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Corona-bedingte Mietvertragsanpassung nur bei Existenzgefährdung

LG Essen – Az.: 4 O 217/20 – Urteil vom 09.03.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.441,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 3.813,85 Euro seit dem 06.04.2020, 06.05.2020 und 06.06.2020 sowie weitere 5,00 Euro Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 934,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2020 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des jeweils beizutreibenden Betrages.

Tatbestand:

Corona-bedingte Mietvertragsanpassung nur bei Existenzgefährdung
(Symbolfoto: Maridav/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten über den Fortbestand von Mietzinsansprüchen während der Corona-Pandemie.

In den Mietvertrag über Geschäftsräume der Adresse L-Straße … in … F vom 09.12.2014 traten die Klägerin auf Seite der Vermieterin und die Beklagte auf Mieterseite ein.

Die Beklagte betreibt dort ein Gewerbe zum An- und Verkauf von gebrauchten Pkw, wobei die Kontaktanbahnung mit An-/ Verkaufsinteressenten regelmäßig über das Internet erfolgt. Am Mietobjekt werden die Fahrzeuge der Verkäufer persönlich abgegeben und von Kaufinteressenten besichtigt.

Die monatliche Miete für die Geschäftsräume wurde durch eine Ergänzung des Mietvertrags im Jahr 2016 auf 3.813,85 Euro bestimmt. In § 2 des Vertrags wird als Mietzweck der Ankauf und die Bewertung von Fahrzeugen genannt. Nach § 4 des Mietvertrags ist der Mietzins jeweils im Voraus bis zum 3. Werktag eines Monats fällig.

Im Frühjahr 2020 erging erstmals eine sogenannte Coronaschutzverordnung, mit welcher der Staat umfangreiche Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens traf. Hierzu gehörte u. a. die Einschränkung des Betriebs von Gewerben mit Publikumsverkehr. Der Beklagten wurde hierdurch jedenfalls zeitweise die Öffnung ihrer Betriebsräume für Kunden untersagt, wobei Einzelheiten – insb. die Dauer und inwiefern die Beklagte sich an diese Auflagen hielt – zwischen den Parteien streitig sind. Mitarbeiter der Beklagten erhielten aufgrund der (teilweisen) Geschäftsschließung wenigstens vorübergehend Kurzarbeitergeld.

In den Monaten April bis Juni 2020 erbrachte die Beklagte keine Leistungen an die Klägerin. Mit Schreiben vom 10.04.2020 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des ausstehenden Mietzinses i.H.v. 3.813,85 Euro sowie von 5 Euro Mahnkosten auf. Durch anwaltliches Schreiben vom 29.06.2020 wurde die Beklagte zuletzt unter Fristsetzung bis zum 13.07.2020 zusätzlich zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 958,19 Euro aufgefordert.

Zwischenzeitlich wurde das Mietverhältnis der Parteien beendet.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihren Geschäftsbetrieb nur für wenige Wochen, vom 18.03.-14.04.2020, eingestellt und im Übrigen – teilweise unter Verletzung der staatlich angeordneten Schutzmaßnahmen – weitgehend ungestört fortgeführt.

Sie ist der Ansicht, es liege weder ein Mangel der Mietsache noch eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Die Beklagte trage als Mieterin das Verwendungsrisiko für die Mietsache. Im Übrigen sei der Beklagten ein Festhalten an der Pflicht zur Mietzahlung zumutbar. Letztlich behauptet sie, die Mietzahlung sei von der Beklagten nicht aufgrund von deren fehlender Liquidität ausgesetzt worden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.441,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 3.813,85 Euro seit dem 06.04.2020, 06.05.2020 und 06.06.2020 sowie weitere 5,00 Euro Mahnkosten zu zahlen;

2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an sie 934,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.07.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, aufgrund der Corona-Pandemie sowie der hieraus folgenden staatlichen Schutzmaßnahmen schwere wirtschaftliche Folgen erlitten zu haben. Sie habe ihren Betrieb zwischenzeitlich (im April 2020) vollständig einstellen müssen und in den Monaten Mai und Juni erhebliche Einbußen erlitten. Der Ankauf von Fahrzeugen sei zeitweise vollkommen eingestellt worden. Aufgrund von Liquiditätsengpässen sei sie zur Einstellung von Mietzahlungen gezwungen gewesen.

Sie ist der Ansicht, die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch sei aufgrund der Schließungsanordnung aufgehoben gewesen und die Mietsache insofern mangelhaft. Sie meint, die Klägerin müsse hierfür aufgrund des vertraglich vereinbarten Mietzwecks einstehen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Mietzahlungen seien derzeit nicht geschuldet und beruft sich insofern auf das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid19-Pandemie, wonach eine Kündigung bei ausbleibenden Mietzahlungen für die Monate April bis Juni 2020 vorläufig ausgeschlossen ist. Diese Regelung ginge ins Leere, so meint die Beklagte, wenn trotzdem ein Zahlungstitel über die Miete erwirkt werden könne.

Darüber hinaus beruft die Beklagte sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage. Sie meint, bei Abschluss des Mietvertrags und im Rahmen der Preisfindung für den monatlichen Mietzins sei die Corona-Pandemie nicht berücksichtigt worden, weshalb eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliege. Der ausdrücklich vereinbarte Mietzweck könne nicht erreicht werden. Die Beklagte ist der Auffassung, die in Art. 240 § 7 EGBGB getroffene Wertung des Gesetzgebers sei auf den vorliegenden Fall anwendbar. Demnach werde vermutet, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliege. Sie vertritt die Ansicht, dass sie aus diesem Grund eine Anpassung des Mietvertrags und der geschuldeten Mietzahlungen verlangen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

A) Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig, insb. ist das Landgericht Essen gemäß § 29a Abs. 1 ZPO örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG nach dem Streitwert, weil entgegen § 23 Nr. 2a) GVG kein Mietverhältnis über Wohnraum, sondern ein sogenannter Gewerbemietvertrag vorliegt.

B) Begründetheit

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete gemäß § 535 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte i.H.v. 11.441,55 Euro.

I. vertraglicher Mietzins

Die Parteien traten unstreitig in den Mietvertrag vom 09.12.2014 ein, wonach die Beklagte für die Nutzung der dort genannten Räumlichkeiten einen monatlichen Mietzins von 3.813,85 Euro zu entrichten hat.

Da sie die Miete in den Monaten April -Juni 2020 unstreitig nicht gezahlt hat, ist der Anspruch der Klägerin i.H.v. 11.441,55 Euro (= 3 x 3.813,85 Euro) nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB wegen Erfüllung erloschen.

II. keine Minderung gemäß § 536 Abs. 1a BGB

Der Anspruch der Klägerin ist ferner nicht wegen Minderung des Mietzinses nach § 536 Abs. 1a BGB ausgeschlossen.

Die Mieträume sind nicht im Sinne dieser Norm mangelhaft, obwohl sie womöglich teilweise nicht zu dem vertraglich vereinbarten Zweck genutzt werden konnten.

Die Nutzung von Mieträumen wird grds. bloß im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen geschuldet. Die Leistungspflicht der Klägerin ist insoweit beschränkt. Durch öffentlich-rechtliche Beschränkungen kann nur dann ein Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1a BGB vorliegen, wenn die Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts im Zusammenhang steht und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache hat. Das Verwendungsrisiko der Mieträume trägt insofern der Mieter. Hierzu gehört insbesondere das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Sofern sich seine Erwartung nicht erfüllt, verwirklicht sich das geradezu typische Risiko als gewerblicher Mieter (Urteil des BGH vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09).

Im vorliegenden Fall knüpfte die Corona-Schutzverordnung jedoch nicht an die räumlichen Gegebenheiten der Mietsache, sondern an den Publikumsverkehr bei Betrieb des Gewerbes an.

Allein die konkrete Nutzung der Räume als Ausstellungsräume, in denen Publikumsverkehr stattfindet, war insofern Grund für die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit. Eine reine Nutzung als Büroräume wäre auch im Rahmen des An- und Verkaufs von Pkw etwa unschädlich gewesen.

III. keine Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB

Die Beklagte kann ferner keine Anpassung der vertraglich vereinbarten Miete verlangen.

Im Einzelnen:

1. Anwendbarkeit

Die Vorschrift des § 313 BGB ist trotz des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid19-Pandemie anwendbar.

Denn in Art. 240 EGBGB werden zwar spezielle Bestimmungen zur Mietzahlungspflicht während der Corona-Pandemie getroffen. Art. 240 § 1 Abs. 1 EGBGB bestimmt insofern ein Moratorium für Mietansprüche bei Zahlungsunfähigkeit eines Verbrauchers. Sofern hieraus teilweise hergeleitet wird, die allgemeinen Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB seien ausgeschlossen, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. Die Beklagte ist schon keine Verbraucherin, weshalb diese Norm allein nach dem Wortlaut nicht anwendbar ist. Allerdings führt eine fehlende Erfassung der vorliegenden Sachverhaltskonstellation im Rahmen einer neu geschaffenen Sonderregelung auch nicht zwingend dazu, dass die allgemeinen Rechtsinstitute keine Anwendung finden. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber strengere Anforderungen an Vertragsanpassungen schaffen wollte. Vielmehr sollen diese Rechte einander erkennbar ergänzen.

2. objektive Änderung der Vertragsgrundlage

Ob eine objektive Änderung der Vertragsgrundlage vorliegt, kann dahinstehen, weil keine Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag dargelegt wurde, wie im Folgenden unter 3. ausgeführt wird. Für eine objektive Änderung der Vertragsgrundlage sprechen jedoch überzeugende Argumente, wie das Gericht ergänzend anmerkt.

Denn bei Abschluss des Mietvertrags bestand bei den Vertragsparteien die Vorstellung, das Geschäftsleben würde „im Großen und Ganzen“ so weitergehen wie bisher. Schließungsanordnungen, wie sie seit dem Frühjahr 2020 erfolgten, waren nicht vorhersehbar. Wenngleich die Vermutung des Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB erst durch Inkrafttreten am 31.12.2020, mithin nach Entstehen der streitgegenständlichen Ansprüche anwendbar ist, dürfte in den gravierenden Änderungen des gesellschaftlichen Lebens durch die Corona-Pandemie unabhängig von einer ggf. gesetzlich normierten Vermutung ein objektiver Wegfall wesentlicher Geschäftsgrundlagen vorliegen. § 313 Abs. 1 BGB umfasst neben den konkreten Umständen des jeweiligen Vertrags nämlich auch die sogenannte „Große Geschäftsgrundlage“, bei welcher die Vertragsparteien davon ausgehen, dass sich die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen nicht grundlegend verändern. Die Corona-Pandemie sowie die beispiellosen staatlichen Maßnahmen zum Infektionsschutz dürften vor diesem Hintergrund durchaus vergleichbar sein mit den weiteren hierunter zu fassenden Katastrophen (vgl. Palandt/ Grüneberg, 80. Auflage, 2021, § 313 Rn. 5).

Ob eine objektive Änderung der Vertragsgrundlage tatsächlich anzunehmen ist, kann letztlich jedoch dahinstehen, weil die (subjektive) Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag nicht gegeben ist.

3. keine Unzumutbarkeit

Eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag für die Beklagte ist jedoch nicht anzunehmen.

Nach § 313 Abs. 1 BGB kann ein Vertragspartner bei objektiver Änderung der Vertragsgrundlage nur dann eine Anpassung des Vertrags begehren, soweit ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Hierbei ist insbesondere die vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung zu berücksichtigen.

In Gewerbemietverträgen wie dem streitgegenständlichen trägt insofern der Mieter das sogenannte Verwendungsrisiko, wie bereits oben unter II. dargelegt wurde. Die dortigen Ausführungen gelten insofern entsprechend.

Vor diesem Hintergrund ist eine Unzumutbarkeit für gewerbliche Mieter erst dann anzunehmen, wenn über das gewöhnliche betriebswirtschaftliche Risiko hinaus eine gravierende Gefährdung der eigenen wirtschaftlichen Existenz eingetreten ist (so auch schon Landgericht Heidelberg, Urteil v. 30.07.2020 – 5 O 66/20 , Landgericht Mönchengladbach, Urteil v. 02.11.2020 – 12 O 154/20, Landgericht Frankfurt, Urteil v. 02.10.2020 – 2-15 O 23/20, 2/15 O 23/20). Nach diesen Maßstäben vermochte das Gericht keine Unzumutbarkeit für die Beklagte zu erkennen.

Im Einzelnen:

Zwar kann keiner der Parteien vorrangig auferlegt werden, Vorkehrungen für derartige Fälle zu treffen, da die Möglichkeit einer weltweiten Pandemie bis zu ihrem Auftreten für beide Seiten gleichermaßen überraschend und unvorhersehbar gewesen sein dürfte. Ob entsprechende Vorkehrungen – insbesondere Versicherungen für diesen Fall – überhaupt angeboten wurden und mit welchen Kosten diese ggf. einhergingen, vermag das Gericht ferner nicht zu bewerten. Allerdings war es der Beklagten in einem gewissen Umfang weiterhin möglich, die Mieträume zu nutzen, da es sich insofern unstreitig auch um ein Büro und eine Werkstatt handelte. Dass eine teilweise Bewirtschaftung ihres Betriebs der Beklagten nicht möglich war, ist weder von ihr vorgetragen noch durch die weiteren Umstände des Falls erkennbar.

Maßgeblich für die vorliegende Entscheidung ist, dass die Beklagte trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises eine Existenzgefährdung oder eine vergleichbare, zur Unzumutbarkeit führende wirtschaftliche Beeinträchtigung weder dargelegt noch unter Beweis gestellt hat. Sie hat auf die Verfügung vom 22.12.2020 hin insofern erklärt, die behördliche Schließungsanordnung habe zu einem vollständigen Rückgang der Ankaufszahlen geführt. In der 13. Kalenderwoche des Jahres 2020 sei es zu einer kompletten Einstellung des Fahrzeugankaufs gekommen. Ferner nahm sie ein Balkendiagramm in Bezug, welches aus der Quelle „…de“ stammte und ein Abfallen des wöchentlichen Fahrzeugankaufs auf 0% illustrierte. Aufgrund des Rückgangs des Fahrzeugankaufs sei auch ein erheblicher Rückgang des Umsatzes zu verzeichnen gewesen. Sie verkaufe in der Regel die angekauften Fahrzeuge direkt weiter. Die Partnerhändler seien ebenfalls einbrechenden Kundennachfragen ausgesetzt gewesen, sodass sie sich veranlasst gesehen habe, den Einkauf weitestgehend einzustellen.

Diese Ausführungen genügen nicht den Anforderungen an die substantiierte Darlegung einer Existenzgefährdung der Beklagten. Denn allein der „weitestgehende“ Rückgang des Ankaufs führt nicht dazu, dass der Umsatz der Beklagten sich nennenswert reduziert. Konkrete Zahlen zum Rückgang der Ankaufstätigkeit nennt die Beklagte lediglich für die 13. Kalenderwoche. Für den Großteil des streitgegenständlichen Zeitraums, insbesondere die Monate Mai und Juni, fehlt es an sämtlichen Daten. Im Übrigen wird ein Umsatz der Beklagten wohl nicht durch den An-, sondern Verkauf von Fahrzeugen generiert. Wie dieser sich entwickelte, legt die Beklagte mit keinem Wort dar.

Darüber hinaus fehlt es im Vortrag der Beklagten vollkommen an Angaben zum Ausmaß des Umsatzrückgangs. Der vorliegende Fall unterscheidet sich bereits insofern von jenen, die den von der Beklagten zitierten Urteilen der Landgerichte (LG Mönchengladbach vom 02.11.2020, 12 O 154/20 und LG München I vom 22.09.2020, 3 O 4495/20) zugrunde lagen. Allein ein (wenn auch erheblicher) Rückgang des Ankaufs der gehandelten Waren führt nicht notwendigerweise zu einem Rückgang des erwirtschafteten Umsatzes oder Gewinns. Denn unstreitig bezogen die Arbeitnehmer der Beklagten Kurzarbeitergeld, was die finanzielle Belastung der Beklagten selbst, die Mitarbeiterkosten ersparte, reduziert hat. Darüber hinaus wäre es zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, wenn sie zur Zeit der Ladenschließung keine besonderen Bemühungen zu einer Umsatzgenerierung unternommen hat. Selbst wenn sie üblicherweise eine Betriebsform verfolgt, welche mit Publikumsverkehr arbeitet, wurde von ihr nicht dargelegt, inwiefern eine Geschäftstätigkeit im reinen Onlinehandel (un-) möglich gewesen sein mag. Auch besondere Maßnahmen zur Kundengewinnung, wie Rabattaktionen, Minderung der Preise, etc. wären denkbar gewesen, um trotz der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen Umsätze zu generieren. Unternehmer haben insofern große Kreativität bewiesen, um trotz der Herausforderungen der Kontaktbeschränkungen Gewinne zu erzielen.

Die Umsätze während des streitgegenständlichen Zeitraums wären sodann zu den Umsatzzahlen der Beklagten in der Vergangenheit, ohne Einschränkungen der Corona-Pandemie, in Vergleich zu setzen gewesen. Auch zu ihren sonstigen, üblichen Umsätzen bleibt die Beklagte jedoch Vortrag schuldig.

Ferner ist gerichtsbekannt, dass von Seiten des Staats sogenannte „Soforthilfen“ zur Verfügung gestellt wurden. Wenngleich diese weiteren Voraussetzungen unterliegen und – mangels Darlegung – nicht bekannt ist, ob die Beklagte tatsächlich derartige staatliche Gelder bezogen hat, bestand dieses Angebot allein für Gewerbetreibende. Insofern wurde von Seite der öffentlichen Hand lediglich der Beklagten, nicht aber der Klägerin überhaupt finanzielle Hilfe angeboten. Dass ein Festhalten der Beklagten am geschlossenen Vertrag ihr unzumutbar sein und die – womöglich ebenfalls betroffene – Klägerin ihre Ansprüche stunden bzw. reduzieren muss, ist vor diesem Hintergrund fernliegend.

Letztlich wäre es selbst bei einem erheblichen Rückgang des Umsatzes für die Beklagte zumutbar gewesen, in einer Zeit, in welcher sie womöglich keine oder wenig Gewinne generieren konnte, auf etwaig vorhandene Rücklagen zurückzugreifen, um eine vorübergehende Liquidität sicherzustellen. Vortrag zu solchen Rücklagen der Beklagten fehlt jedoch vollständig.

Durch eine solche rechtliche Bewertung geht die Regelung des Art. 5 § 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid19-Pandemie nicht „ins Leere“, wie die Beklagte meint. Wenngleich in der genannten Norm eine Kündigung bis zum 30.06.2022 eingeschränkt wird, geht hiermit keine Befreiung von der Pflicht zur Mietzahlung einher. Der Gesetzgeber mag hierbei bewusst eine Unterscheidung vorgenommen haben. Mit Blick auf die Regelung in § 543 Abs. 2 S. 2 BGB bleibt es Mietern durch das ausgesetzte Recht zur Kündigung nämlich möglich, eine solche durch nachträgliche Zahlung der Miete dauerhaft abzuwenden.

IV. keine Stellungnahmefrist

Der Beklagten war entgegen ihres Antrags in der mündlichen Verhandlung am 09.03.2021 keine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Schriftsatz vom 24.02.2021 einzuräumen. Diese Möglichkeit ist gemäß § 283 ZPO dann einzuräumen, wenn eine Partei neues entscheidungserhebliches Vorbingen des Gegners nicht rechtzeitig vor dem Termin erfahren hat und auf den neuen Vortrag nicht unmittelbar erwidern kann. Der Vortrag der Klägerin im o.g. Schriftsatz beschränkt sich jedoch auf die Behauptung nebst Beweisantritt, dass die Beklagte ihr Geschäftslokal bloß kurzzeitig geschlossen und teilweise unerlaubterweise geöffnet habe. Dieser Vortrag war für die gerichtliche Entscheidung unerheblich, da es auf den tatsächlichen Betrieb zum aktuellen Datum für die Frage der (Un-) Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag nicht ankommt. Der Inhalt des Schriftsatzes vom 24.02.2021 ist daher nicht zu Lasten der Beklagten berücksichtigt worden, weil der Klage ohnehin stattzugeben war.

V. Nebenforderungen

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB sowie der Regelung in § 4 des Mietvertrags, wonach die Miete jeweils am dritten Werktag des Monats fällig ist.

Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen und weiterer 5 Euro Mahnkosten aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 249 ff. BGB aufgrund des anwaltlichen Schriftsatzes vom 29.06.2020 sowie ihrer eigenen Mahnung.

VI. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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