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Eigenbedarfskündigung – Nutzungsabsicht muss bestehen

AG Hamburg – Az.: 49 C 441/21 – Urteil vom 26.10.2022

Die Klage wird abgewiesen, soweit diese nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 92% und der Beklagte 8% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Streitwert wird auf 25.194,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Mit der Klage begehren die Kläger vom Beklagten die geräumte Herausgabe an den Beklagten vermieteten Wohnung wegen Eigenbedarfs.

Die Kläger waren Vermieter, der Beklagte Mieter der Wohnung [###], 3. OG links, in [###] H###. Es handelt sich um eine 6 – Zimmer – Wohnung mit einem Netto – Kaltmietzins von zuletzt monatlich 2.620,00 Euro. Die Kläger sind im Wege der Rechtsnachfolge auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten.

Mit Schreiben vom 15.12.2020 ihres vormaligen Bevollmächtigten kündigten die Kläger das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für ihren Sohn C., der 23 Jahre alt sei, Student einer Hochschule in der Hamburger Innenstadt und die Wohnung gemeinsam mit 4 Freunden beziehen möchte, um dort eine Wohngemeinschaft zu gründen.

Im Folgenden wurde angegeben, welche Zimmer von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft, wenn auch ohne Angabe des jeweils einzelnen Mitglieds, genutzt werden sollen und welches Zimmer als Gemeinschaftszimmer dienen soll.

Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass Herr W. Junior derzeit in H. Ep. im Erdgeschoss einer 2 – Zimmer – Wohnung an der [###] wohne, bei der es sich um eine vielbefahrene Straße handele. Gegenüber sind Verkehrsverbindungen an der S. straße deutlich besser, zudem handele es sich nicht um eine vielbefahrene Straße. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Eigenbedarfskündigung Anlage K1 (Bl. 7 ff.d.A.).

Der Beklagte widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 15.07.2021, auf welches insoweit ergänzend Bezug genommen wird (vgl. Anlage K2). Die Kläger behaupten, ihr Sohn C. möchte in die vom Beklagten bewohnte Wohnung einziehen und dort eine Wohngemeinschaft gründen. Vor diesem Hintergrund sei eine Kündigung des Mietverhältnisses erfolgt.

Die Kläger beantragen, bei übereinstimmender Teil – Erledigungserklärung hinsichtlich einer Klagerweiterung vom 24.05.2022 (Bl. 90 d.A.) über 2099,50 Euro nebst Zinsen, den Beklagten zu verurteilen, die auf dem Grundstück [###] in [###] H., im 3. OG links belegene Wohnung, bestehend aus 6 Zimmern, Küche, Flur, Bad, WC und einem Kellerabteil sowie einen Bodenraum sofort geräumt, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt an die Kläger herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise gemäß §721 Abs. 1 i. V.m. §721 Abs. 5 einer Einräumung einer Räumungsfrist von 12 Monaten ab Rechtskraft des Urteils.

Der Beklagte behauptet, die Kläger hätten das Objekt als reines Anlageobjekt erworben. Er bewohne die Wohnung im Rahmen seiner Familiensituation mit seinen 3 Töchtern, von denen die beiden älteren jeweils Anfang 20 seien und die jüngste 11 Jahre alt sei. Letztlich behauptet der Beklagte, dass die Kündigung Ausdruck einer Fehlkalkulation sei im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des vorsorglich geladenen Zeugen C. über einen etwaigen bestehenden Eigenbedarf. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 24.08.2022.

Im übrigen wird ergänzend Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Eigenbedarfskündigung - Nutzungsabsicht muss bestehen
(Symbolfoto: GAS-photo/Shutterstock.com)

Ein Räumungsanspruch der Kläger nach den §§ 546, 573 Abs. 1, 2 Ziffer 2 BGB besteht nicht, da das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt ist, dass der Eigenbedarfskündigung kein hinreichend verfestigter Eigenbedarf zu Grunde gelegen hat. Als ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses ist nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB anzusehen, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für seine Familienangehörige benötigt. Der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs wird vom Verwendungszweck dadurch beschränkt, dass der Vermieter die vermieteten Räume als Wohnung für sich oder für den gesetzlich bestimmten Personenkreis zu benötigen hat. Soweit es eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls dafür maßgeblich, ob ein vernünftiges, billigenswertes Interesse besteht, die Wohnung zurückzubekommen. Insoweit muss ein schon im Zeitpunkt der Kündigung konkretes Interesse des Vermieters an der künftigen Rückgabe der Räume bestehen (vgl. OLG Karlsruhe WuM 1976, 99; LG Berlin GE 1990, 537; LG Gießen WuM 1989, 384). Der Vermieter beziehungsweise der Familienangehörige, hier der Sohn der Klägerin, muss die Wohnung tatsächlich nutzen und in sie umziehen wollen. Eine Kündigung auf Vorrat ist insoweit unwirksam (vgl. BVerfG NJW 1990, 3259; BGH NJW 2005, 2395; BGH NJW 2015, 3368; BGH NZM 2017, 23; BGH NJW 2017, 2819).

Vorliegend ist der von den Klägern behauptete Eigenbedarf ihres Sohnes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zum Zeitpunkt der Kündigung und auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend verfestigt gewesen. Der Zeuge C. hat insoweit bekundet, dass er beabsichtige, die Wohnung mit mehreren Freunden zusammen zu beziehen. Über die Mietzinshöhe ist insoweit unter Berücksichtigung der Befragung der Kläger persönlich im Termin nach § 141 ZPO offensichtlich nicht gesprochen worden. Der Zeuge selbst ging von einem monatlichen Mietzins aller Nutzer von jeweils 600,00 Euro aus. Hinzukommt, dass weder der Zeuge noch die vermeintlichen weiteren Wohninteressenten die Wohnung jemals angeschaut haben. Es besteht insoweit keinerlei Klarheit, wer welches Zimmer nutzen sollte. Ebenso wenig besteht Klarheit, ob die Personen unter Berücksichtigung ihrer gegenwärtig bestehenden Lebensverhältnisse überhaupt beabsichtigen, in die Wohnung einzuziehen. Dies bestätigt sich im Übrigen in dem Hinweis der Klägerseite, dass die Zeugen nicht mehr in die Wohnung einzuziehen beabsichtigen. Auch ladungsfähige Anschriften sind binnen der hierfür gesetzten Frist von den Klägern nicht genannt worden. Hierdurch kommt letztlich zum Ausdruck, was im Übrigen auch der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass die Entscheidung, ob letztlich eine Wohnung gemeinsam bezogen wird, vorliegend bei keiner der potentiellen Untermieter bereits getroffen worden ist. Es handelt sich demnach nicht mehr als um eine ernsthaft in Erwägung gezogene aber dennoch noch lose Lebensplanung. Dies spiegelt sich in zutreffender Weise in den Ausführungen des Klägervertreters im Schriftsatz vom 07.09.2022 wider, nachdem der die potentiellen Untermieter sich derzeit anderweitig orientiert hätten und gegebenenfalls auf den ursprünglichen Plan zurückkommen würden, wenn die Wohnung dann nun endlich zur Verfügung steht und ein Umzug in die aktuell bestehenden Lebensumstände passe.

Vom Zeugen W. ist insoweit auch nachvollziehbarer Weise bekundet worden, unter Hinweis auf sein derzeit schon bestehendes Leben in einer Wohngemeinschaft, dass sein besonderes Interesse gerade dahin geht, nicht eine ###-beliebige Zusammenstellung von verschiedenen Nutzerpersonen zu haben, die möglicherweise gar kein Interesse an einem gemeinsamen Leben in einer Wohngemeinschaft haben. Ihm geht es insoweit nach Maßgabe der Beweisaufnahme gerade um das gemeinsame Zusammenleben mit Freunden. Die Überlegung, ob eine Wohnung letztlich genutzt werden soll ist jedoch eine solche, die bei der Eigenbedarfskündigung vorauszusetzen ist und deren Entscheidung nicht erst nach Räumung der Wohnung zu erfolgen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §709 ZPO.

Der Streitwert folgt hinsichtlich der Zahlung aus dem Zahlungsantrag und im übrigen aus §140 Abs. 1,2 GKG.

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