LG Berlin – Az.: 64 S 50/20 – Urteil vom 20.01.2021
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Januar 2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 225 C 57/19 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für den Berufungsrechtszug auf 8.825,16 Euro (12 x 735,43 Euro) festgesetzt.
Gründe:
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen, das den Beklagten am 24. Januar 2020 zugestellt worden ist. Mit der am 21. Februar 2020 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. April 2020 an diesem Tag begründeten Berufung wehren die Beklagten sich gegen ihre Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Die Klägerin zu 2. ist seit dem 21. Januar 2019 alleinige Eigentümerin des Anwesens; der Kläger zu 1. hat ihr seine Eigentumsanteile mit Vertrag vom Dezember 2018 geschenkt. Die Klägerin zu 2. hat, vertreten durch den Hausverwalter, mit Schreiben vom 7. Mai 2020 (vgl. Bl. II/172 f. d. A.) die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt, nachdem die Miete für April und Mai 2020 nicht bezahlt worden war. Die Beklagte zu 1. hat mit Antrag vom 10. Februar 2020 für den Zeitraum ab März 2020 Arbeitslosengeld II beantragt; dem Antrag ist mit Bescheid vom 28. Mai 2020 statt gegeben worden. Die rückständige Miete für April und Mai 2020 hat die Beklagte zu 1. am 15. Juli 2020 bezahlt.
Die Beklagten tragen weiterhin vor, das Räumungsverlangen sei rechtsmissbräuchlich, denn die Kläger machten für ihre Tochter und Enkelin einen weit überhöhten Wohnbedarf geltend. Die gerade 19jährige Bedarfsperson benötige objektiv keine Vierzimmerwohnung mit einer Wohnfläche von knapp 120 m²; die Erwägung des Amtsgerichts, dass die Wohnfläche von 120 m² sich auch für die beiden Beklagten als großzügig darstelle, sei verfehlt, da es sich um die ehemalige Familienwohnung handele, die die Beklagte zusammen mit ihrem 2014 verstorbenen Ehemann angemietet habe. Das Interesse der Kläger richte sich vor allem darauf, das ihnen missliebige Mietverhältnis mit der Beklagten zu beenden; zwischen den Parteien sei eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten geführt worden und die Beklagte zahle eine verhältnismäßig geringe Miete. Die Eigenbedarfsgründe hätten bereits im Juli 2017 vorgelegen, als die Bedarfsperson ihre Schulzeit beendet und die Kläger eine Wohnung im 4. OG neu vermietet hätten. Hilfsweise sei das Mietverhältnis unbefristet fortzusetzen, da seine Beendung für die Beklagten eine nicht zu rechtfertigende Härte darstelle. Soweit die im ersten Rechtszug eingeholten Sachverständigengutachten zu einem abweichenden Ergebnis kämen, seien diese nicht verwertbar; der gerichtlich bestellte Sachverständige habe die maßgeblichen Feststellungen nicht selbst getroffen, sondern die Exploration und – notwendig persönliche – Untersuchung der Beklagten einer Hilfsperson überlassen. Die Kündigung wegen Zahlungsverzugs sei nach Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unwirksam, denn der Zahlungsverzug sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte zu 1. im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit pandemiebedingt keinerlei Umsätze habe erzielen können.
Die Beklagten beantragen, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück zu verweisen, weiter hilfsweise, die zuletzt mit Beschluss vom 8. September 2020 verlängerte Räumungsfrist nochmals angemessen zu verlängern.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen und regen hilfsweise an, die Revision zuzulassen.
Sie tragen vor, der geltend gemachte Eigenbedarf rechtfertige die Beendung des Mietverhältnisses. Zwar würde die Tochter und Enkelin der Kläger tatsächlich keine Vierzimmerwohnung benötigen, doch verfügten die Kläger über keine kleinere Wohnung. Es handele sich um die kleinste Wohnung im Haus, die zudem noch unsaniert sei und daher den geringsten Mietertrag bringe. Kleinere Wohnungen gebe es nur im Erdgeschoss des Anwesens; eine Wohnung im Erdgeschoss hielten die Kläger aber für eine junge Frau für zu gefährlich. Ohnehin wolle ihre Tochter und Enkelin inzwischen zusammen mit ihrem Freund in die Wohnung einziehen; mittelfristig sei dann Nachwuchs zu erwarten.
Die Kammer hat erneut die Zeugin ### gehört; wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. Dezember 2020 (vgl. Bl. III/75 ff. d. A.) verwiesen.
II.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.
2. Die Berufung hat auch Erfolg, denn die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Kläger haben gegen die Beklagten gemäß §§ 546 Abs. 1, 985 BGB keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Mietverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten zu 1. wurde durch die streitgegenständlichen Kündigungserklärungen nicht beendet.
a) Die Kündigungserklärung vom 27. September 2017, derzufolge die Kläger die Wohnung benötigen, um ihrer Tochter und Enkelin die Gründung eines eigenen Haushalts und einer Familie zu ermöglichen, führte nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht zur Beendung des Mietverhältnisses.
Die Kammer ist nach der neuerlichen Vernehmung der inzwischen 21 Jahre alten Zeugin K. nunmehr zwar davon überzeugt, dass ihr Wunsch, aus der elterlichen Wohnung auszuziehen und sich eine eigene Wohnung zu suchen, nicht bereits im Juli 2017, also im Zeitpunkt der Neuvermietung der Wohnung im 4. OG absehbar war, sondern erst im September 2017 aufkam, nachdem die Zeugin ihre Ausbildung aufgenommen hatte und ihre Arbeitswege als zu lang und lästig empfand. Die Kammer bezweifelt auch nicht, dass die Zeugin tatsächlich bereit und willens ist, das von ihrer Mutter damals sogleich entworfene Vorhaben umzusetzen und die streitgegenständliche Wohnung zu beziehen; es liegt also nicht nur ein bloß vorgeschobenes Interesse der Zeugin vor, die Wohnung selbst zu nutzen.
Damit steht aber nicht fest, dass der von den Klägern geltend gemachte Eigenbedarf die Beendung des Mietverhältnisses rechtfertigt. Der bloße Wille des Eigentümers und Vermieters, eine Wohnung zukünftig selbst zu nutzen oder sie einer Bedarfsperson zur Nutzung zu überlassen, reicht zur Begründung eines nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB beachtlichen Eigenbedarfs und ein „Benötigen“ der Wohnung nämlich nicht aus; vielmehr muss der Wille des Vermieters von vernünftigen und rechtlich billigenswerten Erwägungen getragen werden (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Auflage 2020, § 573 Rn. 37, zitiert nach beckonline; BGHZ 103, 91 ff.). Der Einwand der Beklagten, die Wohnung sei mit vier Zimmern und nahezu 120 m² für die Tochter der Klägerin viel zu groß und für eine im Ausbildungsverhältnis befindliche Berufsanfängerin ungeeignet, ist daher nicht von der Hand zu weisen. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass ein auf einen weit überhöhten Wohnbedarf gestütztes Eigenbedarfsbegehren eine Mietvertragskündigung nicht tragen kann (vgl. LG Frankfurt – 2/17 S 234/89 -, Urt. v. 23.02.1990, WuM 1990, 479 f.; BVerfG – 1 BvR 440/90 -, Beschluss vom 23.08.1990, WuM 1990, 479 ff; Blank/Börstinghaus, a. a O. und Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 Rn. 146 ff. mit Fallbeispielen). So liegt es zur Überzeugung der Kammer auch hier.
Die Tochter und Enkelin der Kläger benötigt ganz offensichtlich keine Vierzimmerwohnung mit einer Wohnfläche von fast 120 m²; Anzahl der Zimmer und Ausmaß der Wohnfläche sind, gemessen an ihrer Lebenssituation als Auszubildende und Berufsanfängerin mit geringem Einkommen und Vermögen, ihrem Bedarf sowie auch ihrem tatsächlichen Interesse an der konkreten Wohnung, weit übersetzt. Nach den Angaben der Zeugin im Rahmen der Beweisaufnahme am 30. Dezember 2020 wohnte sie bei Abgabe der Eigenbedarfskündigung in ihrem damaligen Kinderzimmer in der elterlichen Wohnung in Wannsee. Anders als seitens der Kammer noch im Termin vom 25. November 2020 für möglich gehalten, ist die Zeugin nicht an besonders großzügige Wohnverhältnisses gewöhnt. Sie wohnt derzeit gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in einer Vierzimmerwohnung; den Gedanken an die Inanspruchnahme einer noch größeren Wohnung für sich allein hat die Zeugin mit den Worten „was soll ich schließlich mit einer Fünfzimmerwohnung?“ als absurd zurückgewiesen. Ihr Hausstand bestand und besteht weiterhin aus einem Bett, einem Schreibtisch und einem Kleiderschrank. Darüber, wie sie die Vierzimmerwohnung einrichten und nutzen möchte, hat die Zeugin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bisher keine konkreten Vorstellungen entwickelt und wohl auch nicht ernsthaft nachgedacht; die nach ihren Angaben bis dahin nicht mit der Zeugin besprochene Idee, ihr zur Einrichtung der Wohnung einige seit ihrem letzten Umzug verfügbare Möbel zu überlassen, hat erst ihre Mutter im Anschluss an die Zeugenvernehmung geäußert.
Auf Nachfrage, wie sie die große Wohnung einrichten und ausfüllen wolle, hat die Zeugin angegeben, sie habe gemeinsam mit ihrem damaligen und heutigen Freund in die Wohnung einziehen wollen, der ja „wahrscheinlich auch Möbel mitgebracht“ hätte, insgesamt hätte man die Wohnung schon nutzen können. Darauf, also auf eine Absicht der Zeugin, gemeinsam mit einem bestimmten Partner in die Wohnung einzuziehen, wurde die Kündigungserklärung allerdings im Sinne des § 573 Abs. 3 BGB gar nicht gestützt; gemäß § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB kann für den vorliegenden Rechtsstreit nur eine vage, nicht auf einen bestimmten Partner konkretisierte Absicht der Zeugin zu Grunde gelegt werden „einen eigenen Haushalt und Familie“ zu begründen. Der Einzug weiterer Personen neben der Zeugin in die Wohnung war bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht Grundlage und Gegenstand des geltend gemachten Eigenbedarfs, sondern nur eine für die Zukunft angestrebte Option. Da eine sogenannte „Vorratskündigung“ die Beendung eines Wohnungsmietverhältnisses nicht rechtfertigen kann, ist mithin nur der konkret mitgeteilte Bedarf der Zeugin zu Grunde zu legen, der die Wohnung nach der Kündigungserklärung – jedenfalls zunächst – alleine zur Gründung eines Haushalts zur Verfügung stehen soll.
Die Kläger stellen letztlich auch gar nicht in Frage, dass die Wohnung für die Bedürfnisse der Zeugin überdimensioniert ist, sondern räumen ein, dass ihre Tochter und Enkelin „tatsächlich keine Vierzimmerwohnung benötigen“ würde. Sie stufen das Räumungsverlangen gleichwohl deswegen als von vernünftigen und rechtlich billigenswerten Erwägungen getragen ein, weil es sich unter den überhaupt für eine junge Frau geeigneten Wohnungen in ihrem Eigentum auf die kleinste und ertragsschwächste Wohnung beziehe, die zudem noch saniert werden müsse. Das Gesetz billigt mit § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB aber nicht das Interesse eines Eigentümers, ein ertragsschwaches Mietverhältnis zu beenden; selbst wenn ein solches Anliegen aus Eigentümersicht wirtschaftlicher Vernunft entsprechen mag, ist es regelmäßig nur unter den strengen Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB durchsetzbar. Auch der – vernünftige – Wunsch eines Eigentümers, eine Wohnung zu modernisieren oder umfassend zu sanieren, kann für die Begründung eines Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB keine Rolle spielen und vermag die Durchsetzung eines weit übersetzten Eigenbedarfs nicht zu legitimieren.
Nun darf ein Gericht seine eigenen Vorstellungen über die Angemessenheit von Wohnverhältnissen und die vernünftige Verwendung großer Wohnungen nicht an Stelle derjenigen des Eigentümers und Vermieters setzen. Die Verfügungsfreiheit des Eigentümers ist Kernbestandteil der durch Art. 14 GG gewährleisteten Eigentumsfreiheit, sodass der Wunsch des Eigentümers, eine Wohnung auf eine bestimmte Art und Weise zu nutzen, grundsätzlich zu schützen und nicht zu hinterfragen ist. Das gilt auch für das vorliegende Interesse der Kläger, ihrer Enkelin und Tochter die Gründung eines eigenen Haushalts zu ermöglichen und ihre Entscheidung, ihr zu diesem Zweck eine in ihrem Eigentum stehende Wohnung zu überlassen. Da die Kläger nicht über Wohnungen verfügen, die zugleich nach ihren sachlich nachvollziehbaren Kriterien für die Bedarfsperson geeignet sind und weniger als vier Zimmer aufweisen, sprengt ihre grundsätzliche Entscheidung, den Wohnbedarf ihrer Enkelin und Tochter lieber durch eine eigentlich „zu große“ eigene Wohnung zu befriedigen als etwa eine kleinere Wohnung anzumieten, nicht von vorne herein den § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB immanenten Rahmen.
Im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als „rechtsmissbräuchlich“ stellt sich das Eigenbedarfsbegehren erst deswegen dar, weil das Räumungsverlangen auf das Geltendmachen eines „weit überhöhten“ Wohnbedarfs hinausläuft (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH – VIII ZR 166/14 -, Urt. v. 04.03.2015, BGHZ 204, 216 ff.). Die Kammer hat im Rahmen der Beweisaufnahme den Eindruck gewonnen, dass die Zeugin zwar die von ihrer Mutter vorgeschlagene Umsetzung ihres Auszugswunsches dankbar aufgegriffen hat, ohne aber deshalb besonderen Wert auf den großzügigen Zuschnitt der in Aussicht genommenen Wohnung zu legen. Nach Einschätzung der Kammer wäre die Zeugin auch mit einer halb so großen wie der streitgegenständlichen Wohnung zufrieden. Auf Befragen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat sie angegeben, dass sie im Verlaufe des Rechtsstreits gemeinsam mit ihrem Freund angestrebt habe, eine kleinere Wohnung anzumieten; letztlich hätten sie dazu keine Möglichkeit gesehen, auch weil sie dazu Anträge hätten stellen müssen und amtlicher Genehmigungen bedurft hätten. Sie könne ihrer Mutter außerdem nicht zumuten, für sie zu bürgen und unabsehbare Kosten zu übernehmen.
Die Kammer geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Kläger zur Versorgung ihrer Enkelin und Tochter nur deshalb eine Wohnung aus ihrem Bestand und gerade die von den Beklagten genutzte Vierzimmerwohnung auswählten, weil es sich um die ertragsschwächste ihrer Wohnungen handelt. Für den Nettomietertrag von rund 750 Euro monatlich könnten die Kläger oder ihre Enkelin und Tochter bei derzeitigen Marktpreisen zwar eine Zwei- oder vielleicht sogar eine Dreizimmerwohnung in vergleichbarer Lage anmieten, mit der sie den Wohnbedarf alternativ decken könnten. Die Anmietung einer vergleichbaren Vierzimmerwohnung erscheint hingegen ausgeschlossen, sodass sich ein Zugriff auf die an die Beklagten vermietete Wohnung bei rein wirtschaftlicher Betrachtung geradezu aufdrängt: Der Bedarfsperson kann so zu gleichen Kosten eine wesentlich großzügigere Wohnung zur Verfügung gestellt werden, die zudem auch noch in dem ihr vertrauten Haus ihrer Verwandten belegen ist. Der Umstand, dass die vermietete Wohnung für die Zwecke der Bedarfsperson eigentlich „zu groß“ ist, spielt dabei nur deswegen keine Rolle, weil die Wohnung „ertragsschwach“ vermietet ist.
Eben dies, nämlich die relativ niedrige Vertragsmiete, stellt sich aber aus Sicht der Beklagten gerade als schützenswert, nämlich als wesentlicher Aspekt ihres durch Art. 14 GG eigentumsgleich geschützten Besitzes an der Wohnung dar, der ihnen nach dem Gesetz nur entzogen werden darf, wenn der Vermieter die Wohnung für eigene Zwecke „benötigt“. Auch ein „wirtschaftlich vernünftiger“ Eigenbedarf ist deshalb nicht ohne weiteres „rechtlich billigenswert“, sondern am Korrektiv des „weit überhöhten Wohnbedarfs“ zu messen. Nur so ist zu verhindern, dass der Gesichtspunkt einer „günstigen Miete“, der nach dem Schutzkonzept des sozialen Wohnungsmietrechts zu Gunsten des Mieters ins Gewicht fallen muss und für den Erhalt eines Mietverhältnisses spricht, tatsächlich einen Eigenbedarf des Vermieters überhaupt erst begründen und so zur Beendung des Mietverhältnisses führen kann.
b) Die auf Zahlungsverzug gestützte Kündigungserklärung vom 7. Mai 2020 hat das Mietverhältnis gemäß §§ 543, 573 BGB ebenfalls nicht beendet. Sie ist bereits formell unwirksam, weil sie nur im Namen der Klägerin zu 2., nicht aber durch beide Vermieter erklärt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH – VIII ZB 26/17 -, Beschluss vom 09.01.2019, GE 2019, 249 f.; ebenso schon KG – 8 U 111/18 -, Urt. v. 08.10.2018, GE 2018, 1458; so auch Lützenkirchen in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 566 BGB) findet auf die Übertragung der Eigentumsanteile an einem Grundstück von einem auf den anderen Mit-Vermieter § 566 BGB weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung. Der Kläger zu 1. ist durch die Übertragung seiner Eigentumsanteile an dem Grundstück auf die Klägerin zu 2. mithin nicht aus dem Mietverhältnis ausgeschieden, sodass die Klägerin zu 2. ohne seine Mitwirkung keine wirksame Kündigungserklärung abgeben kann.
Unmittelbar ist § 566 BGB im Falle der Veräußerung der Mietsache nur anzuwenden, wenn der „Vermieter an einen Dritten“ veräußert. Daran fehlt es, denn die Klägerin zu 2. ist aus Sicht der Mietvertragsparteien nicht „Dritter“, sondern war vor wie nach Übertragung seiner Miteigentumsanteile durch den Kläger zu 1. an den Mietvertrag gebunden. Aus diesem Grund scheidet in solchen Fällen auch eine entsprechende Anwendung des § 566 BGB aus; der Mieter bedarf im Verhältnis zu dem das Alleineigentum erwerbenden Mit-Vermieter des durch die Norm bezweckten Schutzes nicht, da letzterer ohnehin schon an den Mietvertrag gebunden ist.
Die Kündigung vom 7. Mai 2020 wäre gemäß Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB allerdings auch materiell unbegründet, denn die Beklagte zu 1. hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie auf Grund der pandemiebedingt verzögerten Bearbeitung ihres im Februar 2020 angebrachten Antrags auf Arbeitslosengeld und auf Grund pandemiebedingter Umsatzausfälle im Zeitraum März 2020 bis 28. Mai 2020 keine Einnahmen gehabt hat. Ist mithin von einem kausalen Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der bis zum 7. Mai 2020 ausgebliebenen Zahlung der Miete für April und Mai 2020 auszugehen, so hat die an diesem Tag erklärte, allein auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung das Mietverhältnis nicht beenden können.
Ob die Beklagte zu 1. später in verschuldeten Zahlungsverzug geraten ist und einen Kündigungsgrund herbeigeführt hat, weil sie die rückständige Miete erst im Juli 2020 ausgeglichen hat, obwohl das beantragte Arbeitslosengeld am 28. Mai 2020 gewährt worden ist und sie die offene Mietschuld also spätestens im Juni 2020 hätte tilgen können, kann mangels einer darauf gestützten Kündigungserklärung dahinstehen.
3. Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Grundsätzliche, ihrer Bedeutung nach über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen sind nicht betroffen. Eine Revisionszulassung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist ebenfalls nicht geboten; obergerichtliche Entscheidungen, von deren Rechtssätzen die Kammer mit dem vorliegenden Urteil abweicht, hat die Klägerin nicht aufgezeigt und sind der Kammer auch nicht bekannt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47, 41 Abs. 2 GKG.