AG Coesfeld – Az.: 4 C 156/19 – Urteil vom 01.10.2019
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.035,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 22.06.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 11 % und die Beklagten 89 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Schadensersatz.
Zwischen den Parteien bestand ab dem 01.10.2014 ein Mietverhältnis über eine Wohnung in Billerbeck.
Mit Schreiben vom 30.08.2017 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 01.01.2018. Die Wohnung werde für beide Beklagten benötigt, da in der bisherigen Wohnung eine pflegebedürftige Person lebte und ein friedliches Miteinander nicht möglich sei, da die Wohnung zu klein sei.
Aufgrund dieser Kündigung mietete die Beklagte zum 30.11.2017 eine neue Wohnung an. Am 05.11.2017 wurde ein Mietaufhebungsvertrag geschlossen.
Eingezogen sind die Beklagten in die Wohnung nicht. Sie ist ab dem 01.02.2018 neu vermietet worden.
Vorgerichtlich hat die Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 5.571,- Euro angemeldet. Bezahlt haben die Beklagten 500,- Euro. Weitere Zahlungen haben sie nicht geleistet. Auch nach weiterer Korrespondenz zwischen dem Mieterverein Münster und Umgebung und dem damaligen Bevollmächtigten der Beklagten sind weitere Zahlungen abgelehnt worden.
Die Klägerin verlangt doppelte Mietkosten in Höhe von 410,- Euro, Kosten für den Erwerb von Farben und Baumarktartikeln in Höhe von 294,10 Euro, Fahrtkosten in Höhe von 450,- Euro, Ummeldekosten für den Pkw in Höhe von 10,70 Euro, Umzugskosten in Höhe von 1.096,59 Euro, Kosten für ein Nachsendeantrag in Höhe von 26,90 Euro sowie höhere Mietkosten für 42 Monate in Höhe von 3.990,- Euro und Helferkosten in Höhe von 200,- Euro.
Zusätzlich begehrt die Klägerin eine Mietminderung, weil sie einen Schuppen ab Oktober 2017 nicht mehr nutzen konnte.
Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten von vornherein nicht die Absicht gehabt, in die streitige Wohnung einzuziehen. Die Wohnung sei schon vor ihrem Auszug der jetzigen neuen Mieterin angeboten worden.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.332,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 22.06.2019 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, keinen weiteren Schadensersatz zu schulden. Zunächst sei ein Haus verkauft worden und man sei in eine 85qm große Wohnung gezogen. Es habe sich jedoch auch wegen eines pflegebedürftigen Mitbewohners herausgestellt, dass die Wohnung zu klein sei. Daraufhin sei die Kündigung hinsichtlich der von der Klägerin bewohnten Wohnung erklärt worden. Der Eigenbedarf sei auch in einem Gespräch Ende August erläutert worden. Der Mietaufhebungsvertrag sei geschlossen worden, weil zum 05.11.2017 ein anderweitiges Objekt angemietet worden sei und daher die Miete für den Monat Dezember nicht mehr habe gezahlt werden können. Bei der Wohnungsübergabe habe man einen Umzugskostenbeitrag in einem Umschlag überreichen wollen. Die Klägerin habe die Übergabe allerdings abgelehnt. Am 12.11.2017 habe man daher den Betrag in Höhe von 500,- Euro überwiesen. Es habe die Absicht bestanden, Anfang 2018 die frühere Wohnung der Klägerin behindertengerecht umzubauen. Da die Klägerin jedoch erhebliche Schadensersatzforderungen gestellt habe, sei man zu dem Entschluss gekommen, dass man sich das nicht leisten könne. Man habe sich daher schweren Herzens entschlossen, die Wohnung anderweitig zum 01.03.2018 zu vermieten. Ihres Erachtens seien die Forderungen der Klägerin ohnehin übersetzt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in zu erkanntem Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
Die Beklagten sind gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie schuldhaft eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgesprochen haben, der tatsächlich nicht bestand.
Ein Mieter hat in die für den Eigenbedarf geltend gemachten Tatsachen regelmäßig keinen Einblick und kann ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters nicht beurteilen, ob dessen Kündigung wegen Eigenbedarfs, die den Mieter zum Auszug veranlasst hat, berechtigt war. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll; insoweit sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH NZN 2017, 23).
Unstreitig sind die Beklagten nicht eingezogen. Soweit sie vorgetragen haben, aufgrund der hohen Schadensersatzforderungen der Klägerin sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass man sich einen behindertengerechten Umbau nicht leisten könne, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Wenn nämlich die Beklagten die Wohnung umgebaut hätten und anschließend eingezogen wären, wären sie keinen Forderungen der Klägerin ausgesetzt gewesen. In diesem Fall hätten sie nämlich ihren Eigenbedarf verwirklicht. Dass aufgrund dieser Umstände der bei Eigenbedarf nicht mehr realisiert worden ist, ist nicht plausibel.
Der Kausalzusammenhang zwischen der Kündigung wegen Eigenbedarfs und dem Schaden der Klägerin wird nicht dadurch unterbrochen, dass man sich später auf eine einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses geeinigt hat (BGH NJW 2009, 2059). Es ist daher unerheblich, dass die Klägerin nicht aufgrund der Kündigung, sondern aufgrund eines Mietaufhebungsvertrages das Objekt geräumt hat.
Der Schaden der Klägerin ist im Wesentlichen der Höhe nach berechtigt. Die Klägerin hat den neuen Mietvertrag vorgelegt. Das Mietverhältnis in der neuen Wohnung hat am 05.11.2017 begonnen. Das Mietverhältnis mit den Beklagten ist zum 30.11.2017 beendet worden. Der Mietaufhebungsvertrag vom 05.11.2017 ist ebenfalls vorgelegt worden. Die Klägerin war daher verpflichtet, für die Zeit vom 15.11.2017 bis zum 30.11.2017 eine doppelte Miete zu zahlen. Die halbe Bruttomiete beträgt 410,- Euro. Das ergibt sich aus dem neuen Mietvertrag.
Die Klägerin hat ebenfalls Quittungen vorgelegt für die Anschaffung von Farbe und anderer Artikel, welche für eine Renovierung notwendig sind. Die Kosten belaufen sich auf 294,10 Euro.
Die entstandenen Fahrtkosten belaufen sich auf 54,- Euro. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass wiederholt Fahrten wegen des Umzugs erforderlich waren. Die Höhe schätzt das Gericht gem. § 278 ZPO auf 54,- Euro.
Die Ummeldekosten für den Pkw sind ebenfalls nachgewiesen worden anhand der Quittung. Sie belaufen sich auf 10,70 Euro.
Umzugskosten nach dem Angebot der Firma H sind in dieser Höhe nicht zu erstatten. Aufgrund der Erörterung im Termin steht fest, dass der Umzug nicht mit einem Unternehmen durchgeführt worden ist. Eine fiktive Schadensberechnung aufgrund eines Angebotes, welches nicht wahrgenommen worden ist, ist mit dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot nicht zu vereinbaren. Zwar soll der Gläubiger für seine Einbußen vollständig entschädigt werden, allerdings darf er nicht mehr erhalten, als er an Einbußen erlitten hat (BGH NJW 2015, 468). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe weitere Umzugshelfer gehabt. Gem. § 287 ZPO schätzt das Gericht, dass insoweit ein Betrag von 500,- Euro angemessen ist.
Die Kosten für den Nachsendeantrag in Höhe von 26,90 Euro sind durch eine Quittung nachgewiesen.
Der Mieter hat ebenfalls grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz des Mietdifferenzschadens. Streitig ist, für welchen Zeitraum ein Anspruch besteht. Teilweise wird unter Berufung auf den Rechtsgedanken der Verjährungsvorschriften ein Zeitraum von drei Jahren befürwortet (§ 195 BGB). Teilweise wird auch vertreten, die Höhe des Differenzschadens in zeitlich angemessenen Abständen von etwa zwei Jahren immer wieder erneut festzustellen. Schließlich wird auch aus Gründen der Rechtssicherheit eine pauschale Festlegung des ausgleichpflichtigen Zeitraums in Anlehnung an § 9 ZPO auf 3 1/2 Jahre befürwortet. Diese Auffassung hat der BGH nicht beanstandet (NJW 2010, 1068).
Gem. § 9 ZPO beträgt der Wert auf wiederkehrende Nutzung oder Leistungen den 3 1/2 fachen Wert des einjährigen Bezugs. Es ist daher berechtigt, eine Mietdifferenz für 42 Monat zu verlangen. Diese beträgt 3.990,- Euro.
Die Höhe der Umzugshelferkosten schätzt das Gericht auf 200,- Euro.
Gem. § 536 BGB war die Klägerin zur Minderung berechtigt. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin war ein Schuppen gemietet worden. Ab Oktober war der Strom abgeklemmt. Am 02.11.2017 musste die Klägerin den Schuppen räumen, da er abgerissen werden sollte. Wegen einer Einsturzgefahr konnte der Schuppen im November 2017 nicht mehr genutzt werden. Unter diesen Umständen ist die Klägerin zur Minderung der Miete in Höhe von 50,- Euro berechtigt.
Insgesamt kann die Klägerin daher den zu erkannten Betrag von den Beklagten verlangen.
Zinsen schulden die Beklagten gem. § 286 BGB i. V. m. § 291 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.