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Eigenbedarfskündigung – gewünschte Selbstnutzung des Elternhauses

AG Hamburg-Blankenese, Az.: 531 C 159/18, Urteil vom 10.10.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Streitwert 17.253,60 € (12 x 1.437,80 €).

Tatbestand

Die Klägerin macht aufgrund einer Kündigung vom 27.12.2017 (Anlage K 1, Blatt 4 der Akte) erneut einen Räumungsanspruch gegenüber den Beklagten geltend.

Zwischen den Parteien wurde ein Mietvertrag über das Haus S-Straße unbefristet abgeschlossen. Das Mietverhältnis besteht seit dem 19.06.2013.

Im Kündigungsschreiben – verfasst vom Klägervertreter – vom 27.12.2017 (Anlage K 1) heißt es:

„Kündigen wir im Auftrag Ihrer Vermieterin H das Mietverhältnis… zum 30.06.2018.

Nach der Entwicklung der letzten Monate hat sich Frau H nunmehr entschlossen, selbst in Ihr eigenes Haus zu ziehen. Zum einen steht dahinter der Wunsch unserer Mandantin, in ihrem Elternhaus zu wohnen und darüber hinaus die Erkenntnis, dass sie wegen ihrer körperlichen Behinderung auf Dauer schlecht in einer Kellerwohnung auf dem Lande wohnen kann. Es ist für ihren Gesundheitszustand und ihre Möglichkeiten besser, in der Stadt zu wohnen. Wie Sie wissen, ist das Badezimmer bereits behindertengerecht umgebaut. Die weiteren Räume kann Frau H zum Teil für Personal nutzen, das möglicherweise in absehbarer Zeit für eine Pflegetätigkeit von ihr benötigt wird.“

Eine auf die Hinderung an wirtschaftlicher Verwertung des Mietobjekts gestützte Räumungsklage hat das erkennende Gericht mit Urteil vom 16.05.2018 (531 C 87/17 = Anlage B 2, Blatt 36 der Akte) abgewiesen.

Der Beklagtenvertreter hat am 11.07.2018 eine Ausfertigung mit Rechtskraftvermerk angefordert. Das Urteil wurde laut Empfangsbekenntnis (Blatt 144 in 531 C 87/17) den Klägervertretern am 08.06.2018 zugestellt.

Im Protokoll vom 20.12.2017 in 531 C 87/17 ist festgehalten: „Klägervertreter benötige noch Schriftsatzfrist von 2 Wochen ausschließlich dazu, ob die Klage gegebenenfalls zurückgenommen werden soll. Beklagtenvertreter erklärt: Einer Klagrücknahme stimme ich im Vorwege schon zu und stelle Kostenantrag.“

Eigenbedarfskündigung - gewünschte Selbstnutzung des Elternhauses
Foto: : Sikov/Bigstock

Die Klage wurde nicht zurückgenommen. Auf mögliche Rechte aus der Verwertungskündigung vom 28.12.2016 wurde auch nie von der anwaltlich beratenen Klägerin verzichtet.

Noch bis Ende August 2018 hat die Klägerin den Prozessantrag angekündigt, „festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien betreffend das Haus S-Straße durch Eigenbedarfskündigung der Klägerin vom 27.12.2017 endet.“

Vorprozessual hatte der Mieterverein zu Hamburg am 27.04.2018 – eingegangen laut Eingangsstempel bei den Klägervertretern am 02.05.2018 – Widerspruch erhoben und Härtegründe geltend gemacht. Insoweit wird auf die Anlage K 3, Blatt 6 der Akte verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 27.08.2018 – eingegangen per Fax am 28.08.2018 und im Original am 31.08.2018 – kündigten die Klägervertreter einen neuen Leistungsantrag an.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass Einwendungen der Beklagten unbeachtlich seien, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Widerspruchsfrist reagiert hätten.

In diesem Schriftsatz verweist die Klägerin darauf, dass sie zur Zeit auswärts in einer Kellerwohnung/Souterrainwohnung lebe. Dort habe sie kaum Tageslicht. Deshalb sei es für sie am Vernünftigsten in der Stadt zu wohnen. Dort sei ihre gesamte Situation leichter zu bewältigen.

Die Klägerin möchte das gesamte Erdgeschoss allein bewohnen, darüber hinaus möchte sie Räume im Obergeschoss und im Dachgeschoss vermieten. Hierdurch habe sie dann keine finanziellen Probleme, das Haus zu halten.

Die Klägervertreter sehen die Meinungsänderung der Klägerin als zulässig und vom Vorrang des Eigentumsrechts der Klägerin gedeckt an.

Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagten zu verurteilen, das von ihnen bewohnte Haus in der S-Straße … zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage (in der Form des Antrages vom 27.08.2018) abzuweisen, hilfsweise den Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu bewilligen.

Die Beklagten monieren insbesondere, dass die Eigenbedarfskündigung nicht hinreichend begründet wurde, da sie während des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozesses zum Az. 531 C 87/17 erklärt wurde.

Beide Kündigungen, die vom 28.12.2016 als Verwertungskündigung und die vom 27.12.2017 als Eigenbedarfskündigung, schlössen sich gegenseitig aus.

Das Haus sei keineswegs behindertengerecht nutzbar. So sei die Dusche zwar barrierefrei, aber nicht rollstuhlgerecht. Ergänzend wird verwiesen auf Seite 4 der Klagerwiderung vom 09.07.2018.

Hinsichtlich des Zustandes im Bereich der Eingangstür zum Haus wird auf die Fotos Anlage B 4, Blatt 56 der Akte, verwiesen.

Die Beklagten halten die Kündigung vom 27.12.2017 auch für rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, nach dem Erwerb durch Erbfall ihr Elternhaus selbst zu nutzen oder zu verkaufen und nicht gezwungen war am 10.06.2013 mit den Beklagten einen Mietvertrag abzuschließen.

Die Klägerin wolle gar nicht in das Mietobjekt einziehen.

Im Übrigen verweisen die Beklagten darauf, dass sie als Familie mit zwei Kindern (14 und 16 Jahre alt) kaum angemessenen Ersatzwohnraum zeitnah finden könnten.

Letztlich würde die Klägerin ihren Sachvortrag beliebig ändern.

Von einer Vermietung des Obergeschosses sei in der Kündigung wegen Eigenbedarfs nicht die Rede. Der Dachboden sei allenfalls als Hobbyraum nutzbar. Ergänzend wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 04.09.2018.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze sowie die Anhörung der Klägerin im Termin vom 05.09.2018.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig. Die unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 27.08.2018 vorgenommene Klageänderung ist sachdienlich. Sachdienlichkeit ist objektiv im Hinblick auf die Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen. Die Klageänderung von einer evident unzulässigen Feststellungsklage auf eine zulässige Leistungsklage ist hier schon deshalb sachdienlich, weil der gesamte bisherige Streitstoff als verwertbare Entscheidungsgrundlage zur Verfügung bleibt und die Zulassung der Klagänderung eine endgültige Beilegung des Streits fördert und einen weiteren Prozess um diese Kündigung vermeidet.

Der ursprüngliche Klagantrag vom 01.06.2018 war aus mehreren Gründen unzulässig. Zum einen gilt der Vorrang der Leistungsklage und zum anderen war der Antrag zu unbestimmt, da er sich nicht mit der als Anlage K 1 vorgelegten Kündigung vom 27.12.2017 hinsichtlich des Endtermins deckt. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers ist der Antrag so zu verstehen, dass das Mietverhältnis bei Einreichung der Klage bereits beendet sein sollte, obwohl selbst nach Klägervortrag das Vertragsende auf den 30.06.2018 angesetzt war. Die ursprüngliche Feststellungsklage hätte auch niemals zur Räumung der Beklagten geführt. Sie hat schlicht keinen vollstreckbaren Inhalt. Warum die Klägerin nicht eine in jedem Formularbuch zu findende „Räumungsklage nach Eigenbedarfskündigung“ eingereicht hat, bleibt ihr Geheimnis. Als Muster wird nur exemplarisch verwiesen auf Schach, Mietrecht 3. Aufl., § 4 Rn. 681 S. 631.

2. Die mit Schriftsatz vom 27.08.2018 erhobene Räumungsklage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Die Eigenbedarfskündigung vom 27.12.2017 genügt schon nicht den formellen Anforderungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Die Klägerin als Vermieterin hätte im Kündigungsschreiben zumindest Kerntatsachen mitteilen müssen, die sich als vernünftige und nachvollziehbare Gründe, insbesondere vor dem Hintergrund der noch nicht durch Verzichtserklärung aus der Welt geschaffenen Verwertungskündigung von 2016, für die Mieter darstellen. Gemäß § 573 Abs. 3 BGB musste die Klägerin die Gründe für ihr berechtigtes Interesse bereits im Kündigungsschreiben hinreichend präzise angeben; andere – später vorgebrachte – Gründe können nur Berücksichtigung finden, wenn sie nachträglich entstanden sind.

Ein Verstoß gegen das Begründungserfordernis führt zur Nichtigkeit der Kündigung. Zweck des Begründungserfordernisses ist es, dass die Beklagten als Mieter zum frühest möglichen Zeitpunkt Klarheit über ihre Rechtsposition erlangen und so in die Lage versetzt werden, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung ihrer Interessen zu veranlassen (BGH ZMR 2014, 969, 970).

Die vorliegende Kündigung vom 27.12.2017 enthält lediglich die Angabe zur gewünschten Selbstnutzung des Elternhauses, das Vorliegen einer körperlichen Behinderung und die futuristisch angedachte Variante, dass möglicherweise in absehbarer Zeit weitere Räume einer Pflegeperson zur Verfügung gestellt werden sollen.

Ergänzend wird verwiesen zum Inhalt des Kündigungsschreibens bei einer Eigenbedarfskündigung auf Schach, Mietrecht 3. Aufl., § 3 Rn. 732 u. 733, S. 321. Das klägerische Kündigungsschreiben ähnelt schon eher dem Negativbeispiel von Schach, Mietrecht, 3. Aufl., § 3 Rn. 735 S. 322. Ergänzend wird verwiesen auf Riecke in PWW, BGB-Kommentar, 13 Aufl., § 573 Rn. 47 u. 48 sowie auf BGH ZMR 2017, 382 u. BGH ZMR 2011, 942 und LG Hamburg WuM 2007, 457.

Selbst wenn man von einer formell wirksamen Eigenbedarfskündigung ausginge, wäre diese rechtsmissbräuchlich.

Der Sinneswandel der Klägerin beruht ersichtlich darauf, dass ihre Verwertungskündigung vom 2016 im Verfahren 531 C 87/17 – rechtskräftig seit Mitte Juli 2018 – erfolglos war.

Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 27.08.2018 eine Fristversäumung hinsichtlich des Widerspruches, der 2 Monate vor Mietende erklärt werden muss, im Hinblick auf den Eingang am 02.05.2018 bei den Klägervertretern rügt, verfängt dies hier nicht. Das Widerspruchsrecht und die damit korrespondierende Frist beziehen sich lediglich auf die Härtegründe.

Soweit die Klägerin erstmals im Schreiben vom 27.08.2018 – ohne eine neue Schriftsatzkündigung zu erklären – Angaben zur bisherigen Kellerwohnung (Souterrain) macht, die sie derzeit nutzt, und zur Finanzierbarkeit der Selbstnutzung des von den Beklagten inne gehaltenen Hauses vorträgt, dass sie Räume im Obergeschoss und im Dachgeschoss vermieten wolle, sind dies keine nachträglich entstandenen Kündigungsgründe, sondern die Klägerin hat es schlicht unterlassen, die notwendigen Kerntatsachen bereits mit Kündigungsschreiben vom 27.12.2017 darzulegen/vorzutragen.

Selbst wenn man die Kündigung nicht als rechtsmissbräuchlich aus diesem Grunde ansieht, wäre sie dennoch treuwidrig (vgl. LG Frankfurt WuM 2007, 635), weil hier laut Kündigungsschreiben – die Teilvermietung wird dort nicht erwähnt – weit überhöhter Wohnbedarf geltend gemacht wird. Die Klägerin muss sich daran festhalten lassen, dass sie im Vorprozess 531 C 87/17 unter anderem vorgetragen hat, dass sie zum Teil die Hamburger Tafel in Anspruch nehme und ansonsten nur die (in Anlage K 6, 531 C 87/17 = Anlage B 3 in der hiesigen Prozessakte, Blatt 55 der Akte) erwähnten Einnahmen und Ausgaben für feste Kosten habe.

Es ist schon nicht plausibel – zumindest nicht ohne Vermietung des Obergeschosses – wie die Klägerin als Rentenbezieherin die belastete von den Beklagten angemietete Immobilie künftig finanzieren will. Selbst nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung (Protokoll vom 05.09.2018, Blatt 74 der Akte), benötigt sie zumindest Einnahmen in Höhe von 350,00 € durch Vermietung des Obergeschosses. Davon ist aber im Kündigungsschreiben nicht die Rede. Selbst nach Klägervortrag wäre der Umzug ab 01.07.2018 als Alleinnutzer in das nach Angaben der Klägerin 140 m² Wohnfläche umfassende Zweifamilienhaus nicht finanzierbar.

Auch auf die Möglichkeit, künftig Pflegepersonal in das Haus einziehen zu lassen, kann die Klägerin sich nicht erfolgreich stützen. In der mündlichen Verhandlung hat sie selbst bestätigt, dass der Sachvortrag zur Pflegekraft sich eher als noch „ungelegte Eier“ darstelle. Selbst wenn man dies anders sähe, hätte die Klägerin jedenfalls Umstände darlegen müssen, aus denen sich mit einiger Sicherheit ergibt, dass in naher Zukunft die Pflegeperson benötigt wird. Auch der Rechtsentscheid des OLG Hamburg vom 10.12.1985, ZMR 1986, 86, ist inzwischen überholt. Der Wunsch, im eigenen Haus zu wohnen reicht nicht aus, wenn keine vernünftigen, nachvollziehbaren Gründe vorliegen.

Der Schriftsatz vom 09.10.2018 (Klagerücknahme) ist prozessual wirkungslos.

Im Gegensatz zum vorigen Räumungsverfahren (531 C 87/17) hat der Beklagtenvertreter hier nicht im Vorwege einer Klagerücknahme zugestimmt.

§ 269 I ZPO legt eindeutig fest, dass ohne Einwilligung der Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache (hier am 05.09.2018, Blatt 73 ff.) einseitig der Prozess durch Klagerücknahme beendet werden kann.

Lediglich bei einem Klageverzicht (§ 306 ZPO) ist die Zustimmung der Beklagten entbehrlich.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Jedenfalls ist sie ins freie Ermessen des Gerichts gestellt und würde hier aus den oben genannten Gründen keinen Sinn machen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

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