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Duldung von Modernisierungsmaßnahmen bei fehlender Wohnwertverbesserung?

AG Görlitz – Az.: 4 C 454/19 – Urteil vom 17.09.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des beizutreibenden Betrages, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 650,22 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Duldung der Durchführung von Modemisierungsarbeiten in der vom Beklagten bewohnten Wohnung im …

Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über die o.g. Wohnung ab dem 01.02.2015. Der Beklagte ist behindert, er ist blind, hat keine Beine und ist somit zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen.

Mit Schreiben vom 06.03.2019 kündigte die Klägerin, die auch Eigentümerin der gesamten Wohnanlage ist, die Durchführung von Modernisierungsarbeiten an.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Klägerin vom 06.03.2019 (Blatt 14 ff. der Akte) Bezug genommen. Es wurde eine Mieterhöhung von voraussichtlich jährlich 650,22 EUR bzw. monatlich 54,18 EUR angekündigt.

Mit Schreiben vom 28.03.2019 (Blatt 16 der Akte) ließ der Beklagte durch den Mieterschutz-Verein mitteilen, dass für ihn die Duldung der angekündigten Maßnahmen unzumutbar sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Mieterschutz-Vereins vom 28.03.2019 (Blatt 16 der Akte) Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, dass die Voraussetzungen für die Duldung der von ihr angekündigten Modernisierungsarbeiten vorliegen würden.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte nach wie vor auch mit seinem Rollstuhl unproblematisch den Balkon befahren könne und die Wohnungseingangstür ebenfalls kein Hindernis darstelle.

Duldung von Modernisierungsmaßnahmen bei fehlender Wohnwertverbesserung?
(Symbolfoto: Franck Boston/Shutterstock.com)

Die Klägerin behauptet, dass bei dem Austausch der Türen und Fenster ein weit verbesserter Wärmedurchgangskoeffizient von 0,7 W/m²K bestehen würde. Es folge eine erhebliche Energieeinsparung. Die Balkontür habe nicht extra erwähnt werden müssen, da diese verglast sei und damit zu den in dem o.g. Schreiben als Fenster beschriebenen auszuwechselnden Bauteilen gehöre. Die Ausbildung der Türschwellen sei im Zuge der Modemisierungsarbeiten unvermeidbar. Die Schwellen könnten jedoch trotzdem mittels eines Rollstuhls unproblematisch befahren werden. Dem Beklagten sei kein barrierefreies Wohnen zugesichert worden. Die neue Eingangstür stelle wegen der angebrachten Verriegelung eine Wohnwertverbessserung dar.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die gemäß Schreiben der Klägerin vom 06.03.2019 angekündigten Arbeiten in seiner Wohnung, gelegen in: … betreffend den Austausch aller Fenster einschließlich Balkontür sowie der Wohnungseingangstür (1. Baumaßnahme) sowie der Badsanierung, Erneuerung der Sanitärgegenstände, Einbau neuer Duschen, Heizkörper in Bad und Wohnzimmer, Fliesen, Neuverlegung eines PVC – Bodenbelages, Einbau neuer Heizleitungen zu allen Heizkörpern und Austausch von allen Heizkörpern im Wohnzimmer, malermäßige Wohnungsinstandsetzung (2. Bauabschnitt) zu dulden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass er aufgrund seiner Blindheit und der Tatsache, dass er wegen fehlender Beine auf den Rollstuhl angewiesen sei, beim Vorwärtsfahren gleichzeitig mit den Händen alles ertasten müsse. Ihm sei bei Mietbeginn die Barrierefreiheit der Wohnung zugesichert worden. Die Klägerin wollte den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung ändern. Hierzu sei sie nicht berechtigt. Der Austausch der Balkontür sei nicht angekündigt worden. Aufgrund seiner Behinderungen sei es dem Beklagten nicht zumutbar, während der Durchführung von Modernisierungs – oder Sanierungsarbeiten seine Wohnung für mehrere Wochen zu verlassen.

Die Modernisierungsankündigung sei bereits formell, aber auch materiell unwirksam.

Aufgrund des Einbaus von Schwellen sowohl bei der Wohnungseingangstür als auch bei der Balkontür sei es nicht mehr möglich, dass er problemlos in und aus der Wohnung fahren könne, sowie auf den Balkon. Der Beklagte bestreitet die Verbesserung des Wärmedurchgangskoeffizienten hinsichtlich der Wohnungseingangstür und der Fenster. Die behauptete 3-Punkt-Automatikverriegelung stelle keine Modernisierung dar, da die vorhandene Tür bereits über eine solche Verriegelung verfüge. Nach Auswechselung des Küchenfensters sei dieses nicht mehr komplett zu öffnen. Darüber hinaus stelle die Auswechselung des großen Küchenfensters keine Modernisierung dar, sondern den Einbau eines Mangels.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 28.05.2020 und vom 22.07.2021 Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 30.03.2021 (Blatt 161 ff. der Akte) und seinen ergänzenden Erläuterungen im Termin am 22.07.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Das Amtsgericht Görlitz ist sachlich gemäß § 23 Nummer 3 a GVG und örtlich gemäß § 29 ZPO zuständig.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Duldung der mit Schreiben vom 06.03.2019 angekündigten Modemisierungsmaßnahmen gemäß § 555d BGB.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 06.03.2019 gegenüber dem Beklagten angekündigt, dass sie Verbesserungen an der Mietsache in der Wohnung des Beklagten vornehmen wolle. Dies sollte den Austausch der Fenster und der Wohnungseingangstür umfassen. Darüber hinaus wurde angekündigt, dass in der zweiten Baumaßnahme die Bäder saniert würden. Dies würde die Erneuerung aller Sanitärgegenstände erfassen, den Einbau neuer Duschen, eines neuen Heizkörpers und Erneuerung der Fliesen. Des weiteren soll in der gesamten Wohnung ein neuer Fußbodenbelag verlegt und die Wohnung malermäßig instandgesetzt werden. Darüber hinaus soll im Wohnzimmer ein Heizkörper ersetzt werden.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Ankündigungsschreiben der Klägerin vom 06.03.2019 Bezug genommen.

Aus dem Ankündigungsschreiben allein ergibt sich keine Duldungsverpflichtung gemäß § 555d BGB.

In dem Schreiben selbst wurde dem Beklagten nicht mitgeteilt, worin der Modernisierungserfolg im Sinne von § 555b BGB konkret bestehen soll bzw. woraus er sich objektiv ergibt. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, den gegenwärtigen und den durch die Modernisierung zu erreichenden Zustand einander gegenüberzustellen, damit der Mieter in die Lage versetzt wird, den beabsichtigten Modernisierungserfolg nachzuvollziehen, dass also etwa nachhaltig Energie/Wasser eingespart wird und dadurch der Gebrauchswert der Mietsache erhöht wird. Von besonderer Bedeutung ist dies in den Fällen energetischer Modernisierung im Sinne von § 555b Nummer 1 BGB. Ersetzt der Vermieter beispielsweise vorhandene Isolierglasfenster durch neue Fenster, hat er nicht nur die Beschaffenheit der neuen Fenster in Form des Wärmedurchgangskoeffizienten anzugeben, sondern auch die betreffenden Werte der alten Fenster, damit der Mieter einen Vergleich anstellen und die beabsichtigte Energieeinsparung beurteilen kann. Diese Angaben fehlen in der Ankündigung vom 06.03.2019. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Angaben in der Klageschrift hinsichtlich der Fenster nachgeholt hat.

Diesbezüglich hat sie vorgetragen, dass der bisherige Wärmedurchgangskoeffizient bei den Fenstern lediglich bei 2,5 W/m²K aufweise und durch den Austausch der Fenster ein Wert von 0,70 W/m²K erreicht werde. Hinsichtlich der Wohnungseingangstür hat die Klägerin die Erläuterung dahingehend nachgeholt, dass durch eine neue Tür mit Stahlprofil und innerer Stahlrohrverstärkung, doppelter Lippendichtung inklusive Wärmeschutzverglasung ein ebenfalls verbesserter Wärmedurchgangskoeffizient im Rahmen der o.g. Werte erzeugt würde. Außerdem weise die neue Tür eine 3-Punkt-Automatikverriegelung auf, das einen verbesserten Einbruch- und Diebstahlschutz darstelle.

Was die Fenster einschließlich der Balkontür anbetrifft, hat die Klägerin die Verbesserung des Wärmedurchgangskoeffizienten von 2,5 auf 0,7 nicht zu beweisen vermocht.

Der Sachverständige … kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die absolute Energieeinsparung aus der verbesserten Wärmedämmung der Fensterflächen für die alten Fenster einen Wert von 2,5 W/m²K ergebe und bei der neuen Ausführung einen Wert von ca. 1,5 W/m²K. Zwar liegt der nach der Modernisierung bestehende Koeffizient über dem Wert, der von der Klägerin behauptet wurde, insgesamt ist jedoch eine energetische Verbesserung festzustellen, sodass der Vergleich zwischen dem alten und dem neuen Bestand eine Wohnwertverbesserung darstellt.

Was die Balkontür angeht, die Teil der gesamten Fensterfront im Wohnzimmer ist, liegt hinsichtlich des Wärmedurchgangskoeffizienten zwar eine Wohnwertverbesserung vor, gleichzeitig ändert die Klägerin jedoch den vertraglichen Zustand, den die Parteien bei Abschluss des Vertrages zugrunde gelegt haben. Dies hat der Beklagte nicht zu dulden.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die neu auszuführende Zugangstür zum Balkon einflügelig statt zweiflügelig (wie jetzt) ausgestaltet werden soll. Der Austausch einer zweiflügeligen Balkontür hin zu einer einflügeligen Balkontür stellt für den Beklagten zwar in soweit eine Verbesserung dar, da er nicht wie jetzt beide Flügel öffnen muss, um mit seinem Rollstuhl auf den Balkon zu gelangen. Die sogenannte Stulpentriegelung am Bedarfsflügel entfällt damit. Auf der anderen Seite wird die sogenannte Segelfläche, die der Beklagte beim Öffnen der Tür zum Balkon hin mitnehmen muss, erheblich größer als jetzt. Dies führt dazu, dass die Kraftentwicklung beim Zurückschlagen der Tür wegen der größeren Fläche eine höhere ist als jetzt mit 2 Fensterflügeln und damit die Gefahr besteht, dass der Beklagte dann aus dem Rollstuhl herausgerissen wird.

Der Sachverständige hat festgestellt, dass es für den Beklagten aufgrund der Verblechung unter der Balkontür unproblematisch möglich ist, den Bereich zu überrollen. Demgegenüber hat der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, dass für eine nach außen öffenbare Fenstertür die Ausbildung einer Schwelle mit einer nach außen wirksamen Aufkantung in Höhe von etwa 20 mm bei einer Anschlagebene von etwa 10 mm Höhe unumgänglich sei. Aufgrund der Bestandskonstruktion sei die Anschlagsausbildung für die Gewährleistung einer definierten Schlagregendichtheit unverzichtbar. Eine permanente Rampenausbildung mit 10 mm Anschlusshöhe, somit unterhalb des Flügels, würde im Zusammenhang mit üblichen Setzungserscheinungen höchstwahrscheinlich eine zeitnahe Gebrauchseinschränkung in Folge Aufsetzens/Schleifens des Öffnungsflügels erzeugen.

Nach Auffassung des Gerichts liegt daher weder eine konkrete Wohnwertverbesserung vor, die erforderlich ist für die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, noch bleibt der vertragliche Zustand in Bezug auf die Befahrbarkeit des Balkons erhalten, da bei einer nach außen wirksamen Aufkantung in Höhe von etwa 20 mm bei einer Anschlagebene von etwa 10 mm Höhe eine Schwelle geschaffen wird, bei der für den Beklagten eine negative Beeinträchtigung besteht.

Was das Küchenfenster anbetrifft, ist die Klägerin dem Vortrag des Beklagten nicht substanziiert entgegengetreten, dass sich das ursprüngliche Küchenfenster komplett öffnen lässt und bei dem neuen Küchenfenster nur eine Kippstellung möglich ist. Im Vergleich stellt die selbst bei Verbesserung des Wärmedurchgangskoeffizienten keine Wohnwertverbesserung dar.

Die Klägerin hat nicht den Beweis erbracht, dass die Auswechslung der Wohnungseingangstür eine Modernisierungsmaßnahme nach § 555b BGB darstellt und somit der Beklagte den Austausch der Wohnungseingangstür nach § 555d BGB zu dulden hat.

Der Sachverständige hat diesbezüglich ausgeführt, dass ihm die zur Ausführungszeit 1998 erforderlichen Produktkennzeichnungen nicht zur Verfügung gestanden haben und die Klägerin als Eigentümerin nichts Nachvollziehbares angeben konnte.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Wärmedämmeigenschaften einer neuwertigen Tür besser seien als bei der vorhandenen Tür, ergäbe sich aus der Ausführung einer automatischen Mehrpunktverriegelung nicht ohne weiteres ein höheres Sicherungsniveau bzw. eine Einbruchshemmung. Die Gebrauchstauglichkeit einer neuen Tür würde sich nur unwesentlich verändern. Die manuelle Entriegelung der Mehrpunktverriegelung dürfte sogar, zumindest bei üblichen Differenz-Klima-Beanspruchungen gegebenenfalls temporär sogar höhere Bedienkräfte erfordern.

Somit kann das Gericht keine durch Modernisierung vorgenommene Wohnwertverbesserung erkennen. Was die weiteren im Schreiben der Klägerin vom 06.03.2019 angekündigten Maßnahmen anbetrifft, besteht ebenfalls keine Duldungspflicht. Diesbezüglich wurde nicht dargelegt, dass es sich um Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 555b BGB handeln soll. Hierzu hätte die Klägerin im Einzelnen darlegen müssen, inwieweit die Maßnahme konkret eine Wohnwertverbesserung darstellt. Im Rahmen von § 555b BGB besteht kein Anspruch auf die Duldung einer umfassenden Sanierung der Wohnung, sondern nur im Rahmen des § 555b BGB.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass die Klägerin keinen Anspruch hat auf Duldung der in dem Schreiben der Klägerin vom 06.03.2019 angekündigten Baumaßnahmen, sodass die Klage abzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.

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