Bl. 11-35 d.A.) wird Bezug genommen.

Infolge der Covid-19-Pandemie und damit einhergehender öffentlich-rechtlicher Betriebsschließungsanordnung musste die Beklagte ihr Geschäft vom 17.3.2020 bis zum 28.04.2020 vollständig schließen. Am 29.4.2020 erfolgte eine Teilöffnung, ab dem 11.5.2020 die vollständige Wiedereröffnung.

Die Beklagte zahlte die Miete für den Monat April nicht, was sie der Klägerin zuvor mit Schriftsatz vom 18.3.2020 angekündigt hatte. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 24.03.2020 erfolglos sowohl zur Mietzahlung als auch zur Hinterlegung einer Sicherheit gemäß § 6 des Mietvertrages unter jeweiliger Fristsetzung bis zum 10.04.2020 auf. Auf die anwaltlichen Aufforderungsschreiben vom 16.04.2020 und 06.05.2020 reagierte die Beklagte weiterhin nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Betriebsschließung nicht objektbezogen, sondern betriebsbezogen erfolgt sei und damit einem Mietanspruch nicht entgegenstehe.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 57.346,86 Euro brutto zzgl. Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 04.04.2020 zu zahlen,

2. die Beklagte des Weiteren zu verurteilen,

a) der Klägerin als Mietsicherheit eine unverzinsliche Barkaution in Höhe von 172.040,58 Euro zu zahlen,

oder

Corona-bedingte Geschäftsschließung - kein Mietmangel - kein Fall der Unmöglichkeit
(Symbolfoto: Von Maridav/Shutterstock.com)

b) eine Mietsicherheit durch Leistung einer Bankbürgschaft über 172.040,58 Euro gemäß dem als Anlage K10 zur Akte gereichten Muster (entsprechend Anlage 6 zu dem Mietvertrag vom 28.11.2001) zu leisten

oder

c) eine Mietsicherheit in Höhe von 344.081,16 Euro durch eine Patronatserklärung einer über entsprechende Kapitalausstattung verfügende Gesellschaft der ### Firmengruppe gemäß dem als Anlage K11 zur Gerichtsakte gereichten Muster (entsprechend Anlage 7 zu dem Mietvertrag vom 28.11.2001)

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den ihr durch ihre vorgerichtliche Vertretung entstandenen Rechtsanwaltsgebühren als Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung in hälftiger Höhe, nämlich i.H.v. 821,20 Euro freizustellen und diese Summe an die Kanzlei ### Rechtsanwälte, ###, zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 11.08.2020 hat die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihrer Anträge im Übrigen die Klageanträge zu 2 lit. b und c) entsprechend den jeweiligen „Maßgaben“ ergänzt. Mit Schriftsatz vom 24.09.2020 hat sie mit dem Guthaben der Beklagten aus der Betriebskostenabrechnung vom 31.07.2020 für das Jahr 2019 in Höhe von 9.302,96 Euro aufgerechnet und insoweit Teilerledigung erklärt, der die Beklagte nicht binnen zweiwöchiger Frist nach Zustellung am 29.09.2020 widersprochen hat.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 57.346,86 Euro brutto zzgl. Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 04.04.2020 abzüglich mit Wirkung vom 31.07.2020 aufgerechneter 9302,96 Euro zu zahlen,

2 .die Beklagte zu verurteilen,

a) der Klägerin als Mietsicherheit eine unverzinsliche Barkaution in Höhe von 172.040,58 Euro zu zahlen, oder

b) eine Mietsicherheit durch Leistung einer Bankbürgschaft über 172.040,58 Euro gemäß dem als Anlage K10 zur Akte gereichten Muster (entsprechend Anlage 6 zu dem Mietvertrag vom 28.11.2001) zu leisten; und zwar mit der Maßgabe, dass die in diesem Muster angegebene Währung „DM“ und „deutsche Mark“ jeweils durch „Euro“ ersetzt wird; oder

c) eine Mietsicherheit in Höhe von 344.081,16 Euro durch eine Patronatserklärung einer über entsprechende Kapitalausstattung verfügende Gesellschaft der ### Firmengruppe gemäß dem als Anlage K11 zur Gerichtsakte gereichten Muster (entsprechend Anlage 7 zu dem Mietvertrag vom 28.11.2001), und zwar mit der Maßgabe, dass die in dem Muster mit „### KG, ###straße 20, ###, Deutschland“ benannte Tochtergesellschaft bzw. „### KG“ jeweils ersetzt wird durch Firma sowie die aktuelle Anschrift der Beklagten, nämlich „Fa. ### GmbH & Co. KG, ###“;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den ihr durch ihre vorgerichtliche Vertretung entstandenen Rechtsanwaltsgebühren als Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung in hälftiger Höhe, nämlich i.H.v. 821,20 Euro freizustellen und diese Summe an die Kanzlei ### Rechtsanwälte, ###, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, aufgrund des „Lockdown“ nicht zur Mietzahlung verpflichtet gewesen zu sein. Sie beruft sich auf § 536 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, hilfsweise auf § 326 BGB und § 313 BGB. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf Art. 240 EGBGB berufen. Sie hält die entsprechende Vertragsregelung nach § 307 BGB für unwirksam.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Mietzahlung aus § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Gewerberaummietvertrag vom 28.11.2001, dem 1. Nachtrag vom 4.5./11.05.2011, dem zweiten Nachtrag vom 01.06.2011/06.06.2011 und der 3. Nachtragsvereinbarung vom 22.11./03.12.2019 zu.

Ihr Anspruch ist weder infolge eines Mietmangels a), noch infolge von Unmöglichkeit der Leistungserbringung gänzlich oder teilweise zu mindern b) oder aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzupassen c).

a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung begründen öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse nur dann einen Sachmangel, wenn sie unmittelbar auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und ihre Ursachen nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.1988 – VIII ZR 232/87 -; BGH, Urteil vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09). Ist die Mietsache als solche weiter zur Nutzung grundsätzlich geeignet und nur der geschäftliche Erfolg des Mieters betroffen, realisiert sich das von dem Mieter zu tragende Verwendungsrisiko und nicht das Gebrauchsüberlassungsrisiko, welches tatsächlich von dem Vermieter zu tragen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2000 – XII ZR 279/97).

Gemessen an diesem Maßstab liegt ein Mangel der Mietsache nicht vor.

Die Klägerin vertritt zu Recht die Ansicht, dass die pandemiebedingte Betriebsschließung nicht der Mietsache innewohnt. Die Betriebsschließungsverfügung erfolgte zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Bereits hiernach wird deutlich, dass die Verfügung nicht an das konkrete Mietobjekt anknüpfte, sondern dass es aufgrund des darin von der Beklagten ausgeübten Geschäftsbetriebes vielmehr reflexartig miterfasst wurde. Im Übrigen blieb das Ladenlokal für die Beklagte grundsätzlich weiterhin nutzbar, allein der Kundenzugang war untersagt. Allerdings nutzte die Beklagte das Geschäftshaus zu betrieblichen Zwecken als Warenlager für den online-Handel und die Schaufenster als Werbefläche.

Die Regelungen des Mietgegenstandes und des Mietzwecks gemäß § 2 Ziff. 2.1. i.V.m. § 1. Ziff 1.2. des Mietvertrages stellen im Übrigen auch keine Zusicherung nach § 536 Abs. 2 BGB dar. Die Zusicherung einer Eigenschaft setzt voraus, dass eine Partei die Gewähr für das Vorhandensein der Eigenschaft derart übernommen hat, dass sie für deren Bestand und allen Folgen ihres Fehlens einstehen will (vgl. Palandt/Weidenkaff BGB, 79. Aufl., § 536 Rn. 25 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die unbedingte Fortsetzung des Betriebes selbst für den Fall behördlicher Schließungsanordnungen zu Pandemiebekämpfung zugesichert habe, liegen in Anbetracht der Regelung der beiden Vertragspunkte nicht vor. § 1 Ziff. 1.2. lautet: „Die Vermietung erfolgt in der Ausgestaltung und in dem Zustand, in dem sich das Mietobjekt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befindet. Der Mieter hat das Mietobjekt bei Abschluß dieses Mietvertrages bereits über einen längeren Zeitraum genutzt“. Schon seinem Wortlaut nach lässt sich der Formulierung keine Regelung bzgl. einer etwaigen Betriebszusage entnehmen. Etwas Anderes folgt auch entgegen der Annahme der Beklagte nicht aus dem Umstand, dass diese das Mietobjekt über einen längeren Zeitraum nutzt.

Auch aus § 2 Ziff. 2.1. ergibt sich nichts anderes. Zwar heißt es hierzu: „Die Vermietung erfolgt zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts mit dem jeweils ### -typischen Sortiment einschließlich entsprechender Beisortimente, sofern das Führen dieses Sortiments nicht sittlich anstößig ist und/oder gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Mit Blick auf die Laufzeit des Vertrages besteht zwischen dem Vertragspartnern Einvernehmen, dass der Mieter berechtigt ist, Sortimentsänderngen und Sortimentserweiterungen vorzunehmen, ohne dass es dazu einer gesonderten Zustimmung seitens des Vermieters bedarf. Der Mieter hat wesentliche Änderungen/Erweiterungen aber schriftlich anzuzeigen“.

Wenngleich diese Vertragsbestimmung den Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes nennt, wird darin der Mietzweck, d.h. die konkrete Nutzungsart beschrieben, nicht mehr und nicht weniger. Eine Zusicherung der fortbestehenden öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit dieser Nutzung ist darin nicht enthalten.

b) Ein Ausschluss der Mietzahlungspflicht ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht aus §§ 326, 275 BGB.

Der Klägerin war die reine Gebrauchsüberlassung als geschuldete Hauptpflicht nach § 535 Abs. 1 BGB weiterhin möglich, sodass ihr Anspruch auf die Gegenleistung auch nicht entfallen ist. Denn die Zulässigkeit der konkreten Nutzung war nach den vorstehenden Erwägungen nicht Gegenstand der klägerischen Leistungspflicht.

c) Schließlich folgt eine Mietminderung auf Null auch nicht aus einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB.

Der Beklagten ist im Ergebnis das Festhalten am Mietvertrag jedenfalls nicht unzumutbar.

Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglich oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie die Veränderungen vorausgesehen hätten.

Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass eine pandemiebedingte Betriebsschließung eine wesentliche Veränderung der Umstände darstellt, die keine der Parteien vorhergesehen und damit in ihre Vorstellung bei Abschluss des Mietvertrages aufgenommen hat. Dennoch folgt aus den auf den konkreten Einzelfall bezogenen Umständen, dass der Beklagten das Festhalten am Vertrag noch zumutbar ist.

Die Kammer ist bei ihrer Abwägungsentscheidung zunächst von der gesetzlichen Risikoverteilung ausgegangen. Das Verwendungsrisiko der Mietsache trägt grundsätzlich die Mieterin. Sie ist auch nicht vollständig von der Nutzung der angemieteten Gerwerberäumlichkeiten ausgeschlossen gewesen. So hat sie eben auch die Schaufenster als Werbefläche für ihr online-Angebot und die Filiale als Warenlager für den online-Handel genutzt.

Ein entscheidender Gesichtspunkt liegt zudem in der Dauer des „Lockdown“ begründet. Dieser war zeitlich auf knapp 6 Wochen (17.3.-28.4.2020) begrenzt. Dabei hat die Kammer bedacht, dass die Beklagte in diesem Zeitraum keinen Umsatz durch Laufkundschaft machen konnte. Gleichwohl folgt aus dem Betreiben ihres online-Geschäfts, dass ihr Umsatz nicht gänzlich weggefallen war.

Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Beklagten auch eine steuerliche Entlastung zugutekommen, konkret die Senkung der Umsatzsteuer von 19 auf 16 % für 6½ Monate (Mitte Mai bis Jahresende), was zu einer Steigerung der Kundennachfrage und damit zu einem gewissen Ausgleich der Verluste führen dürfte.

Schließlich ist bei einer auch nur anteiligen Kürzung der Miete auch zu berücksichtigen, dass es Arbeitgebern wie der Beklagten unbenommen bleibt, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen und ihre Betriebsausgaben zu reduzieren (Kurzarbeit). Zudem hat der Mieter grundsätzlich die Möglichkeit, die Betriebsschließung zu versichern, wobei der Versicherungsschutz von der jeweiligen Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen abhängen dürfte.

Demgegenüber ist ebenfalls in die Interessensabwägung einzustellen, dass die Vermieterin weiterhin vollständig für Erhaltungsmaßnahmen einzustehen hat, selbst wenn sie keine Mieteinnahmen erhält. Dies liefe auf eine einseitige Verlagerung des Nutzungsrisikos zuungunsten der Vermieterseite hinaus. In diesem Zusammenhang ist auch die gesetzgeberische Wertung des Art. 240 Abs. 1 EGBGB zu bedenken. Gem. § 240 § 1 Abs. 4 EGBGB sind Miet- und Pachtverträge ausdrücklich vom Leistungsverweigerungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen im Moratoriumszeitraum ausgenommen, obwohl dem Gesetzgeber die Problematik der Auswirkung finanzieller Einbußen auf Mietverhältnisse bekannt war, was der Regelungsinhalt des Art. 240 § 2 EGBGB belegt. Eine Differenzierung nach Wohnungs- und Gerwerberaummietverhältnissen hat er nicht vorgenommen. Die Normierung eines Leistungsverweigerungsrechts wäre schließlich auch nicht erforderlich, wenn § 313 BGB derartige Konstellationen nach der Vorstellung des Gesetzgebers regelmäßig erfassen würde.

Ebenso wie ein Vermieter dazu angehalten ist, aus den Mieteinnahmen Rücklagen zu bilden, um seiner Pflicht zur Erhaltung der Mietsache nachzukommen, kann auch von einem Mieter verlangt werden, dass dieser aus seinen Umsätzen Rücklagen bildet.

2. Die Klägerin steht im austenorierten Umfange ein Anspruch auf Stellung der Mietsicherheit in der jeweils geltend gemachten Höhe aus § 6 des Mietvertrages zu. Eine Bankbürgschaft kann sie jedoch nicht verlangen, weil das als Anlage 6 in Bezug genomme Muster wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam ist.

a) Der verhaltene Anspruch wurde vertraglich vereinbart. Soweit die Beklagte die Einrede der Verjährung erhebt, verfängt dies nicht. Die dreijährige Verjährungsfrist gem. § 195 BGB beginnt am Ende des Jahres, in dem das Sicherungsverlangen erstmals gestellt wurde, § 199 Abs. 1 BGB. Genau dies hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 24.03.2020 getan, sodass der Lauf der Verjährungsfrist erst am 31.12.2020 beginnt.

b) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf Art. 240 § 2 EGBGB, wonach sie die Forderung einer Mietsicherheit in Anbetracht der Schaffung eines schuldrechtlichen Leistungsverweigerungsrechts im Moratoriumszeitraum für gesetzeswidrig erachtet. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1.c) verwiesen, wo dargestellt ist, dass Art. 240 § 1 EGBGB jegliche Form von Mietverhältnissen aus dem Anwendungsbereich des Leistungsverweigerungsrechts ausschließt.

c) Ein ebenfalls eingewendeter Verstoß der (gesamten) Vertragsklausel des § 6 gegen § 307 BGB ist für sich betrachtet mangels unangemessener Benachteiligung nicht ersichtlich. Die Klausel ist eindeutig und klar formuliert, sodass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht erkennbar ist. Allerdings verstößt das als Anlage 6 in Bezug genommene Muster einer Bankbürgschaft gegen § 307 BGB. In der Anlage heißt es:

„BANKBÜRGSCHAFT

1. Die ### übernimmt hiermit gegenüber ### unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB) sowie auf die Einreden aus § 768 die unwiderrufliche, unbefristete du selbstschuldnerische Bankbürgschaft bis zum Höchtsbeträge von ### DM, ### zahlbar für die untern näher bezeichneten Ansprüche, die dem Vermieter gegenüber ### zustehen.“

Eine im Mietvertrag enthaltene Allgemeine Geschäftsbedingung, die hinsichtlich einer zu stellenden Bürgschaft bestimmt, dass der Bürge auf die Einrede der Aufrechenbarkeit verzichtet, ohne eine Ausnahme für rechtskräftig festgestellte oder anerkannte Forderungen aufzunehmen, ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB unwirksam (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 551 BGB, Rn. 36a zur Gewerberaummiete unter Verweis auf BGH, Urteil vom 12.2.2009 – VII ZR 39/08). Die verfahrensgegenständliche Vertragsklausel sieht eine Ausnahme für rechtskräftig festgestellte oder anerkannte Forderungen nicht vor.

Die Unwirksamkeit des Musters zur Bankbürgschaft führt nicht zur Unwirksamkeit der Mietvertragsklausel des § 6 im Übrigen. Es handelt sich insoweit nicht um eine konzeptionelle Einheit. Die Klägerin gewährt der Beklagten insgesamt drei Wahlmöglichkeiten zur Stellung der Mietsicherheit, von denen eine unwirksam ist. Da die beiden anderen Wahlmöglichkeiten von der Bankbürgschaft abtrennbar sind, liegt kein Fall der geltungserhaltenden Reduktion vor.

d) Schließlich kann der Beklagten auch nicht darin gefolgt werden, dass sie infolge des Währungswechsels und der abweichenden Gesellschaftsform ihres Wahlrechts hinsichtlich der Form der zu leistenden Sicherheit verlustig gegangen sei. Bei den in Bezug genommenen Anlagen zu § 6 des Mietvertrages handelt es sich um Muster Es liegt auf der Hand, dass allein die Währungsumstellung von „DM“ auf „Euro“ keinen Verlust des Wahlrechts mit sich bringt, zumal der Vertrag im Jahr 2001 geschlossen wurde und der Euro als Bargeld erst im Jahr 2002 eingeführt wurde. Soweit die im Muster benannte Gesellschaft sich von der im Mietvertrag genannten unterscheidet, ist indes unstreitig, dass die Beklagte Mieterin ist. Im Übrigen handelt es sich lediglich um ein Muster aus dem Jahr 2001, welches selbstverständlich an sich im Laufe der Zeit wandelnde Umstände angepasst werden kann. Unabhängig davon hat die Klägerin jedenfalls mit Schriftsatz vom 11.08.2020 das Wahlrecht der Beklagten weiterhin anerkannt.

e) Die jeweilige Höhe der Mietsicherheiten folgt aus der vertraglichen Regelung des § 6. Danach umfasst die Leistung einer Barkaution oder einer Bürgschaft 3 Bruttomonatsmieten, die einer Patronatserklärung 6 Bruttomonatsmieten.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug ab dem 04.04.2020, §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 und 2 BGB, nachdem die Beklagte die spätestens am 3. Werktag eines jeden Monats fällige Miete nicht gezahlt hat.

4. Der Freistellungsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 257 Satz 1 BGB. Die Klägerin hat ihren Prozessbevollmächtigten nach dem 03.04.2020 beauftragt und dieser ist für die Klägerin tätig geworden. Die Klägerin hat die Gebühren bislang nicht beglichen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91a, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die obsiegende Klägerin ist zwar mit ihrem Antrag auf Stellung einer Mietsicherheit in Form einer Bankbürgschaft unterlegen. Dabei handelt es sich jedoch um eine geringfügige Zuvielforderung, sodass der Beklagten die vollständigen Kosten aufzuerlegen waren, §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Soweit die Klägerin den Rechtsstreit in Höhe von 9.302,96 Euro durch Aufrechnung mit dem Guthaben der Beklagten aus der Betriebskostenabrechnung 2019 für erledigt erklärt und die Beklagte dem nicht binnen am 29.09.2020 gesetzter Frist gem. § 91 a Abs. 1 Satz 2 ZPO widersprochen hat, waren der Beklagten die Kosten auch insoweit aufzuerlegen, denn sie hätte den Rechtsstreit ohne das erledigenden Ereignisse – die Aufrechnung – ebenfalls verloren. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 04.11.2020 und 06.11.2020 gaben keine Veranlassung zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung.

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Oberlandesgericht Celle, 29221 Celle, Schloßplatz 2.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 Euro übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

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