Was ist eine „kalte Räumung“ und wo liegen die Risiken für den Vermieter?
Der verschwundene Mieter
Immer wieder kommt es vor, dass für ein Mietobjekt keine Miete mehr gezahlt wird. Der häufigste Grund für das Ausbleiben des Mietzinses sind Zahlungsschwierigkeiten des Mieters. Wird keine Miete mehr gezahlt ist es aus Sicht des Vermieters naheliegend und sinnvoll, den betreffenden Mieter zu kontaktieren. Doch selbst nach mehreren Versuchen bleibt der Versuch der Kontaktaufnahme ohne Erfolg. Nach weiteren Recherchen erfährt der Vermieter, dass der Mieter schon seit längerer Zeit nicht mehr in dem Mietobjekt gewesen sei und dass niemand wisse, wo er sich aufhält. Was kann der Vermieter tun, wenn sich der Mieter selbst nach einer fristlosen Kündigung und einer Räumungsaufforderung immer noch nicht gemeldet hat?
Die Vorteile der kalten Räumung
Das Gesetz sieht vor, dass im Anschluss an eine ordnungsgemäße Kündigung eine Räumungsklage bei Gericht gegen den Mieter ausgebracht wird. Bleibt der Mieter auch hier säumig, kann die Wohnung durch den Gerichtsvollzieher geräumt werden. Hier gilt es zu beachten, dass ein Räumungsprozess einige Zeit in Anspruch nimmt und darüber hinaus äußerst kostspielig ist. Deshalb entschließen sich viele Vermieter dazu, die Räumung selbst vorzunehmen. Diese sogenannte „kalte Räumung“ hat den Vorteil, dass der Vermieter den unmittelbaren Besitz an der Wohnung schnell zurückerlangt. Der Vermieter kann nach der Räumung direkt einen neuen Mieter einsetzen, wodurch wieder Einnahmen generiert werden. Da sich die meisten Mieter nach so langer Zeit nicht mehr melden, bleibt das Risiko des Vermieters zudem überschaubar. Selbst bei einer Rückkehr des Mieters kann der Vermieter aufgrund der rückständigen Mietzahlungen und der Mietkaution möglichen Schadensersatzansprüchen gelassen entgegensehen.
Die verschuldensunabhängige Haftung – der Sachverhalt
Trotz dieser praktischen Vorteile stellt die hier beschriebene eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung eine unerlaubte Selbsthilfe dar. In seinem Urteil vom 14.07.2010 (Az. VIII ZR 45/09) hat der BGH entschieden, dass die Durchführung einer kalten Räumung sogar zu einer verschuldensunabhängigen Haftung des Vermieters führt. Im zu entscheidenden Fall war der klagende Mieter einer Wohnung für mehrere Monate mit unbekannten Aufenthalt ortsabwesend. Nachdem die Mieten für März und April nicht beim beklagten Vermieter eingingen und der Mieter von seinen Verwandten als vermisst gemeldet wurde, kündigte der Vermieter den Mietvertrag fristlos. Da die Räumungsaufforderung ebenfalls erfolglos blieb, räumte der Vermieter die Wohnung und nahm sie wieder in Besitz. Hierbei wurde ein Teil der Wohnungseinrichtung eingelagert, den Großteil lie0 der Vermieter allerdings entsorgen. Plötzlich tauchte der Mieter wieder auf und verlangte vom Vermieter Schadenersatz.
Die Urteilsbegründung
Daraufhin sprach der BGH dem Mieter rund 62.000 Euro Schadensersatz zu. Der BGH führte aus, dass die eigenmächtige Inbesitznahme einer Mietwohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen eine unerlaubte Selbsthilfe im Sinne des § 229 BGB darstellen. Obwohl das vertragliche Besitzrecht des Mieters aufgrund der Kündigung entfallen ist, muss sich der Vermieter einen Räumungstitel beschaffen und aus diesem vorgehen. Darum hat der BGH aus dem Gesichtspunkt der verschuldensunabhängigen Haftung dem Mieter recht gegeben. Des Weiteren hat der BGH darauf abgestellt, dass der Wert der Einrichtung in solchen Fällen geschätzt werden könne. Wenn der Vermieter im Falle einer kalten Räumung kein Bestandsverzeichnis aller Gegenstände erstellt, treffe ihn die Beweislast.