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Eigenbedarfskündigung – nachvollziehbare Erwägungen für Nutzungswillen des Vermieters

AG Frankfurt – Az.: 33 C 2496/18 (56) – Teilurteil vom 04.04.2019

Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr innegehaltenen Räumlichkeiten in der Straße XXX, 60385 Frankfurt am Main, 1. Obergeschoss, 4 Zimmer, eine Küche, eine Diele, ein Bad/WC, ein Keller, zu räumen und geräumt an die Kläger herauszugeben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 5000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Räumung und Herausgabe ihrer Mietwohnung in der XXX, 60385 Frankfurt am Main.

Zwischen den Parteien gilt der aus Bl. 8, 10 ff. d. A. ersichtliche Mietvertrag. Die Kläger sind Vermieter und die Beklagte ist seit dem Jahr 1986 Mieterin, die Nettomiete beträgt monatlich 552,00 €. Die Beklagte zu 1 betrieb die Untervermietung der Wohnung, unter anderem waren auch die Beklagten zu Z. 2-4 Untermieterinnen einzelner Zimmer in der Wohnung.

Mit Schreiben vom 20.4.2017 ließ die Klägerseite der Beklagten wegen Eigenbedarfs zum 30.4.2018, hilfsweise zum nächst möglichen Termin das Mietverhältnis kündigen. In dem Kündigungsschreiben (Bl. 16, 19 d. A.) heißt es unter anderem: „Bekanntermaßen wohnt meine Mandantschaft mit den 2 Kindern (3 und 5 Jahre) derzeit in erheblicher Entfernung (125 km, Fahrzeit einfach eineinhalb Stunden) von Frankfurt am Main. Frau XXX arbeitet in Frankfurt am Main und die Anreise gestaltet sich immer aufwändiger durch zunehmenden Straßenverkehr, Staus und Störungen. Die Kinder verkraften die Trennung von der Mutter immer schlechter und leiden sehr unter dem wöchentlichen Plan, dass die Mutter regelmäßig allein zur Arbeit nach Frankfurt fahren muss. Die aktuelle Situation ist daher mit erheblichen Nachteilen familiärer, finanzieller und zeitlicher Art behaftet…. Die Familie XXX/XXX hat sich daher entschlossen, mehr Lebenszeit in Frankfurt zu verbringen, um Fahrzeit und Kosten zu sparen und die Familie von den dargestellten Belastungen zu befreien. Es wird daher der Einzug in die derzeit von Ihnen noch bewohnten Wohnung beabsichtigt, da diese durch die Größe und Lage die Voraussetzungen bietet…“.“ Die Beklagte gab die Wohnung jedoch nicht an die Kläger heraus.

Die Kläger behaupten, sie wollten zur Entlastung der in Frankfurt berufstätigen Klägerin, die möglichst viel Zeit mit ihren beiden Kindern verbringen wolle, mit der Familie nach Frankfurt in die Wohnung in der XXX,60385 Frankfurt am Main, umziehen, um den Arbeitsweg der in Frankfurt berufstätigen Klägerin zu verkürzen. Der Kläger wolle zwar weiterhin seinen Betrieb in N. führen, jedoch an einigen Tagen in der Woche nach Frankfurt pendeln. Das Haus in N. solle nur noch als Wochenendhaus genutzt werden, die Familie solle ganz hauptsächlich in Frankfurt leben, wo die Kinder auch zur Schule gehen sollten.

Nachdem die Beklagten im Verlaufe dieses Rechtsstreits nach Rechtshängigkeit aus der Wohnung ausgezogen waren, haben die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf die Räumungsanträge gegenüber den Beklagten zu 2 – 4 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, die von ihr innegehaltenen Räumlichkeiten in der Straße XXX,60385 Frankfurt am Main, 1. Obergeschoss, 4 Zimmer, eine Küche, eine Diele, ein Bad/WC, ein Keller, zu räumen und geräumt an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Es ist Beweis erhoben worden gemäß dem Beweisbeschluss vom 4. Februar 2019 (Bl. 191 d. A.) durch uneidliche Vernehmung des Zeugen XXX. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsniederschrift (Bl. 219 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Im vorliegenden Fall war gemäß § 301 ZPO vorab durch Teilurteil zu entscheiden, da nur die Klage bereits zur Endentscheidung reif war (§ 301 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Die Klage ist zulässig und auch begründet. Gemäß § 546 BGB ist die Beklagte nach dem Ende des Mietverhältnisses zur Räumung und Herausgabe der Wohnung an die Kläger verpflichtet.

Gemäß § 573 BGB konnten die Kläger als Vermieter kündigen, da sie im Sinne des §§ 573 Abs. 2 Nr. 2 WEG ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hatten. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Kläger tatsächlich beabsichtigen, die Wohnung möglichst bald selbst zu nutzen und tatsächlich dort einziehen möchten. Dies wurde bereits aus der informatorischen Anhörung der Kläger im Termin am 15.11.2018 deutlich. Die Klägerin schilderte, wie sehr sie darunter leide, aufgrund der langen Arbeitswege wenig Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und schien sich eine deutliche Erleichterung ihrer Lebenssituation durch die Verlagerung des Lebensmittelpunkt der Familie nach Frankfurt am Main in die unmittelbare Nähe ihres Arbeitsplatzes zu versprechen. Offensichtlich hatte die Familie insoweit schon konkrete Pläne entwickelt und sich auch um Schule und Betreuung für die Kinder gekümmert. Mit diesen Schilderungen der Kläger stimmten dann auch die Angaben des Zeugen XXX im Rahmen seiner Aussage überein. Zwar war der Zeuge als Bruder der Klägerin ersichtlich an der Unterstützung der Klägerseite in diesem Rechtsstreit interessiert, seine Aussage war daher unter diesem Aspekt zu würdigen. Sie bleibt dennoch zumindest im Hinblick auf den dringenden Umzugswunsch der Familie glaubhaft und nachvollziehbar. Der Zeuge beschrieb, wie lange seine Schwester schon unter der Situation leide und bestätigte auch, dass die Kinder sich wünschten, mehr Zeit mit ihrer Mutter verbringen zu können. Einstudiert oder abgesprochen wirkte die Aussage des Zeugen XXX nicht, offenbar hatte er generell Kenntnis von dem Umzugswunsch der Familie und schilderte diesen auch in Übereinstimmung mit den Angaben der Kläger. Insgesamt war seine Aussage vom Unverständnis gegenüber den langwierigen juristischen Prozeduren, die seine Schwester am Umzug hinderten, geprägt, dies äußerte der Zeuge auch offen. Davon, dass seine Schwester tatsächlich so bald wie möglich umziehen wolle, war er offenkundig überzeugt.

Im Hinblick auf die Prüfung der Frage, ob dieser Nutzungswille von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragen ist, muss berücksichtigt werden, dass die Entscheidung des Eigentümers über seinen Wohnbedarf grundsätzlich zu respektieren ist und ihm nicht fremde Vorstellungen über angemessenes Wohnen und die weitere Lebensplanung aufgedrängt werden dürfen (BVerfG, WuM 1989,114). Wenn also wie im vorliegenden Fall eine Wohnung benötigt wird, um es einem Elternteil zu ermöglichen, mehr Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, ist dies als Entscheidung familiärer Lebensplanung zu respektieren, selbst wenn dies dazu führen muss, dass die Kinder entsprechend weniger Zeit mit dem anderen Elternteil verbringen können. Arbeiten die Eltern an weit auseinanderliegenden Orten, so ist es durchaus vernünftig und nachvollziehbar, an beiden Arbeitsstellen Wohnungen und Übernachtungsgelegenheiten vorzuhalten, und es obliegt der eigenen Entscheidung der Familie, an wessen Arbeitsplatz die Kinder zur Schule gehen sollen.

Dass eine freistehende Alternativwohnung vorhanden war, hat die Beklagtenseite nicht substantiiert vorgetragen, eine Anbietpflicht besteht grundsätzlich nicht, wenn die Wohnung für den betreffenden Mieter objektiv ungeeignet ist (Schmidt-Futterer § 573 BGB Rz. 127). Die Klägerseite hatte ihrerseits ausgeführt, die von der Beklagtenseite generell angesprochene Wohnung sei ganz wesentlich kleiner als die Wohnung der Beklagten und im Übrigen auch nicht frei, sondern anderweitig vermietet gewesen.

Über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist entschieden worden gemäß § 708 Nr. 7, 712 ZPO. Insoweit hatte die Beklagtenseite den Schutzantrag gemäß § 712 ZPO gestellt, gemäß § 712 Abs. 2 S. 2 ZPO konnte insoweit angeordnet werden, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sei. Dass darüber hinaus die Räumung der Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat die Beklagtenseite nicht vorgetragen. Nicht in jedem Fall ist der Verlust der Wohnung als nicht zu ersetzender Nachteil beurteilen (Schmidt-Futterer § 712 Rz. 4).

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

 

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