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Durchführung Nest-Modell als Eigenbedarf

AG Berlin-Mitte – Az.: 9 C 278/20 – Urteil vom 24.11.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Schließlich wird der Gebühren-Streitwert auf 7.029,48 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Räumung und Herausgabe der von der Letztgenannten gemieteten Wohnung wegen angeblichen „Eigenbedarfs“ an dieser Wohnung für sich.

1. a) Der Vater der Klägerin war am 09. Februar 2000 Eigentümer des Hausgrundstückes ### Berlin.

b) Er schloss an diesem 09. Februar 2000 als Vermieter mit der Beklagten als Mieterin einen schriftlichen und unbefristeten Mietvertrag über die etwa 60 Quadratmeter große 2-Zimmer-Wohnung im Hause Berlin (Anlage K 1).

Nach § 18 Ziffer 1. Satz 1 dieses Mietvertrages war die in Rede stehende Wohnung als Mietsache bei Beendigung der Mietzeit besenrein zurückzugeben (= am angegebenen Ort = Blatt 13, oben, der Akten).

c) Sodann wurde eine Frau ### im Jahre 2003 als neue Eigentümerin des in Rede stehenden Hausgrundstückes im zuständigen Grundbuch eingetragen (Anlage K 2). Zugleich wurde zugunsten ihres Vaters eine Rückauflassungs-Vormerkung sowie der Nießbrauch an diesem Hausgrundstück grundbuchmäßig eingetragen (= am angegebenen Ort).

d) Der Vater der hiesigen Klägerin verklagte die hieisge Beklagte vor dem Amtsgericht Mitte zum dortigen Geschäftszeichen 8 C 57/16 wegen Salden aus den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014.

e) Zudem monierte die Beklagte die Nebenkostenabrechnung für die in Rede stehende Wohnung für das Jahr 2017 gegenüber der zuständigen Hausverwaltung im Oktober 2018 beziehungsweise im Januar 2019 (Anlagen B 1 und B 2).

f) Die Beklagte arbeitete jedenfalls bis zum 30. Juni 2021 beim ### in Berlin (Anlage B 8).

g) Die Klägerin war verheiratet und hatte zwei Kinder, die in dem gemeinsamen Haus der Eheleute in 1. B1. wohnten.

h) Die Klägerin und ihr Vater ließen mit Schreiben vom 29. April 2019 der Beklagten das in Rede stehende Mietverhältnis kündigen, weil angeblich die Klägerin die in Rede stehende Wohnung „auf Grund familiärer Trennung“ benötige (Anlage K 3).

i) Der Vater der Klägerin verstarb im Juni 2020.

j) Die Klägerin erbte von ihrem Vater ein Hausgrundstück in Berlin ###.

k) Die Klägerin hatte einen Lebensgefährten, den Zeugen

l) Schließlich kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten in seinem Klageschriftsatz vom 27. August 2020 das in Rede stehende Mietverhältnis, weil die Klägerin die in Rede stehende Wohnung angeblich wegen der zeitweisen Betreuung ihrer beiden Kinder in dem ehelichen Haus (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe g)) benötige (= Blatt 03, Mitte, der Akten).

2. a) Die Klägerin behauptet, dass sie sich im März 2019 von ihrem Ehemann getrennt habe. Sie habe mit ihm deswegen vereinbart, dass sie sich jeweils und abwechselnd für die Dauer von zwei Tagen in dem gemeinsamen Haus um die beiden gemeinsamen Kinder kümmern („Nest-Modell“) und die dieser Zeit der sich nicht kümmernde Elternteil nicht in dem gemeinsamen Haus aufhält.

Und für den Zeitraum, in dem sie sich nicht um ihre beiden Kinder in dem gemeinsamen Haus kümmere und dort aufhalte, benötige sie die in Rede stehende Wohnung der Beklagten, wozu sie sich bislang in Hotels und bei ihrem Lebensgefährten zur Übernachtung aufgehalten habe.

b) Die Klägerin beantragt, die Beklagte wird verurteilt, die von ihr innegehaltene Wohnung ### Berlin, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche, 1 Korridor/Diele, 1 Bad mit Wanne, Dusche und WC, Balkon sowie einem Keller mit der Nummer 15 zu räumen und geräumt an sie herauszugeben, hilfsweise zum 30. Juni 2021.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

c) Die Beklagte behauptet, dass sie nach wie vor beim ### in Berlin arbeite und auch in der in Rede stehenden Wohnung wohne.

3. a) Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, sie habe am 29. April 2019 zumindest bis einschließlich zum 30. April 2020 beabsichtigt, die in Rede stehende Wohnung nach Ablauf des 30. April 2020 für sich selbst zu Wohnzwecken zu nutzen und dort seither auch dauerhaft wohnen zu wollen, durch Vernehmung des Zeugen ### im Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 28. Juli 2021 (= Blatt 147 bis 149, unten, der Akten).

Zudem hat das Gericht in diesem Termin die Klägerin zum erwähnten Beweisthema persönlich angehört (= Blatt 149, unten, bis 152, Mitte, der Akten).

Für das Ergebnis dieser Beweisaufnahme und der Anhörung der Klägerin wird auf das gerichtliche Protokoll vom selben Tage (= am angegebenen Ort) verwiesen.

b) Das Gericht hat des Weiteren Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, sie wohne in der in Rede stehenden Wohnung, durch Vernehmung des Zeugen ### im Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme am 27. Oktober 2021 (= Blatt 200 bis 202 der Akten).

Zudem hat das Gericht in diesem Termin die Beklagte zum erwähnten Beweisthema persönlich angehört (= Blatt 203 bis 205, oben, der Akten).

Für das Ergebnis dieser Beweisaufnahme und der Anhörung der Beklagten wird auf das gerichtliche Protokoll vom selben Tage (= am angegebenen Ort) Bezug genommen.

4. Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze als auch auf das gerichtliche Protokoll verwiesen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage war abzuweisen, weil sie sich als unbegründet erweist.

1. Die Klägerin kann nämlich von der Beklagten Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Wohnung unter keinem rechtlichen Aspekt verlangen.

a) Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 18 Ziffer 1. Satz 1 des Mietvertrages (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe b), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) in Verbindung mit § 546 Absatz 1 (§ 549 Absatz 1) BGB als auch in Verbindung mit § 566 Absatz 1 BGB.

(1) Nach § 18 Ziffer 1. Satz 1 des Mietvertrages in Verbindung mit § 546 Absatz 1 (§ 549 Absatz 1) BGB ist die Beklagte als Mieterin der in Rede stehenden Wohnung verpflichtet, nach Beendigung der Mietzeit beziehungsweise des Mietverhältnisses über die in Rede stehende Mietwohnung Letztere an seine/n Wohnungs-Vermieter/in zurückzugeben.

Und gemäß § 566 Absatz 1 BGB tritt der Erwerber der vermieteten Wohnung anstelle des Wohnungs-Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums an dieser Wohnung aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der vermietete Wohnraum nach dessen Überlassung an den Wohnungs-Mieter von dem Wohnungs-Vermieter an den Erwerber veräußert wird. Dadurch begründet der Erwerber als neuer Vermieter ein neues Mietverhältnis mit dem Wohnungs-Mieter über die vermietete Wohnung, und zwar nach den Bestimmungen des (schriftlichen) Vertrages (vergleiche Bundesgerichtshof, NJW 2018, 2472, 2475 (Randziffer 35) mit weiteren Nachweisen; NZM 2017, 847, (Randziffer 8) mit weiteren Nachweisen; NZM 2015, 79 mit weiteren Nachweisen; Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage (2019), § 566, Randnummer 10 mit weiteren Nachweisen; Herrmann, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01. August 2020, § 566, Randnummer 16 mit weiteren Nachweisen; Weidenkaff, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Auflage (2020), § 566, Randnummer 15 mit weiteren Nachweisen).

(2) Davon, dass das durch den erwähnten schriftlichen Mietvertrag (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe b), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) zwischen der Beklagten und ursprünglich dem Vater der Klägerin im Sinne des § 535 Absatz 1 Satz 1 (§ 549 Absatz 1) BGB begründete Mietverhältnis über die streitbefangene Wohnung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung am 27. Oktober 2021 beendet war (§§ 495, 310 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 136 Absatz 4 ZPO), vermochte sich das Gericht indes nicht zu überzeugen, was zum Nachteil der hier insoweit beweisbelasteten Klägerin geht (§§ 495; 286 Absatz 1 Satz 1, 291 ZPO).

(a) (aa) Die Parteien des Rechtsstreites haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben (§ 138 Absatz 1 ZPO). Des Weiteren hat sich jede dieser Parteien über die von der Gegen-PARTEI behaupteten Tatsachen zu erklären (§ 138 Absatz 2 ZPO). Außerdem ist die Behauptung der Gegen-PARTEI über einen tatsächlichen Umstand (Tatsache) als von der anderen PARTEI als zugestanden anzusehen, wenn sie entweder nicht ausdrücklich von der anderen PARTEI bestritten worden ist oder die Absicht, sie bestreiten zu wollen, nicht aus den übrigen Erklärungen der anderen PARTEI hervorgeht (§ 138 Absatz 3 ZPO). Weiterhin ist eine Erklärung mit Nichtwissen durch eine PARTEI des Rechtsstreites über eine Tatsachen-Behauptung der anderen PARTEI nur zulässig, wenn der entsprechende tatsächliche Umstand weder eine eigene Handlung der anderen Partei noch Gegenstand deren Wahrnehmung gewesen ist (§ 138 Absatz 4 ZPO).

(bb) Hinzu kommt, dass das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden hat, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei (§§ 495; 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO) mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, die (vernünftigen) Zweifel Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vergleiche Bundesgerichtshof, NJW 2015, 2111 mit weiteren Nachweisen; NJW 2014, 71 f. mit weiteren Nachweisen; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Auflage (2020), § 286, Randnummern 18 bis 19 mit weiteren Nachweisen; Foerste, in: Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, 18. Auflage (2021), § 286, Randnummer 18 und 19 mit weiteren Nachweisen; Bacher, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01. September 2021, § 286, Randnummer 2 mit weiteren Nachweisen).

Dafür reicht bezüglich des behaupteten Wohnungs-Nutzungswunsches des Wohnungs-Vermieters für sich oder seine Angehörigen die Plausibilität dieses Wunsches indes nicht aus (vergleiche Landgericht Berlin, NZM 2019, 371, 372 (Randziffern 10 und 17), 373 (Randziffern 20 und 22), 374 (Randziffer 32); GE 2019, 1311, 1312 mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 04. September 2019, Geschäftszeichen: 67 S 64/19 mit weiteren Nachweisen; GE 2018, 1000 f. und 262, jeweils mit weiteren Nachweisen; Beschluss vom 19. Oktober 2017, Geschäftszeichen: 67 S 202/17, Ziffer I.; NJW 2014, 3585, 3586 mit weiteren Nachweisen; Amtsgericht Mitte, Urteil vom 08. Mai 2019, Geschäftszeichen: 9 C 343/18, Ziffer II. 1. Buchstabe a) (2) (a) mit weiteren Nachweisen; Selk, NZM 2019, 914, 915 ff. mit weiteren Nachweisen).

Zudem sind auch der Tatsachenvortrag des Wohnungs-Vermieters beziehungsweise die unstreitigen Umstände des Falles zu dem Ergebnis einer Beweisaufnahme in den Blick zu nehmen als weitere Erkenntnisquellen sowie die eigene Lebenserfahrung des Gerichtes (vergleiche Bundesgerichtshof, NJW 2010, 3230, 3231 (Randziffer 14) mit weiteren Nachweisen; Amtsgericht Mitte, Urteil vom 27. Oktober 2021, Geschäftszeichen: 9 C 68/20, Ziffer II. 1. Buchstabe a) (2) (a) mit weiteren Nachweisen; Bacher, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, am angegebenen Ort, Randnummern 12 und 13 mit weiteren Nachweisen).

(cc) Schließlich bedürfen Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, keines Beweises (§§ 495, 291 ZPO).

(b) Das ursprünglich zwischen dem Vater der Klägerin und der Beklagten begründete Wohnraum-Mietverhältnis (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe b), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) im Sinne der §§ 535 ff (§ 549 Absatz 1) BGB ist zwischen den Parteien des Rechtsstreites neu begründet worden zu den Konditionen des bisherigen Mietverhältnisses gemäß § 566 Absatz 1 BGB, weil die Klägerin das Eigentum an dem Hausgrundstück J###, 1. B2., von ihrem Vater im Jahre 2003 grundbuchmäßig erworben hatte (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe c):

(aa) Denn dies folgt aus der entsprechenden Eintragungs-Mitteilung (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe c), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO), dem Umstand, dass den Vater der Klägerin eine Rückauflassungs-Vormerkung für dieses Hausgrundstück eingetragen worden war (= am angegebenen Ort in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) und dem Umstand, dass die Klägerin im Jahre 2003 noch den Nachnamen### trug (= Ziffer 1. der gerichtlichen Hinweise mit Beschluss vom 12. Januar 2021 = Blatt 132, Mitte, der Akten).

(bb) Und der dem Vater an diesem Hausgrundstück bestellte – und deswegen die Vermieterin-Stellung der Klägerin hindernde – Nießbrauch (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe c, in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) ist durch den Tod des Vaters im Jahre 2020 (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe i), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) gemäß § 1061 Satz BGB seither erloschen.

(c) Das in Rede stehende Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ist insbesondere nicht durch die Kündigungserklärung vom 29. April 2019 (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe h), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) beendet worden:

Denn das dafür hier alleinig hier in Betracht kommende korrespondierende Kündigungs-Recht aus § 573 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 BGB stand den beiden KLÄGERN gegen den Beklagten nämlich nicht zur Seite.

(aa) Nach § 573 Absatz 1 Satz 1 BGB kann der Wohnungs-Vermieter das Mietverhältnis über Wohnraum dem Wohnungs-Mieter nur dann kündigen, wenn er dazu ein berechtigtes Interesse hat. Gemäß § 573 Absatz 2 Nummer 2 BGB liegt ein solches berechtigtes Interesse des Wohnungs-Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses an der von ihm an den Wohnungs-Mieter vermieteten Wohnung insbesondere vor, wenn er die Räume als Wohnung für sich benötigt.

(bb) Ein solches „Benötigen“ ist nur dann gegeben, wenn der Wohnungs-Vermieter eine Wohnung künftig selbst nutzen und er dies mit ernsthaften, vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen belegen und gegebenenfalls beweisen kann (vergleiche nur Bundesverfassungsgericht, NZM 2014, 624 mit weiteren Nachweisen; Bundesgerichtshof, NZM 2020, 276, 278 (Randziffer 19) mit weiteren Nachweisen; NZM 2019, 518, 520 (Randziffern 18 und 19) mit weiteren Nachweisen; NJW-RR 2018, 138 mit weiteren Nachweisen; NZM 2017, 846, mit weiteren Nachweisen; Landgericht Berlin, GE 2019, am angegebenen Ort; Amtsgericht Mitte, Urteil vom 08. Mai 2019, am angegebenen Ort, Ziffer II. 1. Buchstabe a) (2) (b) (aa) (bbb) mit weiteren Nachweisen; Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, am angegebenen Ort, § 573, Randnummer 42 mit weiteren Nachweisen; Hannappel, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01. August 2020, § 573, Randnummern 43, 45 und 47 mit weiteren Nachweisen; Fleindl, NZM 2016, 289, 291 ff. mit weiteren Nachweisen; Hinz, NJW 2017, 3473, f. mit weiteren Nachweisen).

(aaa) Ein solches berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des in Rede stehenden Mietverhältnisses zu dem Beklagten im Sinne des § 573 Absatz 2 Nummer 2 BGB liegt zwar nach deren Tatsachenvortrag hier auf erstes Besehen vor:

Denn sie will die streitbefangene Wohnung selbst nutzen „auf Grund familiärer Trennung“ (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe h), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO).

(bbb) Dies ist indes von der Beklagten (und in zulässiger Weise) sowie detailliert bestritten worden gemäß § 138 Absätze 2 und 3 ZPO (= Blatt 46, unten, bis 47, Mitte, in Verbindung mit Blatt 125, unten, bis 126, Mitte, der Akten).

(ccc) Es kann hier indes dahinstehen, ob die Klägerin angeblich „auf Grund familiärer Trennung“ (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe h)) tatsächlich ihre beiden Kinder in dem ehelichen Haus betreuen will nach dem „Nest-Modell“ (siehe oben, Ziffer I. 2. Buchstabe a)) und in den Zeiträumen, in denen sie dies angeblich nicht tut, die in Rede stehende Wohnung zum Wohnen (Übernachten) nutzen möchte (= am angegebenen Ort in Verbindung mit oben, Ziffer I. 3. Buchstabe a)):

Denn sie will diese Nutzung nach eigenem Vortrag zeitlich nicht vollumfänglich nutzen, sondern nur zeitweise für das „Nest-Modell“ – also wie eine Zweit-Wohnung (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe I), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO, beziehungsweise oben, Ziffer I. 2. Buchstabe a), in Verbindung mit Blatt 148, oben, 148, unten, bis 149, oben, als auch in Verbindung mit Blatt 149, unten, bis 151, oben, beziehungsweise Blatt 152, oben, der Akten).

(ddd) Zwar dürfen die Gerichte dem wegen „Eigenbedarfs“ kündigenden Wohnungs-Vermieter grundsätzlich nicht vorschreiben, wie und wo er seine Wohnung nutzt (vergleiche Bundesverfassungsgericht, NZM 2014, 624 mit weiteren Nachweisen; Bundesgerichtshof, NZM 2017, 846, mit weiteren Nachweisen; Blank, in: Schmidt-Futterer, am angegebenen Ort, § 573, Randnummern 111 bis 115 mit weiteren Nachweisen; Hannappel, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, am angegebenen Ort, § 573, am angegebenen Ort; Weidenkaff, in: Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Auflage (2020), § 573, Randnummer 28 mit weiteren Nachweisen; Fleindl, am angegebenen Ort, 291 f. mit weiteren Nachweisen).

Bei der hier schon von der Klägerin behaupteten Konstellation einer Zweit-Wohnung hat aber entgegen der Auffassung der Klägerin beziehungsweise ihres Prozessbevollmächtigten insbesondere in dessen Schriftsatz vom 19. November 2021 2. Buchstabe e)) eine umfassende Abwägung der Interessen der Klägerin an der Erlangung der streitbefangenen Wohnung und der Beklagten am dortigen Wohnenbleiben zu erfolgen (vergleiche Bundesverfassungsgericht, NJW 2014, 2417, 219 mit weiteren Nachweisen; Bundesgerichtshof, NJW-RR 2018, 138, 139 (Randziffern 7 bis 8) mit weiteren Nachweisen; NZM 2018, 983, 985 f. (Randziffern 25, 29 und 34) mit weiteren Nachweisen; NZM 2017, 846, mit weiteren Nachweisen; Blank, in: Schmidt-Futterer, am angegebenen Ort, § 573, Randnummer 42 mit weiteren Nachweisen; Hannappel, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, am angegebenen Ort, § 573, Randnummern 43, 45 und 47 mit weiteren Nachweisen; Weidenkaff, in: Palandt, am angegebenen Ort, § 573, Randnummer 28 mit weiteren Nachweisen; Hinz, am angegebenen Ort, 3475 mit weiteren Nachweisen):

(α) Die Durchführung dieses „Nest-Modells“ ist ein ernsthafter, vernünftiger und nachvollziehbarer Grund im Sinne des § 573 Absatz 2 Nummer 2 BGB (vergleiche die vorstehenden Nachweise).

(β) Indes will die Klägerin nach ihren Angaben die in Rede stehende Wohnung nur drei bis vier Tage in der Woche nutzen (= Blatt 150, Mitte, der Akten) – den Rest der Woche zwischen immerhin drei und vier Tagen beziehungsweise 43 Prozent beziehungsweise sogar 57 Prozent also nicht.

Warum die Klägerin für diese Behauptung (siehe oben, Ziffer I. 2. Buchstabe a)) nicht auch beziehungsweise sogar in erster Linie ihren Ehemann als Zeugen benannt hat, der das „Nest-Modell“ doch genauso mittragen soll wie die Klägerin, ist dem Gericht indes nicht erklärlich (§§ 495, 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO).

(γ) Zum Anderen hat die Klägerin nach ihren Angaben in Berlin ### das von ihr ererbte Einfamilienhaus ihres Vaters (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe j), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) bezogen (= Blatt 150, oben, der Akten) ### – ist beziehungsweise wird also nicht obdachlos, weil sie in die in Rede stehende Wohnung bislang nicht einziehen konnte beziehungsweise wenn sie dies auch zukünftig nicht kann!

Auch hat sie in der Vergangenheit auch immer wieder bei dem Zeugen ### übernachtet (= Blatt 150, Mitte, der Akten).

(δ) Zudem sind die beiden Kinder der Klägerin zwölf und 16 Jahre alt (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe g), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO, in Verbindung mit Blatt 150, oben, der Akten). Demzufolge endet das Betreuungsbedürfnis der Klägerin für ihr ältestes Kind spätestens in zwei Jahren (vergleiche § 2 in Verbindung mit §§ 1626 ff. BGB) – also in sehr absehbarer Zeit.

(ε) Auch hat die Klägerin nichts dafür vortragen lassen, dass ihr die angebliche zeitweise Betreuung ihrer Kinder in dem ehelichen Haus in Berlin-Kladow (siehe oben, Ziffer I. 2. Buchstabe a)) durch ihre bisherigen angeblichen (nächtlichen) Aufenthalte außerhalb der in Rede stehenden Wohnung und außerhalb ihrer angeblichen Betreuungszeit ihrer Kinder unmöglich gemacht wurde beziehungsweise dass es deswegen (erhebliche) Schwierigkeiten für sie gegeben hat (§ 138 Absatz 1 ZPO) (vergleiche Bundesgerichtshof, NZM 2018, 988, 989 (Randziffern 15 und 20) mit weiteren Nachweisen; NZM 2016, 715, 716 (Randziffer 16) mit weiteren Nachweisen; Landgericht Berlin, GE 2019, 1311, 1312) – bis auf den Umstand, dass die in Rede stehende Wohnung näher zu dem Haus in Berlin-Kladow liegt als ihr Haus in Berlin ### (vergleiche Blatt 150, oben, der Akten).

Insoweit hat die Klägerin auch eingeräumt, dass sie schon vor der angeblichen Trennung von ihrem Ehemann (siehe oben, Ziffer I. 2. Buchstabe a)) den weiten Weg von Berlin-Kladow zu ihrer Arbeitsstätte in der ### in Berlin auf sich genommen habe (= Blatt 150, oben, der Akten), dass das von ihr so derzeit angeblich schon praktizierte „Nest-Modell“ für sie „kein(en) Mehraufwand“ ergebe und sie „dadurch auch nicht besonders gestresst“ sei (= Blatt 150, unten, der Akten)!

(ζ) Hinzu kommt, dass es die Klägerin kategorisch ausgeschlossen hat, in die Wohnung des Zeugen ### – immerhin ihrem Lebensgefährten (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe k), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) – einzuziehen oder mit ihm eine gemeinsame Wohnung zu beziehen, nicht einmal in die in Rede stehende (= Blatt 150, unten, der Akten)!

(η) Zudem steht im Rahmen der hier vorzunehmenden Abwägung auf Seiten der Beklagten dem (angeblichen) Nutzungswunsch der Klägerin an der in Rede stehenden Wohnung gegenüber, dass der Beklagte schon seit dem Jahre 2000 in der in Rede stehenden Wohnung wohnt (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe b), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO).

(θ) Dort wohnte die Beklagte auch noch nach dem 30. Juni 2021 aufgrund der detaillierten Angaben des Zeugen ### und der Beklagten (siehe oben, Ziffer I. 3. Buchstabe b), in Verbindung mit §§ 495, 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO).

(ι) Zudem befindet sich die in Rede stehende Wohnung seit dem 28. April 2015 in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Sinne der §§ 556 d Absätze 1 und 2 Satz 2; 558 Absatz 3 Satz 2 BGB (§§ 495, 291 ZPO) (vergleiche Landgericht Berlin, NZM 2018, 514, 515 (Randziffer 9) mit weiteren Nachweisen; Kappus, NZM 2018, 987 mit weiteren Nachweisen).

(κ) Schließlich muss sich die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin beziehungsweise ihres Prozessbevollmächtigten im Rahmen der hier vorzunehmenden Abwägung im Sinne des § 573 Absatz 2 Nummer 2 BGB auch nicht darauf verweisen lassen, dass sie Homeoffice doch auch von ihrer Erst-Wohnung in München aus betreiben könne beziehungsweise dass die Beklagte die in Rede stehende Wohnung „nur“ aus beruflichen Gründen nutze und deswegen nicht zu Wohnzwecken:

(αα) Denn das Arbeiten im Homeoffice ist erst durch die CoVID-19-Pandemie seit März 2020 „erzwungen“ worden (§§ 495; 291 ZPO).

Zudem haben dieser Zeuge ### als auch die Beklagte eindringlich die Präsenzpflicht der Beklagten hier in Berlin für ### – nach wie vor dem Arbeitgeber der Beklagten (= Blatt 200, Mitte, bis 205, oben, der Akten) – bestätigt. Soll die Beklagten dann etwa immer pendeln müssen?!?

(ββ) Zudem hat die Klägerin offenbar vollkommen aus dem Blick verloren, dass sie immerhin jetzt schon drei (!) Wohnsitze beziehungsweise ständige Übernachtungsmöglichkeiten und zudem auf Berliner Stadtgebiet hat: Das eheliche Haus (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe g), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO), das ererbte Haus in Berlin ### (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe j), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO) und die Wohnung ihres Lebensgefährten (siehe oben, Ziffer I. 2. Buchstabe a), in Verbindung mit § 138 Absatz 3 ZPO).

Diese vielfältigen Möglichkeiten sollen ihr aber auch noch nicht genügen, um ihren angeblichen Bedarf nach zeitlich befristeten Betreuung ihrer Kinder zu decken?!?

Und wie würde denn die Klägerin reagieren, wenn sie in der Situation der Beklagten wäre: Hätte sie dann auch (noch) Verständnis dafür, dass eine Person sage und schreibe vier Wohnsitze beziehungsweise Übernachtungsmöglichkeiten „benötigt“, weil sich an der Betreuungssituation für ihre Kinder etwas – aber nur für relativ kurze Dauer – geändert hat?!?

(d) Und einen anderen – und unbenannten – Grund zur ordentlichen Kündigung im Sinne des § 573 Absatz 1 Satz 1 BGB ### ist von den beiden KLÄGERN hier auch nicht dargelegt worden (§ 138 Absatz 1 ZPO) (vergleiche Bundesgerichtshof, NJW 2017, 2018, 2019 ff. mit weiteren Nachweisen; NJW-RR 2017, 976, 978 ff. mit weiteren Nachweisen; Hinz, am angegebenen Ort, 3475 f. mit weiteren Nachweisen).

(e) Vorstehendes gilt erst recht für die weitere Kündigungs-Erklärung der Klägerin in dem Klageschriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 27. August 2020 (siehe oben, Ziffer I. 1. Buchstabe k)) (vergleiche auch § 573 Absatz 3 Satz 2 BGB).

b) Die Klägerin kann von der Beklagten schließlich auch nicht Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Wohnung gemäß § 985 BGB in Verbindung mit § 94 Absatz 1 Satz 1 BGB verlangen:

Denn die Beklagte kann ihren wegen des fortbestehenden Mietverhältnisses über diese Wohnung (siehe oben, Ziffer II. 1. Buchstabe a)) ein Recht zum Besitz an dieser Wohnung im Sinne des § 986 Absatz 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit §§ 566 Absatz 1; 94 Absatz 1 Satz 1 BGB entgegenhalten.

c) Andere Anspruchsgrundlagen stehen der Klägerin gegen die Beklagte nicht zur Seite.

2. Die Kostengrund-Entscheidung beruht auf §§ 91 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz; 100 Absatz 1, ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nummer 11, 2. Fall; 711 ZPO (in Verbindung mit § 511 Absatz 2 Nummer 1 ZPO).

 

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