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Eigenbedarfskündigung – Mietvertragsfortsetzung mit erhöhter Miete

LG Freiburg – Az.: 9 S 5/20 – Beschluss vom 06.06.2020

In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Freiburg im Breisgau – 9. Zivilkammer – am 08.06.2020 beschlossen:

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Waldkirch vom 19.12.2019, Az. 1 C 118/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.

2. Es ist beabsichtigt, den Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren auf Euro 6.600,00

festzusetzen.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe:

I.

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung in Waldkirch-Kollnau in Anspruch.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs.1 ZPO).

Die Parteien streiten darum, ob das Mietverhältnis durch mit Schreiben vom 03.12.2018 erklärte Eigenbedarfskündigung beendet wurde. Das Amtsgericht wies die Klage ab, weil der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen sei.

Die Kläger machen mit ihrer Berufung geltend, dass sie weiterhin in die von den Beklagten bewohnte Wohnung ziehen wollten. Dass sie bereit gewesen wären, dem Vorschlag des Maklers Tetik zu entsprechen, ändere nichts an der fortbestehenden Eigenbedarfssituation. Das maßgebende Motiv für die Eigenbedarfskündigung seien wirtschaftliche und finanzielle Gründe gewesen, was bereits im Kündigungsschreiben dargelegt worden sei. Bei der Anmietung der Wohnung im Anwesen ### in Waldkirch handele es sich nur um eine Zwischenlösung. Schließlich sei die Kündigung jedenfalls gemäß § 573 Abs. 1 BGB berechtigt.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Waldkirch vom 19.12.2019 – 1 C 118/19 – aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Wohnung im 1. Obergeschoss des Anwesens ### Waldkirch-Kollnau, bestehend aus drei Zimmern mit Küche, Flur, Bad / WC, Speicherabteil und Kellerraum sowie dem Kfz-Stellplatz äußerst rechts, zu räumen und an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Das Mietverhältnis sei wegen Eigenbedarfs gekündigt worden. Tatsächliches Motiv sei indes eine wirtschaftliche Verwertung der Mietwohnung und die Erzielung höherer Mieteinnahmen gewesen. Faktisch versuchten die Klägerin eine unzulässige Änderungskündigung durchzusetzen. Auf § 573 Abs. 1 BGB könne die Kündigung nicht gestützt werden, da sie wegen Eigenbedarfs erfolgt sei. Soweit die Kläger die Kündigung nunmehr auf ihre wirtschaftliche Situation stützen wollten, könne die Kündigungsbegründung nicht mehr im Prozess nachgeholt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze in beiden Instanzen verwiesen.

II.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.

Das Amtsgericht hat richtig entschieden, Auf dessen Begründung, die sich die Kammer nach Prüfung zu eigen macht, kann daher zunächst verwiesen werden. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Das Amtsgericht hat zutreffend entschieden, dass den Klägern aufgrund der Kündigungserklärung vom 03.12.2018 kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung zusteht, weil der mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist.

1.

Ein nachträglicher Wegfall des Nutzungswillens lässt zwar die Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Verfolgt der Vermieter in einem solchen Fall aber den aus der Vertragsbeendigung folgenden Räumungsanspruch weiter, handelt er rechtsmissbräuchlich. Es ist ihm daher gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses zu berufen (BGH, Urt. v. 09.11.2005 – VIII ZR 334/04 – Rn. 19; BGH, Urt. v. 14.122012 – VIII ZR 232/15 -, Rn. 62; LG Berlin, Urt. v. 29.01.2019 – 67 S 9/18 -, Rn. 5, BeckRS 2019, 876; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 573, Rn. 73).

So liegt es hier. Es erscheint zwar möglich, dass die Kläger bei Ausspruch der Kündigung am 03.12.2018 noch ernsthaft beabsichtigt hatten, mit ihren beiden Kindern in die von den Beklagten gemietete Wohnung einzuziehen. Das Amtsgericht hat aber zutreffend festgestellt, dass diese Nutzungsabsicht jedenfalls noch vor Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2019 entfallen war.

Ein Vermieter benötigt die vermieteten Räume im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB als Wohnung für sich, wenn er vernünftige und nachvollziehbare Gründe für eine Nutzung der Wohnung durch sich reklamieren kann und eine solche Nutzung ernsthaft beabsichtigt (Erman, BGB, 15. Auf. 2017, § 573, Rn. 26).

Die Kläger hatten ihre Kündigung damit begründet, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen ihr Reihenmittelhaus verkaufen und in die Eigentumswohnung mit einer Nutzfläche von 74 qm und 3 Zimmern in Waldkirch-Kollnau ziehen wollen. Weiter führten sie im Kündigungsschreiben aus, dass sie selbst leider keine Wohnung im Eigentum oder angemietet hätten (Anlage K3). Dieser Sachverhalt traf zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist insofern nicht mehr zu, als die Kläger zwischenzeitlich eine Vier-Zimmer-Wohnung in Waldkirch angemietet und mit ihrer Familie bezogen hatten. Anders als bei Kündigungsausspruch stand ihnen mithin eine andere Mietwohnung zur Befriedigung ihres Wohnbedarfs zur Verfügung.

Dass die Kläger die Vier-Zimmer-Wohnung nur als Zwischenlösung angemietet hätten, hat das Amtsgericht angesichts des Umstandes, dass die Kläger sich bereit erklärt hatten, die Eigenbedarfskündigung zurückzuziehen, wenn die Beklagten einer Erhöhung der Nettomiete um Euro 200,00 zustimmten und die für die Anmietung entstandenen Maklerkosten übernähmen, zu Recht nicht festgestellt. Auch die Zeugin ### hatte bekundet, dass die Kläger, wenn die Mietdifferenz ausgeglichen worden wäre oder die Beklagten mehr gezahlt hätten, mit ihrer Familie in der Mietwohnung geblieben wären. Gegen eine Anmietung nur als Zwischenlösung spricht überdies, dass die Kläger ihr Reihenmittelhaus, wie im Schreiben des Klägervertreters vom 06.05.2019 (Anlage K6) ausgeführt, erst einen Monat vor Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.05.2019 räumen mussten und ihnen als Zwischenlösung zunächst eine Unterkunft bei den Eltern des Klägers zur Verfügung gestanden hatte, die sie den Angaben der Zeugin ### zufolge auch für einen Zeitraum von einem Monat in Anspruch genommen hatten. Die Anmietung einer Alternativwohnung kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist und bei Bestehen einer anderen Überbrückungsalternative ist als bloße Zwischenlösung nicht plausibel.

Ihr zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs noch ausreichend verdichteter Nutzungswunsch bestand danach bei Ablauf der Kündigungsfrist nur noch insofern, als ein Einzug in die von den Beklagten gemietete Wohnung neben dem Verbleib in der angemieteten Vier-Zimmer-Wohnung für die Kläger noch eine von zwei möglichen Optionen war. Eine ernsthafte Nutzungsabsicht bestand damit nicht mehr. Eine Vorratskündigung zu dem Zweck, die Wohnung möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt zu beziehen, ist aber unzulässig. Ebenso ausgeschlossen ist gemäß § 573 Abs. 1 S. 2 BGB eine Kündigung zum Zweck der Mieterhöhung. Einen anderen Zweck verfolgen die Kläger, wenn sie nach Anmietung und Bezug einer anderweitigen Wohnung an der Eigenbedarfskündigung festhalten, aber nicht mehr.

2.

Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass das maßgebliche Motiv für die Eigenbedarfskündigung ihre wirtschaftliche und finanzielle Situation gewesen sei, trifft es zwar dem Grunde nach zu, dass solche Motive einen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für die Absicht, gerade in den eigenen Räumen wohnen zu wollen, darstellen können, so beispielsweise, wenn die Wohnung bezogen werden soll, um höhere eigene Mietausgaben einzusparen oder weil eine den finanziellen Möglichkeiten des Vermieters entsprechende Mietwohnung nicht zur Verfügung steht.

Dass derartige Gründe hier vorlägen, ist aber weder festzustellen noch hatten die Kläger ihre Kündigungserklärung vom 03.12.2018 hierauf gestützt.

Dem Vorbringen der Kläger ist lediglich zu entnehmen, dass sie im Falle einer Mieterhöhung um netto Euro 200,00 zur Rücknahme der Eigenbedarfskündigung bereit gewesen wären, aber weder, wie hoch ihre derzeitige Miete ist, noch, dass die dauerhafte Anmietung der größeren Ersatzwohnung ihre finanziellen Möglichkeiten überschritte. Im Schreiben des Klägervertreters vom 06.05.2020 (Anlage K6) ist ausgeführt, dass die Kläger nach Eingang des Kaufpreises schuldenfrei seien. Dass sie, nachdem ihr Wohnbedarf inzwischen anderweitig gedeckt, ist, aus wirtschaftlichen Gründen auf eine Nutzung ihrer eigenen Wohnung angewiesen wären, ist auf dieser Grundlage nicht festzustellen.

Wenn die Kläger geltend machen, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht nur ihr Reihenmittelhaus verkauft haben, sondern auch ihr Eigennutzungswunsch auf wirtschaftlichen Gründen beruht, kann dies im Übrigen auch deshalb keine Berücksichtigung finden, weil sie ihre Kündigung hierauf nicht gestützt hatten. Denn gemäß § 573 Abs. 1 S. 2 BGB werden andere als die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

Die Kläger hatten ihre Kündigung damit begründet, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen ihr Reihenmittelhaus verkaufen und in ihre Eigentumswohnung ziehen möchten. Eine andere Wohnung hätten sie leider nicht im Eigentum oder angemietet (Anlage K3). Dem Kündigungsschreiben ist mithin zwar zu entnehmen, dass die Veräußerung des bewohnten Hauses aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte und dass aus diesem Grund ein Wohnbedarf besteht, der durch die eigene Wohnung gedeckt werden sollte. Dass auch der Wunsch, gerade die eigene Wohnung zu beziehen, auf wirtschaftlichen Gründen beruht, beispielsweise, weil die Anmietung einer anderweitigen Wohnung finanziell nachteilig wäre, ist dem Kündigungsschreiben ist hingegen nicht zu entnehmen. Ausführungen zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Kläger enthält das Kündigungsschreiben nicht.

3.

Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 573 Abs. 1 BGB wirksam. Wenn die Kläger geltend machen, ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses bestehe deshalb, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen ein Reihenmittelhaus verkauft und daher den Umzug in die vermietete Wohnung beabsichtigten, ist dies nichts anderes als die Geltendmachung von Eigenbedarf. Wenn aber die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung nicht gegeben sind, weil der gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderliche ernsthafte Nutzungswille nicht mehr vorliegt, kann die wegen Eigenbedarfs ausgesprochene Kündigung nicht auf § 573 Abs. 1 BGB gestützt werden.

Die Kläger werden darauf hingewiesen, dass bei einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss mit vier Gerichtsgebühren die gleichen Kosten entstehen wie bei einem Urteil mit Begründung (§ 3 Abs. 2 GKG, KV Nr. 1220). Wird jedoch die Berufung zurückgenommen, bevor ein Beschluss gern. § 522 ZPO ergeht, ermäßigen sich die Kosten für die Berufungsinstanz auf zwei Gerichtsgebühren (§ 3 Abs. 2 GKG KV Nr. 1222).

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