Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Eigenbedarfskündigung: Mieterrechte und gesundheitliche Belastungen im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche gesundheitlichen Nachweise muss ich bei einem Härtefalleinwand gegen eine Eigenbedarfskündigung vorlegen?
- Welche Fristen muss ich bei einem Widerspruch gegen eine Eigenbedarfskündigung aus gesundheitlichen Gründen einhalten?
- Wie wird die Schwere gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei einer Eigenbedarfskündigung rechtlich bewertet?
- Welche zusätzlichen Räumungsfristen können Mieter mit gesundheitlichen Einschränkungen erwarten?
- Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für gesundheitlich beeinträchtigte Mieter bei einer Eigenbedarfskündigung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Flensburg
- Datum: 04.12.2024
- Aktenzeichen: 61 C 55/24
- Verfahrensart: Räumungsklage wegen Eigenbedarfs
- Rechtsbereiche: Mietrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Alleineigentümer einer Mietwohnung, der die Wohnung für sich und seine Lebensgefährtin beansprucht. Er argumentiert, dass er die größere Wohnung für seine Familie und zukünftige Kinder benötigt, da seine aktuelle Wohnung zu klein ist.
- Beklagte: Ein Mietparteienpaar, das mit zwei pflegebedürftigen und schwerbehinderten Kindern in der Wohnung lebt. Sie behaupten, dass der Kläger den Eigenbedarf nur vortäuscht, um eine höhere Miete zu erzielen, und dass ein Umzug für sie unzumutbar wäre aufgrund der gesundheitlichen Lage.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger hatte das Mietverhältnis mit einer Eigenbedarfskündigung beendet und fordert die Räumung der Wohnung. Die Beklagten widersprachen unter Berufung auf Härtegründe aufgrund der gesundheitlichen Situation ihrer Kinder.
- Kern des Rechtsstreits: Die Hauptfrage war, ob der geltend gemachte Eigenbedarf des Vermieters berechtigt und der Widerspruch der Mieter gegen die Kündigung fristgemäß und inhaltlich ausreichend war, wobei die gesundheitlichen Härtegründe der Beklagten zu prüfen waren.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde vollumfänglich zugunsten des Klägers entschieden. Die Beklagten müssen die Wohnung räumen.
- Begründung: Der Kläger konnte einen berechtigten Eigenbedarf gemäß § 573 BGB nachweisen. Die Beklagten konnten ihre Härtegründe nicht hinreichend substantiiert darlegen. Insbesondere fehlten ausreichende Beweise für die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen, die einen Umzug unmöglich machen würden.
- Folgen: Den Beklagten wurde eine Räumungsfrist bis zum 28.02.2025 eingeräumt. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden.
Eigenbedarfskündigung: Mieterrechte und gesundheitliche Belastungen im Fokus
Die Eigenbedarfskündigung stellt einen häufigen Streitpunkt im Mietrecht dar, insbesondere wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen im Raum stehen. Vermieter können Mietverhältnisse beenden, wenn sie die Wohnung für sich selbst oder nahe Angehörige benötigen. Solch ein Umzug kann jedoch erhebliche emotionale und physische Belastungen für Mieter verursachen, insbesondere wenn psychische Gesundheit und Barrierefreiheit betroffen sind. Stress beim Umzug kann gesundheitliche Risiken mit sich bringen und eine Wohnungssuche erschweren, besonders wenn Beeinträchtigungen am Wohnort bestehen.
In vielen Fällen sind die rechtlichen Aspekte der Eigenbedarfskündigung und die damit verbundenen Mieterrechte entscheidend. Kündigungsfristen sowie Unterstützung beim Umzug spielen eine wesentliche Rolle in der Debatte um die Umzugsproblematik. Ein konkreter Fall, der sich mit diesen Herausforderungen auseinandersetzt, wird im Folgenden näher betrachtet.
Der Fall vor Gericht
Räumungsklage wegen Eigenbedarfs erfolgreich – Gericht bestätigt Kündigung trotz gesundheitlicher Härtefallgründe
Der Vermieter einer 80-Quadratmeter-Wohnung im ###-Weg 8 in Flensburg setzte sich mit seiner Räumungsklage gegen die bisherigen Mieter durch. Das Amtsgericht Flensburg gab der Klage in vollem Umfang statt und verpflichtete die Beklagten zur Räumung bis zum 28. Februar 2025.
Familiäre Nutzungspläne begründen Eigenbedarf
Der Kläger hatte das Mietverhältnis im Dezember 2023 wegen Eigenbedarfs zum 1. April 2024 gekündigt. Als Grund nannte er, das Haus zusammen mit seiner Lebensgefährtin als neuen Lebensmittelpunkt nutzen zu wollen. Das Paar lebt derzeit in einer deutlich kleineren Dreizimmerwohnung, die sich für ihre Zukunftspläne als ungeeignet erweist. Die Lebensgefährtin arbeitet regelmäßig im Home-Office, zudem besucht die sechsjährige Tochter des Klägers aus erster Ehe ihren Vater häufig. Das Paar plant außerdem, selbst ein Kind zu bekommen.
Gericht bestätigt ernsthafte Nutzungsabsicht
Das Gericht sah den Eigenbedarf als begründet an. Die Lebensgefährtin des Klägers bestätigte als Zeugin glaubhaft die ernsthaften Nutzungspläne. Sie schilderte die beengten Verhältnisse in der aktuellen Wohnung, wo ein einzelner Raum gleichzeitig als Büro, Abstellraum und Aufenthaltsraum für die Tochter des Klägers dient. Die Zeugin konnte dem Gericht detailliert die Vorteile des Grundrisses der begehrten Wohnung erläutern und berichtete von konkreten Planungen mit einem Architekten.
Härtefalleinwände der Beklagten nicht ausreichend belegt
Die Beklagten widersprachen der Kündigung mit Verweis auf gesundheitliche Härtefallgründe. Sie machten geltend, ihre beiden minderjährigen Kinder seien pflegebedürftig und eines der Kinder zu 50 Prozent schwerbehindert. Zudem leide die Beklagte unter einer Angststörung und posttraumatischen Belastungsstörung. Das Gericht wertete die vorgelegten Nachweise jedoch als unzureichend. Trotz mehrfacher gerichtlicher Hinweise legten die Beklagten nicht substantiiert dar, welche konkreten Erkrankungen vorliegen und wie diese einen Umzug behindern würden. Die bloße Vorlage von Schwerbehindertenausweisen und Pflegegutachten reichte dem Gericht nicht aus.
Räumungsfrist berücksichtigt beide Seiten
Das Gericht gewährte den Beklagten eine Räumungsfrist bis Ende Februar 2025. Bei der Bemessung berücksichtigte es einerseits die Planungen des Klägers für einen Einzug zum 1. März 2025 und andererseits mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beklagten, die einen sofortigen Umzug erschweren könnten. Die knapp dreimonatige Frist ermögliche es den Beklagten, den Umzug so zu organisieren, dass die gesundheitliche Belastung in Grenzen gehalten werden kann.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Gericht bestätigt die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung, bei der der Vermieter mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter in das größere Mietobjekt einziehen möchte. Entscheidend waren dabei der nachvollziehbare Nutzungswunsch, die konkrete Lebensplanung (Kinderwunsch) sowie die Ungeeignetheit einer alternativen Wohnung im Eigentum des Vermieters. Der zu spät eingelegte Widerspruch der Mieter gegen die Kündigung war nicht mehr zu berücksichtigen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Mieter müssen Sie bei einer Eigenbedarfskündigung sehr genau auf die Widerspruchsfrist achten – ein verspäteter Widerspruch kann nicht mehr berücksichtigt werden, auch wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorliegen. Der Vermieter muss seinen Eigenbedarf konkret und nachvollziehbar begründen, wobei auch zukünftige Lebensplanungen wie ein Kinderwunsch relevant sein können. Wenn der Vermieter über weitere Wohnungen verfügt, müssen diese für den geplanten Nutzungszweck tatsächlich ungeeignet sein – kleinere Nachteile wie ein ungünstigerer Grundriss reichen dafür aus.
Eigenbedarf: Ihre Rechte als Mieter
Gerade bei Eigenbedarfskündigungen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen komplex und die Fristen eng. Ein verspäteter Widerspruch kann schwerwiegende Folgen haben, selbst wenn Ihre persönlichen Gründe dagegensprechen. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte als Mieter zu wahren und die Erfolgsaussichten einer Kündigung durch den Vermieter zu prüfen. Sprechen Sie uns an, wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden und rechtliche Klarheit benötigen. Gerne helfen wir Ihnen, die für Sie optimale Lösung zu finden.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche gesundheitlichen Nachweise muss ich bei einem Härtefalleinwand gegen eine Eigenbedarfskündigung vorlegen?
Ein einfaches ärztliches Attest reicht für einen erfolgreichen Härtefalleinwand nicht aus. Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen einer Eigenbedarfskündigung widersprechen möchten, benötigen Sie ein qualifiziertes Sachverständigengutachten.
Anforderungen an das Sachverständigengutachten
Das Gutachten muss detailliert folgende Aspekte darlegen:
- Art und Umfang der gesundheitlichen Probleme
- Konkrete Auswirkungen auf Ihre alltägliche Lebensführung
- Zu erwartende gesundheitliche Folgen durch einen Umzug
- Wahrscheinlichkeit des Eintritts der befürchteten Gesundheitsbeeinträchtigungen
Ablauf der Begutachtung
Wenn Sie gesundheitliche Gründe geltend machen, wird das Gericht einen Sachverständigen bestellen. Der Sachverständige untersucht Ihren Gesundheitszustand und erstellt ein umfassendes Gutachten. Dies gilt auch dann, wenn Sie bereits ärztliche Atteste vorgelegt haben.
Vorbereitende Maßnahmen
Sie sollten zunächst alle vorhandenen medizinischen Unterlagen zusammenstellen:
- Aktuelle Befunde Ihrer behandelnden Ärzte
- Dokumentation über bisherige Behandlungen
- Nachweise über Medikation
- Atteste über bestehende Erkrankungen
Diese Unterlagen dienen als Grundlage für das gerichtliche Sachverständigengutachten. Je ausführlicher die Dokumentation ist, desto besser kann der Sachverständige die gesundheitlichen Auswirkungen eines möglichen Umzugs beurteilen.
Welche Fristen muss ich bei einem Widerspruch gegen eine Eigenbedarfskündigung aus gesundheitlichen Gründen einhalten?
Die Widerspruchsfrist gegen eine Eigenbedarfskündigung beträgt zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist. Diese Frist gilt auch bei gesundheitlichen Gründen und muss zwingend eingehalten werden.
Relevante Kündigungsfristen
Die grundlegende Kündigungsfrist, die der Vermieter einhalten muss, staffelt sich nach der Wohndauer:
- Bis 5 Jahre Mietdauer: 3 Monate Kündigungsfrist
- 5 bis 8 Jahre Mietdauer: 6 Monate Kündigungsfrist
- Über 8 Jahre Mietdauer: 9 Monate Kündigungsfrist
Besonderheiten bei gesundheitlichen Gründen
Bei gesundheitlichen Gründen reicht ein einfaches ärztliches Attest nicht aus. Ein qualifiziertes Attest muss folgende Aspekte beinhalten:
- Eine konkrete Diagnose der Erkrankung
- Eine fundierte Prognose über die gesundheitlichen Folgen eines möglichen Umzugs
Nachweispflichten
Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und die gesundheitlichen Gründe müssen bereits im Widerspruchsschreiben dargelegt werden. Die medizinischen Nachweise können auch nachgereicht werden, sollten aber zeitnah vorgelegt werden.
Bei einer schwerwiegenden Erkrankung wird das Gericht in der Regel ein zusätzliches Sachverständigengutachten einholen. Die Zeit für die Erstellung dieses Gutachtens hat keinen Einfluss auf die ursprüngliche Widerspruchsfrist.
Wie wird die Schwere gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei einer Eigenbedarfskündigung rechtlich bewertet?
Bei einer Eigenbedarfskündigung können schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen einen Härtegrund nach § 574 BGB darstellen. Die Gerichte führen dabei eine sorgfältige Einzelfallprüfung durch, bei der die konkreten gesundheitlichen Auswirkungen eines erzwungenen Umzugs genau untersucht werden müssen.
Erforderliche Nachweise
Ein einfaches ärztliches Attest reicht für die Begründung eines Härtegrunds nicht aus. Stattdessen muss ein qualifiziertes Sachverständigengutachten eingeholt werden, das folgende Aspekte beleuchtet:
- Art und Umfang der gesundheitlichen Probleme
- Konkrete Auswirkungen auf die allgemeine Lebensführung
- Zu erwartende Folgen eines Wohnungsverlusts für den Gesundheitszustand
Bewertung verschiedener Krankheitsbilder
Die Rechtsprechung erkennt besonders schwere Erkrankungen und Beeinträchtigungen als Härtegründe an. Dazu gehören:
- Demenzerkrankungen mit der Gefahr einer erheblichen Verschlechterung bei Umzug
- Suizidgefährdung, wenn sie konkret nachgewiesen ist
- Schwere körperliche Behinderungen, die eine besondere Anpassung der Wohnumgebung erfordern
Prüfung der Umzugsfolgen
Die Gerichte untersuchen, ob die gesundheitlichen Folgen eines Umzugs durch begleitende ärztliche oder therapeutische Behandlungen gemildert werden können. Eine Härte liegt vor, wenn bei einem erzwungenen Auszug mit einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation zu rechnen ist.
Bei der richterlichen Abwägung wird auch berücksichtigt, ob der Mieter in der gewohnten Umgebung besondere Unterstützungsstrukturen hat, die an einem neuen Wohnort nicht verfügbar wären. Die Dauer des Mietverhältnisses oder das Alter allein begründen hingegen noch keinen Härtefall.
Welche zusätzlichen Räumungsfristen können Mieter mit gesundheitlichen Einschränkungen erwarten?
Bei schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen können Gerichte eine verlängerte Räumungsfrist von bis zu einem Jahr gewähren. Diese Frist beginnt nach der Rechtskraft des Räumungsurteils.
Voraussetzungen für verlängerte Räumungsfristen
Eine Verlängerung der Räumungsfrist kommt in Betracht, wenn eine konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit nachgewiesen wird. Dies gilt insbesondere bei:
- Schweren Erkrankungen, die durch einen Umzug verschlimmert würden
- Hohem Alter in Verbindung mit gesundheitlichen Problemen
- Drohender Beschleunigung des gesundheitlichen Verfalls
- Möglicher Verkürzung der Lebenserwartung
Besondere Schutzfälle
In speziellen Situationen gelten erweiterte Schutzfristen:
Schwangere und junge Mütter erhalten automatisch einen Räumungsschutz von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Entbindung. Bei psychischen Erkrankungen wie Zwangsstörungen kann eine befristete Einstellung der Räumungsvollstreckung erfolgen, wenn ein lebensbedrohlicher Zustand droht.
Abwägung der Interessen
Die Dauer der Räumungsfrist wird durch eine richterliche Interessenabwägung bestimmt. Dabei werden berücksichtigt:
- Die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung
- Die Dringlichkeit des Eigenbedarfs
- Die bisherige Wohndauer
- Die Erfolgsaussichten bei der Wohnungssuche
Eine dauerhafte Untersagung der Räumung ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich, etwa wenn eine konkrete Lebensgefahr besteht, die nicht anders abgewendet werden kann.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für gesundheitlich beeinträchtigte Mieter bei einer Eigenbedarfskündigung?
Gesundheitlich beeinträchtigte Mieter können sich bei einer Eigenbedarfskündigung auf einen gesetzlich verankerten Härtefall nach § 574 BGB berufen.
Medizinische Nachweise
Ein ärztliches Attest muss die gesundheitlichen Beeinträchtigungen detailliert dokumentieren. Der Arzt sollte präzise darlegen, welche konkreten gesundheitlichen Folgen ein erzwungener Umzug hätte. Bei schweren Erkrankungen wie Demenz oder Krebs prüft das Gericht besonders eingehend, ob die Kündigung eine unzumutbare Härte darstellt.
Widerspruch gegen die Kündigung
Der Widerspruch muss innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgen. Dabei sind die gesundheitlichen Gründe konkret zu benennen. Eine bloße Berufung auf eine bestimmte Krankheit reicht nicht aus – die Unzumutbarkeit eines Umzugs muss nachvollziehbar dargelegt werden.
Gerichtliche Überprüfung
Das Gericht führt eine umfassende Interessenabwägung durch. Dabei werden berücksichtigt:
- Die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung
- Die Wahrscheinlichkeit einer Verschlechterung des Gesundheitszustands
- Die Möglichkeit, eine alternative Wohnung zu finden
- Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien
Besondere Schutzwirkung
Bei schweren Erkrankungen oder Behinderungen kann das Bestandsinteresse des Mieters das Erlangungsinteresse des Vermieters überwiegen. Besonders wenn der Mieter auf eine feste Struktur und gewohnte Umgebung angewiesen ist oder wenn erhebliche gesundheitliche Nachteile durch einen Umzug zu erwarten sind. In solchen Fällen kann das Gericht eine unbefristete Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Eigenbedarfskündigung
Eine vom Vermieter ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses, weil er die Wohnung für sich selbst, Familienangehörige oder Haushaltsangehörige zu Wohnzwecken benötigt. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Der Bedarf muss vernünftig und nachvollziehbar sein. Beispiel: Ein Vermieter kündigt, weil sein erwachsener Sohn nach dem Studium in die Wohnung einziehen soll. Wichtig: Der Eigenbedarf muss zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs bereits bestehen und darf nicht nur vorgeschoben sein.
Härtefalleinwand
Ein rechtliches Instrument des Mieterschutzes nach § 574 BGB, mit dem sich Mieter gegen eine Kündigung wehren können. Der Mieter muss darlegen, dass die Kündigung für ihn oder seine Familie eine besondere Härte bedeuten würde. Typische Härtegründe sind schwere Krankheit, hohes Alter oder fehlende Alternativwohnungen. Der Einwand muss konkret begründet und nachgewiesen werden. Beispiel: Eine 85-jährige, pflegebedürftige Mieterin kann nachweisen, dass ein Umzug ihre Gesundheit erheblich gefährden würde.
Räumungsklage
Ein gerichtliches Verfahren, mit dem der Vermieter die Herausgabe der Mietwohnung durch den Mieter erzwingen kann. Grundlage ist § 546 BGB. Der Vermieter muss nachweisen, dass ein wirksamer Kündigungsgrund vorliegt und das Mietverhältnis beendet ist. Das Gericht prüft dabei alle Einwände des Mieters. Bei Erfolg wird der Mieter zur Räumung der Wohnung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verurteilt. Beispiel: Nach einer wirksamen Eigenbedarfskündigung weigert sich der Mieter auszuziehen, woraufhin der Vermieter Räumungsklage erhebt.
Räumungsfrist
Eine vom Gericht festgelegte Zeitspanne nach § 721 ZPO, die dem Mieter nach einem Räumungsurteil noch zum Auszug gewährt wird. Sie soll dem Mieter ermöglichen, sich eine neue Wohnung zu suchen und den Umzug zu organisieren. Die Frist wird unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien festgelegt. Beispiel: Das Gericht gewährt eine Räumungsfrist von 6 Monaten, weil der Mieter krank ist und Zeit für die Wohnungssuche benötigt. Die maximale Frist beträgt in der Regel ein Jahr.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 546 Abs. 1 BGB: Nach dieser Vorschrift ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Dieser Anspruch entsteht, sobald das Mietverhältnis rechtmäßig beendet wurde, beispielsweise durch Kündigung oder Zeitablauf.
Im vorliegenden Fall wurde das Mietverhältnis durch die Eigenbedarfskündigung des Vermieters beendet. Die Beklagten sind daher rechtlich verpflichtet, das Wohnhaus und die zugehörigen Flächen zu räumen und an den Kläger herauszugeben. - § 573 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB: Diese Norm erlaubt dem Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung hat. Eigenbedarf gemäß Abs. 2 Nr. 2 liegt vor, wenn der Vermieter die Wohnung für sich, seine Angehörigen oder Haushaltsangehörige benötigt. Die Gründe müssen nachvollziehbar und nicht missbräuchlich sein.
Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass er die Wohnung für sich und seine Lebensgefährtin aufgrund ihrer Familiensituation benötigt. Das Gericht hat diesen Nutzungswunsch als ernsthaft und berechtigt anerkannt. - § 574 BGB: Diese Regelung betrifft das Widerspruchsrecht des Mieters bei einer Kündigung wegen unzumutbarer Härte. Eine unzumutbare Härte kann sich aus der besonderen Lebenssituation des Mieters ergeben, etwa durch Gesundheitsprobleme oder die fehlende Verfügbarkeit von Ersatzwohnraum.
Die Beklagten beriefen sich auf eine unzumutbare Härte wegen der Pflegebedürftigkeit und Behinderung ihrer Kinder sowie der psychischen Erkrankung der Beklagten zu 1). Das Gericht hat jedoch festgestellt, dass der Vortrag zu den Härtegründen nicht ausreichend substantiiert war. - § 286 ZPO: Diese Vorschrift regelt die freie Beweiswürdigung im Zivilprozess. Das Gericht entscheidet nach seiner Überzeugung, welche Tatsachen als bewiesen gelten. Maßgeblich ist, dass eine für das praktische Leben brauchbare Gewissheit besteht.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht die Aussage der Zeugin ### sowie die weiteren vorgelegten Beweise geprüft und kam zu dem Schluss, dass der Nutzungswunsch des Klägers ernsthaft ist. Die Darstellung der Beklagten zu ihren Härtegründen wurde hingegen als nicht ausreichend angesehen. - § 139 ZPO: Diese Norm verpflichtet das Gericht, auf einen unzureichenden Vortrag hinzuweisen und den Parteien Gelegenheit zur Ergänzung zu geben.
Das Gericht hat die Beklagten mehrfach darauf hingewiesen, dass ihr Vortrag zu den behaupteten Härtegründen, insbesondere zu den gesundheitlichen Einschränkungen und der Pflegebedürftigkeit, nicht ausreichend substantiiert ist. Trotz dieser Hinweise blieben die Beklagten den Beweis schuldig, was zu ihrer Niederlage führte.
Das vorliegende Urteil
AG Flensburg – Az.: 61 C 55/24 – Urteil vom 04.12.2024
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