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Eigenbedarfskündigung – Vermieter muss Wegfall schlüssig darlegen

AG Leipzig – Az.: 166 C 2930/19 – Urteil vom 04.03.2021

1. Das Versäumnisurteil vom 22.11.2019 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und 2) als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 10.723,09 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.06.2019 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern zu 1) und zu 2) als Gesamtgläubigern den Nettomietzinsdifferenzschaden zu ersetzen, der aufgrund der Anmietung einer vergleichbaren Ersatzwohnung für das ehemalige Mietverhältnis im Dachgeschoss (Wohnung Nr. 8) in der Liegenschaft ### den Klägern zukünftig noch entstehen wird.

4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dies gilt nicht für die durch die Säumnis der Kläger entstandenen Kosten. Diese haben sie selbst zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages für die Kläger vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 13.372,69 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Eigenbedarfskündigung - Vermieter muss Wegfall schlüssig darlegen
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Die Kläger verlangen als ehemalige Mieter des Beklagten von diesem Schadensersatz wegen aus ihrer Sicht vorgetäuschten Eigenbedarfs bei Kündigung eines Mietverhältnisses zur Überlassung von in Leipzig belegenem Wohnraum.

Der Beklagte ist Geschäftsführer der Firma ### die sich unter anderem mit der Vermarktung von Immobilien befasst. Er ist auch Geschäftsführer einer weiteren GmbH, deren Geschäftszweck der Verkauf und die Verwaltung von Immobilien ist.

Er kaufte die an die Kläger seit 2007 vermietete, im Hause ### belegene Wohnung zum Preis von 152.000,00 EUR und wurde nach Auflassung am 15.03.2016 am 09.11.2016 als ihr neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Den Klägern wurde im Mai 2016 von einem für das von dem Beklagten geführte Unternehmen ### mitgeteilt, der Erwerber der Wohnung wolle diese selbst beziehen und böte den Klägern an, bis zu ihrem Auszug mietfrei dort zu wohnen. Mit Schreiben vom 23.08.2016 (Bl. 24) wurde den Klägern erklärt, ihr Wohnungseigentümer habe sich noch nicht abschließend entschieden, ob er die Wohnung selbst beziehen möchte. Es wurde gebeten, Besichtigungstermine mit Kaufinteressen zu ermöglichen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.08.2016 ließ der Beklagte die Kläger auffordern, einer Mieterhöhung von 520,00 EUR auf jetzt 624,00 EUR zuzustimmen. Dem kamen die Kläger nach. Unter dem 30.08.2016 waren sie erneut gebeten worden, weitere Besichtigungstermine mit Kaufinteressen zu ermöglichen.

Unter dem 16.12.2016 ließ der Beklagte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfes zum 30.09.2017 kündigen (Bl. 53, 54).

Die Kläger zogen hiernach in eine nahe gelegene andere Wohnung um, nachdem sie ihre Wohnung dem Beklagten am 07.06.2017 übergeben hatten. Die neue Wohnung der Kläger hat eine ähnliche Größe, kostet aber 900,00 EUR Kaltmiete monatlich.

Im September 2017 wurde die Wohnung der Kläger im Internet zum Preis von 260.000,00 EUR zum Kauf angeboten.

Am 14.09.2017 verkaufte der Beklagte die Wohnung an einen Dritten.

Der Beklagte nahm bis zur Rückgabe der Wohnung diese zu keinem Zeitpunkt in Augenschein, bezog sie auch nie.

Die Kläger behaupten, der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, die Wohnung für sich selbst zu nutzen und habe sie damit über den von ihm behaupteten Eigenbedarf getäuscht. Wie die Umstände zeigten, habe er vielmehr von Beginn an beabsichtigt, die nach ihrem Auszug unvermietete Wohnung gewinnbringend an einen Dritten zu veräußern. Mit ihrer Klage verlangen die Kläger Ersatz bereits erlittener Schäden wegen der Beendigung des Mietverhältnisses sowie Feststellung, dass der Beklagte auch für zukünftige Schäden einzustehen habe. Wegen der einzelnen Schadensbeträge wird auf den Vortrag in der Klageschrift Bl. 8-10 verwiesen. Zudem begehren sie Zahlung der monatlichen Mietdifferenz für die Monate Juni 2017 bis Mai 2019 in Höhe von je 276,00 EUR, wegen noch nicht eingetretener Schäden insoweit Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten.

Nachdem klägerseits in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2019 kein Antrag gestellt worden war, ist die Klage durch Versäumnisurteil, den Klägern am 2.12.2019 zugestellt, abgewiesen worden. Hiergegen haben die Kläger eingehend bei Gericht am 06.12.2019 Einspruch einlegen lassen und beantragen:

1. Das Versäumnisurteil vom 22.11.2019 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und 2) als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 10.723,09 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern zu 1) und zu 2) als Gesamtgläubigern den Nettomietzinsdifferenzschaden zu ersetzen, der aufgrund der Anmietung einer vergleichbaren Ersatzwohnung für das ehemalige Mietverhältnis im Dachgeschoss (Wohnung Nr. 8) in der Liegenschaft ### den Klägern zukünftig noch entstehen wird.

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.

Da die Kläger nicht hätten kurzfristig aus der Wohnung ausziehen wollen, habe er nach deren Erwerb zunächst erwogen, eine andere Wohnung zu kaufen. Dies hätte jedoch vorausgesetzt, dass er die an die Kläger vermietete Wohnung hätte weiterverkaufen müssen. Daher sei die Wohnung im Jahre 2016 zunächst anderen Kaufinteressenten angeboten worden. Der Kauf der anderen Wohnung sei aber gescheitert. Daher habe er sich entschlossen, die an die Kläger vermietete Wohnung doch selbst zu beziehen und habe deswegen das Mietverhältnis unter dem 16.12.2016 kündigen lassen. Es läge völlig fern anzunehmen, er habe die Wohnung in unvermietetem Zustand teurer weiterverkaufen wollen. Nach Rückgabe der Wohnung durch die Kläger habe er feststellen müssen, dass diese sanierungsbedürftiger gewesen sei, als er angenommen habe. Im August 2017 habe er dann ein freundschaftliches Angebot zur Anmietung von Gewerbeflächen für seine freiberuflichen anderen Tätigkeiten erhalten und angenommen, was es wiederum für ihn entbehrlich gemacht habe, seine alte Wohnung zu verlassen und in die von den Klägern inzwischen verlassene Wohnung einzuziehen. Deswegen sei diese von ihm dann weiterveräußert worden. Ein Auftrag zur Weitervermarktung der Wohnung an jenes Unternehmen, welches diese dann im Internet anbot, habe er nie erteilt. Die geltend gemachten Schäden der Kläger würden bestritten.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin V. (Bl. 178), der Zeuginnen ### und ### und des Zeugen ### (Bl. 187-189) sowie durch uneidliche Parteivernehmung der Kläger gem. § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO (Bl. 189, 190).

Entscheidungsgründe:

Das klageabweisende Versäumnisurteil gegen das die Kläger form- und fristgerecht haben Einspruch einlegen lassen (§§ 338 ff ZPO), ist aufzuheben und der Klage ist vollumfänglich stattzugeben, denn diese ist zulässig und begründet, § 343 ZPO.

1. Die Kläger können von dem Beklagten Schadensersatz in beantragter Höhe wegen schuldhaft vertragswidriger Beendigung ihres Mietverhältnisses verlangen, §§ 280 Abs. 1, 249 ff BGB.

1.1 Kündigt ein Vermieter ein Mietverhältnis, ohne dass dafür ein materieller Grund vorliegt, begeht er grundsätzlich und regelmäßig auch eine schuldhafte Vertragsverletzung, die ihn dem Mieter gegenüber nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig macht. Das gilt auch für den Fall, wie hier, dass der Vermieter einen Eigenbedarf und ernsthaften Selbstnutzungswillen für die Wohnung in seiner Kündigung angibt, der tatsächlich aber gar nicht vorliegt (vgl. etwa: Blank in Schmidt/Futterer Mietrecht, 14. Auflage, § 573 BGB Rn. 76a ff m.w.N.).

Zwar trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Mieter, hier also die Klägerseite, die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen eines Selbstnutzungswillens des Vermieters bei seiner Eigenbedarfskündigung (BGH VIII ZR 368/03). Liegen allerdings, wie hier, Indizien, aus denen sich das Fehlen des Selbstnutzungswillens herleiten lässt vor, hat der Vermieter im Streitfall plausibel und substantiiert darzulegen, warum seine Angaben in dem Kündigungsschreiben gleichwohl zutrafen (Blank, a.a.O., Rn. 87). Im vorliegenden Fall sind solche Indizien im wesentlichen unstreitig. Der Beklagte hat in seiner Kündigung angeben lassen, er wolle die Wohnung selbst beziehen. Tatsächlich geschah dies nach Auszug der Kläger aber nicht. Vielmehr verkaufte er die Wohnung weiter an einen Dritten, und es ist angesichts des hierfür nach dem Auszug der Kläger verlangten Preises anzunehmen, dass dies in erheblichem Maße gewinnbringend geschah. Bereits kurz nach dem Erwerb der Wohnung und sogar noch vor der Kündigung bot der Beklagte die Wohnung bereits zum Verkauf an Dritte an. Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass das wesentliche Feld der Berufstätigkeit des Beklagten darin besteht, Immobilien gewinnbringend zu vermarkten. Vor diesem Hintergrund, aber auch dem Umstand, dass der Vortrag des Beklagten zur Erklärung seines Verhaltens konstruiert und wenig lebensnah erscheint, steht es für das Gericht fest, dass der Beklagte bei seiner Kündigung zumindest keine ernsthafte Selbstnutzungsabsicht für die Wohnung hatte, § 286 ZPO, seine Angaben im Kündigungsschreiben also unzutreffend waren. Allenfalls ansatzweise plausibel erscheint der Vortrag des Beklagten dahingehend, dass er zeitweise in Betracht zog, die Wohnung für sich zu nutzen, nicht jedoch einen wirklich ernsthaften Selbstnutzungswunsch hatte und in die Tat umsetzen wollte. Es ist auch davon auszugehen, dass die Pflichtverletzung schuldhaft begangen wurde, wobei dahin stehen kann, ob Vorsatz (für den hier einiges spricht) oder nur Fahrlässigkeit vorlag. Demgemäß schuldet er den Klägern, die – unstreitig – wegen der erfolgten Kündigung die Wohnung aufgaben und eine neue Wohnung bezogen dem Grund nach Ersatz ihrer deswegen erlittenen Schäden.

1.2 Auch dem Umfang nach ist der Schadensersatzanspruch der Kläger gerechtfertigt, §§ 249 ff BGB.

1.2.1 Der im Zusammenhang mit der Vorbereitung und der Ausführung ihres Umzugs den Klägern entstandene Aufwand und die entstandenen Kosten wurden vollumfänglich in der dazu durchgeführten Beweisaufnahme in Gestalt der Zeugenvernehmungen und auch der Parteivernehmung der Kläger selbst (§ 287 Abs. 1 ZPO) in der letzten mündlichen Verhandlung nachgewiesen. Das Gericht folgt auch insoweit den klägerischen Angaben, wonach der von ihnen diesbezüglich angesetzte Zeitaufwand hierfür eher niedrig angesetzt wurde. Gerichtsbekannt ist der Umzug einer vierköpfigen Familie aus einer fast 10 Jahre bewohnten Wohnung mit ganz erheblichem Zeit und Arbeitsaufwand verbunden. Die geltend gemachten Schäden in Höhe von insgesamt 4.099,09 (vgl. die Tabelle in der Klageschrift Bl. 11) sind allesamt erstattungsfähig, weil sie durchweg adäquat verursachte Folgen und unfreiwillige Vermögenseinbußen des vertragswidrig herbeigeführten Besitzverlustes an der Wohnung darstellen.

1.2.2 Ersatzfähiger Schaden der Kläger ist auch die höhere Miete der neuen, etwa gleichwertigen Wohnung, die sie nunmehr zu entrichten haben (vgl. etwa: BGH XII ZR 153/15 m.w.N.). Diese Mietdifferenz beträgt hier 276,00 EUR monatlich zu Lasten der Kläger. Für den geltend gemachten Zeitraum von 24 Monaten ergibt sich ein weiterer Schaden der Kläger in geltend gemachter Höhe von 6.624,00 EUR. Dass die neue Wohnung mit einem Aufzug zu erreichen ist, erscheint in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, weil der Beklagte nicht erwarten kann, dass die Kläger eine in allen Punkten identische Wohnung hätten anmieten können.

1.3 Mithin ist der Zahlungsanspruch der Kläger vollumfänglich gerechtfertigt. Die Zinsforderung ergibt sich aus den §§ 280, 286, 288 BGB.

2. Auch die Feststellungsklage der Kläger ist zulässig und begründet, § 256 Abs. 1 ZPO. Die Kläger haben bis heute für ihre neue Wohnung die erhöhte Miete zu zahlen und haben dies auch noch zukünftig für ungewisse Zeit zu tun, können also den Umfang ihres Schadens bislang nicht abschließend beziffern. Der Beklagte hat diesen Schadensersatz so lange zu zahlen, wie er selbst an den von ihm zu Unrecht gekündigten Vertrag hätte festgehalten werden können (VIII ZR 255/62). Dieser Zeitraum ist im Falle eines, wie hier, unbefristet geschlossenen Wohnraummietvertrages weder zeitlich beschränkt noch aus sonstigen Gründen seiner Dauer nach im vorliegenden Fall bestimmbar. Sollten die Kläger ihr jetziges Mietverhältnis beenden, dürfte ein Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten und ihrem Schaden zwar grundsätzlich entfallen sein. Indes wären in diesem Fall die Interessen des Beklagten, der dann von seiner Ersatzpflicht befreit wäre, bereits dadurch gesichert, dass die Kläger ihr Schadensersatzbegehren ohnehin in einem Folgeprozess zu beziffern hätten und damit hinreichend geprüft werden kann, ob eben dieser Schadensersatz dann in geltend gemachter Höhe gerechtfertigt ist. Auch ein Vorgehen nach § 323 ZPO käme für den Beklagten in Betracht (hierzu etwa: Zöller-Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 323 ZPO Rn. 6).

3. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO, §§ 709 Satz 1 ZPO.

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