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Corona-Pandemie – Mietanpassung bei Gewerberaummiete bei Corona

LG Mainz – Az.: 2 O 311/20 – Urteil vom 25.06.2021

In dem Rechtsstreit hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz durch die Richterin ### als Einzelrichterin am 25.06.2021 im schriftlichen Verfahren mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.252,42 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.04.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 984, 60 Euro für Abschrift außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.10.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 19.252,42 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Auswirkungen der wegen der Coronaverordnungen erfolgten Anordnung der vollständigen Schließung der Filiale der Beklagten in I.Stadt vom 18.03.2020 bis 23.04.2020 bzw. der Öffnung unter Einschränkungen ab dem 24.04.2020 bis 03.05.2020. Die Beklagte hat deshalb die Miete für April 2020 nicht gezahlt. Die Beklagte hat hilfsweise die Aufrechnung wegen Überbezahlung der Miete für März 2020 geltend gemacht.

Die Klägerin ist die Vermieterin und die Beklagte die Mieterin der Geschäftsräume „B. Straße ##“ in I.Stadt mit einer Gesamtmietfläche von 1.703 m2. Hiervon entfallen 1410 m2 Mietfläche auf das Erdgeschoss und 293 m2 auf das 1. Obergeschoss (vgl. Anlage K 2, zu Bl. 15 d.A.).

Der Mietvertrag wurde von der Beklagten entworfen und gestellt. In einem Nachtrag vom 27.11/1.12.2014 wurde die Klägerin als Vermieterin eingetragen.

Im Mietvertrag (Anlage K 2, Bl. 16 d.A.) ist unter § 4 folgendes vereinbart:

㤠4 Mietzins

Die jährliche Jahresnettoumsatzmiete für das Mietobjekt inklusive verbrauchsunabhängiger Nebenkosten beträgt 6,0 % des im Mietobjekt im jeweiligen Kalenderjahr getätigten Jahresnettoumsatzes zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer. Als Mindestmiete leistet der Mieter 16.178,50 Euro netto monatlich zzgl. der jeweils geltenden gesetzlichen Umsatzsteuer. In dieser Mindestmiete sind die verbrauchsunabhängigen Nebenkosten inkludiert (…). Die Mietzahlungspflicht beginnt mit der Übergabe. (…).“

Entsprechend für den hier streitbefangenen Zeitraum April 2020 ist zwischen den Parteien die Zahlung der Mindestmiete in Höhe von 19.252,42 Euro brutto inkl. 19 % Umsatzsteuer streitig. Gemäß § 4 Ziff. 6 verpflichtete sich die Beklagte als Mieterin, „dem Vermieter monatlich bis spätestens zum 5. eines jeden Monats die Mindestmiete zzgl. Umsatzsteuer auf ein vom Vermieter benanntes Konto zu überweisen“.

Die Geschäftsräume wurden dabei „zum Zwecke des Betriebes eines Einzelhandelsgeschäftes für Textilien, Schmuck, Lederwaren, Sportartikel, Accessoires, Kosmetik, Haushaltswaren und Heimtextilien sowie dem mieterüblichen Randsortiment“ vermietet.

Gemäß § 1 Ziff. 4 des Mietvertrages wurde weiter folgendes vereinbart:

„(…) Der Mieter darf den Nutzungszweck nicht ändern, solange der Vermieter nicht zuvor schriftlich zugestimmt hat. Die Zustimmung kann nur aus wichtigem Grunde verweigert werden.“

Die Übergabe des Mietobjektes erfolgte am 28.02.2017.

Der Mietvertrag wurde auf die Dauer von 5 Jahren fest abgeschlossen. Die Klägerin räumte der Beklagten eine Verlängerungsoption zu den dann geltenden Mietbedingungen für jeweils fünf Jahre ein, wobei die Parteien hierzu weiter vereinbart haben, dass die Optionsausübung automatisch wirksam wird, „sofern die Mieterin nicht 12 Monate vor Ablauf der jeweiligen Mietzeit schriftlich widerspricht.“

Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demographie erließ auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 1 der Landesverordnung zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes Nr. 1 am 23. März 2020 die Dritte Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (3. CoBeLVO). Gemäß Teil 1, § 1 Nr. 8 galt ab Veröffentlichung:

„Es sind geschlossen: …

8. Verkaufsstellen des Einzelhandels, insbesondere Outlet-Center und ähnliche Einrichtungen …“

Die Verordnung sollte bis zum 19. April 2020 gelten.

§ 1 Nr.8 der nachfolgenden Vierten Corona-Bekämpfungsverordnung (4. CoBeLVO) lautete:

„Es sind geschlossen: …

8.Verkaufsstellen des Einzelhandels und ähnliche Einrichtungen, sofern Waren auf mehr als 800 qm Verkaufsfläche angeboten werden…“

Die 4. CoBeLVO Verordnung trat am 20. April in Kraft und wurde am 3. Mai 2020 durch die Fünfte Corona-Bekämpfungsverordnung (5. CoBeLVO) aufgehoben.

Aufgrund der stark angestiegenen Infektionszahlen wurde durch die 14. CoBeLVO mit Wirkung ab dem 16. Dezember 2020 erneut die Schließung hoheitlich angeordnet.

Zwischen dem 18.03.2020 bis einschließlich 23.04.2020 kam es zur Schließung der streitgegenständlichen Filiale in I. Die Beklagte hat die Filiale am streitbefangenen Standort am 24. April 2020 mit Einschränkungen der Verkaufsfläche auf 800 m², Beschränkungen der Zutrittsmöglichkeiten sowie unter Einhaltung des Hygienekonzepts wieder für den Kundenverkehr eröffnet.

In der Zeit vom 18.03.2020 bis einschließlich 30.04.2020 wurde ein Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt. Ein Click’n Collect System gibt es bei der Beklagten nicht.

Mit Rundschreiben vom 20.03.2020 (Bl. 11 d.A.) teilte die Beklagte aus coronabedingten Gründen mit, die Miete für April 2020 nicht zu zahlen, bis eine einvernehmliche Lösung gefunden sei.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.09.2020 (Anlage K 4, Blatt 16 d.A.) wurde die Beklagte aufgefordert, die Miete für den Monat April 2020 bis zum 10.09.2020 zu überweisen.

Ein am 25.09.2020 geführtes Gespräch der Parteien führte zu keiner Einigung.

Am 22.02.2021 haben die Parteien einen Mietnachtrag geschlossen, durch welchen § 3 des Mietvertrags „Mietbeginn und Mietdauer“ wie folgt ergänzt wurde: „Der Mieter erhält ein einmaliges Sonderkündigungsrecht zum 30.09.2022, welches er mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten schriftlich ausüben kann. Alle weiteren Vereinbarungen bleiben bestehen und werden nicht verändert.“ (Anlage zum Protokoll vom 5.3.2020).

Die Klägerin ist der Ansicht, es bestehe kein Recht zur Nichtzahlung oder Minderung der Miete bei vorübergehender Schließung angemieteter Geschäftslokale aufgrund der behördlichen Anordnungen während der Corona-Pandemie. Öffentlich-rechtliche Beschränkungen, die ihre Ursache nicht in der konkreten vermieteten Sache hätten, stellten keinen Mangel der Mietsache selbst und auch keinen Fall der Unmöglichkeit dar. Das Verwendungsrisiko liege beim Mieter. Eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage scheide ohne nachhaltige Existenzgefährdung des Mieters bei vorübergehenden Schließungen ebenfalls aus. Der Umstand, dass sich die Umsatzerwartungen des Mieters zeitweise nicht erfüllten, begründe keinen Anspruch auf Anpassung des geschuldeten Mietzinses.

Die Klägerin ist darüber hinaus der Ansicht, dass § 4 des Mietvertrages (Klausel zum Mietzins) bereits eine angemessene und ausreichende Regelung darstelle, die einer Anwendung des § 313 BGB entgegenstehe. Die Mitteilung der Beklagten, keine Miete für den Monat April 2020 mehr zahlen zu wollen, stelle kein Anpassungsverlangen im Sinne des § 313 Abs.1 BGB dar. Mit dem Abschluss des Mietnachtrages vom 22.02.2021 sei eine Anpassung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses bereits erfolgt.

Die Klägerin trägt weiter vor, bezogen auf die konkrete Situation der Beklagten scheide auch eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB aus. Die von der Beklagten aufgezeigten – und bestrittenen – Umsatzzahlen seien unzureichend – aus diesen ergebe sich eine Existenzgefährdung nicht – zumal es sich bei der Beklagten um ein weltweit tätiges Unternehmen handele. Die wirtschaftliche Betätigung der Beklagten müsse zudem in Verbindung mit dem Gesellschaftsergebnis der Beklagten gewertet werden und nicht nur bezogen auf den streitgegenständlichen Standort. Der Gewinn der Beklagten sei maßgeblich.

Corona-Pandemie – Mietanpassung bei Gewerberaummiete bei Corona
(Symbolfoto: Von Iryna Inshyna/Shutterstock.com)

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 19.252,24 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus diesem Betrag ab dem 06.04.2020 zu zahlen.

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 984,60 für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, infolge der staatlichen Beschränkungen durch die gesetzlichen Regelungen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sei es der Beklagten nicht möglich gewesen, die Mietsache gemäß dem Mietvertrag zu nutzen. Die Mieträume seien mangels Erforderlichkeit auch nicht zu anderen Zwecke genutzt worden. Während den Schließzeiten seien keine Retouren abgewickelt worden. Im April 2020 habe die Beklagte – unter Bezugnahme auf Anlage B 1 (zu Bl. 66 d.A.) – eine Einbuße von etwa 86 % der Vorjahresumsätze erlitten. Der verbliebene Umsatz habe die Kosten nicht gedeckt. Die streitgegenständliche Filiale habe keine Umsätze aus einem Onlinehandel erzielen können, da der Online-Handel der Marke ## im Konzern durch eine andere Gesellschaft verantwortet und betrieben werde. Buchhalterische Umsätze aus dem Online-Geschäft erziele die Beklagte nur mittelbar.

Die Beklagte ist der Ansicht, aufgrund der durch die CoronaVO gesetzlich geregelten Verbote zu dem Betrieb von Einzelhandelsflächen habe ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB für beide Parteien des Mietvertrages, die hier streitbefangene Mietfläche zu dem im Mietvertrag vereinbarten Mietzweck gewerblich zu nutzen, bestanden. In der Folge bestehe eine rechtliche Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB für die Klägerpartei, die Mietsache der Beklagten zum vertraglich vereinbarten Zweck fortdauernd zu überlassen. Folge dieser Unmöglichkeit sei der Entfall der Verpflichtung der Beklagten zur Erbringung der Gegenleistung, § 326 Abs. 1 S. 1 BGB.

Die Beklagte ist hilfsweise der Ansicht, dass eine Miete aufgrund des Bestehens eines Mangels der Mietsache infolge des Ministerialerlasses und der 3. CoBeLVO und nachfolgender Verordnungen während der Dauer der vollständig angeordneten Untersagung zum Betrieb der Einzelhandelsgeschäfte im gesamten Bundesland nicht geschuldet gewesen sei.

Die Gesetzesbegründung zu Art.240 § 7 EGBGB eröffne zwingend die Anwendung des Gewährleistungsrechts und damit die Gewährung einer Minderung nach § 536 BGB.

Die Beklagte ist zudem der Ansicht, die Miete einschließlich der Betriebskosten sei jedenfalls für den Zeitraum vom 19. März 2020 bis zum 23. April 2020 um 100 % gemindert. In dieser Zeit sei die Nutzbarkeit der Mietsache in Folge behördlich angeordneter Öffnungsverbote aufgehoben gewesen. Für die Folgezeit (24. April 2020 bis 03. Mai 2020) sei aufgrund erheblicher Beschränkungen eine Reduzierung der Miete um mindestens 50 % berechtigt.

Der Beklagten stehe (hilfsweise) ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB und damit eine Anpassung des Mietvertrages für die zurückliegende Zeit als auch für die Zukunft für die Dauer von bestehenden Beschränkungen aufgrund der Gefahren durch die Epidemie durch das SARS-CoV-2-Virus zu. Ein Festhalten am Vertrag zu den vereinbarten Bedingungen sei der Beklagten nicht zumutbar.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe wegen Minderung oder Anpassung des Vertrages gemäß § 313 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der Miete für den Monat März 2020 in Höhe von 13/31 der Monatsmiete, folglich 8.073,60 EUR.

Die Beklagte hat hilfsweise mit einem Rückforderungsanspruch für März 2020 die Aufrechnung gegenüber einer etwaig verbleibenden Klageforderung auf Zahlung von Miete für April 2020 erklärt und verweist zur Begründung auf ihre Ausführungen wegen der behördlich angeordneten Schließungen der streitgegenständlichen Mietsache per 19. März 2020.

Die Beklagte hat weiter mit Schriftsatz vom 01.04.2021 hilfsweise eine Anpassung des Vertrages für den Zeitraum vom 24. April 2020 bis 15. Dezember 2020 sowie dem 16. Dezember 2020 bis 31. März 2021 geltend gemacht und in Bezug auf die Mietzahlungen in den Monaten Januar 2020 bis März 2021 hilfsweise – ohne nähere Bezifferung – die Aufrechnung erklärt.

Die Beklagte verfolgt ihren Anspruch auf Rückzahlung von anteiliger Miete für den Monat März 2020 zudem im Wege der Eventualwiderklage unter der Rechtsbedingung des Nichtbestehens des klägerischen Anspruchs auf Zahlung von Miete für April 2020 in Höhe von 19.252,42 EUR und nur, soweit die Forderung auf Rückzahlung von Miete für den Monat März 2020 nicht durch die erklärte Aufrechnung bereits erloschen ist (vgl. Bl. 65 d.A.).

Hilfsweise hat die Beklagte widerklagend beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte höchstens 8.073,60 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jährigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt, die Hilfswiderklage abzuweisen.

Der Mahnbescheid wurde der Beklagten am 16.10.2020 zugestellt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 05.03.2021, die dort erteilten gerichtlichen Hinweise (Bl. 135-139 d.A.), jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 01.04.2021 (Bl. 163 d.A.) und vom 12.04.2021 (Bl.165) ihr Einverständnis zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 BGB erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger hat aus § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Aprilmiete 2020 in Höhe von Euro 19.252,24 Euro gegen die Beklagte. Die hilfsweise erklärten Aufrechnungen der Beklagten gehen ins Leere.

Die Beklagte kann die Miete für den Zeitraum der Schließungsanordnung vom 18.03.2020 bis einschließlich 23.04.2020 und den Zeitraum der Öffnung unter Einschränkungen vom 24.04.2020 bis 03.05.2020 weder nach § 536 Abs. 1 BGB mindern (siehe 1.), noch liegt eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung nach § 275 BGB mit der Folge des § 326 Abs. 1 BGB vor (siehe 2.). Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall auch keine Vertragsanpassung nach § 313 BGB vorzunehmen (siehe 3.).

1. Die Beklagte kann die Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht nach § 536 Abs. 1 BGB mindern. Eine ausdrückliche vertragliche Regelung, wie beispielsweise Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen oder eine Force-Majeure-Klausel, enthält der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag für den vorliegenden Fall einer vollständigen oder teilweisen behördlich angeordneten Ladenschließung nicht, weshalb sich die Mietzahlungspflicht vorrangig nach dem mietrechtlichen Sachmängelgewährleistungsrecht gemäß §§ 536 ff. BGB bestimmt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Das Gericht schließt sich den Auffassungen des Landgerichts Heidelberg mit Urteil vom 30.07.2020, Aktenzeichen 5 O 66/20 sowie des Landgerichts München, Urteil vom 12.02.2011, Aktenzeichen 31 O 11516/20 an. Danach war die Miete nicht zu mindern. Ein die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebender Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB liegt nicht vor. Ein solcher Mangel ist jede Abweichung der tatsächlichen Beschaffenheit des Mietobjekts von dem hierfür vertraglich definierten Sollstandard, die die Schwelle der Erheblichkeit des § 536 Abs. 1 S. 3 BGB überschreitet (BeckOGK-BGB/Bieder, Stand: 01.07.2020, § 536 BGB Rn. 30).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 13.07.2011 (Az.: XII ZR 189/09; BeckRS 2011, 21250) im Zusammenhang mit einem landesgesetzlichen Rauchverbot ausgeführt, dass öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstehen, nur dann einen Sachmangel im Sinne der §§ 536 ff. BGB begründen, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre Ursache haben (Rz. 8).

Zwar ist der XII. Zivilsenat der Ansicht, dass es nachträglich einen Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB begründen kann, wenn sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Pachtobjekts ergeben; dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Objekts in Zusammenhang steht; andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters, denn das Verwendungsrisiko trägt bei der Gewerberaummiete grundsätzlich der Mieter, wozu vor allem das Risiko gehört, Gewinne erzielen zu können (Rz. 9). Konkret in Bezug auf das in Rede stehende Rauchverbot kommt der Senat zum Ergebnis, dass dieses sich auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters bezieht, also nur dessen betriebliche Verhältnisse betrifft (Rz. 13).

Der Senat betont schließlich, dass das Verwendungsrisiko nicht auf den Verpächter (d.h. auch nicht auf den Vermieter) abgewälzt werden darf. Der Verpächter muss zwar gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB sämtliche Maßnahmen vornehmen, um dem Pächter den vertragsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen; dies bedeutet angesichts der gesetzlichen Risikoverteilung aber nicht, dass der Verpächter für eine Störung verantwortlich ist, die ihre Ursache nicht in dem Zustand oder der Beschaffenheit der Pachtsache hat (Rz. 17). Vor diesem Hintergrund können die einzelnen Coronaverordnungen einen Mangel nicht begründen. Diese knüpfen mit dem Zweck, die weitere Ausbreitung des Corona-Virus (SARS-CoV-2) zu bekämpfen bzw. einzudämmen, ausschließlich an den Gesundheitsschutz an. Die Maßnahme findet ihre Ursache weder im Zustand noch in der Beschaffenheit des streitgegenständlichen Mietobjekts, sondern darin, dass Mitarbeiter und Kunden zur weiteren Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus beitragen könnten. Die Klägerin trifft insofern mangels entsprechender vertraglicher oder gesetzlicher Regelung keine Pflicht, Abhilfe zu schaffen. Da die Pandemie außerhalb jeglicher Einflussmöglichkeit der Parteien liegt, lässt sich eine solche Pflicht der Klägerin auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begründen. Die Verneinung eines Sachmangels führt damit auch nicht zur uneingeschränkten Zuweisung des Risikos auf den Mieter, sondern bringt zum Ausdruck, dass die Folgen der aufgrund der Corona-Pandemie erlassenen hoheitlichen Maßnahmen außerhalb der gesetzlichen Risikoverteilung liegen (vgl. Landgericht Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, Aktenzeichen 5 O 66/20; Landgerichts München, Urteil vom 12.02.2011, Aktenzeichen 31 O 11516/20).

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680). Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel darstellen.

Voraussetzung dafür, dass privat- oder öffentlich-rechtliche Hindernisse bei der Vermietung von Gewerberäumen, einen Mangel darstellen, ist jedoch, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (BGH, Urt. v. 02.03.1994 – XII ZR 175,92, BeckRS 2009, 20713; Urt.v. 13.07.2011 – XII ZR 181/09, NJW 2011, 3151 – Rauchverbot; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 78). Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen können deshalb nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen; Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben liegt im vorliegenden Fall kein Sachmangel vor. Die hoheitlichen Maßnahmen dienen im vorliegenden Fall dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allein an den Betrieb des jeweiligen Mieters. Die Maßnahmen stellen dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten ab, sondern allgemein auf die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dies Infektionen begünstigt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169, Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185, Leo/Götz, Fälle und Lösungen zum Schicksal der Mietzahlungspflicht des Gewerberaummieters in COVID-19-Zeiten, NZM 2020, 402).

Auch die beklagtenseits in der Klageerwiderung angeführte Rechtsprechung des Reichsgerichts führt nicht zur Annahme eines Sachmangels. Zwar hat das Reichsgericht – darin ist der Beklagten Recht zu geben – im „Tanzlokal-Fall“ angenommen, dass ein Mangel im Sinne von § 537 BGB vorliege, da das Tanzverbot den Pachtgegenstand selbst betroffen habe, in dem es die Ausnutzung der Eigenschaft als Tanzlokal verhindere. Allerdings beruht die im vorliegenden Fall angeordnete Schließung nicht auf einer öffentlich-rechtlich missbilligten Eigenschaft der Mietsache, sondern erfasst Mieträume ausschließlich aufgrund ihrer tatsächlichen Nutzung durch den Mieter. Würde die Beklagte eine noch zulässige Nutzung betreiben oder ihr Nutzungskonzept verändern, bliebe ihr Betrieb zulässig (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390). Zudem war für das Reichsgericht für die Annahme eines Mangels der Mietsache der heute in Rechtsprechung und herrschender Lehre vorausgesetzte Objektbezug der Nutzungsbeeinträchtigung (noch) nicht von entscheidender Bedeutung, wenn dort allgemein öffentlich-rechtliche Beschränkungen als die Miet- und Pachtsache „betreffend“ für ausreichend erachtet wurden (vgl. RG, Urt.v. 20.02.1917 III 384/18 „Verbot jeglicher Tanzveranstaltung“ Urt. v. 09.11.1915 III 145/15 „polizeiliche Untersagung öffentlicher Tänze“ zur heutigen h.M. Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 78 ff.) Entsprechendes gilt für die Benzintankanlagenentscheidung. Dort war eine vertragsgemäße, ebenso wie eine anderweitige Nutzung des Gegenstandes des Vertragsverhältnisses – eine Tankanlage – aufgrund des behördlichen Veräußerungsverbotes für Benzin sowie dessen Beschlagnahme und Verschwinden aus dem Handel nicht mehr möglich, was das Reichsgericht dazu veranlasste, die besondere Einrichtung der Mietsache mit deren Lage gleichzusetzen und deshalb einen Mangel anzunehmen (Urt. v. 03.01.1919, III 271/18). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber gerade um solche Beschränkungen, die losgelöst von der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache und daher nach heutigen Maßstäben – in Abkehr zu der Rechtsprechung des Reichsgerichts – nicht als Mangel der Mietsache anzusehen sind.

2. Es liegt auch kein Fall der Unmöglichkeit für die Kläger nach § 275 BGB vor, mit der Folge des Entfalls der Gegenleistungspflicht für die Beklagte nach § 326 Abs. 1 BGB. Das Gericht schließt sich auch insoweit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Heidelberg, mit Urteil vom 30.07.2020, Aktenzeichen 5 O 66/20 an. Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht. § 275 Abs. 1 BGB regelt dabei, dass der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht die Hauptleistungspflicht des Vermieters darin, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB wird durch § 537 Abs. 1 S. 1 BGB vervollständigt, der regelt, dass der Mieter von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit wird, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Dadurch wird deutlich, dass der Vermieter nur eine Gebrauchsmöglichkeit verschaffen muss. Immer wenn der Mieter die Sache nicht gebrauchen kann, weil sie selbst nicht nutzungstauglich ist, geht der Vermieter nach § 326 Abs. 2 oder 536 BGB seines Anspruchs auf die Miete verlustig. Betrifft die Störung dagegen die Nutzungstätigkeit des Mieters, bleibt dieser zur Mietzahlung verpflichtet. Dies gilt nicht nur, wenn ihn der Umstand ganz individuell an der Nutzung der Sache hindert, sondern auch, wenn ein beliebiger anderer Mieter von der Sache nicht den vertragsgemäßen Gebrauch machen könnte. Dies lässt die Verpflichtung zur Mietzahlung nicht entfallen, solange es nicht an der Sache selbst liegt, dass sie nicht bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Dies kommt vor allem durch die in der Rechtsprechung zu findende Aussage, durch § 537 BGB sei das Verwendungsrisiko dem Mieter zugewiesen, zum Ausdruck. Dass es ihm zugewiesen ist, liegt nur daran, dass die Vermieterleistung nicht mehr die Nutzung der Mietsache einschließt, sondern sich auf deren Bereitstellung im gebrauchstauglichen Zustand beschränkt (Harke in BeckOK, BGB, 01.07.2020, § 537 Rn. 10, 10.1). Wie auch im Rahmen von § 536 BGB können danach allenfalls solche Störungen zu einer Unmöglichkeit führen, die in der Beschaffenheit, der Lage oder dem Zustand der Mietsache begründet sind. Aus diesem Grunde werden die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts nach Übergabe der Mietsache durch das besondere mietrechtliche Gewährleistungssystem verdrängt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 532 ff.).

Gemessen an dem, ist den Klägern als Vermieter die Hauptleistungspflicht, nämlich die Überlassung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, zwischen dem 18.03.2020 und 03.05.2020 nicht unmöglich gewesen. Nach dem Mietvertrag erfolgte die Vermietung zum Zwecke des „Betriebes eines Einzelhandelsgeschäftes für Textilien, Schmuck, Lederwaren, Sportartikel, Accessoires, Kosmetik, Haushaltswaren und Heimtextilien sowie dem mieterüblichen Randsortiment“.

Zwar konnte die Beklagte die streitgegenständliche Mietsache im vorliegenden Fall während der behördlich angeordneten Schließung nicht als Verkaufsräume – als Lagerräume sehr wohl – eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren nutzen, dieses Risiko fällt jedoch in deren Verwendungsrisiko. Die Klägerin hat der Beklagten die Mietsache, wie es ihrer Hauptleistungspflicht entspricht, in gebrauchstauglichem Zustand bereitgestellt. Der Umstand, dass die Nutzung für die Beklagte nicht wie von ihr beabsichtigt möglich war, liegt nicht an der Sache selbst.

3. Außerdem kommt eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht.

Es ist bereits zweifelhaft, ob § 313 BGB neben dem Mängelgewährleistungsrecht des Mietrechts überhaupt anwendbar ist. Dass ein Mietmangel vorliegend, wie dargetan, zu verneinen ist, ändert nach Ansicht des OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.10.1970 zu 13 U 76/70 nichts an der Unanwendbarkeit des § 313 BGB neben dem Gewährleistungsrecht des Mietrechts (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.10.1970 zu 13 U 76/70).

In Ausformung der Vertragstreue und als Ausnahmetatbestand vom Grundsatz der Privatautonomie ist § 313 BGB besonders eng auszulegen und grundsätzlich nachrangig (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169). Zwar enthält der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag für den hier vorliegenden Fall einer behördlich angeordneten Schließung keine Regelung (siehe oben), allerdings könnte die Anwendbarkeit im vorliegenden Fall zu verneinen sein, da der Mietvertrag Regelungen enthält, durch die sich der Vermieter zumindest mittelbar an dem eigentlich beim Mieter liegenden Verwendungsrisiko beteiligt hat, nämlich indem eine Mindestmiete und darüber hinaus eine Umsatzmiete vereinbart wurde. Dadurch haben sich die Kläger zumindest ab einem gewissen Umsatz am Verwendungsrisiko beteiligt. Bei einem Umsatz unter 16.178,50 Euro netto, wenn es also lediglich um die Mindestmiete geht, partizipieren sie am Verwendungsrisiko jedoch nicht.

Darüber hinaus ist § 313 BGB auch gegenüber gesetzlichen Regelungen grundsätzlich nachrangig (bspw. §§ 314, 536 BGB). Diese sind im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar (siehe oben). Möglich wäre jedoch eine Sperrwirkung durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020, da sich dieses ausdrücklich auf Mietverträge bezieht und insoweit zwingende Regelungen zur Risikoverteilung enthält. Nach Art 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ist der Vermieter zumindest temporär nicht berechtigt, einen Mietvertrag wegen eines auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführenden Zahlungsrückstandes zu kündigen. Gleichzeitig erstreckt sich das „Moratorium“ in Art 240 § 1 Abs. 1 BGB gerade nicht auf Mietverträge, sodass Mieter nach einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers nicht berechtigt sind, das dort enthaltene Leistungsverweigerungsrecht geltend zu machen und weiterhin jedenfalls „im Grundsatz“ verpflichtet sind, die Miete zu zahlen (vgl. Landgericht Heidelberg, Urteil vom 30. Juli 2020 – 5 O 66/20). Ob dem Gesetzgeber dabei – insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Gesetz in sehr kurzer Zeit erarbeitet wurde – bewusst war, dass er Ansprüche der Mieter wegen Störung der Geschäftsgrundlage ausschließt, geht aus den Materialien indes nicht hervor (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Ob tatsächlich eine Sperrwirkung der vertraglichen oder der gesetzlichen Regelung vorliegt, muss jedoch nicht entschieden werden, da eine Unzumutbarkeit für die Beklagte in jedem Fall zu verneinen ist (siehe sogleich).

Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann gemäß § 313 Abs. 1 BGB eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die Geschäftsgrundlage eines Vertrags wird nach der Rechtsprechung des BGH gebildet durch die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (LG Heidelberg, a.a.O., Rn. 49, BGH, Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 234/18, NZM 2020, 322). Dabei wird zwischen der „großen“ und der „kleinen“ Geschäftsgrundlage unterschieden. Unter der „großen Geschäftsgrundlage“ versteht man die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern, dass die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Von der „kleinen“ Geschäftsgrundlage spricht man dagegen in allen übrigen Fällen, wenn es also „nur“ um die den jeweiligen Vertrag betreffenden Umstände geht: die Größe des erst noch zu vermessenden Grundstücks als Vertragsgegenstand, eine schleichende Geldentwertung bei langfristiger Verpflichtung etc. Der Wortlaut des § 313 erfasst auch die „große“ Geschäftsgrundlage (Finkenauer in Münchner Kommentar, BGB, 8. Auflage 2019, § 313, Rn. 17,18).

An dem gemessen stellt die Schließungsanordnung eine Störung der Geschäftsgrundlage dar (vgl. Landgericht Heidelberg, a.a.O., Rn. 50). Zwar ist nicht im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Mietsache von der Geschäftsgrundlage auszugehen, da diese maßgeblicher Vertragsinhalt ist, sondern vielmehr die Vorstellung der Parteien, dass keine zumindest bundes- tatsächlich aber weltweite – Pandemie auftritt, aufgrund derer flächendeckend Gewerbebetriebe geschlossen werden müssen. Diese ist auch schwerwiegend gestört, da die Nutzbarkeit der Mietsache – jedenfalls vorrübergehend – vollständig entfallen ist. Es handelt sich damit um eine zu berücksichtigende Zweckstörung, die eine Fallgruppe des § 313 BGB darstellt (Finkenauer in Münchner Kommentar, BGB, 8. Auflage 2019, § 313, Rn. 253 ff.). Die Leistung des Vermieters ist für den Mieter aufgrund der Unmöglichkeit, das Gewerbe in dem hierfür angemieteten Objekt zu betreiben, sinnlos geworden (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390).

Letztlich bedarf es keiner Entscheidung, ob die Parteien bei Kenntnis der Möglichkeit einer weltweiten Pandemie tatsächlichen die Mietzahlungspflicht nicht oder nicht in vollem Umfang vereinbart hätten. Denn eine Vertragsanpassung zugunsten der Beklagten kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil ihr ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Mietzahlung unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist.

Der Beklagten ist es unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festzuhalten.

Maßgeblich ist dabei die Frage, inwieweit die eingetretene Veränderung der Umstände üblicherweise in das Risiko einer Vertragspartei fällt, wie nahe diese den Veränderungen steht und inwieweit es der betroffenen Partei zumutbar oder überhaupt möglich gewesen wäre, entsprechende Vorkehrungen zu treffen (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390) oder sich im Zeitraum der Schließung anderweitige Einnahmequellen zu verschaffen, bspw. Onlinehandel, etc. (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169). Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt dabei grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache (BGH, Urt. v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714; siehe oben). Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Eine solche Risikoverteilung bzw. -übernahme schließt für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsame Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, Urt. v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714). Das Maß der Unzumutbarkeit ist damit letztlich nur bei substantiierter Darlegung des Mieters erreicht, in der eigenen Existenz gefährdet (vgl. Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185) oder jedenfalls in einem solchen Ausmaß wirtschaftlich betroffen zu sein, dass ein weiteres Festhalten am unveränderten Mietvertrag unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände als unzumutbar erscheinen lässt.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalles liegt eine Unzumutbarkeit für die Beklagte im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht vor.

Die Unzumutbarkeit ist aus dem Vergleich von Schuldneraufwand und Leistungserfolg zu bestimmen. Dabei sind nicht nur die Interessen des Schuldners, sondern auch die des Gläubigers mit dem Ziel, die beiderseitigen – widerstreitenden – Interessen auszugleichen, zu berücksichtigen. Dem Schuldner sind Aufwendungen, welche die dem Schuldverhältnis immanente Opfergrenze überschreiten, nicht mehr zumutbar. Diese Opfergrenze wird insbesondere überschritten, wenn die Inanspruchnahme des Schuldners zur Vernichtung seiner Existenz führen würde; unter Umständen genügt auch bereits eine schwere Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15.04.1959, V ZR 3/58). Eine Angleichung ist geboten, wenn das Festhalten am Vertrag zu einem untragbaren, mit Recht und Gesetz schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (BGH, Urteil vom 20.12.2004, VIII ZR 41/04; vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. Februar 2021 – 7 U 109/20).

Die Beklagte als Mieterin trägt grundsätzlich das Verwendungsrisiko. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vereinbarten Mindestmiete mit zusätzlicher Umsatzmiete. Daraus kann insbesondere nicht der Wille der Parteien abgebildet werden, dass auch die Kläger an den Einbußen zu partizipieren haben, die die Beklagte infolge einer nachteiligen Veränderung der Marktlage erleidet (vgl. Ekkenga/Schirrmacher, Auswirkungen der COVID-19-Katastrophe auf die Zahlungspflichten gewerblicher Mieter und Pächter, NZM 2020, 410). Es lässt sich vielmehr umgekehrt lediglich der Wille einer Beteiligung ab einem bestimmten Umsatz, also einem besonderen Erfolg der Beklagten, ablesen. Gerade die Vereinbarung einer Mindestmiete zeigt, dass die Kläger an einem gänzlichen Misserfolg nicht partizipieren wollten, wobei den Parteien hierbei die Möglichkeit schwankender Umsätze sichtlich bewusst war.

Der Gesichtspunkt, einer Partei das Treffen von Vorkehrungen aufzuerlegen, scheidet im vorliegenden Fall aus, da die Möglichkeit einer weltweiten Pandemie für beide Seiten überraschend und unvorhersehbar gewesen sein dürfte. Darüber hinaus wäre ein solches Ausfallrisiko wohl entweder nicht oder nur zu prohibitiv hohen Kosten versicherbar (Ekkenga/Schirrmacher, Auswirkungen der COVID-19-Katastrophe auf die Zahlungspflichten gewerblicher Mieter und Pächter, NZM 2020, 410; Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185).

Maßgeblich im vorliegenden Fall ist jedoch, dass die Beklagte eine Existenzgefährdung oder eine vergleichbare, zur Unzumutbarkeit führende, wirtschaftliche Beeinträchtigung weder substantiiert dargelegt noch bewiesen hat. Es kann daher auch dahinstehen, ob mit dem Abschluss des Mietnachtrages vom 22.02.2021 durch die Parteien eine Anpassung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses bereits erfolgt ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bereits im April 2020 als dem streitbefangenen Monat infolge der staatlich angeordneten Zwangsschließung in existentielle Not geraten ist.

Zwar beruft sich die Beklagte unter Berufung auf Anlage B 1 (Bescheinigung der Nettoumsätze im Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020) darauf, infolge der vollständigen Schließung der streitbefangenen Mietflächen und der danach folgenden Öffnung mit Begrenzungen der Zutrittsmöglichkeiten für Kunden zu dem Ladengeschäft, hätten sich auch erhebliche Einbußen hinsichtlich der erzielten Umsätze dieser Filiale der Beklagten ergeben. Für den Monat April 2020 habe die Einbuße etwa 86 % der Vorjahresumsätze betragen. Auch in den Folgemonaten hätten erhebliche Umsatzeinbußen bestanden. Ersparnisse durch ersparte Einkäufe von Waren wären nicht gegeben gewesen. Denn der Einkauf von Textilien erfolge mit einer Vorlaufzeit von 6 Monaten. Insbesondere habe die Beklagte auch keine weiteren staatlichen Zuschüsse oder Unterstützungsleistungen für die Zahlung von Miete in Anspruch genommen oder erhalten.

Mit einer existentiellen Bedrohung ist dies nicht gleichzusetzen.

Dass ein schlechthin nicht mehr hinnehmbares Ergebnis anzunehmen wäre, insbesondere die Beklagte in ihrer Existenz gefährdet wäre, wenn sie die Miete für April 2020 bezahlen müsste, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Sie hat zwar einen Umsatzverlust bezogen auf die Filiale in I., jedoch nicht bezogen auf den Gesamtkonzern dargelegt. Wie der Gesamtkonzern und die streitgegenständliche Filiale wirtschaftlich dastehen, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Es ist im Zusammenhang mit der Existenzgefährdung durchaus zu sehen, dass es sich bei der Beklagten um einen großen Konzern handelt, der wirtschaftlich leistungsfähiger sein kann als die Filialen für sich betrachtet. Es spielt eine Rolle, wie viele Jahre der Mietvertrag schon besteht und wie der Umsatz und Gewinn der letzten Jahre war, so dass eine Möglichkeit bestand, Rücklagen zu bilden. Da die wirtschaftliche Situation des Mieters zu berücksichtigen ist, kommt es bei einem Konzern auch auf die Konzernmutter an (vgl. hierzu auch OLG München, 32. Zivilsenat, Urteil vom 17.02.2021, Aktenzeichen 32 U 6358/20).

Ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen kann schwankende Umsatzzahlen und kurzzeitige Umsatzeinbußen regelmäßig verkraften; hinzu kommen staatliche Instrumente wie Kurzarbeitergeld und staatliche Überbrückungsgelder, die das wirtschaftliche Risiko der Beklagten auffangen oder zumindest senken. Das Risiko mit dem Mietobjekt selbst Gewinn zu erzielen, trägt die Beklagte. Zudem ist im Rahmen der Interessenabwägung die Kurzfristigkeit des „harten Lockdowns“ während des Frühjahrs 2020 zu berücksichtigen, die zeitlich begrenzte staatliche Verordnung führte zu einer Schließung der Betriebsstätte für 32 Tage.

Gleichermaßen unbehelflich ist der Vortrag der Beklagten, sie hätte keine staatlichen Hilfen erhalten. Hieraus ergibt sich nicht, ob ein Anspruch auf staatliche Leistungen bestand oder ob diese aus anderen Gründen nicht bezogen wurden; jedenfalls wäre ein ernsthaftes Bemühen der Beklagten um die Erlangung staatlicher Hilfen vorauszusetzen, welches vorliegend weder ersichtlich noch dargetan ist. Entsprechend verhält es sich mit den Verhandlungen der Beklagten mit ihren Lieferanten und Vermietern, auch insoweit wäre von der Beklagten zu verlangen, dass sie alles ihr Zumutbare unternimmt, um ihre laufenden Kosten zu decken; allein die Beauftragung einer Unternehmensberatung und das Führen von Verhandlungen genügt insoweit nicht.

Die Beklagte hätte das Bestreiten des entsprechenden Vortrags der Beklagten seitens der Klägerin zum Anlass nehmen müssen, ihr Vorbringen zu konkretisieren und in geeigneter Weise unter Beweis zu stellen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 01.04.2021 auf die gerichtlichen Hinweise in der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2021 vorgetragen, sie werde – um nicht Geschäftsgeheimnisse zu veröffentlichen – nicht zu der Stellung einzelner Gesellschaften im ### Konzern, den mit ein zwischen den einzelnen Gesellschaften bestehenden vertraglichen wechselseitigen Vereinbarungen oder gar der finanziellen Ausstattung vortragen. Auch die Ansicht der Beklagten, eine Darstellung von erzielten Gewinnen aller Unternehmen eines Konzerns und zurückliegender Jahre helfe nicht weiter, überzeugt nicht.

Substantiierte Darlegungen der Beklagten, inwieweit zwischen den Gesellschaften des Konzerns und in Bezug auf den Mutterkonzern finanzielle Hilfen vereinbart wurden, fehlen. Substantiierter Vortrag der Beklagten dazu, wie der Umsatz und der Gewinn auch weiterer Unternehmen im Konzern der letzten Jahre war, ist nicht erfolgt.

Hier hat die Beklagte eine Aufstellung des Nettoumsatzes in der Filiale in I. vom 01.01.2020 bis einschließlich 31.12.2020 vorgelegt, jedoch keine Aufstellung des Nettoumsatzes der Filiale in I. in den Jahren 2018 und 2019 sowie aller Filialen in Deutschland von Januar 2018 bis April 2020.

Unterstellt man, dass die Aufstellung der Beklagten gemäß Anlage B 1 die Umsatzentwicklung in der streitgegenständlichen Filiale widerspiegelt, ist ein Umsatzeinbruch in den Monaten März und April 2020 zu sehen. Dass dieser allerdings allein auf den Schließungen und nicht auch auf einer unstreitig in das Risiko der Beklagten fallenden Änderung des Konsumverhaltens, beruht, ist diesen Zahlen nicht zu entnehmen.

Die Beklagte hat zu einer zur Unzumutbarkeit führenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung nicht dezidiert vorgetragen.

Die Umsatzeinbußen in den von der Schließung betroffenen Monaten können nicht isoliert betrachtet werden, auch staatliche Hilfen, wie das Kurzarbeitergeld sind in die Abwägung einzubeziehen. Auch wenn diese die Kosten nicht insgesamt ausgeglichen haben, ist für die Frage der wirtschaftlich unzumutbaren Beeinträchtigung zu berücksichtigen, ob von anderer Seite eine Partei wirtschaftliche Unterstützung erhalten hat. Ebenso kann nicht unberücksichtigt bleiben, ob mit nicht verkauften, aber noch verkäuflichen Warenvorräten, Vermögenswerte noch vorhanden sind. Diese binden zwar Liquidität der Beklagten, können aber im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung nicht außer Betracht bleiben (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. Februar 2021 – 7 U 109/20).

Vorliegend ist dem Vortrag der Beklagten weder bezogen auf die streitgegenständliche Filiale noch bezogen auf den Gesamtkonzern zu entnehmen, in welchem Umfang als Folge der Schließung im Frühjahr 2020 die Umsätze und Gewinne und damit im Ergebnis auch das Vermögen der Beklagten so beeinträchtigt wurden, dass ihr ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden könnte. Weder legt die Beklagte offen, wieviel staatliche Leistungen, insbesondere Kurzarbeitergeld über die Monate März und April 2020 hinaus, sie erhalten hat, welche Aufwendungen sie durch die Kurzarbeit erspart hat, inwiefern sie mittelbar buchhalterische Umsätze aus dem Online-Geschäft erhalten hat, noch welche Warenwerte an verkäuflichen Waren, die die Anschaffungskosten im weiteren Verlauf senken, weiter vorhanden sind.

Soweit sich die Beklagte auf Stimmen in der Literatur beruft, die unter Berücksichtigung des Umstandes, dass keine der Parteien die Pandemie und die damit verbundenen Geschäftsschließungen und weiteren Folgen habe vorhersehen können, eine hälftige Teilung des Risikos und damit eine hälftige Teilung der Miete annehmen, überzeugt dies nicht. Zu prüfen ist die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit in jedem Einzelfall. Dieser entzieht sich, wie die unterschiedlichen Stimmen in der Literatur zeigen (vgl. bspw. Häublein/Müller, Wer trägt das Pandemierisiko in der Geschäftsraummiete, NZM 2020, 481, 488 ff), einer pauschalierten Darstellung. Es kann in dem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte im Gegensatz zu den Klägern von staatlichen Transferleistungen wie dem Kurzarbeitergeld profitiert. Eine pauschalierte Herabsetzung um die Hälfte lässt außer Betracht, dass möglicherweise, substantiierter Vortrag der Beklagten hierzu fehlt, ein Teil der Umsätze nach Beendigung des Lockdowns auch nach April 2020 nachgeholt werden konnte, da u.a. – anders als in der Gastronomie oder der Veranstaltungsbranche – zunächst nicht verkaufte Ware, soweit es sich nicht um Osterartikel gehandelt hat, grundsätzlich zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden kann.

Somit fehlt es bereits an einer Darlegung der Unzumutbarkeit der Zahlung der Miete für die Monate März 2020, April 2020 sowie Dezember 2010 bis März 2021.

Selbst wenn man die weitere Behauptung der Beklagten, die streitgegenständliche Filiale in I. habe keine Umsätze aus einem Onlinehandel erzielen können, da der Online-Handel der Marke ### im Konzern durch eine andere Gesellschaft verantwortet und betrieben werde, als wahr unterstellt, ergibt sich auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes keine Existenzgefährdung bzw. eine unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung.

Auf die Frage, inwieweit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin durch die behördlich angeordneten Schließungen betroffen sind und ob dieser eine Vertragsanpassung zuzumuten wäre, kommt es derzeit nicht an, da bereits nicht substantiiert dargelegt und damit nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte in so unzumutbarer Weise betroffen sein könnte, dass eine Vertragsanpassung im Sinne einer Herabsetzung der Miete geboten wäre.

Dementsprechend steht der Klägerin für den Zeitraum der Schließung vom 18.03.2020 bis einschließlich 23.04.2020 die vertraglich vereinbarte Miete zu. Die seitens der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit einem Anteil der bereits gezahlten Märzmiete führt hier ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Beklagte war aus den gleichen Gründen, die bezüglich der Aprilmiete angeführt worden sind, auch zur uneingeschränkten Zahlung der Märzmiete verpflichtet.

Da die Beklagte die geltend gemachten Rückforderungsansprüche für die Monate Dezember 2020 bis März 2021 nicht beziffert hat, fehlt es bereits an der erforderlichen Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung mit Schriftsatz vom 01.04.2021 (Bl. 162 d.A.). Die Beklagte wäre überdies jedoch – aus den genannten Gründen – auch zur Zahlung der Mieten für Dezember 2020 bis März 2021 verpflichtet.

Über die Eventualwiderklage war mangels Eintritts der ihr zugrundeliegenden Bedingung nicht zu entscheiden.

Die Zinspflicht ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Darüber hinaus hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich geleisteten Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 984,60 Euro aus §§ 280, Abs. 1, 535 Abs. 2, (241 Abs. 2) BGB, dadurch, dass die Beklagte angekündigt hat, die Aprilmiete 2020 aufgrund der Auswirkungen von Corona nicht zu bezahlen. Bei der unsicheren und schwierigen Rechtslage war es für die Kläger erforderlich und zweckmäßig unmittelbar einen Rechtsanwalt aufzusuchen, um Rechtsrat einzuholen.

Die Zinspflicht ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt. Soweit die Beklagte „hilfsweise“ mit der Miete März 2020 während des Zeitraums der Schließung (19.03. bis 31.03.2020) aufrechnet, ist keine Streitwerterhöhung eingetreten, da kein Fall des § 45 Abs. 3 GKG vorliegt. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie lediglich für den Zeitraum der Filialschließung nicht verpflichtet sei, Miete zu zahlen. Eine Mietzinszahlungspflicht ab dem 23.04.2020 wird von ihr daher dem Grunde nach nicht bestritten, sondern lediglich mit der Aufrechnung angegriffen. Dies stellt jedoch gerade keinen Fall der Hilfsaufrechnung, sondern eine Primäraufrechnung, die nicht streitwerterhöhend ist, dar (vgl. Schindler in BeckOK, Kostenrecht, 01.06.2020, § 45 GKG, Rn. 19). Soweit die Beklagte „hilfsweise“ mit der Miete Dezember 2020 bis März 2021 aufrechnet, wirkt sich dies ebenfalls nicht streitwerterhöhend aus, auch weil es an einer wirksamen Aufrechnungserklärung der Beklagten im Sinne des § 388 BGB fehlt.

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