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Eigenbedarfskündigung – Zweifel gehen zu Lasten des Vermieters

LG Itzehoe – Az.: 9 S 39/20 – Beschluss vom 12.02.2021

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, die gegeneinander aufgehoben werden.

Gründe:

Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2021 einen Vergleich abgeschlossen hatten, hat die Kammer gemäß der dortigen Ziffer 3. nur noch über die Kosten zu entscheiden. Dies soll entsprechend § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen geschehen. Es hat hier billigem Ermessen entsprochen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen (1), die Kosten des Vergleichs jedoch gegeneinander aufzuheben (2).

1. Die Kosten des Rechtsstreits waren nach billigem Ermessen dem Kläger aufzuerlegen, denn dieser wäre bei Zugrundelegung des Sach- und Streitstands im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses – des Abschusses des Vergleichs – aller Voraussicht nach unterlegen gewesen. Die von ihm nach Klageänderung beantragte Feststellung einer Erledigung des Räumungsrechtsstreits aufgrund des Auszugs der Beklagten aus der streitgegenständlichen Mietwohnung war nicht auszusprechen, da die ursprüngliche Räumungsklage – bei der hier gebotenen summarischen Prüfung – unbegründet gewesen wäre. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Eigenbedarfskündigung vom 18.11.2016 (Anlage K 2) zum Ablauf des Monats November 2017 nicht beendet worden. Ein Eigenbedarf des Klägers in Gestalt eines Nutzungswunsches seiner Tochter – der Zeugin S. L. – hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer festgestanden.

Die Kammer hat unter Beachtung der vom BGH aufgestellten Grundsätze den Nutzungswunsch des Klägers daraufhin überprüft, ob dieser ernsthaft verfolgt wird und ob er von vernünftigen nachvollziehbaren Gründen getragen ist (s. nur BGH, Urt. v. 04.03.2015 – VIII ZR 166/14 Tz. 15 [= WuM 2015, 304, 306]). An einer Vernünftigkeit und Nachvollziehbarkeit des vom Kläger zugunsten seiner Tochter artikulierten Nutzungswunsches bestehen keine Zweifel. Dabei hat die Kammer beachtet, dass das Nutzungsinteresse, das der Vermieter für sich oder seine nahen Angehörigen reklamiert, grundsätzlich zu respektieren ist. Eine Grenze wird lediglich durch den Rechtsmissbrauch gezogen (BGH, a.a.O.). Wenn – wie hier – die Tochter des Vermieters infolge einer Trennung von ihrem bisherigen Lebensgefährten aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist und nunmehr eine im elterlichen Eigentum stehende, derzeit aber vermietete Immobilie beziehen will, auch weil sie diese im Hinblick auf ihre berufliche Tätigkeit als ideal empfindet, ist dies per se als plausibel zu bewerten. Keinesfalls darf das Gericht seine eigenen Vorstellungen von einem für die Bedarfsperson angemessenen Wohnbedarf oder einer für diese optimale Lage für ihre Erwerbstätigkeit an die Stelle der Vorstellungen des Vermieters bzw. der Bedarfsperson setzen.

Allerdings ist – gleichsam in einem zweiten Schritt – zu prüfen, ob der vom Vermieter (für die Bedarfsperson) reklamierte Nutzungswunsch auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Eine lediglich vage Nutzungsabsicht rechtfertigt keine Eigenbedarfskündigung (BGH, Urt. v. 23.09.2015 – VIII ZR 297/14 [= WuM 2015, 677]). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lassen insbesondere zwei Gesichtspunkte einen ernsthaften Nutzungswunsch der Zeugin L., den sich der Kläger hier zueigen machen will, im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs als zweifelhaft erscheinen. Die Zeuge L. hatte die Wohnung bis dahin noch nie gesehen. Sie kannte diese zwar aufgrund eines Prospekts oder einer Skizze; sie hatte im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs die Wohnung jedoch weder von innen noch von außen besichtigt. Daher kannte die Klägerin auch nicht die Gegend, in der sich die Wohnung befindet. Bei der B.-Straße in P handelt es sich zwar nicht um eine „Ghetto-Lage“, es ist aber auch keine besonders ansprechende Wohngegend. Sie ist gerade dort, wo sich die Wohnung befindet, nämlich im Bereich zwischen der Stichstraße U.-Allee und der Einmündung in die E.-Straße, geprägt durch eine relativ dichte Mehrfamilienhausbebauung. In dem Bereich vor der Einmündung in die Pr- Straße befinden sich schlichte Reihenhäuser – wohl errichtet in den frühen 1960er Jahren. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, gleichwohl aber atypisch, in die „P.-er B.-Straße“ ziehen zu wollen, ohne sich diese jemals angeschaut zu haben. Es hätte nahegelegen, wenn der Kläger der Zeugin L. geraten hätte, sich das Objekt zunächst einmal anzuschauen und zu prüfen, ob es Ihr überhaupt zusagt.

Gleichwohl vermag dieser Umstand für sich genommen noch keine hinreichenden Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches begründen. Insofern bleibt die Kammer durchaus bei ihrer in dem Hinweisbeschluss vom 13.10.2020 (dort S. 3) geäußerten Auffassung. Allerdings hat die Zeugin L., nachdem die streitgegenständliche Wohnung zum Ablauf des Monats Juni 2020 freigeworden ist, keine Anstalten gemacht, in diese einzuziehen. Der Kläger hat dies damit erklärt, dass sie nach der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 29.09.2020 zum Jahresende 2020 neue Überlegungen anstellen musste. Auch die Zeugin L. hat geäußert, es sei in den fünf Jahren zwischen Kündigungsausspruch und Freiwerden der Wohnung viel passiert, sie sei Mutter geworden, ihre (gegenwärtige) Beziehung habe zeitweise auf der Kippe gestanden und – nicht zuletzt aufgrund der Corona-Situation – habe sie sich entschlossen, die Wohnung zu verkaufen und das Kaufgeld für eine Renovierung des elterlichen Hauses zu verwenden, dessen Miteigentümerin sie sei.

Andererseits hat die Zeugin kurz zuvor bekundet, sie habe die streitgegenständliche Wohnung beziehen wollen, „weil sie ja im Eigentum steht“. Mittlerweile bewohnt die Zeugin wieder eine Mietwohnung; diese befindet sich im M.-Weg in Hamburg-Br. Die Wohnkostenlast beträgt insgesamt 1.300 Euro, wovon die Zeugin die Hälfte trägt. Die Kammer erachtet es zumindest als ungewöhnlich, dass die Zeugin L. offenbar gar mehr erwogen hat, die eigens für sie gekündigte Wohnung nach dem Auszug der Beklagten zu beziehen, obgleich sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechtert haben und derzeit auch nicht erkennbar ist, dass sie die Nähe zu einem bestimmten Arbeits- oder „Umschulungs“-Platz benötigt.

Dies zugrunde gelegt hat die Kammer nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme letzte Zweifel daran, ob im Zeitpunkt der Kündigung überhaupt ein ernsthafter Nutzungswunsch der Zeugin L. hinsichtlich der streitgegenständlichen Mietwohnung bestanden hat. Diese mag zwar – mehr oder weniger beiläufig – erwogen haben, dort einzuziehen, eben weil es ja ihr bzw. ihrer Eltern Eigentum ist. Dass die Zeugin jedoch fest entschlossen gewesen ist, in eben diese Wohnung einzuziehen – was nach der BGH-Rechtsprechung erforderlich gewesen wäre (s. BGH, Urt. v. 23.09.2015, a.a.O.) – erachtet die Kammer als zweifelhaft. Trägt der Kläger jedoch für den von ihm geltend gemachten Eigenbedarf die Beweislast (BVerfG, Beschluss vom 30.03.1993 – 2 BvR 459/93 [NJW 1993, 2165]), so müssen letzte Zweifel zu seinen Lasten gehen.

2. Die Kosten des Vergleichs sind allerdings gegeneinander aufzuheben. Nach der weiteren Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben zwischen den Parteien noch Ansprüche auf eine erhöhte Nutzungsentschädigung gem. § 546a Abs. 1 BGB sowie auf Schadensersatz wegen einer unrechtmäßigen Eigenbedarfskündigung im Raum gestanden. Wie diese Rechtsstreitigkeiten ausgegangen wären, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber völlig ungewiss gewesen. Namentlich für den beklagtenseits in Erwägung gezogenen Schadensersatzanspruch bestehen völlig andere Beweislastgrundsätze als für den prozessgegenständlichen Räumungsanspruch. Die Parteien wollten mittels des Vergleichsabschlusses jedoch offensichtlich einen Schlussstrich unter das – zurückhaltend formuliert – recht schwierige Mietverhältnis ziehen. Dies hat für eine Aufhebung der Vergleichskosten gesprochen.

 

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