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Duldungspflicht für Modernisierungsmaßnahmen unter Wohnungsvergrößerung durch Anbau

LG Berlin – Az.: 64 S 37/18 – Beschluss vom 08.10.2018

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Januar 2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 232 C 177/17 – durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Dem hat die Kammer lediglich noch Folgendes hinzuzufügen:

1.

a)

Die Vergrößerung der streitgegenständlichen Wohnung stellt keine Maßnahme dar, die den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig im Sinne des § 555b Nr. 4 BGB erhöht. Von dieser Vorschrift werden bauliche Veränderungen umfasst, die den objektiven Gebrauchs- und Substanzwert der Räume oder Gebäudeteile im Rahmen ihres Zweckes erhöhen und eine bessere Benutzung ermöglichen (Schmidt-Futterer/Eisenschmid BGB § 555b Rn. 71, beck-online). Der Maßstab, nach dem beurteilt werden muss, ob der Wohnwert verbessert wird, ist die Verkehrsanschauung. Entscheidend ist, ob allgemein in den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen der Maßnahme eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird (Schmidt-Futterer/Eisenschmid BGB § 555b Rn. 77, beck-online).

Duldungspflicht für Modernisierungsmaßnahmen unter Wohnungsvergrößerung durch Anbau
(Symbolfoto: Von Sergey Nivens/Shutterstock.com)

Wenn die Mietsache allerdings so verändert wird, dass etwas völlig Neues entsteht, also ihr Charakter durch weitreichende Ein- und Umbauten grundlegend verändert wird, liegt keine Modernisierung vor (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2017, VIII ZR 28/17, juris; Schmidt-Futterer/Eisenschmid BGB § 555b Rn. 86-87, beck-online). Das ist der Fall. Die Vergrößerung der streitgegenständlichen Dreizimmerwohnung auf eine Vierzimmerwohnung und die damit einhergehende Grundrissänderung stellen eine grundlegende Umgestaltungsmaßnahme dar, die nicht als nachhaltige Erhöhung des Wohnwerts der Mietsache erfasst werden kann. Dies macht sich auch daran bemerkbar, dass sich innerhalb des ursprünglich in Frage kommenden Mieterkreises nicht mehr Mietinteressenten für die Wohnung finden würden, sondern ein anderer Mieterkreis angesprochen werden würde.

Im Rahmen des § 242 BGB kann es je nach den Umständen des Einzelfalles möglich sein, dass der Mieter Neubaumaßnahmen, die nicht unter § 555b BGB fallen, dulden muss. Es kommt nicht allein darauf an, ob dem Mieter die Beeinträchtigung, die die Baumaßnahme oder deren Durchführung mit sich bringt, zuzumuten ist. Vielmehr ist zunächst entscheidend, ob dem Vermieter die Unterlassung der geplanten Baumaßnahme oder deren Verschiebung bis zum Ende des Mietvertrages zugemutet werden kann. Dabei ist Ausgangspunkt der Grundsatz, dass Verträge zu halten sind, und dass der Mieter deshalb einen Anspruch auf ungestörten Mietbesitz hat. Geht es lediglich darum, dem Vermieter eine günstigere wirtschaftliche Ausnutzung seines Grundstücks zu ermöglichen, so können diese Unterlassungen oder dieser Verzicht allenfalls dann unzumutbar sein, wenn ohne die Durchführung der beabsichtigten Baumaßnahmen die Wirtschaftlichkeit des Grundbesitzes gefährdet oder dessen Verlust zu befürchten ist (BGH, Urteil vom 23. Februar 1972 – VIII ZR 91/70 – juris). Dies hat die Klägerin nicht vorgetragen.

b)

Die Vergrößerung der streitgegenständlichen Wohnung stellt auch keine Modernisierungsmaßnahme im Sinne von § 555b Nr. 7 BGB dar, durch die neuer Wohnraum geschaffen wird.

Die Kammer schließt sich der Auffassung des Amtsgerichts an, wonach die Vergrößerung einer bereits bestehenden Wohnung keine Schaffung neuen Wohnraums darstellt. Der Umstand, dass die Kosten für die Durchführung von Maßnahmen nach § 555b Nr. 7 BGB nicht nach § 559 Abs. 1 BGB umgelegt werden können, spricht dafür, dass darunter Maßnahmen zu verstehen sind, die den Mietern nicht zugute kommen.

Im Übrigen erscheint es widersprüchlich, einerseits die Kosten für die Durchführung der Modernisierung nicht auf die Mieter umzulegen, andererseits die vergrößerte Wohnfläche für die Berechnung einer Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB zu Grunde zu legen.

c) Der Anbau eines Balkons stellt grundsätzlich eine Modernisierungsmaßnahme dar, die zu einer Wohnwertverbesserung gemäß § 555b Nr. 4 BGB führt. In den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen würde eine Wohnung mit Balkon eher angemietet werden, als eine ohne Balkon. Allerdings ist der Balkonanbau vorliegend nicht isoliert zu betrachten oder angekündigt, sondern als mit der Vergrößerung und Umgestaltung der Wohnung zusammenhängende Maßnahme.

2. Soweit die Klägerin der Auffassung vertritt, dass die Beklagten Anlass zur Klageerhebung hinsichtlich der Duldung der Erneuerung der Heizung gegeben hätten, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin hätte vor Klageeinreichung am 24. Oktober 2017 sicherstellen müssen, dass eine Stellungnahme der Beklagten nicht eingetroffen war. Die Beklagten durften der Hausverwaltung der Klägerin gegenüber bestätigen, dass sie die Erneuerung der Heizung dulden. Dass das Schreiben der Beklagten, das am 23. Oktober 2017 gegen 11:52 Uhr eintraf, aufgrund der Organisationsabläufe der Hausverwaltung der Klägerin nicht am selben Tag bearbeitet werden konnte, kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

II.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen und vor dem Hintergrund, dass die Beklagten der Errichtung des Neubaus nicht widersprochen haben und der Verzicht auf dessen Errichtung finanzielle Nachteile für die Klägerin bedeuten würde, schlägt die Kammer den Abschluss folgenden Vergleichs vor:

1. Die Beklagten verpflichten sich, die Vergrößerung der streitgegenständlichen Wohnung, den Anbau eines Balkons sowie die Errichtung eines Neubaus, wie in der Modernisierungsankündigung vom 4. August 2017 geschildert, zu dulden.

2. Eine Modernisierungsumlage gemäß § 559 Abs. 1 BGB findet lediglich hinsichtlich des Anbaus des Balkons statt.

3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass etwaige zukünftige Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB sich nach der ursprünglichen Größe von 84,81 m² der streitgegenständlichen Wohnung richten.

4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass für die Berechnung der Höhe der von den Beklagten zu tragenden Nebenkosten die ursprüngliche Wohnungsgröße von 84,81 m² maßgeblich ist und bleibt.

5. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Vergleichs.

Die Parteien werden gebeten, binnen zwei Wochen anzuzeigen, ob sie den vorgeschlagenen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO abschließen wollen.

III.

Für den Fall, dass die Parteien den vorgeschlagenen Vergleich nicht abschließen wollen, regt die Kammer an, die Berufung zurückzunehmen und weist vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren in diesem Falle halbieren würden (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz).

IV.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

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