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Einsichtsrecht des Mieters in Nebenkostenabrechnungsbelege

LG Berlin, Az.: 65 S 4/10, Urteil vom 01.03.2011

Auf die Berufung der Kläger wird das am 15.Dezember 2009 verkündete Anerkenntnisteil- und Schlussurteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee – 101 C 317/09 – geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern Einsicht in das Aufmaß für die ehemalige Wohnung der Kläger im Vorderhaus , 1. OG, … , … Berlin sowie in die Aufmaße der weiteren, einzelnen Mietobjekte zu gewähren.

Der Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Einsichtsrecht des Mieters in Nebenkostenabrechnungsbelege
Foto: Phushutter/Bigstock

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

1. Zulässigkeit der Berufung:

Die Berufung der Kläger ist zulässig; insbesondere ist sie – aufgrund der Zulassung in der angegriffenen Entscheidung – statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519 ZPO eingereicht und auch begründet, § 520 ZPO.

2. Begründetheit der Berufung:

In der Sache hat die Berufung Erfolg.

Die Kläger haben Anspruch auf die begehrte Einsicht in die vermieterseits erstellten Aufmaße, § 259 BGB.

Grundsätzlich steht dem Mieter ein Einsichtsrecht in die Belege der Nebenkostenabrechnung zu, das für den Bereich des preisfreien Wohnraums – der hier mangels gegenteiligen Vortrags anzunehmen ist – nicht aus der für preisgebundenen Wohnraum einschlägigen Norm des § 29 Abs. 1 NMV abgeleitet werden kann, sondern aus § 259 BGB abgeleitet wird. Dabei bezieht sich dieses Einsichtsrecht auf alle Unterlagen, auf denen die Abrechnung beruht (Weitemeyer in: Staudinger, Kommentar (2006) zu § 556 Rn 112; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl. 2009, S. 149 Rn 3289). Deshalb ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter im Original sämtliche Rechnungen und sonstigen Belege zu präsentieren (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht Kommentar, 9. Auflage 2007, zu § 556 BGB, Rn.: 481).

Sinn und Zweck des Einsichtsrechts ist es, dem Mieter die Kontrolle der in die Abrechnung eingestellten Kosten ermöglichen.

Dies umfasst im Hinblick auf die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (seit: BGH NJW 1982, 573) erforderlichen Mindestangaben für die Abrechnung über Betriebskosten:

– die Zusammenstellung der Gesamtkosten,

– die Angabe und Erläuterung des Verteilerschlüssels,

– die Berechnung des Mieteranteils,

– und den Abzugs der Vorauszahlungen des Mieters,

aus Kammersicht auch die Einsichtnahme in die zur Nachvollziehbarkeit des Verteilerschlüssels nötigen Unterlagen.

Zudem haben die Parteien vorliegend in § 4 (3) des Mietvertrages vereinbart, dass die Heizkosten „nach einem einheitlichen Abrechnungsmaßstab umgelegt (werden), und zwar nach der Wohn- bzw. Nutzfläche des Hauses. …“ Entsprechendes ist für die kalten Betriebskosten in § 3 (6) S. 1 des Vertrages vereinbart.

Demzufolge können die Mieter nur dann die Richtigkeit der vermieterseits zugrunde gelegten Verteilerschlüssels überprüfen, wenn ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, die Unterlagen einzusehen, die der Vermieter zur Berechnung der dem Verteilerschlüssel zugrunde gelegten Flächen herangezogen hat.

Die Kammer hat dem beklagten Vermieter im Rahmen einer Auflage aufgegeben, darzulegen, auf welche Weise er den der Flächenumlage zugrunde gelegten Verteilerschlüssel ermittelt hat. Hierzu hat der Beklagte im Schriftsatz vom 18.11.2010 vorgetragen, dass der streitgegenständlichen Abrechnung für das Jahr 2007 von ihm selbst erstellte Flächenberechnungen zugrunde liegen.

Die nicht näher begründete Rechtsauffassung des Beklagten, dass das Einsichtsrecht der Kläger sich auf diese Flächenberechnungen nicht beziehe, trifft nicht zu.

Entgegen seiner erstinstanzlich vertretenen Ansicht handelt es sich bei den von ihm erstellten Flächenberechnungen nicht um „private“ Unterlagen, wenn er sie zur Abrechnung der Betriebskosten gegenüber den Klägern und den übrigen Mietern des Objekts verwandt hat, was nach seinem eigenen Vortrag der Fall ist. Damit werden diese Flächenberechnungen vielmehr zur maßgeblichen Unterlage für die Überprüfung der Richtigkeit des Umlageschlüssels.

Der Umlageschlüssel gehört nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zum notwendigen Inhalt einer Nebenkostenabrechnung. Der Bundesgerichtshof hat – unter Darlegung des entsprechenden Meinungsstreits – in der Entscheidung vom 28.5.2008 – VIII ZR 261/07 – (zitiert nach juris) ausgeführt, dass für die formelle Rechtmäßigkeit eine Erläuterung nicht erforderlich sei, sofern der angegebene Umlageschlüssel aus sich heraus nachvollziehbar ist (Rz 12); dies betrifft allein die materielle Richtigkeit.

Zwar sind hier die Umlageschlüssel selbst nachvollziehbar, also verständlich, die verschiedenen Flächenangaben als Umlageschlüssel verschiedener Betriebskosten begründen aber Zweifel an ihrer Richtigkeit. Dort wird auf S. 3 der Abrechnung die den Grundkosten der Heizung zugrunde gelegte Fläche mit 320,79 qm angegeben. Die „kalten“ Betriebskosten (bezeichnet als „Hausnebenkosten“) werden auf eine Gesamtfläche von 313,29 qm umgelegt. Dies ist nicht nachvollziehbar. Die Parteien haben, wie die Einsichtnahme in den Mietvertrag der Kläger belegt, zwar keine Heizfläche gesondert vereinbart, so dass davon auszugehen ist, dass im Haus insgesamt die Wohnflächen auch den Heizflächen entsprechen. Ausgehend davon müssten sich aber die Flächen für die Grundkosten der Heizung und die Umlagefläche für die kalten Betriebskosten in ihrer Höhe entsprechen. Hier ist aber letztere um 7,5 qm geringer als die erstere, ohne dass dies in der Abrechnung oder im Rahmen des Rechtsstreites vermieterseits erläutert wurde, obgleich die Kläger schon in der Klage auf diese Differenz hingewiesen haben (bezogen auf die Kosten der Gemeinschaftsantenne liegt sogar eine Flächenabweichung von 42 qm vor, die gleichfalls nicht erläutert wurde).

Zwar lässt sich dem § 259 Abs. 1 BGB unmittelbar nur das Recht auf Einsicht in Belege entnehmen, weil diese die Rechenschaftspflicht über Einnahmen und Ausgaben betrifft. Ein Beleg, wie er der natürlichen Wortbedeutung zufolge zu verstehen ist, nämlich eine Quittung für erworbene Gegenstände oder erbrachte Leistungen, stellt eine Flächenberechnung nicht dar.

Die Besonderheit einer Nebenkostenabrechnung besteht aber darin, dass diese im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses ergeht und dann, wenn sie sich – wie hier – auf ein Mehrfamilienobjekt bezieht, eben schon aus der Natur der Sache heraus über die Belegvorlage hinausgehend auch die Umlage der aus den Belegen hervorgehenden Beträge auf die beteiligten Nutzer nachvollziehbar darzustellen hat. Wenn aber vermieterseits – in insoweit zulässiger Weise – die Flächen der einzelnen Wohnungen als Umlagemaßstab herangezogen werden und diese im Rahmen der Abrechnung zweifelhaft werden, so ist vor dem Hintergrund des aus dem Sinn und Zweck des Einsichtsrechts fließenden Kontrollrechts des Mieters, auch die Einsicht in die Unterlagen erforderlich, die dem Umlagemaßstab zugrunde liegen. Anderenfalls würde aus Kammersicht das Einsichtsrecht leer laufen, wenn gerade der Umlagemaßstab, der die Grundlage einer Abrechnung bildet, mieterseits nicht überprüft werden kann. Gerade im Hinblick auf die auch von der Kammer für zutreffend gehaltene Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.7.2008 (2-17 S 150/07; zitiert nach juris) kann der Mieter die Richtigkeit dieses Umlagemaßstabes nur dann mit der erforderlichen Substanz bestreiten, wenn er zuvor Einsicht in die Unterlagen genommen hat, die der Vermieter der Berechnung des Umlageschlüssels zugrunde gelegt hat. Erst wenn der Mieter Einsicht in die Vermessungsergebnisse genommen hat, kann er entweder die Richtigkeit der zugrunde gelegten Werte feststellen oder aber konkrete Einwände dagegen erheben.

Nach Auffassung der Kammer folgt hieraus aber nicht, dass für jede Nebenkostenabrechnung Einsicht in die Vermessungsunterlagen genommen werden kann. Vielmehr sind zunächst seitens der Mieter konkrete Einwände gegen die Richtigkeit der ihrer Abrechnung zugrunde gelegten Flächen erforderlich. Anderenfalls besteht ein solches Bedürfnis für eine Einsichtnahme nicht.

Vorliegend ist ein solches Bedürfnis gegeben. Zum einen lässt die Abrechnung auf den ersten Blick die dargelegten Unstimmigkeiten der Bezugsflächen erkennen, die vermieterseits nicht aufgeklärt wurden. Überdies haben die Kläger – insoweit unbestritten – vorgetragen, dass auch der Beklagte persönlich eine Wohnung im Hause nutzt, ohne diese Fläche in die Abrechnung einzubeziehen, so dass vor diesem Hintergrund ein Interesse an der Einsichtnahme in die Flächenberechnungen des Beklagten besteht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, da hier im Hinblick auf den unstreitigen Sachvortrag der Kläger über die Selbstnutzung einer nicht in die Gesamtfläche einbezogenen Wohnung durch den Beklagten schon das erforderliche Interesse an der Einsichtnahme bestand und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

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