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Eigenbedarfskündigung des Wohnungserwerbers vor Grundbucheintragung

AG Ahrensburg – Az.: 45 C 477/12 – Urteil vom 27.09.2012

1. Die Beklagten werden verurteilt, die auf dem Grundstück … im Erdgeschoss belegene Wohnung des Zweifamilienhauses, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Flur, Bad, WC sowie einem Keller und Garten geräumt an die Kläger herauszugeben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30.11.2012 gewährt.

5. Der Streitwert wird auf 10.320,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger begehren von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung aufgrund einer Eigenbedarfskündigung.

Die Beklagten mieteten von den Rechtsvorgängern der Kläger, den Eheleuten … die Erdgeschosswohnung des Zweifamilienhauses auf dem Grundstück … . Die Eheleute … waren sowohl Eigentümer des Grundstücks als auch Vermieter der Beklagten.

Das Wohnhaus ist dreigeschossig. Die Wohnung im Untergeschoss hat eine Wohnfläche von ca. 122 m2, bestehend aus vier Zimmern, Diele, Küche Bad und Gäste WC. Die Wohnung im Obergeschoss hat eine vergleichbare Wohnfläche von ca. 107 m2 bis ca. 122 m2. Die genaue Größe der Wohnfläche steht zwischen den Parteien im Streit. Die Räumlichkeiten im Obergeschoss bestehen aus 4 Zimmern, Bad, Küche, Diele und Flur. Weiterhin gehört zur Wohnung im Obergeschoss der Bereich des Dachbodens. Obergeschoss und Dachboden sind durch eine Treppe verbunden. Das Dachgeschoss besteht aus zwei Räumen und einem Bad. Zwischen den Parteien steht im Streit, inwieweit die Räumlichkeiten im Dachgeschoss bereits ausgebaut und damit zu Wohnzwecken geeignet sind.

Die Kläger wohnten zunächst in Wilhelmshaven in einem Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von ca. 160 m2. Der Kläger zu 2) betreibt in Wilhelmshaven als Facharzt für Allgemeinmedizin eine Arztpraxis. Die Klägerin zu 1) ist Beamtin bei der Stadt A.. Nach der Geburt der beiden gemeinsamen Söhne … (13 Jahre) und … (16 Jahre) beantragte die Klägerin zu 1) erfolgreich Erziehungsurlaub, um sich insbesondere um Jonas zu kümmern, der an einer geistigen Entwicklungsverzögerung leidet.

Die Kläger haben im Dezember 2011 zum Erwerb des Grundstücks einen Kaufvertrag mit den bisherigen Eigentümern abgeschlossen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2012 erklärten die Kläger die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.04.2012 und begründeten dies mit Eigenbedarf. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf das in Kopie zu den Akten gereichte Kündigungsschreiben (Anlage K 1) verwiesen. Die Kläger waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die Kläger haben sich deshalb zum Ausspruch der Kündigung am 12.01.2012 von den Eheleuten … eine Ermächtigung ausstellen lassen (Bl. 13 d.A.).

Am 30.01.2012 wurden die Kläger als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks eingetragen (Anlage K 5). Mit anwaltlichen Schreiben vom 08.02.2012 sprachen die Kläger erneut eine Kündigung zum 31.05.2012 wegen Eigenbedarf aus. Zur inhaltlichen Begründung nahmen die Kläger auf das Kündigungsschreiben vom 23.01.2012 Bezug und fügten eine Kopie dieses Schreibens bei. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf das in Kopie zu den Akten gereichte Kündigungsschreiben (Anlage K 2) verwiesen. Mit anwaltlichen Schreiben vom 27.02.2012 widersprachen die Beklagten der Kündigung wegen Eigenbedarfs und verlangten die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Des Weiteren erklärten die Beklagten in dem Schreiben, die Kündigung würde eine unbillige Härte darstellen. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf das in Kopie zu den Akten gereichte Schreiben vom 27.02.2012 (Anlage K 3) verwiesen.

Im März 2012 sind die Kläger dann in die obere Wohnung des streitgegenständlichen Hauses eingezogen. Am 27.03.2012 kündigten die Kläger den Mietvertrag außerdem wegen der Tatsache, dass das Wohnhaus nur aus zwei Wohneinheiten besteht und die Kläger nunmehr eine dieser Wohnungen bewohnen unter Bezugnahme auf § 573 a BGB zum 30.09.2012. Am 12.04.2012 kündigten die Kläger das Mietverhältnis erneut nach § 573 a BGB zum 31.10.2012. In allen aufgeführten Kündigungsschreiben wurde der Fortsetzung des Mietverhältnisses widersprochen.

Die Kläger behaupten, sie beabsichtigen das Wohnhaus im … zukünftig als Einfamilienhaus zu nutzen. So sollen im Obergeschoss zukünftig die beiden Söhne leben. Dabei sei geplant, dass die Söhne jeweils ein eigenes Zimmer bekommen und ein Gästezimmer und ein Spielzimmer eingerichtet werden. Die Kläger behaupten auch, das Dachgeschoss sei nur teilweise ausgebaut. Lediglich das Bad und der Hobbyraum seien benutz- bzw. bewohnbar. Im Erdgeschoss solle sich zukünftig nach einer Renovierung der Wohnbereich der Eltern befinden mit Schlafzimmer, Bibliothek, Büro, Wohnzimmer, Küche Bad und Gäste-WC. Für die geplante Raumaufteilung wird auf den Inhalt der Anlage K 4 verwiesen. Des Weiteren sei die obere Wohnung für die 4-köpfige Familie auch nicht groß genug. Das bisher bewohnte Einfamilienhaus sei deutlich größer gewesen als die jetzt vorhandene Wohnung. Die Kläger behaupten, ihr Sohn … benötige einen größeren Rückzugsraum. Aufgrund der Enge der Wohnung sei es zu einigen Stresssituationen gekommen. Für die Zeit nach seinem Schulabschluss sei geplant, dass … wegen seiner Entwicklungsverzögerung die Erdgeschosswohnung dann allein bewohnt. Die Kläger verlangen auch Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für den Ausspruch der Kündigungen in Höhe von 555,85 €.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagten zu verurteilen, die auf dem Grundstück … im Erdgeschoss belegene Wohnung des Zweifamilienhauses, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Flur, Bad, WC sowie einem Keller und Garten geräumt an die Kläger herauszugeben.

2. die Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 555,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

1. die Klage abzuweisen.

2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, den Beklagten eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Räumungsfrist zu gewähren.

Die Beklagten behaupten, der Eigenbedarf der Kläger bestünde nicht. So hätten die Kläger die begehrte Wohnung im Untergeschoss noch nicht einmal selbst besichtigen können. Des Weiteren sei der von den Klägern begehrte Wohnbedarf überzogen. Nach Addition der gesamten Wohnfläche ergäbe sich eine nutzbare Fläche von ca. 270 m2 für einen Haushalt von vier Personen. Auch stelle die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagten eine unbillige Härte dar. So hätte sich die Familie der Beklagten sehr gut eingelebt in die Umgebung und die Kinder würden aus ihrem gewohnten Umfeld fortziehen müssen. Auch sei angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen in der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnung und sogar in A. nicht zu beschaffen. Die Beklagten hätten intensiv aber lange erfolglos nach einer Ersatzwohnung gesucht und stünden nunmehr kurz davor, eine Wohnung käuflich zu erwerben. Auch deshalb sei ein kurzfristiger Umzug unverhältnismäßig.

Die Kündigung vom 27.03.2012 sei den Beklagten nicht zugegangen.

Mit Schriftsatz vom 20.06.2012 (Bl. 50 d.A.) erklärten die Beklagten, dass sie keine Einwände erheben gegen die Kündigung vom 12.04.2012 nach § 573 a BGB zum 31.10.2012.

Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört sowie Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 04.07.2012 durch die Vernehmung der Zeugen … und … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Parteianhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15.08.2012 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bis auf die Nebenforderungen begründet.

I.

Den Klägern steht gegen die Beklagten gemäß § 546 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgabe der Wohnung zu, denn die Kündigung vom 08.02.2012 hat das Mietverhältnis der Parteien wirksam zum 31.05.2012 beendet.

Die ordentliche Kündigung ist gemäß § 573 Abs. 1 BGB wirksam. Danach darf der Vermieter von Wohnraum nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse liegt gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für seine Familienangehörigen benötigt.

1.

Die Kläger sind als Vermieter der Beklagten auch zum Ausspruch der Kündigung berechtigt. Mit Vorlage des elektronischen Grundbuchauszuges (Anlage K 5) haben die Kläger nachgewiesen, dass sie am 30.01.2012 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurden und damit nach § 566 Abs. 1 BGB in das bestehende Mietverhältnis eingetreten sind. Somit konnten die Kläger am 08.02.2012 als Vermieter eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aussprechen.

Dagegen ist die vorherige Kündigung vom 23.01.2012 unwirksam. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kläger gerade noch nicht in das Mietverhältnis eingetreten. Daran ändert auch die Ermächtigung der Voreigentümer nichts. Der Eigenbedarf muss sich auf den jeweiligen Vermieter zum Zeitpunkt der Kündigung beziehen. Dieser lag bei den Voreigentümern unstreitig nicht vor. Hierauf hat das Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.07.2012 hingewiesen.

2.

Das Kündigungsschreiben vom 08.02.2012 genügt den formalen Anforderungen des § 573 Abs. 3 BGB. Danach sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse im Kündigungsschreiben anzugeben. Hierzu genügt es, dass der Kündigungsgrund durch Angabe der Tatsachen so ausführlich bezeichnet ist, dass er identifiziert und von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden kann. Zwar müssen die Gründe ausreichend substantiiert sein, jedoch dürfen die formalen Anforderungen nicht überspannt werden. Es genügt, wenn der Vermieter die Kerntatsachen in den Kündigungsschreiben mitteilt (vgl. BGH WuM 2010, 301, 302). Diese Vorgaben erfüllt das anwaltliche Kündigungsschreiben der Klägerin, da darin mitgeteilt wird, dass die Familie die Wohnung im Erdgeschoss ebenfalls zu Wohnzwecken nutzen möchte. Die betreffenden Familienmitglieder wurden benannt, die Art der geplanten Nutzung bekanntgegeben und erläutert.

Dabei ist es unschädlich, dass für die Begründung des Eigenbedarfs im Kündigungsschreiben vom 08.02.2012 nur Bezug genommen wurde auf die vorherige Kündigung vom 23.01.2012. Dies erfüllt jedenfalls dann das Informations- und Schutzinteresse des betroffenen Mieters, wenn die in Bezug genommenen Urkunden dem Kündigungsschreiben angeheftet sind (BVerfG ZMR 1992, 288; LG Mannheim, Beschluss vom 23. 2. 2004 – 4 T 289/03). Vorliegend war die Kündigung vom 23.01.2012 beigeheftet unter ausdrücklicher Bezugnahme.

3.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger die streitgegenständliche Wohnung im Erdgeschoss für sich und ihre Söhne nutzen wollen.

Für den Selbstnutzungswillen des Vermieters müssen vernünftige sowie nachvollziehbare Gründe vorliegen (BVerfG NZM 2001 706). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Willensentschluss des Vermieters bezüglich einer bestimmten, seiner Lebensplanung entsprechenden Nutzung von den Gerichten grundsätzlich zu respektieren (BVerfG NJW 1989, 970). Maßgeblich ist deshalb nicht, welchen Bedarf die Gerichte für angemessen halten; vielmehr kommt es darauf an, welchen Bedarf der Eigentümer nach seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen für angemessen ansieht (Schmidt-Futterer, 10. Aufl. 2011, § 573 BGB, Rn. 146 m.w.N.).

Der Nutzungswille folgt hier aus den glaubhaften und widerspruchsfreien Aussagen der Zeugin … und des Zeugen … . Diese bekundeten, dass die Kläger die Wohnung im Erdgeschoss für sich und ihre Söhne nutzen wollen. Dabei veranschaulichte insbesondere die Zeugin … lebhaft und nachvollziehbar, dass die aktuellen Wohnverhältnisse beengt sind und die Kläger diese Wohnverhältnisse unverzüglich beenden wollen. Die Zeugen erklärten nachvollziehbar, dass für die Kläger kein Zweifel daran bestünde, die Wohnung im Erdgeschoss für sich zu nutzen. Die Aussagen der Zeugen ließen keinerlei Belastungstendenz erkennen und sie antworteten auf die teils auch kritischen und skeptischen Fragen seitens des Gerichts und der Beklagtenvertreterin ruhig und sachlich. Soweit die Beklagten der Ansicht sind, die Kläger haben sich hier Zeugen „geschaffen“, so kann das Gericht dem nicht folgen. Zwar fand der erste und einzige Besuch der Zeugen in der Wohnung der Kläger erst kurz vor dem Termin zur Beweisaufnahme statt, dies steht dem Wahrheitsgehalt der Aussagen jedoch nicht entgegen. Die Zeugen haben mehrmals erklärt, schon seit längerem über die Pläne der Kläger zur Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung informiert gewesen zu sein. Die Zeugen haben gerade nicht erklärt, beim Besuch in der Wohnung der Kläger erstmals vom Nutzungswillen der Kläger Kenntnis erlangt zu haben.

Die Aussagen der Zeugen werden auch durch die Bekundungen der Kläger in ihrer persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO bestätigt. Das Gericht hat die Bekundungen und Erklärungen von Parteien im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen. Die Kläger haben umfassend und glaubhaft zu ihren Nutzungswillen und – wünschen ausgesagt. Besonders eindrücklich waren die Bekundungen der Klägerin zu 1). Diese erläuterte, wie insbesondere der Sohn … unter den ungewohnten und beengten Wohnverhältnissen zu leiden hat und wie sinnvoll aus ihrer Sicht die Nutzung einer zweiten Etage sei. Der Kläger zu 2) erläuterte nachvollziehbar, wie er die umfangreiche Bibliothek und das Büro im Erdgeschoss nutzen möchte. Der Kläger zu 2) ist auch als vereidigter Gutachter für Krankenkassen und Sozialgerichte tätig. So könne er das Büro mit seiner Arbeitsstelle vernetzen lassen und auch von Zuhause aus Gutachten erstellen. Der Kläger zu 2) konnte auch glaubhaft darlegen, weshalb die Familie die Wohnung im Erdgeschoss nutzen wolle, obwohl er sie nie besichtigen konnte. So solle die untere Wohnung ohnehin saniert werden. Die Raumaufteilung und den Zuschnitt der Wohnung könne er anhand der Grundrisse gut erkennen.

4.

Die Kündigung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Insbesondere liegt kein überhöhter Bedarf vor. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn ein „weit überhöhter Wohnbedarf geltend gemacht wird. Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass die Gerichte die Entscheidung des Vermieters über seinen Bedarf zu achten haben (BVerfG WuM 1989, 114).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegt zur Überzeugung des Gerichts ein solcher überhöhter Bedarf nicht vor. Insbesondere sieht es das Gericht als erwiesen an, dass das Dachgeschoss vor einer Wohnnutzung zunächst renoviert werden müsste. Im Übrigen werden diese Räumlichkeiten vornehmlich zum Abstellen der Möbel aus dem bisher bewohnten Einfamilienhaus der Kläger benutzt. Somit machen die Kläger in der konkreten Situation gerade keinen Bedarf von über 270 m2 geltend. Die gesamte Wohnfläche dürfte demnach bei ca. 220 m2 für 4 Personen mit Hund liegen, was im Vergleich zu den 160 m2 der Vorwohnung auch keine unangemessene Steigerung darstellt. Soweit die Beklagten einwenden, der Bedarf der Kläger resultiere schlicht darauf, dass die Kläger zu viele Möbel in die aktuelle Wohnung im Obergeschoss unterbringen wollen, kann dem nicht gefolgt werden. Das Gericht hat es unter dem Lichte vorerwähnten verfassungsgerichtlichen Rechtssprechung zu akzeptieren, dass die Kläger nach ihren eigenen Wohnwünschen und Wohnvorstellungen Möbel und einen Hausstand für mindestens 160 m2 Wohnfläche besitzen, und diesen Besitzstand wahren wollen.

5.

Dem Beklagten steht auch kein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 a BGB zu. Der Widerspruch der Beklagten nach § 574 BGB gegen die Kündigung bleibt ohne Erfolg. Härtegründe wurden von den Beklagten nicht hinreichend genug dargelegt.

Härtegründe auf Mieterseite sind alle Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art, die infolge der Vertragsbeendigung auftreten können. Hinsichtlich der Intensität des Nachteils sind jedoch Härtegründe von – unbeachtlichen – bloßen Unbequemlichkeiten abzugrenzen, die jeder Umzug mit sich bringt (LG Berlin ZMR 1989, 425). Soweit die Beklagten ausführen, ihre Kinder haben sich binnen der über 3 Jährigen Mietzeit gut in das Umfeld integriert und müssten den Freundeskreis und ggf. die Schule wechseln, so stellt dies eine bloße Unannehmlichkeiten dar, die nach ganz herrschender Auffassung keine Härtegründe darstellen (OLG Köln WM 2003, 465; OLG Karlsruhe NJW 1970, 1746; LG Hamburg NJW-RR 1991, 1355).

Die Beklagten haben auch nicht dargelegt, dass angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden konnte, § 574 Abs. 2 BGB. Aus den als Anlage B 1 (Bl. 93 ff. d.A.) vorgelegten Kaufangeboten geht dies gerade nicht hervor. Das Gericht verkennt nicht, dass sich die Beklagten hier umfassend um den Kauf einer eigenen Immobilie – fast ausnahmslos Einfamilienhäuser/Doppelhaushälften – bemüht haben. Aus den eingeholten Angeboten geht jedoch nicht hervor, dass sich die Beklagten ernsthaft mit der Anmietung einer vergleichbaren Wohnung oder mit dem Ankauf einer vergleichbaren Eigentumswohnung – beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus – beschäftigt hätten. Die Behauptung der Beklagten, auf dem A. Wohnungsmarkt sei kein passender Ersatzwohnraum zu angemessenen Preisen zu finden, konnte nicht durch entsprechenden Vortrag oder der Vorlage entsprechender Angebote substantiiert dargelegt werden.

Gleichwohl hat das Gericht die Bemühungen der Beklagten bei der Suche nach einem Eigenheim zu berücksichtigen, und zwar nicht im Rahmen Widerspruchsprüfung des § 574 BGB, sondern im Rahmen der Prüfung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO.

II.

Für die Erstattung der außergerichtlich entstandenen klägerischen Anwaltskosten fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Die Regelungen des §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB scheiden mangels Verzuges und andere vertragliche Schadensersatzansprüche mangels schuldhafter Pflichtverletzung der Beklagten aus. Die Anwaltskosten sind durch die Kündigung entstanden, die nicht durch ein Fehlverhalten der Beklagten veranlasst wurde. Im Übrigen kommt eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der entstandenen Anwaltskosten schon deshalb nicht in Betracht, da die erste Kündigung der Kläger vom 23.01.2012 mangels Vermietereigenschaft der Kläger unwirksam ist (s.o. Punkt I.1).

III.

Den Beklagten war eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO einzuräumen. Die Beklagten haben dargetan, dass sie sich zumindest um den Erwerb eines Eigenheimes bemüht haben und kurz vor dem Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages stehen (vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 05.09.2012, Bl. 144 d.A.). Die Übergabe des Objektes könnte bereits zum 01.11.2012 erfolgen. Zur Vermeidung einer unangemessenen notwendigen Zwischenanmietung einer Ersatzwohnung bis zum November 2012 ist den Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eine Räumungsfrist bis zum 30.11.2012 zu gewähren. Die Gewährung einer längeren Räumungsfrist kommt nicht in Betracht und würde die Interessen der Kläger unangemessen beeinträchtigen. Die Beklagten hatten spätestens seit Beginn des Januar 2012 Kenntnis von der Eigenbedarfskündigung und deshalb ausreichend Zeit, sich um eine entsprechende Wohnung zu bemühen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Klage wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgewiesen wurde, haben die Beklagten dennoch die gesamten Prozesskosten zu tragen, da die Zuvielforderung der Kläger verhältnismäßig geringfügig war und keine höhere Kosten veranlasst hat.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 41 Abs. 2 Satz 1 GKG.

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