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Eigenbedarfskündigung eines Wohnungskäufers – Fortbestand von Kündigungseinschränkungen

AG Bremen, Urteil vom 13.11.2014
Aktenzeichen: 10 C 131/14

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Vermieter Eigenbedarfskündigung

Tatbestand

Kläger begehrt von der Beklagten Räumung der von ihr bewohnten Wohnung.

Die Beklagte und ihr Ehemann mieteten diese Wohnung mit Mietvertrag vom 08.09.1956 (Bl. 5 ff. d.A.) von der B.Bg. Bremen (im folgenden BG) an. Nach § 1 dieses Vertrages ist die Wohnung zweckbestimmt für die Unterbringung von Bediensteten der Oberfinanzdirektion Bremen. § 17 des Mietvertrags, der mit Kündigung des Mietvertrages durch das Wohnungsunternehmen überschrieben ist, lautet wie folgt:

 (1) Das Wohnungsunternehmen wird den Mietvertrag nur auflösen, wenn einer der Mieter sich eines so groben Verstoßes gegen die den Mietern aus diesem Vertrag obliegenden Pflichten gegenüber dem Wohnungsunternehmen oder der Hausgemeinschaft schuldig macht, dass dem Wohnungsunternehmen die Fortsetzung des Mietvertrags nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei muss jeder der Mieter das Verhalten seines Ehegatten oder anderer Personen, für die er nach § 8 Abs. 4 einzustehen hat, gegen sich gelten lassen.

 (2) Das Wohnungsunternehmen ist insbesondere berechtigt, den Mietvertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn einer der Mieter die ihm obliegenden Pflichten trotz schriftlicher Abmahnung durch das Wohnungsunternehmen dadurch verletzt, dass er

a. sich einer erheblichen Belästigung von Hausbewohnern oder von Beauftragten des Wohnungsunternehmens schuldig macht.

b. durch Vernachlässigung der gebotenen Sorgfalt oder in anderer Weise die Mieträume oder das Gebäude erheblich gefährdet oder

c. ganz oder teilweise einen vertragswidrigen Gebrauch von den Mieträumen macht.

Ist bereits ein einmaliger Verstoß eines der Mieter oder einer Person, für die die Mieter einzustehen haben, so schwer, dass für das Wohnungsunternehmen die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar erscheint, so ist eine Abmahnung nicht erforderlich.

 (3) Das Wohnungsunternehmen ist ferner zur Auflösung des Mietvertrages berechtigt, wenn die Mieter

a. mit der Entrichtung der Miete nach abgelehnter Stundung mit einem Betrag im Rückstand sind, der den für den Zeitraum von 2 Monaten zu entrichtenden Mietzins übersteigt, oder

b. sich weigern, eine preisrechtlich zulässige Erhöhung der Miete oder der Nebenleistungen anzuerkennen. Eine Kündigung des Mietverhältnisses ist in diesem Fall jedoch nur unter Einhaltung deiner Kündigungsfrist, die derjenigen des § 15 entspricht, zulässig.

 (4) Das Wohnungsunternehmen ist ferner, soweit gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen, zur Auflösung des Vertrages berechtigt, wenn die Behörde für die die Wohnung zweckgebunden ist, die Kündigung verlangt. In diesem Falle ist die Kündigung, wenn sie wegen freiwilligen oder verschuldeten Ausscheidens aus dem Dienst der Behörde verlangt wird, nur zum Schluss eines Kalendermonats unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten, wenn sie aus anderen Gründen verlangt wird, nur zum Schluss eines Kalendermonats unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zulässig.

 (5) Dem Wohnungsunternehmen steht in den Fällen des Abs. 2 das Recht zur Auflösung des Mietvertrages nicht mehr zu, wenn seit der Kenntnis von dem Auflösungsgrund sechs Monate verstrichen sind, ohne dass es von seinem Auflösungsrecht Gebrauch gemacht hat.

Nach § 24 des Mietvertrags bedürfen Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrags der Schriftform. Die Wohnung der Beklagten wurde 20 Jahre lang öffentlich gefördert.

Der Kläger trat im Jahr 2002 durch den Erwerb der streitgegenständlichen Wohnung von der BG auf Vermieterseite in das Mietverhältnis ein. Vor der Veräußerung schlossen der Kläger und die BG eine Vereinbarung, wonach Eigenbedarfskündigungen bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Übernahme der Wohnungseinheit ausgeschlossen seien. Diese Vereinbarung wurde auch in den Grundstücksübertragungsvertrag aufgenommen.

Mit Schreiben vom 28.04.2013 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum 01.02.2014 (Bl. 12 f. d.A.). Die Beklagte widersprach der Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 14.11.2013.

Der Kläger behauptet, die BG habe vor der Veräußerung der Wohnung an ihn mit der Beklagten eine ergänzende Regelung zum Mietvertrag getroffen, wonach Eigenbedarfskündigungen bis zum Ablauf von 10 Jahren nach Übernahme der Wohnungseinheit ausgeschlossen seien (Bl. 28 f. d.A.). Die BG habe die zwischen ihr und den jeweiligen Käufern der Wohneinheiten getroffenen Abreden in Bezug auf die Eigenbedarfskündigung den Mietern und damit auch der Beklagten gegenüber schriftlich bestätigt.

Der Kläger ist der Auffassung, die Zweckbindung der Wohnung, die Grundlage für § 17 des Mietvertrages sei, sei durch das Ausscheiden des Ehemannes der Beklagten aus dem öffentlichen Dienst, spätestens jedoch mit dessen Ableben entfallen. Auch die seit längerem beendete öffentliche Förderung könne die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten nicht mehr rechtfertigen. Daher gelte § 17 des Mietvertrags nicht mehr. Die im Vorfeld der Veräußerung getroffene Vereinbarung zwischen ihm und der BG zeige, dass auch die BG davon ausgegangen sei, dass die Beklagte nach der Veräußerung nicht mehr durch § 17 vor Eigenbedarfskündigungen geschützt sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die von ihr genutzte Wohnung […] zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, § 17 des Mietvertrages schließe eine Kündigung des Klägers wegen Eigenbedarfs aus. Dort sei abschließend geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter das Mietverhältnis kündigen könne und Eigenbedarf sei dort als Kündigungsgrund nicht vorgesehen. § 17 des Mietvertrages gelte gemäß § 566 Abs. 1 BGB auch für den Kläger als Erwerber der Wohnung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB nicht zu.

Der Kläger hat das Mietverhältnis nicht wirksam wegen Eigenbedarfs durch das Schreiben vom 28.04.2013 gekündigt. Die Eigenbedarfskündigung des Klägers ist gem. § 17 des Mietvertrags ausgeschlossen, wonach der Kläger das Mietverhältnis nur aus den dort aufgeführten Gründen, zu denen der Eigenbedarf nicht zählt, kündigen darf.

Der Kläger ist gem. § 566 BGB in die sich aus dem Mietverhältnis zur Zeit der Veräußerung ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten. Das nunmehr zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist inhaltsgleich mit dem ursprünglich zwischen der BG und der Beklagten bestehenden Mietverhältnis (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 566 Rn. 15), d.h. enthält insbesondere die in § 17 vorgesehenen Einschränkungen der Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters.

1. Zum Zeitpunkt der Veräußerung der Wohnung waren die Kündigungseinschränkungen des § 17 noch Inhalt des Mietvertrags zwischen der BG und der Beklagten.

a) Dass die ursprünglichen Mietvertragsparteien den Mietvertrag vor Eintritt des Klägers auf Vermieterseite entsprechend der Schriftformklausel in § 24 des Mietvertrags durch eine schriftliche Vereinbarung dahingehend abgeändert haben, dass eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters nunmehr möglich sei, hat der Kläger trotz entsprechenden Hinweises nicht vorgetragen (Hinweisbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 03.07.2014, Bl. 42 d.A.). Eine Übernahme des Ausschlusses der Eigenbedarfskündigung des Erwerbers für 10 Jahre in dem Grundstücksübertragungsvertrag zwischen dem Kläger und der BG reicht für eine Abänderung des Mietvertrags nicht aus, da diese wegen der Relativität der Schuldverhältnisse nicht im Verhältnis der Beklagten zur BG wirkt (vgl. Hinweisbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 03.07.2014, Bl. 42 d.A.) und überdies gar keine Änderung des Mietvertrags zum Inhalt hat, da nur geregelt worden ist, dass eine Eigenbedarfskündigung für die Dauer von 10 Jahren ausgeschlossen sein soll, und nicht auch, dass nunmehr abweichend von § 17 des Mietvertrags eine Eigenbedarfskündigung generell möglich sein soll. Gleiches gilt für eine etwaige schriftliche Bestätigung der im Verhältnis Kläger und BG getroffenen Vereinbarung gegenüber der Beklagten.

b) Auch eine einseitige Abänderung des § 17 des Mietvertrags von Seiten der BG ist nicht möglich, insbesondere da die Abänderung des Mietvertrags entgegen der Auffassung des Klägers für die Beklagte nicht positiv war.

c) Die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten galt auch nach dem Ausscheiden des Ehemannes der Beklagten aus dem öffentlichen Dienst und dessen Tod im Verhältnis zwischen der BG und der Beklagten fort. Zum einen ist die Zweckbindung, die nach der Ansicht des Klägers Geschäftsgrundlage des Kündigungsausschlusses war, weder durch das Ausscheiden noch durch das Ableben des Ehemannes entfallen. Das Ausscheiden des Ehemannes der Beklagten aus dem öffentlichen Dienst vermag die Zweckbindung aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten (Art. 33 Abs. 4 GG), die auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses gilt, nicht zu berühren. Die Fürsorgepflicht umfasst dabei auch die Sorge für das Wohl der Familien der Beamten. Dies hat auch in § 16 des Mietvertrags Niederschlag gefunden, wonach der Mietvertrag beim Tod eines Ehegatten grundsätzlich mit dem anderen Ehegatten weitergeführt wird. Zum anderen ist die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten in § 17 des Mietvertrags nicht an das Fortbestehen der Zweckbindung der Wohnung gebunden.

2. Die Tatsache, dass die zwischen den ursprünglichen Mietvertragsparteien vereinbarte Zweckbindung der Wohnung jedenfalls durch Veräußerung der Wohnung an den Kläger entfallen sein dürfte, ändert ebenfalls nichts an der Bindung des Klägers an § 17 des Mietvertrags und der dadurch bedingten Einschränkung seiner Kündigungsmöglichkeiten (siehe auch OLG Karlsruhe OLGZ 1986, 437 sowie LG Frankenthal, Urteil vom 27. Juli 2005 – 2 S 119/05 -, juris für den vergleichbaren Fall der Eigenbedarfskündigung des Erwerbers einer Genossenschaftswohnungen).

Der in § 566 BGB normierte Grundsatz „Kauf bricht Miete nicht“ will dem Mieter die durch den Vertrag erworbenen Rechte bei einem Eigentümerwechsel erhalten. Die Vorschrift stellt daher eine Bestimmung zum Schutz des Mieters dar und muss durchgängig im Sinne des Mieterschutzes ausgelegt werden (OLG Karlsruhe OLGZ 1986, 437, 441). Daher ist der Erwerber auch an Vereinbarungen über besondere Kündigungsgründe oder Kündigungsbeschränkungen wie z.B. den Verzicht auf eine Eigenbedarfskündigung gebunden (vgl. OLG Karlsruhe OLGZ 1986, 437, 441; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl., § 566 Rn. 124; Drasdo, NZM 2012, 585, 598).

Rechte und Pflichten aus dem ursprünglichen Mietverhältnis gehen nur dann nicht gem. § 566 BGB auf den Erwerber über, wenn es sich ausnahmsweise um höchstpersönliche Rechte und Pflichten handelt, die nach dem Rechtsübergang auf Vermieterseite ihren Inhalt und Sinn verloren haben. Dies trifft auf die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten nicht zu. Die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters ist ihrer Natur nach eine allgemeine Abrede, die nicht an die Person des Vermieters gebunden ist (OLG Karlsruhe OLGZ 1986, 437, 442). Auch die Erwägung, der Mietvertrag sei nur im Hinblick auf die Stellung des Ehemanns der Beklagten als Finanzdirektor der Stadt Bremen geschlossen worden, ändert daran nichts. Denn schließlich wird der Rechtscharkater der nach § 566 BGB auf den Vermieter übergehenden Verpflichtung, die an die Person des Mieters anknüpft, durch einen Wechsel auf Vermieterseite nicht berührt.

Nur wenn der Mietvertrag selbst die Einschränkung des Kündigungsrechts unmittelbar an die Person des Veräußerers geknüpft hätte, läge eine höchstpersönliche Regelung vor. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Das folgt auch nicht aus der Verwendung des Wortes Wohnungsunternehmen. Wohnungsunternehmen bedeutet nach dem Inhalt des gesamten Vertrages hier nur Vermieter, sodass der Kläger mit seinem Eintritt in den Mietvertrag als aktueller Vermieter an die Stelle des Wohnungsunternehmens tritt (vgl. OLG Karlsruhe OLGZ 1986, 437, 442). Auch § 17 Abs. 4 des Mietvertrags stellt eine solche Verknüpfung nicht her, sondern räumt lediglich der BG neben der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung des Vermieters ein weiteres Kündigungsrecht ein. Der generelle Ausschluss der ordentlichen Kündigung wird von dieser Regelung nicht berührt.

Der Übergang der Verpflichtung auf den Kläger ist diesem gegenüber auch nicht unbillig, sondern interessengerecht. Im Hinblick auf die Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt des Mieters und die mit jedem Umzug verbundenen persönlichen und wirtschaftlichen Belastungen ist das Vertrauen des Mieters auf den Fortbestand eines vereinbarten erweiterten Kündigungsschutzes in hohem Maße schutzwürdig. Da er auf die Entschließung des Vermieters, das Eigentum an der Wohnung zu erhalten oder aufzugeben, in der Regel keinen Einfluß hat, ist es sachgerecht, ihm die Wirkungen des § 566 BGB gerade in diesem Bereich möglichst umfassend zugutekommen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als die BG es in der Hand hatte, die entsprechende Reglung des Mietvertrags vor der Veräußerung wirksam abzuändern. Der Kläger als Erwerbsinteressent seinerseits kann durch einen Blick in den bestehenden Mietvertrag – gegebenenfalls unter Hinzuziehung rechtskundigen Rats – rechtzeitig erkennen, ob die beabsichtigte Kündigung erschwert ist und eine Eigennutzung sich möglicherweise nicht durchsetzen läßt. Der Kläger hätte sich vor dem Erwerb vergewissern müssen, dass § 17 des Mietvertrags wirksam zwischen den Parteien des Mietvertrags abgeändert worden ist. Es wäre aber in keiner Hinsicht sachgerecht, dem Mieter durch einen Rechtsakt des Vermieters, auf den er keinen Einfluß nehmen kann, eine wesentliche vertraglich begründete Rechtsposition, auf deren Weiterbestehen er vertrauen durfte, ersatzlos zu entziehen.

4. Unerheblich ist ferner, dass die BG im Vorfeld der Veräußerung möglicherweise zu Unrecht annahm, die Eigenbedarfskündigung sei nach einer Veräußerung möglich bzw. sie habe § 17 des Mietvertrags wirksam abgeändert, da diese Auffassung das Gericht nicht binden würde.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 BGB.

Die Entscheidung dürfte eine Vollstreckung der Beklagten gegen den Kläger wegen der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten im Wert von mehr als 1.500 € ermöglichen, vgl. § 708 Nr. 11 ZPO. Zwar gibt es keinen Vortrag zu der aktuellen Höhe der Nettokaltmiete, sodass der Streitwert nicht sicher bestimmt werden kann. Allerdings hat der Kläger Gerichtskosten in Höhe von 723 € (= 3 x 241 € eingezahlt), sodass von einem Streitwert von bis zu 10.000 € auszugehen ist.

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