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Eigenbedarfskündigung zugunsten naher Angehörigen

AG München – Az.: 433 C 16581/17 – Urteil vom 13.04.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstrecken-den Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 11.350,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger vermietete an die Beklagte mit Mietvertrag vom 01.04.2011 eine 3-Zimmer-Wohnung in der … in München.

Die monatliche Miete betrug ursprünglich 750,00 Euro zuzüglich Betriebskostenvorauszahlungen von monatlich 180,00 Euro.

Die Parteien waren bis Juni 2011 miteinander liiert.

Mit Schreiben vom 14.08.2016 verlangte der Kläger von der Beklagten, einer Mieterhöhung um 260,00 Euro zuzustimmen mit Wirkung ab 01.09.2016, was die Beklagte verweigerte. Mit Schreiben vom 28.08.2016 verlangte der Kläger die Zustimmung zu einer Mieterhöhung von 112,50 Euro monatlich sowie Nachzahlung von angeblich rückständiger Mieten in Höhe von insgesamt 2.890,00 Euro sowie die Zahlung einer Mietkaution.

Die Parteien einigten sich letztlich im Oktober 2016 auf eine Mieterhöhung in der geforderten Höhe, also auf eine Grundmiete von 862,50 Euro, unter der Voraussetzung, dass es jedenfalls bis einschließlich 2017 keine weiteren Mieterhöhungen erfolgen und erzielten auch im Hinblick auf die rückständigen Mieten und die Mietkaution eine gesonderte Einigung, wobei sie in diesem Zusammenhang ebenfalls vereinbarten, dass bis 2018 keine weiteren Mieterhöhungen erfolgen sollten.

Die Beklagte bewohnt die Wohnung mit ihrer im August 1999 geborenen Tochter, die derzeit eine Ausbildung zur Optikerin macht.

Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 26.02.2017 ordentlich zum 31.08.2017 und begründete dies mit Eigenbedarf. Einer Fortsetzung des Mietverhältnisses über den 31.08.2017 hinaus widersprach er im Kündigungsschreiben.

Die Beklagte widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 12.04.2017.

Der Kläger behauptet, er benötige die Wohnung für seinen 22 Jahre alten Sohn … , der seine gemietete Wohnung verliere, weil das entsprechende Anwesen abgerissen werde, was die Beklagte jeweils mit Nichtwissen bestritten hat.

Der Kläger behauptet, sein Sohn wolle gegebenenfalls mit einem Freund oder seinem Bruder in die streitgegenständliche Wohnung ziehen.

Die Beklagtenpartei hatte mit Schriftsatz vom 11.12.2017 widerklagend beantragt, den Kläger zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, ob und ggfs. welche freistehenden oder freiwerdenden Alternativwohnungen in München er seinem Sohn vor, bei und nach Ausspruch der Kündigung vom 26.02.2017 zur Wohnraumnutzung hätte überlassen können. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2018 mitgeteilt hatte, neben der von ihm bewohnten Wohnung und der streitgegenständlichen Wohnung zwei weitere, seit länger als Februar 2017 vermietete Eigentumswohnungen in der … in München mit ca. 60 qm Größe sowie in der … in München mit ca. 70 qm Größe zu haben, erklärte die Beklagtenpartei ihren Auskunftsanspruch vom 11.12.2017 für erledigt. Die teilweise Erledigterklärung wurde dem Klägervertreter mit Verfügung vom 14.02.2018 am 22.02.2018 zugestellt unter Hinweis auf die Notfrist gem. § 91a I ZPO. Ein Widerspruch gegen die Erledigterklärung wurde innerhalb der 2-wöchigen Frist nicht erklärt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung …, Erdgeschoss, bestehend aus 3 Zimmern, einer Küche, einem Flur, einem Bad, einem WC, einer Dusche und einem Balkon, nebst Kellerraum, belegen in … München, an den Kläger zum 31.08.2017 geräumt herauszugeben.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung und beantragt hilfsweise – für den Fall der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung vom 26.02.2017 –

den Kläger zu verurteilen, den Mietvertrag mit der Beklagten und Widerklägerin vom 01.04.2011 über die im Klageantrag genannte Wohnung auf unbestimmte Zeit, zumindest aber bis zum 31.12.2019 fortzusetzen.

Hilfsweise beantragt die Beklagte, ihr eine Räumungsfrist gem. § 721 ZPO zu bewilligen.

Der Kläger beantragt Abweisung der Widerklage.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Kündigung sei mangels konkreter Darlegung des Kündigungsgrundes formell unwirksam, denn es fehlten Angaben, ob der Abriss des Hauses genehmigt sei und zu welchen Zeitpunkt er durchgeführt werden solle und Angaben zu weiterem Grundbesitz des Klägers.

Die Beklagte behauptet, dem Kläger sowie dem Sohn des Klägers sei es seit Einzug des Sohnes in die derzeit von ihm bewohnte Wohnung bekannt gewesen, dass der Vermieter sich mit dem Gedanken des Abrisses des Anwesens trage.

Die Beklagte behauptet, sie finde nicht kurzfristig bezahlbaren Ersatzwohnraum in vergleichbarer Größe, zumal ihre Tochter bis zum Ende ihrer Ausbildung darauf angewiesen sei, bei ihr zu wohnen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 07.02.2018 durch Vernehmung des Zeugen … . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 15.03.2018 Bezug genommen.

Zur Vervollständigung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 23.01.2018 und vom 15.03.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gem. § 546 I BGB zu, denn die Kündigung vom 26.02.2017 hat das Mietverhältnis nicht wirksam gem. § 573 I, II Nr. 2 BGB beendet.

Das Gericht hält zwar die Kündigung für formell wirksam, hat aber begründete Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Überlassungsabsicht sowie am Nutzungswillen des Zeugen … .

1. Die Kündigung ist gem. § 573 III S. 1 BGB ausreichend begründet und formell wirksam, denn aus dem Schreiben ergibt sich, dass der Kläger seine Wohnung einem Verwandten überlassen will und dass hierfür vernünftige Gründe, nämlich die Kündigung von dessen Mietverhältnis vorliegen. Weitere Angaben im Hinblick auf das gekündigte Mietverhältnis sind nicht erforderlich, denn es genügt, wenn der Vermieter den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann („Kerntatsachen“) (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 573 Rn. 218). Dies entspricht auch der aktuellen Rechtsprechung des BGH, wonach die formelle Wirksamkeit der Kündigung bejaht wird, wenn das Kündigungsschreiben die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, enthält (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2017 – Gz. VIII ZR 270/05).

Angaben zu weiterem Grundbesitz und Begründungen, warum dieser nicht benötigt wird, stellen aus Sicht des Gerichts höchstens Ergänzungstatsachen dar.

2. Das Gericht ist weder hinreichend davon überzeugt, dass ein ernsthafter Überlassungswille besteht, noch ist es hinreichend davon überzeugt, dass der Zeuge … tatsächlich einen Nutzungswillen hat. Der Eigenbedarf des Klägers steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Kündigung ist aus diesem Grund unwirksam.

a) Das Gericht hat vorliegend begründete Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Überlassungswillens.

Eine wirksame Eigenbedarfskündigung setzt die ernsthafte Absicht voraus, die Wohnung selbst zu nutzen oder sie einem Angehörigen zu überlassen (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Auflage 2017, § 573 Rn. 62). Soll die Wohnung einem Angehörigen überlassen werden, so ist der Überlassungswille des Vermieters maßgebend; bei einem fehlenden Nutzungswillen des Angehörigen fehlt es aber ebenfalls am Tatbestand des Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil der Vermieter die Räume auch in diesem Fall nicht benötigt (vgl. Schmidt-Futterer, a.a.O., § 573 Rn. 61).

Der Überlassungswille muss (bereits) zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestehen.

Der Zeuge … hat – aus Sicht des Gerichts durchaus unvoreingenommen und glaubhaft – ausgesagt, dass er „das Gespräch mit dem Kläger über eine Lösung seiner Wohnsituation im Mai, Juni 2017 geführt habe, wie er glaubt“. Diese Aussage hat der Zeuge gemacht, nachdem er zuvor geschildert hatte, dass er in Bezug auf seine derzeitige Wohnung Anfang 2017 vom Vermieter auf einen geplanten Abriss hingewiesen worden war und nachdem er vom Gericht konkret nach dem Zeitpunkt des Gespräches zwischen ihm und dem Kläger über eine Lösung seines Wohnungsproblems gefragt wurde. Der Zeuge hat hier nach kurzer Überlegung die Monate Mai/Juni 2017 angegeben. Das Gericht hält die Aussage des Zeugen, der ruhig wirkte und die Fragen nicht vorschnell, sondern nach entsprechender kurzer Überlegung differenziert beantwortete, für glaubhaft.

Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Zeugen hat das Gericht nicht.

Daraus folgt jedoch, dass der Kläger die Kündigung zu einem Zeitpunkt ausgesprochen hat, in dem er mit seinem Sohn, dem Zeugen …, noch gar nicht konkret besprochen hatte, ob dieser in die streitgegenständliche Wohnung ziehen wollte oder nicht.

Es gilt, dass der Vermieter vor der Kündigung klären muss, ob seine Angehörigen umzugsbereit sind (vgl. Schmidt-Futterer, a.a.O., § 573 Rn. 63).

Anderenfalls ist der Überlassungswille ungewiss und die Kündigung unwirksam.

Das Gericht geht nach der Zeugenvernehmung davon aus, dass der Kläger mit seinem Sohn dessen Bereitschaft zum Umzug im Februar 2017 noch gar nicht besprochen hatte.

b) Unabhängig davon ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger die Räume tatsächlich benötigt, denn das Gericht hat auch begründete Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens des Sohns des Klägers.

Es gilt der bereits unter Ziffer I 2. a genannte Grundsatz, dass zwar der Überlassungswille des Vermieters maßgebend ist, wenn die Wohnung einem Angehörigen überlassen werden soll, dass es aber bei einem fehlenden Nutzungswillen des Angehörigen am Tatbestand des Abs. 2 Nr. 2 BGB fehlt, weil der Vermieter die Räume auch in diesem Fall nicht benötigt (vgl. Schmidt-Futterer, a.a.O., § 573 Rn. 61).

Das Gericht ist nach der Vernehmung des Zeugen … nicht hinreichend davon überzeugt, dass der Zeuge tatsächlich in die streitgegenständliche Wohnung einziehen will.

Zwar hat der Zeuge aus Sicht des Gerichts nachvollziehbar geschildert, dass das von ihm derzeit bewohnte Anwesen abgerissen werden soll und der Vermieter ihm dies auch Anfang letzten Jahres mitgeteilt habe, so dass das Bedürfnis des Sohnes nach einer anderen Wohnung durchaus nachvollziehbar erscheint. Andererseits hat der Zeuge jedoch allenfalls sehr vage Vorstellungen im Hinblick auf eine etwaige Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung: Er hatte weder konkrete Vorstellungen davon, in welcher Höhe für die streitgegenständliche Wohnung Miete an den Kläger zahlen sollte, obwohl für ihn die Zahlung per se selbstverständlich war, noch hatte er sich Gedanken über die konkrete Nutzung – wie beispielsweise eine Verteilung der Zimmer bei der von ihm erwähnten WG oder bei einer Mitnutzung durch seinen Bruder – gemacht, noch hatte er sich Gedanken zur Einrichtung der Wohnung gemacht, wobei letzteres auch im Hinblick auf das Alter des Zeugen für das Gericht in gewisser Weise noch nachvollziehbar ist.

Die fehlenden Vorstellungen zur konkreten Ausgestaltung eines Mietverhältnisses und zur Nutzung der Wohnung lassen das Gericht jedoch an dem tatsächlichen Nutzungsinteresse des Zeugen erheblich zweifeln, denn es liegt aus Sicht des Gerichts nahe, dass sich ein Student mit Anfang 20 über diese Themen nähere Gedanken macht und beispielsweise das Thema Miethöhe auch mit seinem Vater bespricht, wenn er ernsthaft an der Nutzung der Wohnung interessiert ist.

II.

Über die hilfsweise erhobene Widerklage war aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26.02.2017 nicht zu entscheiden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 91 a I ZPO.

Die Kostenentscheidung im Hinblick auf die teilweise Erledigterklärung in Bezug auf den widerklagend erhobenen Auskunftsausspruch beruht auf § 91a Abs. 1 ZPO. Die Klagepartei hat der teilweisen Erledigterklärung der Beklagtenpartei nicht widersprochen. Das Gericht hat deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits insoweit zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann.

Die Kosten waren insoweit dem Kläger aufzuerlegen, denn aus Sicht des Gerichts bestand ein Anspruch der Beklagten auf Auskunft über freistehenden oder freiwerdenden Alternativwohnraum, da sich aus dieser Auskunft ergeben könnte, dass ein Bestehen auf der Räumung rechtsmissbräuchlich wäre (vgl. LG Berlin, NJW-RR 1994, 850). Das Gericht teilt die Auffassung des LG Berlin, wonach dem Mieter, dem wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde, ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zusteht, weil er anderenfalls nicht vortragen könnte, ob der Kläger Alternativwohnraum nicht für seinen Bedarf genutzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. §§ 39 I, 41 I, II, 45 I GKG, § 3 ZPO festgesetzt. Dem Räumungsstreitwert (12 x 862,50 Euro = 10.350,00 Euro) war der Streitwert für die Auskunftsklage hinzuzuaddieren, den das Gericht auf 1.000,00 Euro schätzt gem. § 3 ZPO.

 

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