LG Hanau – Az.: 2 S 105/20 – Beschluss vom 11.01.2021
1. Der Antrag des Beklagten zu 1) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz wird zurückgewiesen.
2. Zugleich weist die Kammer den Beklagten zu 1) darauf hin, dass sie beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Gründe:
Zu 1.:
Der Antrag des Beklagten zu 1) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz unterlag der Zurückweisung. Denn die Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor, weil die vom Beklagten zu 1) zulässig eingelegte Berufung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat:
Zu 2.:
Zu Recht hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben.
Das Amtsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausführlich und gut nachvollziehbar die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen Gründe angeführt. Hieran ist die Kammer nach § 529 ZPO gebunden. Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen nicht. Die Entscheidung beruht darüber hinaus weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.
Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht zum auf Kündigung wegen Zahlungsverzugs gestützten Räumungsbegehren ausgeführt, dass der Beklagte zu 1) schon nicht schlüssig dargelegt hat, das Unterlassen der Zahlung der fälligen Mieten beruhe auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie.
Entgegen der Darstellung des Beklagten zu 1) hat das Amtsgericht die von ihm zu Protokoll gegebenen Äußerungen zu seinen Einkommensverhältnissen keineswegs unberücksichtigt gelassen. Ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hat das Amtsgericht diese vielmehr umfassend gewürdigt und zu Recht erkannt, dass der tatsächliche Sachvortrag des Beklagten zu 1) hierzu nicht geeignet war, seine pauschale Behauptung zu plausibilisieren, er habe aufgrund der Pandemie die Miete nicht zahlen können.
Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht sich dabei damit auseinandergesetzt, dass der Beklagte zu 1) als Grund für die Nichtzahlung der Miete keineswegs primär finanzielle Schwierigkeiten angab, sondern vielmehr technische Probleme beim Geldtransfer. So verlautbarte der Beklagte zu 1) nicht etwa, erst nach Anordnung von Kurzarbeit Zahlungsschwierigkeiten gehabt zu haben; vielmehr erklärte er, schon seit Beginn der Pandemie nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, Geld am Geldautomaten abzuheben, und auch keine telefonischen oder Online-Überweisungen tätigen zu können. Dass eigene Kurzarbeit pandemiebedingte Ursache für die Nichtzahlung von Miete gewesen sei, ist auch vor dem Hintergrund nicht ohne weiteres einsichtig, dass der Beklagte zu 1) selbst weiter erklärte, dass seine damals schwangere Ehefrau, die Beklagte zu 2), ihrerseits ab April 2020 kein Gehalt mehr bekommen habe, wobei diesbezüglich vom Beklagten zu 1) ein Bezug zur Pandemie in keiner Weise hergestellt wurde. Die Kammer verkennt insoweit nicht, dass auch eine Mitursächlichkeit der Pandemie und hierdurch bedingter Kurzarbeit des Beklagten zu 1) genügen würde, um eine zahlungsausfallbedingte Kündigung zu sperren. Auch für die Annahme einer etwaigen Mitursächlichkeit eignet sich der wie vorstehend beschrieben insgesamt widersprüchliche Vortrag des Beklagten zu 1) allerdings nicht. Auch der sonstige Akteninhalt legt nicht die Annahme nahe, Zahlungsausfälle seien pandemiebedingt gewesen. Folgt man nämlich der Berechnung in der Berufungsbegründung, dann sei vor Anordnung der Kurzarbeit das Einkommen des Beklagten zu 1) zusammen mit dem Kindergeldbezug der Beklagten zu 2) für Mietzahlungen durchaus auskömmlich gewesen, nach Anordnung der Kurzarbeit aber plötzlich nicht mehr. Wie der Beklagte zu 1) allerdings selbst ausführt, erhielt er trotz Anordnung der Kurzarbeit weiterhin immerhin 67% seines Lohns, wobei der Einkommensrückgang zwischen 400,00 EUR und 500,00 EUR pro Monat betragen haben soll. Ein solcher Einkommensrückgang erklärt in keiner Weise den Einbehalt der vollständigen Miete, die sich auf insgesamt 1.500,00 EUR belief. Wie der Beklagte zu 1) an anderer Stelle der Berufungsbegründung selbst ausdrücklich ausgeführt hat, ist es einem ein noch anteilig zahlungskräftigen Mieter durchaus zuzumuten, auch jedenfalls anteilig Zahlungen zu leisten.
Einer schlüssigen Annahme pandemiebedingter Zahlungsschwierigkeiten steht auch das vorprozessuale Verhalten der Beklagten entgegen, die sich trotz mehrfach vom Kläger geäußerter konkreter schriftlicher Bitte um Aufklärung der Zahlungseinstellung in keiner Weise zu den Gründen äußerten, sondern sich durchweg in Schweigen hüllten. Wie erstinstanzlich vorgetragen und unstreitig geblieben, wurde der Beklagte zu 1) sogar vom Kläger telefonisch erreicht und zu etwaigen Zahlungsschwierigkeiten infolge der Pandemie explizit befragt, welche er allerdings wiederum nicht bejahte, sondern jegliche Auskunft darüber verweigerte, warum die Mietzahlungen ausblieben. Durch eine nur wenige Monate andauernde Kurzarbeit kausal herbeigeführte Zahlungsschwierigkeiten temporärer Natur werden auch durch das Folgegeschehen nicht plausibler. In der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2020 verlautbarte der Beklagte zu 1), die Miete bis heute noch nicht nachgezahlt zu haben, weil der Dauerauftrag erst wieder habe aktiviert werden müssen, was er jetzt allerdings getan habe. Es seien ca. 1.500,00 EUR an den Kläger überwiesen worden. Wie aus der Berufungsbegründung deutlich wird, entsprach diese Behauptung nicht der Wahrheit, vielmehr ist unstreitig seit April 2020 keinerlei Mietzahlung mehr erfolgt.
Auf behauptete Mietmängel vermag der Beklagte zu 1) Berufungsangriffe weder hinsichtlich des Räumungsbegehrens noch hinsichtlich des Zahlungsbegehrens mit Erfolg zu stützen, da er mit solchen Einwänden im zweiten Rechtszug gemäß § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert ist. Gesichtspunkte, die den Beklagten zu 1) davon abhalten konnten, etwaige Mietmängel bereits erstinstanzlich zu thematisieren, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Beklagte zu 1) in der ersten Instanz noch nicht anwaltlich vertreten war, ändert daran nichts, denn er war ausweislich der verfahrenseinleitenden amtsgerichtlichen Verfügung vom 03.07.2020 ausdrücklich schriftlich aufgefordert worden, dem Gericht alles mitzuteilen, was er gegen die Klage einzuwenden hatte. Dies inkludiert bei verständiger Würdigung, die auch einer nicht anwaltlich vertretenen Partei zuzutrauen ist, das Vorbringen sämtlicher für erheblich gehaltener Einwände gegen die geltend gemachten Ansprüche.
Wenn der Beklagte zu 1) es tatsächlich für angezeigt gehalten hätte, die Miete aufgrund von – in der Berufungsbegründung als kapital dargestellten – Mängeln zu mindern, hätte nichts näher gelegen, diese auch in den Prozess einzuführen. Solches ist allerdings bis zur Berufungsbegründung nicht geschehen.
Gänzlich unabhängig von Vorstehendem bleibt der Berufung des Beklagten zu 1) der Erfolg im Übrigen schließlich auch deshalb versagt, weil selbst mit der Berufungsbegründung in keiner Weise die gemäß Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB vom Beklagten zu 1) zu leistende Glaubhaftmachung nachgeholt wird, obgleich sich dieses Erfordernis deutlich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergab. In der Berufungsbegründungsschrift, die am Tage des Ablaufs der bis zum 17.11.2020 antragsgemäß verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingereicht wurde, wird zwar eine Nachreichung von Belegen, namentlich eine Bescheinigung bezüglich der angeordneten Kurzarbeit, pauschal angekündigt, entsprechende Belege befinden sich aber bis heute nicht bei den Akten. Eine Nachreichung von Belegen außerhalb der Berufungsbegründungsfrist ist grundsätzlich nicht mehr beachtlich.
Nicht durchzugreifen vermögen schließlich die Berufungsangriffe gegen die Verurteilung zur Zahlung, soweit der Beklagte zu 1) argumentiert, wirtschaftliche Schwierigkeiten würden nicht nur die Kündigung hindern, sondern müssten selbstverständlich auch auf den Zahlungsanspruch durchschlagen. Bei pandemiebedingtem Zahlungsverzug kann wegen Art. 240 § 2 EGBGB nur eine Kündigung nicht wirksam erfolgen; die Vorschrift befreit den Mieter aber nicht von der Pflicht zur Zahlung der Miete; auch der Fälligkeitszeitpunkt wird nicht hinausgeschoben. Anhaltspunkte dafür, der Gesetzgeber habe eine – ggf. auch nur anteilige – Stundung gewollt, finden sich nicht; solche vermag auch der Beklagte zu 1) mit der Berufungsbegründung nicht konkret zu benennen.
Das Rechtsmittel des Beklagten zu 1) erweist sich bei der gegebenen Sachlage daher als erfolglos.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO binnen 2 Wochen nach Erhalt dieses Beschlusses. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass auch im Anhörungsverfahren des § 522 Abs. 2 ZPO neuer Tatsachenvortrag gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht zulässig ist.
Zur Vermeidung weiterer Kosten wird die Rücknahme der Berufung angeraten. Im Fall einer Rücknahme entstehen, abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten, lediglich zwei Gerichtsgebühren nach KV 1222 Nr. 1 GKG. Wird demgegenüber die Berufung förmlich durch Beschluss zurückgewiesen, verbleibt es bei der vierfachen Gerichtsgebühr nach KV 1220 GKG.